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| Der 1981 geborene Kläger fordert aufgrund eines Verkehrsunfalls Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz aller zukünftigen Schäden verpflichtet ist. |
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| Am 29.6.2005 fuhr der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer mit einem 18 Meter langen Sattellastzug aus Richtung Z. auf der Xstraße in H. westlicher Richtung. Es herrschte Dämmerung und starker Regen. Das Klägerfahrzeug bewegte sich zwischen zwei Fahrzeugen der Feuerwehr H., die sich im Einsatz unter Sondersignal befanden. Um 20.51 Uhr überfuhr das vor ihm fahrende Feuerwehr-Fahrzeug, ein Lkw Unimog, einen im Eigentum der Beklagten stehenden Kanaldeckel, der vom starken Regen unterspült und aus seiner Fassung gehoben worden war. Der Kanaldeckel zerbrach dabei. Ein Teil des gusseisernen Kranzes mit einem Gewicht von etwa vier Kilogramm schleuderte gegen die Windschutzscheibe des 30 Meter dahinter fahrenden Klägerfahrzeugs. Der Kläger konnte den Sattelzug von 52 km/h auf 48 km/h abbremsen. Das Kanaldeckelstück zerschlug die Windschutzscheibe und traf auf das Gesicht des Klägers. Der Sattelzug kam daraufhin nach links von der Fahrbahn ab, stieß gegen einen am Straßenrand geparkten PKW Smart, der weg katapultiert wurde, geriet über den Gehweg und prallte gegen einen Baum, wodurch das Führerhaus stark eingequetscht wurde. |
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| Der Kläger wurde bei dem Unfall erheblich verletzt. Er wurde zwei Wochen stationär behandelt und musste sich in der Folgezeit mehreren gesichtschirurgischen und zahntechnischen Eingriffen unterziehen. Seit dem 1. Mai 2007 arbeitet der Kläger wieder als Lkw-Fahrer. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat außergerichtlich ein Schmerzensgeld von 9.000,00 EUR an den Kläger gezahlt. Der Kläger verlangt noch einen weiteren Schmerzensgeldbetrag von mindestens 56.000,00 Euro. Ihm entstand in der Zeit vom September 2005 bis April 2007 ein Verdienstausfall in Höhe von 2.183,24 Euro. Der Kläger hat neben dem Verdienstausfall zunächst einen Haushaltsführungsschaden von 6.000,00 Euro und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 1.880,20 Euro geltend gemacht. |
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| Der Kläger hat behauptet, |
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| bei dem Verkehrsunfall am 29.6.2005 habe er durch den Aufprall des Kanaldeckels auf sein Gesicht und nicht durch den Anprall gegen den Baum folgende Verletzungen erlitten: Mittelgesichtsfraktur in der Le Fort II-Ebene (Abrissbruch des Oberkiefers und von Teilen des Jochbeins), Unterkiefertrümmerfraktur, Riss-/Quetschwunden intra-/extraoral, unmittelbarer Verlust bzw. Zerstörung von zwölf Zähnen sowie ein Schädel-Hirn-Trauma. In der Folgezeit habe er zunächst noch unter einer Verminderung der Berührungs- und Drucksensibilität (Hypästhesie) und bis heute unter den Entstellungen (Narben, verschobene Symmetrien) gelitten. Weitere Korrekturoperationen, die das Weichgewebe betreffen, seien in Zukunft nötig. |
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| Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h habe er nur geringfügig und nur deshalb überschritten, um die im Einsatz befindlichen Feuerwehrfahrzeuge nicht aufzuhalten. Im Übrigen würde der Unfall sich in gleicher Weise auch bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit ereignet haben und er würde dann die gleichen bzw. nahezu die gleichen Verletzungen erlitten haben. Vor der Unfallstelle habe er keine Möglichkeit gehabt, seinen Sattelzug derart abzustellen, dass der hinter ihm fahrende Feuerwehr-Rüstwagen problemlos an ihm hätte vorbeifahren können. Zumindest sei ihm als Ortsunkundigem bei den schlechten Sichtverhältnissen eine Ausweichmöglichkeit nicht erkennbar gewesen. |
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| Der Kläger hat beantragt, |
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| die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 56.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.6.2005 zu bezahlen; |
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| festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch den Unfall vom 29.6.2005 auf der Xstraße in H. entstanden sind und noch entstehen werden; |
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| die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Ersatz für den erlittenen Erwerbs- und Haushaltsführungsschaden einen Betrag in Höhe von 8.183,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.6.2005 zu bezahlen; |
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| die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.880,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen. |
