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| Der Verfolgte befindet sich seit seiner vorläufigen Festnahme am 22.12.2015 in Auslieferungshaft aufgrund des Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 04.02.2016. Grundlage desselben ist ein Auslieferungsersuchen des Ministeriums der Justiz der Republik Kosovo vom 27.01.2016 an das Bundesministerium der Justiz zum Zwecke der Strafvollstreckung. Dem Ersuchen sind in deutscher Sprache beigefügt das Urteil des Grundgerichts in S. vom 26.11.2013, das Urteil des Berufungsgerichts W, vom 07.03.2014, der Haftbefehl des Justizministeriums von Kosovo vom 23.06.2015 sowie eine Liste der anwendbaren Strafbestimmungen. Das Urteil des Grundgerichts in S. vom 26.11.2013, das Urteil des Berufungsgerichts W. vom 07.03.2014 und der Haftbefehl des Justizministeriums der Republik Kosovo vom 23.06.2015 haben in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut: |
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| Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat am 01.02.2016 auf Zulässigkeitserklärung der Auslieferung angetragen, nachdem der Verfolgte einer vereinfachten Auslieferung nicht zugestimmt hat. Dieser hat gegen die Zulässigkeit der Auslieferung Einwendungen erhoben und zunächst bei seiner richterlichen Anhörung am 21.01.2016 hierzu wie folgt ausgeführt: |
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| Diese Angaben hat er bei seiner richterlichen Anhörung am 10.02.2016 wie folgt ergänzt: |
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| Aufgrund dieser Einwendungen hat der Senat eine weitere Sachaufklärung für notwendig angesehen und die Generalstaatsanwaltschaft um Veranlassung der Bekanntgabe der oben angeführten Einwendungen des Verfolgten an das Ministerium der Justiz der Republik Kosovo sowie um Einholung einer Erklärung zu folgenden Fragen gebeten: |
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1. |
| In welcher Haftanstalt war der Verfolgte vor seiner Flucht aus dem Kosovo untergebracht? |
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2. |
| Trifft es zu, dass Familienangehörige des vom Verfolgten Getöteten in dieser Haftanstalt tätig waren bzw. noch sind? |
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3. |
| Bestehen dort Erkenntnisse, dass der Verfolgte von Mitarbeitern dieser Vollzugsanstalt, insbesondere von Angehörigen des Getöteten, während seiner Inhaftierung körperlich misshandelt wurde? |
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4. |
| In welcher Haftanstalt würde der Verfolgte im Falle seiner Überstellung in den Kosovo untergebracht werden und sind in dieser Einrichtung Angehörige des vom Verfolgten Getöteten arbeitstätig? |
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5. |
| Welche Garantien können abgegeben werden, dass es im Falle der Auslieferung des Verfolgten während seiner Inhaftierung nicht zu körperlichen Übergriffen auf den Verfolgten kommt? |
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6. |
| Trifft es zu, dass der Verurteilte während seines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus in S. aus der Haft geflohen ist und dass er zum Zeitpunkt der Flucht wegen Herzbeschwerden und einer beabsichtigten Herzoperation in der dortigen Chirurgischen Abteilung untergebracht war? Ist eine Äußerung zu der Behauptung des Verfolgten möglich, dass er seinerzeit tatsächlich keine Herzbeschwerden gehabt und eine Herzoperation nicht erforderlich gewesen sei? |
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7. |
| Kann eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung abgegeben werden, dass der Verfolgte regelmäßig von Angehörigen einer vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmenden Einrichtung während seiner Haft besucht werden kann? |
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| Hierauf ist am 14.04.2016 über die Botschaft der Republik Kosovo folgende Erklärung des Direktors der Haftanstalt X. vom 16.03.2016 beim Senat eingegangen: |
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| Das Auswärtige Amt hat ergänzend am 02.05.2016 mitgeteilt, bei der Strafvollzugsanstalt D. der Gemeinde P. handele es sich um ein neues Hochsicherheitsgefängnis, wobei konkrete Erfahrungswerte mit Haftfällen bzw. Erkenntnisse zu den dortigen Haftbedingungen noch nicht vorlägen. Die Möglichkeit einer EULEX-Aufsicht über den Vollzug bestehe nicht mehr. Ergänzt wurde dies durch eine Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 02.05.2016, wonach Art. 27 der Verfassung der Republik Kosovo Folter und unmenschliche Behandlung verbiete und Fälle von Folter durch kosovarische Polizei oder andere Sicherheitskräfte nicht bekannt geworden seien. |
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| Zu diesen Erkenntnissen wurden dem Rechtsbeistand rechtliches Gehör gewährt. Auch wurde ihm bis zum 12.05.2016 nochmals Gelegenheit zur Substantiierung des Vortags gegeben, wonach der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung um sein Leben fürchte. Dieser hat sich nicht weiter geäußert. Jedoch hat der Verfolgte selbst folgende am 18.05.2016 beim Senat eingegangene Stellungnahme abgegeben: |
