Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 25. Jan. 2012 - 18 UF 257/11

bei uns veröffentlicht am25.01.2012

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht Freiburg vom 04.08.2011 (42 F 300/11) wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsgegner hat am 20.02.2009 mit Zustimmung der Antragstellerin die Vaterschaft für das am 30.01.2009 geborene Kind J. S., das im Wege der künstlichen Befruchtung gezeugt wurde, anerkannt. Die Antragstellerin hat die Vaterschaft angefochten. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die Antragstellerin aufgrund wirksamer Einwilligungen gemäß § 1600 Abs. 5 BGB von der Anfechtung der Vaterschaft ausgeschlossen ist.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben sich am 28.03.2008 kennen gelernt und eine intime Beziehung aufgenommen. Etwa vier Wochen später teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass sie nach S. fahren und sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen werde. Die hierfür notwendige Hormonbehandlung hatte sie bereits vor dem 28.03.2008 begonnen. Die künstliche Befruchtung wurde im Juni 2008 durchgeführt, wobei die Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers der Antragstellerin in vitro stattfand.
Im Zeitraum von November 2008 bis Juli 2010 lebten die Antragstellerin und der Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft. Nachdem der Antragsgegner angekündigt hatte, die Frage der Abstammung klären zu lassen, leitete die Antragstellerin das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein.
Die Antragstellerin trägt vor, eine die Anfechtung der Vaterschaft ausschließende Einwilligung des Antragsgegners in die künstliche Befruchtung liege nicht vor. Jedenfalls sei ihr eine entsprechende Erklärung des Antragsgegners nie zugegangen. Der Antragsgegner selbst habe sich die Anfechtung der Vaterschaft bis zuletzt offen gehalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ebenfalls nicht vom Vorliegen einer die Anfechtung der Vaterschaft ausschließenden Einwilligung ausgehe. Auf Seiten der Antragstellerin habe kein Bedürfnis bestanden, den Antragsgegner nach einer Einwilligung zu fragen, weshalb auch ihrerseits gegenüber dem Antragsgegner keine Einwilligungserklärung abgegeben worden sei.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Anerkennung der Vaterschaft unwirksam ist und das Kind J. S., geboren am 30.01.2009, nicht das Kind des Antragsgegners ist.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.
Er trägt vor, die mit dem Samen eines Dritten durchgeführte künstliche Befruchtung sei mit seiner Einwilligung erfolgt, so dass die Anfechtung der Vaterschaft durch die Antragstellerin ausgeschlossen sei. Der Antragsgegner habe unmissverständlich gegenüber der Antragstellerin geäußert, dass er diese unterstütze und in das Vorhaben der Antragstellerin einwillige. Er habe der Antragstellerin sinngemäß erklärt, dass sie das machen solle. Ein mündliches Bekenntnis des Inhalts "ich bin damit einverstanden. Ja, ich will, dass Du das machst" reiche völlig aus. Entsprechend habe sich der Antragsgegner geäußert.
Das als Ergänzungspfleger für das Kind J. eingesetzte Jugendamt hat die Vaterschaftsanfechtung nicht befürwortet. Es sei ein Vater-Kind-Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und J. entstanden, welches beibehalten werden sollte. Im Falle des Erfolgs des Anfechtungsverfahrens müsse J. ohne Vater aufwachsen, was auch den Verlust von Unterhalts- und Erbansprüchen bedeuten würde.
10 
Das Familiengericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Abstammungsgutachtens. Der Sachverständige Prof. Dr. P. gelangt in seinem Gutachten vom 17.06.2011 zum Ergebnis, dass der Antragsgegner von der Vaterschaft zu dem Kind J. auszuschließen sei.
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Mit Beschluss vom 04.08.2011 hat das Familiengericht festgestellt, dass der Antragsgegner nicht der Vater des am 30.01.2009 geborenen Kindes J. S. ist. Eine Einwilligung des Antragsgegners im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB liege nicht vor. Die von ihm behauptete Erklärung, mit der künstlichen Befruchtung einverstanden zu sein, sei nicht auf eine rechtsgeschäftliche Handlung gerichtet. Auf den Beschluss vom 04.08.2011 wird Bezug genommen.