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| Die Beklagte hat beantragt, |
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| den Kläger treffe ein Mitverschulden in Höhe von 50 %. Der Unfall sei so nur geschehen, weil der Kläger zum einen seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, das hinter ihm fahrende Tanklöschfahrzeug vorbeifahren zu lassen. Zum anderen sei er mit einer Geschwindigkeit von 17 bis 23 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit deutlich zu schnell gewesen. Der Unfall würde sich bei ordnungsgemäßer Geschwindigkeit so nicht ereignet haben. Der Kläger müsse sich die erhöhte Betriebsgefahr des von ihm geführten Sattelzuges anrechnen lassen. Ferner habe er nicht bewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. |
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| Die Verletzungen resultierten daraus, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gegen den Baum gefahren sei; sie rührten nicht vom Anprall des Kanaldeckels gegen den Kopf des Klägers. Die Schmerzensgeldforderung sei übersetzt. Der Kläger habe schon vor dem Unfall unter kariösen Läsionen gelitten, so dass von einer Vorerkrankung auszugehen sei. |
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| Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines biomechanisch - unfallanalytischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. P. und Prof. Dr. K.. |
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| Mit am 2.7.2009 verkündeten Urteil, auf das wegen der Feststellungen und aller anderen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht unter Abweisung der weiter gehenden Klage die Beklagte verurteilt, an den Kläger 36.183,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.5.2006 zu bezahlen, ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftige materielle Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch den Unfall vom „20.05.2005“ (richtig muss es heißen: 29.06.2005) noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen, und ferner die Beklagte verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2008 zu bezahlen; |
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| Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: |
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| Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 31.000,00 Euro und Schadensersatz in Höhe von 5.183,24 Euro aus § 2 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 6 HaftPflG zu. Der Kläger müsse sich weder ein Mitverschulden nach § 4 HaftPflG i. V. m. § 254 BGB noch die Betriebsgefahr des von ihm geführten Sattelschleppers nach § 254 BGB in Verbindung mit § 17 Abs. 4 StVG anrechnen lassen. Der Vorfall sei für den Kläger unabwendbar gewesen. |
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| Der Kläger könne den - von der Beklagten zuletzt nicht bestrittenen - Verdienstausfall in Höhe von 2.183,24 Euro ersetzt verlangen. Darüber hinaus stehe ihm ein Anspruch in Höhe von 3.000,00 Euro wegen des Haushaltsführungsschadens gemäß § 843 BGB zu, auf dessen Höhe sich beide Parteien geeinigt hatten. |
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| Der Feststellungsantrag hinsichtlich künftiger materieller Schäden sei zulässig und begründet. Denn es bestehe die Möglichkeit, dass materielle Schäden in der Zukunft entstehen könnten. Nach der Mitteilung des behandelnden Arztes sei davon auszugehen, dass weitere Korrekturoperationen, die das Weichgewebe betreffen, erforderlich sein werden. |
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| Soweit der Kläger Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige immaterielle Schäden begehrte, sei die Klage unzulässig. Es fehle am erforderlichen Feststellungsinteresse. Denn mit dem zuerkannten Schmerzensgeld seien alle erlittenen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prognostizierenden immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers abgegolten. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes kämen ausschließlich voraussehbare Schädigungsfolgen in Betracht, die von der Zubilligung des Schmerzensgelds umfasst seien. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen und unüberschaubar sei. Aus dem Attest vom 27.04.2009 ergebe sich, dass weitere Korrekturoperationen, die das Weichgewebe betreffen, erforderlich sein werden. Diese Folgen seien bereits im Schmerzensgeldbetrag von 40.000,00 Euro berücksichtigt. |
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| Soweit der Kläger beantragte, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch den Unfall entstanden sind, sei der Feststellungsantrag unzulässig. Er habe nicht dargelegt, welche Schäden dies sein könnten, die bereits entstanden seien und die er nicht beziffern könnte. Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Ersatzpflicht der künftigen materiellen Schäden sei in der sich aus dem Tenor ergebenden Weise einzuschränken gewesen. |