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| Die Auslieferung des Verfolgten in die Republik Kosovo zum Zwecke der Strafvollstreckung aufgrund des Auslieferungsersuchens des Ministeriums der Justiz der Republik Kosovo vom 27.01.2016 ist zulässig, da die Auslieferungsvoraussetzungen vorliegen und Auslieferungshindernisse nicht bestehen. |
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| 1. Da zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo kein Auslieferungsvertrag besteht, findet der Auslieferungsverkehr auf vertragsloser Grundlage unter Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23.12.1982 statt. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass sich aus den der Vorschrift des § 10 Abs.3 IRG genügenden Auslieferungsunterlagen ergibt, dass gegen den Verfolgten aufgrund des Urteils des Berufungsgerichts W. vom 07.03.2014 eine freiheitsentziehende Sanktion in Höhe von 14 Jahren Freiheitsstrafe besteht, deren Strafrest von 11 Jahren, einem Monat und 29 Tagen noch zur Vollstreckung ansteht, nachdem der Verfolgte am 23.06.2015 während eines Krankenhausaufenthalts im Regionalkrankenhaus in S. sich durch Flucht der weiteren Vollstreckung dieser Strafe entzogen hat. Die dem Verfolgten insoweit zur Last gelegte und nach § 146 des kosovarischen Strafgesetzbuches wegen Mordes und illegalem Waffenbesitz nach § 328 Abs.2 KPK rechtskräftig abgeurteilte Tat ist auslieferungsfähig, insbesondere ist diese auch nach deutschem Recht zumindest nach § 212 StGB strafbar, so dass vom Vorliegen der beiderseitigen Strafbarkeit nach § 3 IRG auszugehen ist. |
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| 2. Auslieferungshindernisse nach § 73 Satz 1 IRG liegen nicht vor. Soweit der Verfolgte angegeben hat, er sei während seiner Inhaftierung im Kosovo von Wachmännern mehrfach geschlagen worden und man habe auch im Krankenhaus von S. ihn zu töten versucht, haben die vom Senat insoweit durchgeführten Ermittlungen keine zweifelsfreie Klärung und Bestätigung der Richtigkeit dieser Einlassung ergeben. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Leiter der Haftanstalt in X. ein Irrtum bei seiner Erklärung vom 16.03.2016 unterlaufen ist, es seien keine Familienangehörige des vom Verfolgten Getöteten in der Haftanstalt X. tätig gewesen bzw. aktuell tätig. Jedoch ergibt sich auch aus der Einlassung des Verfolgten kein Hinweis, dass staatliche Stellen ihn innerhalb der genannten Haftanstalt zu töten versucht hätten oder er aufgrund staatlicher Anweisung der Folter unterworfen gewesen wäre. Jedoch besteht vorliegend durchaus die ernstzunehmende Möglichkeit, dass dem Verfolgten im Falle seiner Auslieferung körperliche Übergriffe durch Anverwandte des vom Verfolgten Getöteten auch innerhalb des Strafvollzuges drohen könnten. Auch solche im Wege der „Blutrache“ drohende Repressalien können zur Unzulässigkeit einer Auslieferung führen, wenn davon auszugehen ist, dass der ersuchende Staat die körperliche Integrität des Verfolgten innerhalb der Haft nicht wirksam zu schützen vermag. |
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| Hiervon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, weil die vom Senat angeordneten Einschränkungen der Zulässigkeitsentscheidung zu einem wirksamen Schutz des Verfolgten führen werden und davon auszugehen ist, dass die Republik Kosovo den Hinweis auf die Gefährdung des Verfolgten durch ihm drohende „Blutrache“ ernsthaft beachten und zudem eine völkerrechtlich verbindliche Zusage einhalten wird. So kann durch Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe in der im Schreiben der Republik Kosovo vom 16.03.2016 für die Strafvollstreckung beim Verfolgten als zuständig benannten Vollzugsanstalt D. der Gemeinde P. ein Kontakt des Verfolgten mit den von ihm im Schreiben vom 18.05.2016 benannten Personen vermieden werden. Auch wird die vom Senat als Zulässigkeitsschranke vorgesehene Möglichkeit der Überprüfung der Haftbedingungen des Verfolgten durch Angehörige der deutschen Auslandsvertretung in P. zur Sicherheit des Verfolgten vor nicht ausschließbaren Übergriffen durch Anstaltsbedienstete oder ggf. auch Mitgefangene beitragen. Bei der Bewertung der Gefahrenlage hat der Senat mit berücksichtigt, dass dem Verfolgten mit dem Vorwurf des Mordes ein besonders schweres Verbrechen zur Last liegt und insoweit auch die Republik Kosovo ein besonderes Interesse an der Ahndung der Tat hat. |
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| Auch weitere Auslieferungshindernisse sind nicht ersichtlich. Die gegen den Verfolgten verhängte Strafe von 14 Jahren ist in Anbetracht des Vorwurfs des Mordes bzw. des Totschlages weder „unerträglich hart“ oder noch „schlechterdings - unter jedem denkbaren Gesichtspunkt - unangemessen“ (BVerfGE 75, 1, 16 f.). Auch Gründe für eine politische Verfolgung bestehen nicht (§ 6 Abs. 2 IRG), zumal der Verfolgte bei seiner richterlichen Vernehmung am 10.02.2016 vor dem Amtsgerichts K. eingeräumt hat, seinen in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrag unter dem Namen seines Bruders gestellt zu haben. |
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| Es besteht auch weiterhin die erhebliche, anderweitig nicht abwendbare Gefahr, dass der Verfolgte versuchen würde, sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung zu entziehen. |
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