12 
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, es liege sehr wohl eine Einwilligungserklärung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vor. Dies zeige sich bereits in seinen Bemühungen, mit seiner Tochter weiter Kontakt halten zu können. Die Anfechtung diene nicht dem Kindeswohl, da unnötigerweise eine Halbwaise produziert würde. Wie eine Entscheidung des OLG Hamm vom 02.02.2007 (FamRZ 2008, 630) zeige, reiche die Erklärung "ja ich will, dass Du das machst" als Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB völlig aus. Dass er die Verantwortung für J. übernehmen wolle, zeige sich auch in der Anerkennung der Vaterschaft und der Zahlung des titulierten Kindesunterhalts.
13 
Die Antragstellerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Der Antragsgegner sei zu keinem Zeitpunkt in ihre Entscheidung, eine künstliche Befruchtung durchzuführen, einbezogen worden.
14 
Das Jugendamt hat seinen in erster Instanz vertretenen Standpunkt aufrecht erhalten.
15 
Der Senat hat die beteiligten Eltern persönlich angehört. Bezüglich des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk vom 24.01.2012 verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
16 
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
17 
Spätestens seit Vorliegen des nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. gehen die Antragstellerin und der Antragsgegner übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass nicht der Antragsgegner, sondern ein anonymer Dritter aufgrund der durchgeführten künstlichen Befruchtung der biologische Vater des Kindes J. ist.
18 
Der einzige, vom Antragsgegner gegen die erstinstanzliche Entscheidung vorgebrachte Einwand, die Anfechtung der Vaterschaft sei ausgeschlossen, da eine Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorliege, greift nicht durch.
19 
Nach § 1600 Abs. 5 BGB ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen, wenn das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist.
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Für den Ausschluss der Anfechtung der Vaterschaft fehlt es jedoch an einer beiderseitigen Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB.
21 
1. Mit dem Familiengericht ist davon auszugehen, dass die Einwilligungserklärung nach § 1600 Abs. 5 BGB eine Willenserklärung darstellt und dementsprechend deren objektive und subjektive Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Der Senat schließt sich insoweit der herrschenden Meinung an (vgl. Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearbeitung 2011, § 1600 Rn. 80; Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl. 2011, § 1600 Rn. 11; Erman/Hammermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 1600 Rn. 27; Münchener Kommentar/Wellenhofer, BGB, 5. Aufl. 2008, Spieckhoff, Medizinrecht, 1. Aufl. 2011, § 1600 BGB Rn. 12; § 1600 Rn. 31; Roth, DNotZ 2003, 805, 809). Der vereinzelt vertretenen Gegenmeinung, welche die Einwilligung als willensgetragenen Realakt charakterisiert (Wanitzek, FamRZ 2003, 730), folgt der Senat nicht.
22 
a) Der Gesetzgeber hat in Fällen, in denen sich Eheleute und nicht miteinander verheiratete Paare bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung entscheiden, die Erforderlichkeit des Anfechtungsausschlusses in "der Verantwortung der beteiligten Eltern für das auf diese Weise gezeugte Kind" gesehen (BT-Drucks. 14/2096, Seite 7). Danach bildet die bewusste Entscheidung der Eltern die Grundlage für die Zurechnung der künstlichen Befruchtung zu dem in diese einwilligenden Mann. Verantwortung kann den Einwilligenden - anders als bei einer natürlichen Zeugung - aus seiner Entscheidung nur treffen, wenn sein Wille über die reine Zeugung hinaus auch darauf gerichtet ist, Vater zu werden. Da eine biologische Vaterschaft im Fall der Fremdsamenübertragung ausscheidet, kommt insoweit lediglich der Wille zur rechtlichen Vaterschaft in Betracht (Roth, a.a.O.). Die Einwilligung des Mannes ist damit - auch wenn sie nicht unmittelbar statusrechtliche Folgen nach sich zieht - zumindest mittelbar auf die Rechtswirkungen der Vaterschaft gerichtet (Spickhoff a.a.O.). Darüber hinaus führt sie als weitere Rechtsfolge gemäß § 1600 Abs. 5 BGB zum Ausschluss der Anfechtbarkeit der Vaterschaft. Die Einwilligung erfüllt damit als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens die Merkmale einer Willenserklärung.