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| Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. |
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| Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Sie halte an ihrer Auffassung fest, dass den Kläger ein hälftiges Mitverschulden treffe. Er sei zu schnell gefahren und habe die gegebenen Ausweichmöglichkeiten nicht genutzt, um das nachfolgende Feuerlöschfahrzeug passieren zu lassen. Der Kläger müsse sich die Betriebsgefahr des von ihm geführten Sattelzuges anrechnen lassen. Das Mitverschulden sei bei der Zahlungs- sowie der Feststellungsverpflichtung zu berücksichtigen. Das zuerkannte Schmerzensgeld sei zu hoch bemessen. |
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| 1. auf ihre Berufung das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 02.07.2009 (2 O 184/08 abzuändern und die Klage abzuweisen. |
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| 2. die Berufung des Klägers zurück zu weisen. |
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| 1. auf seine Berufung das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 02.07.2009 (2 O 184/08) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus mindestens weitere 25.000,00 Euro EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.5.2006 zu bezahlen; |
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| 2. die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten hinaus weitere 119,12 Euro EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2008 zu bezahlen; |
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| 3. die Berufung der Beklagen zurück zu weisen. |
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| Auch der Kläger wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen, verteidigt das Landgerichtsurteil und beanstandet lediglich, dass das Landgericht ihm kein höheres Schmerzensgeld zuerkannt habe. Seine erlittenen Verletzungen und deren Folgen seien nicht gebührend berücksichtigt worden. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst aller Anlagen verwiesen. |
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| Dem Senat lagen zu Informationszwecken Ablichtungen der Akten der Polizeidirektion H. ... vor . |
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| Beide Berufungen sind zulässig, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. |
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| Das Landgericht hat, gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere unter Auswertung des eingeholten biomechanisch - unfallanalytischen Gutachtens die Klage für überwiegend begründet erachtet und dabei alle maßgebenden Gesichtspunkte des vorliegendes Sachverhalts angemessen berücksichtigt. Das Berufungsgericht teilt diese Einschätzung. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Würdigung Sachverhalts und die rechtliche Bewertung einschließlich der Bemessung des Schmerzensgeldes durch das Landgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen. |
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| 1. (zur Haftung dem Grunde nach) |
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| a) Die beklagte Stadt ist dem Kläger gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 6 HaftPflG zum Ersatz des diesem entstandenen materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet. |
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| Das Landgericht nimmt an, ein Kanalisationsnetz zähle zu den unter § 2 HaftpflG fallenden Rohrleitungsanlagen. Das trifft zu. Zu den Anlagen i. S. dieser Vorschrift gehört auch das aus einem Rohrleitungssystem bestehende städtische Kanalisationsnetz (BGH VersR 1983, 588; NJW 1984, 615). Die Haftung hängt nicht davon ab, dass die Anlage unter Druck steht. Der Gesetzgeber hat im Interesse eines umfassenden Schutzes der Betroffenen auch die Fälle in die Haftung einbezogen, in denen - wie bei einem Kanalisationssystem - Flüssigkeiten lediglich unter Ausnutzung des Gefälles in Rohrleitungsanlagen transportiert werden (vgl. BT-Dr 8/108, S. 12). Daher ist als Anlage im Sinne der genannten Vorschrift das städtische Regen- und Abwasserkanalisationsnetz von Heidelberg anzusehen. Dazu gehören auch der Kanalschacht und der Kanaldeckel als Bestandteil (BGH, NJW-RR 1995, 1302; OLG Celle, VersR 1991, 1382). Die Stadt Heidelberg ist als Eigentümerin und Inhaberin der Anlage passiv legitimiert. |
