Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Juli 2004 - 2 Ss 42/04

bei uns veröffentlicht am16.07.2004

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts F vom 4. Dezember 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe

 
Gegen den Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid vom 23.6.2003 wegen einer am 23.2.2003 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (Überschreitung um 42 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften) ein Bußgeld von 100 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Den durch die Bevollmächtigte des Betroffenen zulässig eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht F mit Urteil vom 4.12.2003 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene mit der Sachrüge (OLG Düsseldorf NStZ 1992, 39) das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses geltend macht, da er Honorarkonsul der Republik Zypern und die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit „durch die konsularische Tätigkeit ... bedingt“ gewesen sei, führt in der Sache nicht zum Erfolg. Eine Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses kommt entgegen den übereinstimmenden Anträgen des Betroffenen und der Generalstaatsanwaltschaft nicht in Betracht.
Ein Prozesshindernis wegen Immunität des Betroffenen kann der Senat nicht erkennen. Zwar ist aufgrund der vom Betroffenen im Verfahren vorgelegten Ablichtungen von Dokumenten davon auszugehen, dass er als Honorarkonsul für die Republik Zypern tätig und als solcher vom Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 erfasst ist, so dass gem. § 19 Abs. 1 GVG eine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit in Betracht zu ziehen ist. Die vom Senat im Freibeweisverfahren erforschten Tatsachen (vgl. BGHSt 16, 164, 166) belegen indes keine ein Verfahrenshindernissen begründende Immunität des Betroffenen.
Nach Art. 43 Abs. 1 WÜK unterfallen Honorarkonsule nur mit solchen Taten nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, die sie in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen haben. Da die Durchführung von Fahrten mit einem Kraftfahrzeug keine spezifische konsularische Aufgabe darstellt (OLG Düsseldorf NZV 1997, 92 f.), unterliegt die Ahndung von Zuwiderhandlungen, die während der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr begangen werden, grundsätzlich keiner Beschränkung, selbst wenn ein Zusammenhang mit dienstlichen Tätigkeiten besteht (OLG Düsseldorf NZV 1997, 92 f.; vgl. auch BayObLG NJW 1992, 641; HansOLG Hamburg NJW 1988, 2191). Ein Verfahrenshindernis wegen Amtsimmunität (vgl. BayObLG NJW 1974, 431; BayObLG NJW 1992, 641) ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn der Gebrauch des Kraftfahrzeugs in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer konsularischen Aufgabe stand (vgl. BayObLG NJW 1974, 431; OLG Schleswig VRS 62, 277 f.; OLG Düsseldorf NZV 1997, 92 f.).
Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist vorliegend - auch unter Berücksichtigung des Zweifelgrundsatzes (OLG Schleswig VRS 62, 277 f.) - nicht erkennbar. Den Akten kann entnommen werden, dass eine Frau ... am 19.3.2003 namens der ...GmbH, deren Geschäftsführer der Betroffene ist, bei der Bußgeldbehörde um die Vorlage eines Fotos des Fahrers gebeten hatte, da es sich bei dem betreffenden Fahrzeug um ein Firmenfahrzeug handele und festgestellt werden solle, wer zum fraglichen Zeitpunkt gefahren sei. Dieser Vortrag wurde mit Schreiben vom 22.4.2004 anlässlich der Anhörung und bei der Einlegung des Einspruchs sowie in einem vom Betroffenen selbst stammenden Schreiben vom 7.7.2003 an die Bußgeldbehörde wiederholt. Erst mit Schreiben vom 19.11.2003 hat der zwischenzeitlich eingeschaltete Verteidiger des Betroffenen mitgeteilt, dass der Betroffene Honorarkonsul sei. In der Begründung der Rechtsbeschwerde wird nun erstmals vorgetragen, dass der Betroffene das Fahrzeug in Ausübung seines Amtes als Honorarkonsul benutzt habe und die Fahrt am 23.2.2003 „durch die konsularische Tätigkeit des Betroffenen bedingt“ gewesen sei. Der Anregung des Senats, die damalige konsularische Aufgabe zu konkretisieren, ist der Betroffene nicht nachgekommen. Er hat durch seinen Verteidiger lediglich vortragen lassen, die verfahrensgegenständliche Fahrt sei durch eine konsularische Tätigkeit notwendig geworden, deren Einzelheiten nicht dargelegt werden könnten.
Damit vermag der Senat den geforderten engen Sachzusammenhang zwischen der Fahrt am 23.2.2003 und einer konkreten konsularischen Tätigkeit des Betroffenen nicht zu erkennen. Vielmehr entnimmt er dem von Frau ...für die ... GmbH und dem Betroffenen mit der Bußgeldstelle und dem Gericht geführten Schriftwechsel, dass das auf die GmbH zugelassene Fahrzeug, bei dem es sich nach Aktenlage um einen Geschäftswagen handelt, trotz der möglichen Kennzeichnung mit „“ in erster Linie geschäftlich genutzt wird und sowohl Frau ... als auch der Betroffene jedenfalls zunächst auch für den 23.2.2003 von einer Geschäftsfahrt ausgingen. Der damit naheliegende Schluss, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fahrt um eine Geschäftsfahrt gehandelt hat, wird durch die nun aufgestellte Behauptung des Betroffenen, die Fahrt sei durch eine konsularische Tätigkeit notwendig geworden, nicht in Frage gestellt. Vielmehr begründet der Umstand, dass der Betroffene die behauptete konsularische Tätigkeit nicht konkretisiert hat, Zweifel, ob die Fahrt überhaupt eine konsularische Veranlassung hatte. Davon abgesehen ergeben sich aber auch weder aus den Akten noch aus dem allgemein gehaltenen Vortrag des Betroffenen Anhaltspunkte für einen engen sachlichen Zusammenhang der Fahrt mit einer konkreten konsularischen Aufgabenerfüllung. Eine allgemeine Immunität, wie sie § 18 GVG für die Mitglieder diplomatischer Missionen vorsieht, hat der Betroffene als Honorarkonsul aber gerade nicht.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 473 Abs.1 StPO, 46 Abs.1 OWiG.

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 74 Verfahren bei Abwesenheit


(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 18


Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (Bund

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 19


(1) Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Wahlkonsularbeamten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (Bundesgesetzbl. 19

Referenzen

(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen Erklärungen sind durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen. Es genügt, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden.

(2) Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen.

(3) Der Betroffene ist in der Ladung über die Absätze 1 und 2 und die §§ 73 und 77b Abs. 1 Satz 1 und 3 zu belehren.

(4) Hat die Hauptverhandlung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ohne den Betroffenen stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.

(1) Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Wahlkonsularbeamten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (Bundesgesetzbl. 1969 II S. 1585ff.) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dies gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Artikel 2 des Gesetzes vom 26. August 1969 zu dem Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (Bundesgesetzbl. 1969 II S. 1585) entsprechende Anwendung.

(2) Besondere völkerrechtliche Vereinbarungen über die Befreiung der in Absatz 1 genannten Personen von der deutschen Gerichtsbarkeit bleiben unberührt.

Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (Bundesgesetzbl. 1964 II S. 957ff.) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dies gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Artikel 2 des Gesetzes vom 6. August 1964 zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (Bundesgesetzbl. 1964 II S. 957) entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.