23 
Für die Charakterisierung der Einwilligung in § 1600 Abs. 5 BGB als Willenserklärung spricht darüber hinaus, dass der Bundesgerichtshof bereits vor der im Jahr 2002 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung (damals zunächst § 1600 Abs. 2 BGB) in den Einwilligungserklärungen der Wunscheltern in eine künstliche Befruchtung einen Vertrag zu Gunsten des Kindes, und damit ein Rechtsgeschäft gesehen hat (BGH NJW 1995, 2028). Dabei wurde einerseits das Recht zur Anfechtung der Vaterschaft als unverzichtbar und die Anfechtung als zulässig erachtet, andererseits jedoch das konkludente Zustandekommen einer vertraglichen Verpflichtung des Vaters zur Zahlung von Unterhalt in gesetzlicher Höhe angenommen. An der danach in Fällen der künstlichen Befruchtung grundsätzlich bestehenden Bindungswirkung der Einwilligungserklärungen hat die Regelung des § 1600 Abs. 5 BGB nichts geändert, sondern hält den in die künstliche Befruchtung Einwilligenden durch den normierten Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung in noch stärkerem Maße als bislang an seiner Einwilligung fest.
24 
Schließlich lässt auch die Gesetzessystematik unter Berücksichtigung der gesetzlichen Definition in § 183 BGB den Schluss zu, dass die Einwilligung in § 1600 Abs. 5 BGB als Willenserklärung zu verstehen ist.
25 
b) Eine besondere Form für die Einwilligung sieht das Gesetz nicht vor. Erforderlich ist jedoch - als wesentliches Merkmal einer Willenserklärung - ein Rechtsbindungswille des Einwilligenden (Staudinger/Rauscher a.a.O. Rn. 78; Spickhoff a.a.O. Rn. 13; zur Frage der Form im Ergebnis auch OLG Hamm, FamRZ 2008, 630).
26 
2. Eine Willenserklärung mit dem Inhalt, rechtlicher Vater des aus der künstlichen Befruchtung der Antragstellerin hervorgehenden Kindes werden zu wollen, hat der Antragsgegner nicht abgegeben.
27 
a) Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner blieb bis zuletzt streitig, wie der Antragsgegner auf die Mitteilung der Antragstellerin, eine künstliche Befruchtung durchführen zu lassen, reagiert hat.
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Schriftsätzlich hatte der Antragsgegner zuletzt vorgetragen, er habe mit den Worten "ich bin damit einverstanden. Ja, ich will, dass Du das machst" in die künstliche Befruchtung eingewilligt. Bei der Anhörung durch den Senat erklärte er, er sei auf die Mitteilung der Antragstellerin hin zunächst überrascht gewesen. Ihm sei jedoch schnell klar geworden, dass er den Weg der Antragstellerin mitgehen und zu ihr stehen wolle. Entsprechend habe er sich gegenüber der Antragstellerin geäußert. Er habe sich nicht von ihr getrennt.
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Die Antragstellerin hat demgegenüber wie bereits im Termin vor dem Familiengericht und in ihren Schriftsätzen angegeben, dass derartige Äußerungen des Antragsgegners nicht gefallen seien. Zum Zeitpunkt, als sie den Antragsgegner über ihre geplante künstliche Befruchtung informiert habe, sei ihr Verhältnis zueinander nicht mehr als eine Affäre gewesen. Sie habe bereits in den Jahren 2005 und 2006 versucht, ihren Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtungen zu erfüllen, habe jedoch jeweils Fehlgeburten gehabt. Für ihren nach wie vor extrem starken Kinderwunsch habe der - nach der Mitteilung der geplanten künstlichen Befruchtung zunächst schockierte - Antragsgegner Verständnis gezeigt. Es sei allerdings klar gewesen, dass dies allein ihre „Geschichte“ sei. Eine gemeinsame Elternschaft sei für sie zu diesem Zeitpunkt „kein Thema“ gewesen. Sie habe „Single-Mutter“ werden wollen.