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| Ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 2 HaftpflG setzt weiter voraus, dass der Schaden entweder (Abs. 1 S. 1; sog. Wirkungshaftung) durch die Wirkungen von Flüssigkeiten entstanden ist, die von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der Flüssigkeiten ausgehen, oder dass der Schaden (Abs. 1 S. 2 u. 3; sog. Zustandshaftung), ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein der Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, das sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem, d. h. den anerkannten Regeln der Technik entsprechendem und unversehrtem Zustand befand. |
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| aa) Es war das aus dem Kanalnetz austretende Wasser, das den Schaden verursachte. Denn das Wasser drängte infolge Überdrucks von unten aus der Kanalanlage heraus und hob den Deckel aus der Fassung. Das Wasser stand bis zur Lösung des Deckels vom Schacht zum Kanalsystem in einer dessen Zweck entsprechenden räumlichen und funktionellen Beziehung. Es war im Kanalnetz bereits aufgenommen und fortgeleitet worden. Die mit der Ableitung des Wassers grundsätzlich verbundene Betriebsgefahr hat sich dadurch verwirklicht, dass die abzuleitenden Wassermengen dann aber wieder abgestoßen wurden, weil die Anlage der konkreten, ihrer vorgesehenen Funktionsweise im übrigen aber entsprechenden Belastung nicht standhielt und nicht mehr in der Lage war, das Wasser zu „leiten“ (vgl. hierzu auch zutreffend OLG Schleswig VRS 72 (1987), 426 m.w.N.). Nichts anderes gilt, wenn ein Kanaldeckel durch Oberflächenwasser unterspült und angehoben wird. Dass der Schaden, den der Kläger erlitt, mechanisch weiter dadurch mitverursacht wurde, dass der Kanaldeckel zerbrach und ein gusseisernes Stück durch das vorausfahrende Feuerwehrfahrzeug aufgewirbelt und durch die Windschutzscheibe des vom Kläger geführten Sattelzuges geschleudert wurde, ändert nichts an der Erfüllung des Haftungstatbestandes, da das Unfallgeschehen in engem räumlichen und zeitlichen Ursachenzusammenhang mit den Wirkungen des Wassers stand. Es entspricht allgemeiner und vom Senat geteilter Auffassung, dass derartige, durch Teile der Anlage mechanisch vermittelte Wirkungen des von der Anlage ausgehenden Stoffes als Wirkungen i.S.d. § 1 Abs 1 Satz 1 HPflG anzusehen sind (vgl. Filthaut, Haftpflichtgesetz, 7. Aufl. , § 2 Rz 28 m.w.N.). |
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| bb) Wollte man entgegen Vorstehendem annehmen, die Verletzungen des Klägers seien eingetreten, ohne auf den Wirkungen des Wassers zu beruhen, so müsste die Haftung der Beklagten deswegen bejaht werden, weil der Schaden dann jedenfalls auf das Vorhandensein der Kanalanlage zurückzuführen wäre, § 2 Abs 1 Satz 2 HPflG ('Zustandshaftung'). Daran, dass die Existenz der Anlage für den Schaden ursächlich geworden ist, kann kein Zweifel bestehen. Verliefe an der Unfallstelle nicht die dort mit einem Schacht ausgestattete Kanalisationsanlage unter der Straße, hätte der Unfall sich nicht ereignet. |
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| cc) Die Verletzungen des Klägers sind überdies nicht - wie von der Beklagten erstinstanzlich behauptet - eine bloß mittelbare Folge des aus seiner Fassung gehobenen Kanaldeckels. Wie der Sachverständige auf den Seiten 11 und 12 seines Gutachtens (I, 129 bis 131) überzeugend darstellt, traf der Kanaldeckel unmittelbar auf das Gesicht des Klägers; denn die Dimensionen des Kanaldeckelstücks stimmen mit dem Verletzungsausmaß im Gesicht des Klägers überein. |
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| Darüber hinaus sind - wie das Landgericht mit sachverständiger Hilfe festgestellt hat - für sämtliche vom Kläger geltend gemachten Gesichts- und Zahnverletzungen auch nicht dessen gegebenenfalls bestehenden kariösen Vorerkrankungen ursächlich gewesen sondern allein der streitgegenständliche Unfall, wie sich aus dem ersten Rentengutachten vom 08.03.2006 ergibt (Anlage K 4, I, 215, 217). |
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| b) Dafür dass die sich aus § 2 Absatz 1 HaftPflG ergebende Ersatzpflicht der Beklagten deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Schaden des Klägers durch höhere Gewalt i.S. des Absatzes 3 der genannten Vorschrift verursacht worden sei, hat die Beklagte nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Die Anwendung dieses Haftungsausschlusses ist auf ganz seltene Ausnahmefälle beschränkt (vgl. Filthaut, a.a.O., § 2 HaftpflG Rz 73 m.w.N.). Ein durch heftige Regenfälle herbeigeführter Rückstau in einem Kanal und die dadurch ausgelöste Überflutung sind in aller Regel noch nicht als höhere Gewalt anzusehen; allenfalls bei einem sogenannten „Jahrhundertregen“ kann dies anders zu bewerten sein (vgl. Filthaut, a.a.O., § 2 HaftpflG Rz 74 m.w.N.). Dass ein solcher am Unfallstag vorgelegen hätte, ist nicht behauptet oder gar festgestellt worden. |
