Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 12. Aug. 2008 - 15 AR 23/08

bei uns veröffentlicht am12.08.2008

Tenor

Als zuständiges Gericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weinheim vom 9. Oktober 2007 - M 1951/07- wird das Landgericht Mannheim bestimmt.

Gründe

 
I.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht Weinheim am 20.08.2007 wegen einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bensheim vom 05.06.2007 titulierten Forderung in Höhe von 1.433,21 EUR sowie wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 326,19 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Schuldner erlassen. Auf die Erinnerung des Schuldners hat das Amtsgericht Weinheim diesen Beschluss am 09.10.2007 aufgehoben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Mannheim zur Entscheidung vorgelegt. Mit den Parteien bekannt gegebenem Beschluss vom 20.05.2008 hat das Landgericht Mannheim das Beschwerdeverfahren an das Landgericht Karlsruhe abgegeben. Dieses sei gemäß § 72 Abs. 2 GVG zuständig, da es sich um eine Rechtsstreitigkeit gemäß § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG handle. Das Landgericht Karlsruhe hat sich mit den Parteien bekannt gegebenem Beschluss vom 23.06.2008 für unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgerichts Karlsruhe vorgelegt.
II.
Als zuständiges Gericht war gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog das Landgericht Mannheim zu bestimmen.
1. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO analog zur Entscheidung berufen.
a) § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts auch im Vollstreckungsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.1983 - IV b ARZ 49/82 - zitiert nach juris Rn. 6; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22.Aufl., § 36 Rn. 37) und auch dann, wenn der Zuständigkeitsstreit die Zuständigkeit für die Entscheidung über ein Rechtsmittel betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 02.10.1985 - IV b ARZ 24/85 - Rn. 8, zitiert nach juris).
b) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht vor. Denn die Landgerichte Mannheim und Karlsruhe haben sich nicht, wie in dieser Bestimmung gefordert, in rechtskräftigen Beschlüssen für unzuständig erklärt. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist aber im Interesse einer raschen Klärung negativer Kompetenzkonflikte entsprechend anzuwenden, wenn verschiedene mit der Sache befasste Gerichte ihre Kompetenz leugnen (vgl. BGHZ 104, 363 - Juris-Ausdruck Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 36 Rn. 25) und die Unzuständigkeitserklärungen der Gerichte den Verfahrensbeteiligten zumindest bekannt gemacht wurden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 579; NJW-RR 1992, 1154; NJW-RR 1996, 1217; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Sowohl das Landgericht Mannheim als auch das Landgericht Karlsruhe haben sich durch den Parteien bekannt gegebene Beschlüsse vom 20.05. bzw. 23.06.08 für unzuständig erklärt.
2. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weinheim vom 09.10.2007 ist gemäß § 72 Abs. 1 GVG das Landgericht Mannheim zuständig. Eine Rechtsmittelzuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist nicht begründet.
a) Gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die vorliegende Auseinandersetzung der Parteien über die Rechtmäßigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Weinheim vom 20.08.2007 ist keine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Karlsruhe sind unter Streitigkeiten in diesem Sinne allerdings nicht lediglich Erkenntnisverfahren in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten gemeint. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 23.06.2008 - 15 AR 13/08 - und vom 11.07.2008 - 15 AR 8/08) erfasst § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG vielmehr auch Vollstreckungsverfahren, sofern zuständiges Vollstreckungsorgan das für die Entscheidung von Wohnungseigentumssachen gemäß § 23 Nr. 2 c GVG, 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG berufene Amtsgericht als Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist. Denn wie bereits in dem gesetzlich angeordneten Gleichlauf der Entscheidungszuständigkeit im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zum Ausdruck kommt, stehen die vom Wohnungseigentumsgericht als Prozessgericht des ersten Rechtszugs im Zwangsvollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen typischerweise in engem Zusammenhang mit dem Erkenntnisverfahren. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, die Sache als ihrem Wesen nach vor die Wohnungseigentumsgerichte gehörend anzusehen. Der mit der Schaffung des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG verfolgte Zweck, durch eine häufigere und intensivere Befassung mit der komplexen Materie des Wohnungseigentumsrechts eine Qualitätssteigerung der Rechtsmittelentscheidungen und eine gleichmäßige Revisionszulassungspraxis herbeizuführen (vgl. BT-Drs. 16/3843, Seite 17, 29), gebietet es deshalb in diesen Fällen, die Rechtsmittelzuständigkeit bei dem in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG genannten Landgericht zu konzentrieren.
Diese Erwägungen beanspruchen jedoch keine Geltung, soweit zuständiges Vollstreckungsorgan das Vollstreckungsgericht ist, d. h. das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 828 Abs. 2 ZPO). Wie der Gesetzgeber bereits durch die Bestimmung eines anderen Gerichts als des im Erkenntnisverfahren zuständigen Prozessgerichts zum Vollstreckungsorgan zum Ausdruck gebracht hat, ist in diesen Fällen eine Sachnähe zum Erkenntnisverfahren typischerweise nicht gegeben, so dass die Annahme nicht gerechtfertigt ist, die Sache gehöre ihrem Wesen nach vor die Wohnungseigentumsgerichte (vgl. auch BGH NJW 1979, 1048, wonach sich die Zuständigkeit der Familiengerichte nicht auf die Verrichtungen erstreckt, die die Zivilprozessordnung den Vollstreckungsgerichten zuweist).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 12. Aug. 2008 - 15 AR 23/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 12. Aug. 2008 - 15 AR 23/08

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 12. Aug. 2008 - 15 AR 23/08 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 72


(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigk

Zivilprozessordnung - ZPO | § 828 Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts


(1) Die gerichtlichen Handlungen, welche die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte zum Gegenstand haben, erfolgen durch das Vollstreckungsgericht. (2) Als Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im

Referenzen

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die gerichtlichen Handlungen, welche die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte zum Gegenstand haben, erfolgen durch das Vollstreckungsgericht.

(2) Als Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Amtsgericht zuständig, bei dem nach § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.

(3) Ist das angegangene Gericht nicht zuständig, gibt es die Sache auf Antrag des Gläubigers an das zuständige Gericht ab. Die Abgabe ist nicht bindend.