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b) Weitere Möglichkeiten, den tatsächlichen Verlauf und Inhalt des zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner unstreitig geführten Gesprächs aufzuklären, stehen nicht zur Verfügung. Unter Würdigung der Gesamtumstände konnte der Senat aus der Anhörung der Antragstellerin und des Antragsgegners keine zur Überzeugungsbildung ausreichende Sicherheit gewinnen, dass vor Durchführung der künstlichen Befruchtung eine Einwilligung des Antragsgegners im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorlag, und zwar selbst dann, wenn man eine die Antragstellerin in ihrem Vorhaben unterstützende Reaktion des Antragsgegners - wie von ihm geschildert - unterstellt. Dies geht zu Lasten des Antragsgegners. Dieser trägt, da er sich gegen die Anfechtung wendet, die Feststellungslast für das Vorliegen einer die Anfechtung ausschließenden Willenserklärung, mit der er seine Einwilligung in die künstliche Befruchtung zum Ausdruck gebracht hat (Staudinger/Rauscher a.a.O. Rn. 79; Spickhoff a.a.O. Rn. 13).
31 
aa) Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens. Für den objektiven Tatbestand genügt die nach außen erkennbare Kundgabe eines Rechtsfolgewillens (Palandt/Ellenberger a.a.O. Einf. v. § 116 Rn. 1). Entscheidend ist insoweit, ob - vom Standpunkt eines objektiven Beobachters (BGHZ 21, 102, 106 f.) - der Erklärungsempfänger aus dem Handeln des Erklärenden unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben auf einen solchen Willen schließen musste. Ein nicht nach außen in Erscheinung getretener innerer Willen des Erklärenden bleibt unberücksichtigt.
32 
Gerade bei Äußerungen im höchstpersönlichen Bereich, wie die hier zu beurteilende Einwilligung in eine künstliche Befruchtung, ist der Rechtsbindungswille sorgsam zu prüfen (Staudinger/Rauscher, a.a.O. Rn. 78; Spickhoff a.a.O. Rn. 13). Mit der Einwilligung disponiert auch der nicht mit der Mutter verheiratete Mann - jedenfalls zusammen mit der Vaterschaftsanerkennungserklärung - über seinen eigenen höchstpersönlichen Status. Der Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung greift in erheblichem Maße in sein Persönlichkeitsrecht ein.
33 
bb) Ausgehend von diesen Kriterien lässt sich auf Seiten des Antragsgegners kein hinreichender Anhaltspunkt für einen Rechtsbindungswillen erkennen, der auf die Übernahme von Verantwortung für ein aus der künstlichen Befruchtung hervorgehendes Kind gerichtet war.
34 
Die Mitteilung der Antragstellerin über ihre Entscheidung, eine künstliche Befruchtung durchführen zu lassen, kann unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erkennbar nur als bloße Information über die von ihr insoweit bereits getroffene Entscheidung verstanden werden.
35 
Der Inhalt der vom Antragsgegner geschilderten Äußerung gegenüber der Antragstellerin lässt zwar erkennen, dass der Antragsgegner auch bei Durchführung der künstlichen Befruchtung zu der Antragstellerin stehen wollte, auch wenn sie Mutter werden sollte, und dies - trotz der damaligen Kürze der Beziehung - kein Grund für ihn war, die Beziehung zu beenden. Dass er aber rechtlicher Vater des Kindes werden wollte, lässt sich dem von ihm geschilderten Gesprächsverlauf vom Standpunkt eines objektiven Beobachters nicht entnehmen.
36 
Gegen einen derartigen Rechtsbindungsbildung sprechen darüber hinaus folgende Gesichtspunkte: Die Antragstellerin und der Antragsgegner kannten sich zum Zeitpunkt der Mitteilung der Antragstellerin über die geplante künstliche Befruchtung erst seit wenigen Wochen. Eine häusliche Gemeinschaft bestand nicht. Dass eine solche in diesem frühen Stadium der Beziehung bereits geplant war, ist weder vorgetragen noch nahe liegend, nachdem die Antragstellerin und der Antragsgegner erst im November 2008 zusammengezogen sind. Schließlich war die für die künstliche Befruchtung erforderliche Hormonbehandlung von der Antragstellerin ohne Einbeziehung des Antragsgegners bereits eingeleitet worden. Sie beruhte damit allein auf dem unabhängig von der späteren Beziehung zum Antragsgegner bestehenden Kinderwunsch der Antragstellerin.