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| c) Der Kläger muss sich im Ergebnis - wie das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei entschieden hat - weder ein Mitverschulden nach § 4 HaftPflG i. V. m. § 254 BGB noch die Betriebsgefahr des von ihm geführten Sattelschleppers nach § 254 BGB in Verbindung mit § 17 Abs. 4 StVG anrechnen lassen. |
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| aa) Aufgrund des Sachverständigengutachtens ist der Senat ebenso wie das Landgericht davon überzeugt, dass der Unfall auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h (statt der vom Kläger erreichten 52 km/h) sich ebenso ereignet haben würde. Die Sachverständigen haben nachvollziehbar ausgeführt, dass die Verletzungen des Klägers auch entstanden wären, wenn dieser eine Geschwindigkeit von 30 km/h bei gleichem Abstand zu dem vorausfahrenden Unimog eingehalten hätte. Denn maßgebend war die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Unimogs, der das Bruchstück des Gullydeckels gegen die Windschutzscheibe des Lastzugs geschleudert hat. |
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| Auch ein etwaiger Verstoß des Klägers gegen das Gebot, Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz überholen zu lassen, ist nicht als Mitverschulden für die erlittenen Verletzungen zu werten. Denn diese Sorgfaltspflicht bezweckt, dass die Feuerwehrfahrzeuge möglichst schnell an den Einsatzort kommen. Sie soll aber nicht verhindern, dass ein Fahrzeug weiter hinter einem anderen Fahrzeug herfahren kann und dort den Gefahren, die von einem vorausfahrenden Fahrzeug ausgehen, ausgesetzt ist. Durch das Verhalten des Klägers hat sich folglich nicht der Schutzzweck der verletzten Norm realisiert, so dass dies bei der Frage nach einem Mitverschulden außer Betracht zu bleiben hat. |
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| bb) Zwar muss sich ein Fahrer grundsätzlich die Betriebsgefahr des von ihm geführten Kraftfahrzeuges auch dann zurechnen lassen, wenn er Ansprüche gegen den Eigentümer einer Anlage gemäß § 2 HaftpflG geltend macht (vgl. dazu beispielsweise OLG Schleswig a.a.O., das die anzurechnende Kfz-Betriebsgefahr mit 20 % bemaß). Der Vorfall stellte jedoch für den Kläger ein unabwendbares Ereignis dar. Die Betriebsgefahr des Sattelschleppers wirkte sich bei dem Unfall nicht aus, da der vorausfahrende Unimog das Bruchstück des Gullydeckels gegen die Windschutzscheibe des Lastzugs schleuderte. Der Unfall war für den Kläger unabwendbar nach § 17 Abs. 4 StVG, weil der Kläger in keinem Fall damit rechnen musste, dass der vorausfahrende Unimog ein Stück eines Gullydeckels gegen die Windschutzscheibe schleuderte (vgl. Hentschel/Daum/König, Straßenverkehrsrecht, 40.Auflage, § 17 StVG Rn 25 zum Hochschleudern von Gegenständen). Der Senat teilt die Überzeugung des Landgerichts, dass auch ein besonders umsichtiger Fahrer im vorliegenden Fall die Gefahr nicht hätte abwenden können. |
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| Die Unabwendbarkeit kann schließlich auch nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, dass ein besonders sorgfältiger Führer eines Kraftfahrzeugs die Fahrt zu dieser Zeit und an diesem Ort überhaupt unterlassen hätte (vgl. Hentschel/Daum/König, a.a.O. § 17 StVG Rdnr 22 m.w.N.). |
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| 2. (zur Höhe der Ansprüche) |
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| Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 31.000,00 Euro sowie Schadensersatz in Höhe von 5.183,24 Euro zuerkannt. |
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| a) Gemäß § 6 Satz 2 HaftPflG kann der Kläger von der Beklagten wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Nach der noch heute maßgeblichen Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats (BGHZ 18, 149) kommt dem Schmerzensgeldanspruch eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion zu: Danach soll das Schmerzensgeld dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Bei der Gefährdungshaftung scheidet jedoch in der Regel der Aspekt der Genugtuung aus, so dass vornehmlich auf den Entschädigungs- und Ausgleichsgedanken abzustellen ist. Die wesentliche Grundlage für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, die Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der endgültigen Heilung. All diese Faktoren sind einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen und auf dieser Grundlage ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen. Von diesem Ansatz ist das Landgericht ausgegangen. |