37 
Hinzu kommt, dass - ausgehend von den Angaben der Antragstellerin und des Antragsgegners im Senatstermin - die künstliche Befruchtung vor deren Durchführung offenbar nur ein einziges Mal thematisiert wurde. Ein auch nur ansatzweiser Austausch über ethische, religiöse, medizinische, psychologische, rechtliche oder gesellschaftliche Fragen, welche mit einer künstlichen Befruchtung verbunden sind, fand nicht statt. Auch ein Gespräch über die Art der künstlichen Befruchtung wurde zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner nicht geführt. Ferner ist nicht erkennbar, dass eine etwaige spätere Anerkennung der Vaterschaft zum damaligen Zeitpunkt ins Gespräch gebracht wurde.
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Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Antragstellerin unstreitig zum Zeitpunkt der Mitteilung ihres Vorhabens noch nicht daran gelegen war, eine Beziehung einzugehen. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass die Antragstellerin ihre bereits getroffene Entscheidung von der Reaktion des Antragsgegners abhängig machen wollte oder von ihm die Abgabe einer bindenden Einwilligung, welche einen Anfechtungsausschluss zur Folge hätte, erwartete. Ihrer Mitteilung über die beabsichtigte künstliche Befruchtung kann daher aus objektiver Sicht erkennbar keine über eine bloße Information hinausgehende Bedeutung beigemessen werden.
39 
Bereits unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Annahme fernliegend, der Antragsgegner habe seinerseits durch seine behauptete Erklärung mit Rechtsbindungswillen seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die Verantwortung für ein aus der künstlichen Befruchtung hervorgehendes Kind zu übernehmen. Hinzu kommt jedoch insoweit, dass der Antragsgegner, der eine eigene biologische Vaterschaft zunächst für möglich hielt, offenbar von seiner eigenen Zeugungsfähigkeit ausgeht. Im Falle einer bereits damals bewusst gemeinsam getroffenen Entscheidung für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Befruchtung hätte folglich einer Verwendung des Samens des Antragsgegners nichts im Wege gestanden. Weshalb der Antragsgegner unter Berücksichtigung der geschilderten Gesamtumstände gleichwohl den Willen zur Übernahme der Verantwortung für ein nicht von ihm abstammendes Kind zum Ausdruck gebracht haben sollte, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Dies gilt umso mehr, als der Gedanke, den eigenen Samen für die künstliche Befruchtung einzusetzen, dem Antragsgegner nicht völlig fremd war. Er hat ihn allerdings nach seinen eigenen Angaben erst zu einem Zeitpunkt geäußert, als die Antragstellerin infolge der künstlichen Befruchtung bereits schwanger war.
40 
cc) Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die spätere Verfestigung der Beziehung zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner, die nach J. Geburt erfolgte Vaterschaftsanerkennung und die Entwicklung der Beziehung zwischen J. und dem Antragsgegner. Zur Beurteilung des Vorliegens eines Rechtsbindungswillens kann nicht auf Umstände zurückgegriffen werden, welche zeitlich nach der maßgeblichen Erklärung liegen. Entscheidend sind insoweit allein die im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbaren Umstände.
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dd) Entgegen der Ansicht des Antragsgegners rechtfertigt die von ihm zitierte Entscheidung des OLG Hamm vom 02.02.2007 (FamRZ 2008, 630) keine abweichende rechtliche Beurteilung. Ihr lag ein völlig anderer Sachverhalt zu Grunde. In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall waren die Eltern des künstlich gezeugten Kindes verheiratet, was auf eine - im Vergleich zum vorliegenden Verfahren - deutlich gefestigtere Beziehung hindeutet. Anders als hier hatte bereits zuvor ein einvernehmlicher Versuch der künstlichen Befruchtung mit Einwilligung des Ehemanns stattgefunden. Dieser war selbst zeugungsunfähig. Vor diesem Hintergrund und nach Durchführung einer Beweisaufnahme gelangte der entscheidende Senat zur Überzeugung, dass sich der die Vaterschaft anfechtende Ehemann zum Zeitpunkt der (häuslichen) künstlichen Befruchtung in der gleichen Wohnung aufhielt, von der Durchführung der künstlichen Befruchtung mit Drittsamen wusste und mit diesem Vorgang einverstanden war. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lässt sich damit dieser Entscheidung nicht entnehmen, dass allein die Anwesenheit in der Wohnung und die Kenntnis von der Durchführung der künstlichen Befruchtung für die Annahme einer Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB als ausreichend erachtet wurde.
42 
Dabei schließt der Senat nicht aus, dass - je nach den Umständen des Einzelfalles - aus der Anwesenheit eines Mannes bei einer künstlichen Befruchtung Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB gezogen werden können. Vorliegend war der Antragsgegner jedoch beim Vorgang der künstlichen Befruchtung gerade nicht selbst anwesend.
43 
ee) Auch der Schutzzweck des § 1600 Abs. 5 BGB rechtfertigt es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht, unter Umgehung der Voraussetzungen der Norm einen Ausschluss des Anfechtungsrechts anzunehmen. Gesichtspunkte des Kindeswohls können lediglich im Rahmen einer Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter Berücksichtigung finden (§ 1600a Abs. 4 BGB).
44 
3. Die Entscheidung des Familiengerichts ist im Ergebnis aber auch dann zutreffend, wenn die Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB als willensgetragener Realakt verstanden wird, denn auch in diesem Fall genügt die behauptete Erklärung des Antragsgegners nicht den Anforderungen an eine Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB. Erforderlich wäre in diesem Fall, dass durch die Handlung der Zustimmung ein tatsächlicher Erfolg - nämlich das Entstehen des Kindes aufgrund künstlicher Befruchtung - herbeigeführt wird, und die Zustimmung final auf diesen Erfolg gerichtet war (Wanitzek, a.a.O.).
45 
Entsprechend den obigen Ausführungen hatte die Antragstellerin vorliegend den Antragsgegner lediglich von ihrer bereits getroffenen Entscheidung, eine künstliche Befruchtung vornehmen zu lassen, in Kenntnis gesetzt. Wie bereits dargelegt, lässt die der bloßen Information dienende Mitteilung der Antragstellerin nicht den Schluss zu, dass sie ihre Entscheidung von der Reaktion des Antragsgegners abhängig machen wollte. Somit stellt die Erklärung der Antragstellerin keine mittelbar auf eine Zeugung abzielende Handlung und damit keinen willensgetragenen Realakt in oben genanntem Sinne dar. Ebenso wenig ließe sich - unter Berücksichtigung der Gesamtumstände - einer das Vorhaben der Antragstellerin befürwortenden Erklärung des Antragsgegners entnehmen, dass mit ihr zielgerichtet das Entstehen eines Kindes im Wege der künstlichen Befruchtung beabsichtigt war.
46 
4. Der Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das beteiligte Kind J. bedurfte es abweichend von §§ 174, 158 FamGKG nicht, da die Interessen des Kindes durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger angemessen vertreten werden (§ 158 Abs. 5 FamFG).
47 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG (Zöller/Greger/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012,. § 183 FamFG Rn. 5). Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 47 Abs. 1 FamGKG.
48 
6. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG). Die Rechtssache hat, wie sich aus der Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen ergibt, kein tatsächliches Gewicht. Der Senat ist weder von einer Entscheidung des BGH oder eines OLG noch von der herrschenden Meinung in der Literatur abgewichen. Unabhängig davon ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB als Realakt oder als Willenserklärung zu verstehen ist.

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(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
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3.
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4.
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(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sich ein anderes ergibt. Der Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Die Anfechtung kann nicht durch einen Bevollmächtigten erfolgen.

(2) Die Anfechtungsberechtigten im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 können die Vaterschaft nur selbst anfechten. Dies gilt auch, wenn sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind; sie bedürfen hierzu nicht der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Sind sie geschäftsunfähig, so kann nur ihr gesetzlicher Vertreter anfechten.

(3) Für ein geschäftsunfähiges oder in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind kann nur der gesetzliche Vertreter anfechten.

(4) Die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter ist nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Vertretenen dient.

(5) Ein geschäftsfähiger Betreuter kann die Vaterschaft nur selbst anfechten.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2.
eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3.
Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4.
eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.
der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2.
die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) In Abstammungssachen nach § 169 Nr. 1 und 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beträgt der Verfahrenswert 2 000 Euro, in den übrigen Abstammungssachen 1 000 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.