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| Der Kläger erlitt durch den Unfall schwere Gesichtsschädelfrakturen (gerichtl. Gutachten I, 129), d.h. insbesondere folgende Verletzungen: eine Mittelgesichtsfraktur in Le Fort II-Ebene, eine paramediane Unterkieferfraktur links, Verlust und Zerstörung von zwölf Zähnen, Rissquetschwunden im Bereich der Ober- und Unterlippe sowie eine commotio cerebri. Die Verletzungen erstreckten sich in einem Bereich von ca. 12 x 12 cm (Unterkiefer - Augenhöhlenboden). |
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| Diese Verletzungen machten zunächst einen zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt notwendig. Der Kläger war bei Einlieferung in das Krankenhaus bei Bewusstsein; er lag eine Woche auf der Intensivstation. Der postoperative Heilungsverlauf war weitgehend unauffällig. Er musste jedoch zahlreiche Kliniken aufsuchen (vgl. gerichtl. Gutachten I, 129) Die Folgen des Unfalls waren acht Monate nach dem Vorfall noch nicht völlig verheilt (S. 11 des Rentengutachtens, AS. 233). Der Kläger war 22 Monate (in der Zeit vom 29.6.2005 bis 1.5.2007) arbeitsunfähig. Dies alles hat das Landgericht - entgegen der klägerischen Berufungsangriffe - gesehen und berücksichtigt. |
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| Neben den körperlichen Schmerzen während dieser Zeit hat das Landgericht zutreffend auch die psychischen Folgewirkungen schmerzensgelderhöhend in seine Bemessung einbezogen Die Gesichtsverletzungen des Klägers führten über einen längeren Zeitraum - mindestens acht Monate bis zum ersten Rentengutachten - zu einer erheblichen Entstellung des Gesichts. Es fehlten zahlreiche Zähne und das Gesicht war teilweise deformiert, wie sich aus den Seiten 4 bis 8 des ersten Rentengutachtens (I, 221 bis 229) ergibt. Es ist nachvollziehbar, dass der Kläger darunter litt. Dem Kläger wurden bisher acht Implantate eingesetzt. |
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| Der Kläger hat vier Narben im Mund-Nasen-Bereich. Diese befinden sich im Gesicht, sind allerdings verhältnismäßig klein und nicht besonders auffallend. Ferner war bei der Bemessung des Schmerzensgelds zu berücksichtigen, dass weitere Korrekturoperationen, die das Weichgewebe betreffen, erfolgen müssen (K 6, I, 245). |
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| Bei der Höhe des Schmerzensgelds fielen auch die langzeitigen Ungelegenheiten durch die vielen Arztbesuche, die zahlreichen Zahnbehandlungen und Operationen, die psychischen Belastungen sowie die Entstellungen ins Gewicht. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls 23 Jahre alt war und er im Gesicht vier Narben hat. |
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| In Würdigung aller Gesamtumstände und unter Berücksichtigung anderer Schmerzensgeldentscheidungen in vergleichbarer Höhe hält das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht einen Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 40.000,00 Euro für angemessen. Nachdem der Haftpflichtversicherer der Beklagten hierauf vorgerichtlich 9.000,00 Euro an den Kläger gezahlt hatte, konnte der Kläger von der Beklagten ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 31.000,00 EUR fordern. |
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| b) Das Landgericht hat weiter zu Recht dem Kläger den Anspruch auf Ersatz des - zuletzt von der Beklagten nicht mehr bestrittenen - Verdienstausfalls in Höhe von 2.183,24 Euro sowie den Anspruch in Höhe von 3.000,00 Euro auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens gemäß § 843 BGB, ferner den Anspruch auf Erstattung der Verzugszinsen seit 5.5.2006 gemäß §§ 286, 288 BGB i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 HaftPflG sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 Euro nebst Zinsen seit 21.06.2008 zuerkannt. |
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| 3. (zu den Feststellungsanträgen) |
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| Der Feststellungsantrag hinsichtlich künftiger materieller Schäden ist zulässig und begründet, da die Möglichkeit künftiger materieller Schäden gegeben ist. Richtig zu stellen war lediglich das Unfalldatum in Ziffer 2 des Tenors des Landgerichtsurteils. |
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| Soweit der Kläger Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige immaterielle Schäden begehrt und das Landgericht die Klage insoweit als unzulässig erachtet hat, da es am erforderlichen Feststellungsinteresse fehle, wird dies mit der Berufung nicht angegriffen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Unzulässigkeit des erstinstanzlich verfolgten Antrages festzustellen, dass dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen seien, die ihm durch den Unfall entstanden sind. |
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| Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, ZPO. |
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