Oberlandesgericht Köln Beschluss, 11. Aug. 2014 - 5 U 32/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Januar 2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 32/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Gründe:
2I.
3Der am 00.00.1949 geborene Kläger hat den Beklagten, einen niedergelassenen Orthopäden, mit der Begründung auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz in Anspruch genommen, dass bei der am 14.2.2008 durchgeführten intraartikulären Injektion in das rechte Knie die maßgeblichen hygienischen Standards nicht beachtet worden seien. Auch sei er nicht über das Infektionsrisiko aufgeklärt worden, welches durch Diabetes und Adipositas erhöht gewesen sei.
4Nach dem Eingriff entwickelte sich ein Kniegelenksinfekt, der ab dem 19.2.2008 während des Urlaubs des Klägers in Portugal von dem Arzt Dr. I2 und nach Urlaubsrückkehr vom 2.3.2008 bis 22.3.2008 im St. G-Hospital in L behandelt wurde. Am 5.3.2008 und 11.3.2008 nahmen die Ärzte jeweils eine Spiegelung des Knies und eine Spülung vor. Während eines weiteren stationären Aufenthalts im St. G-Hospital wurde dem Kläger am 13.6.2008 eine Knieprothese rechts eingesetzt.
5Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
6Nach Begutachtung durch die Sachverständigen Dr. L und I (Bl. 121 ff., 220 ff., 296 ff. d.A.), Anhörung beider Parteien (Bl. 297R ff. d.A.) und Vernehmung der Zeuginnen S und S2 (Bl. 307 ff. d.A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es sei nicht erwiesen, dass die Verabreichung der Injektion in das rechte Knie fehlerhaft gewesen sei. Dies gelte insbesondere für einen Verstoß gegen Hygienevorschriften. Auch sei der Kläger über das Infektionsrisiko ordnungsgemäß aufgeklärt worden.
7Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Es sei nicht indiziert gewesen, Kortison zu spritzen. Denn angesichts eines bei der Punktion entnommenen Ergusses von nur 0,5 ml habe keine aktivierte Gonarthrose vorgelegen. Die injizierte Menge von 10 mg Triam sei nach den Fachinformationen des Herstellers zu gering gewesen. Auch sei Triam unter Berücksichtigung der Vorbehandlungen zu häufig pro Jahr und zu früh nach der letzten Verabreichung am 28.1.2008 injiziert worden. Unmittelbar vor dem Urlaub in Portugal habe es außerdem nicht verabreicht werden dürfen, da die zeitnahe Behandlung eines möglichen Kniegelenksinfekts nicht gewährleistet gewesen sei. In hygienischer Hinsicht habe der Beklagte die Leitlinie über intraartikuläre Punktionen und Injektionen verletzt. Dies ergebe sich daraus, dass er, wie unwidersprochen vorgetragen worden sei, seinen Arbeitskittel vor der Behandlung nicht gewechselt habe. In dem am 19.2.2008 aus Portugal geführten Telefonat habe der Beklagte zu einer Abklärung eines möglichen Kniegelenksinfekts durch einen Chirurgen raten müssen. Schließlich bleibe die Aufklärungsrüge aufrechterhalten.
8II.
9Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
10Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Hierzu wird auf den Senatsbeschluss vom 10.7.2014 verwiesen. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist. Die Stellungnahme vom 5.8.2014 rechtfertigt keine andere Beurteilung.
11Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung unter Änderung der Angriffsrichtung die Indikation, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, und die Dosis der intraartikulären Injektion vom 14.2.2008 beanstandet hat, hat er auch im Schriftsatz vom 5.8.2014 keine Gründe aufgezeigt, die zur Zulassung des neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO führen, insbesondere die Verspätung nicht ausreichend entschuldigt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass an den Vortrag des Patienten im Arzthaftungsprozess nur geringe Anforderungen zu stellen sind und dieser nicht verpflichtet ist, zur Darlegung und Konkretisierung von Behandlungsfehlern ein ärztliches Gutachten einzuholen. Der Senat hat schon im Beschluss vom 10.7.2014 ausgeführt, dass sich die übliche Dosis einer Injektion und das maßgebliche zeitliche Intervall zwischen zwei Injektionen bereits aus dem mit der Klageschrift vorgelegten Bescheid der Gutachterkommission vom 14.5.2009 (Bl. 39, 44 d.A.) ergaben, worauf der Kläger in seiner Stellungnahme nicht eingegangen ist. Der genannten Umstand hätte es dem Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten, auch als medizinischen Laien, bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz ermöglicht, schlüssig die Indikation und Dosis zu rügen, ohne dass es einer erst nach Abschluss der ersten Instanz eingeholten orthopädischen Stellungnahme bedurft hätte. Schlüssig ist ein Vorbringen des Patienten im Arzthaftungsprozess insbesondere dann, wenn er Verdachtsgründe vortragen kann, die ein ärztliches Verhalten als fehlerhaft erscheinen lassen. So lag es hier. Dass die Dosis und das Verabreichungsintervall der intraartikulären Injektion am 14.2.2008 jeweils nicht dem Üblichen entsprachen und damit fehlerhaft sein konnten, ergab sich für den Kläger aus dem Bescheid der Gutachterkommission oder hätte sich zumindest bei sorgfältiger Prozessführung für ihn daraus ergeben können.
12Im Übrigen hält der Senat an seiner Beurteilung fest, dass unter Zugrundelegung der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. L und I in Bezug auf die Indikation, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, und Dosis der intraartikulären Injektion keine Behandlungsfehler des Beklagten festzustellen sind (Ziffer I 1 a bb (1) bis (5) des Senatsbeschlusses vom 10.7.2014). Der Kläger wiederholt in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme nur einen Teil der Gesichtspunkte, die bereits in der Berufungsbegründung zur Darlegung eines Behandlungsfehlers vorgetragen worden sind. Dass sich die Sachverständigen nicht mit den Fachinformationen des Herstellers auseinandergesetzt haben, erklärt sich ohne weiteres dadurch, dass die Indikation und Dosis in erster Instanz nicht in Streit standen und die Sachverständigen sich deshalb auf eine knappe Verneinung eines Behandlungsfehlers beschränken konnten. Die Überzeugungskraft ihrer Beurteilung, die der Senat im Beschluss vom 10.7.2014 in Bezug auf die nunmehr gerügten Fehler jeweils dargestellt hat, wird hierdurch nicht gemindert. Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass die am 28.1.2008 verabreichte Dosis geringer war als nach den Herstellerangaben üblich, handelt es sich lediglich um ein Argument, welches die sachverständige Beurteilung, dass eine geringfügige Unterschreitung des üblichen Abstands zwischen zwei Injektion zulässig war, als schlüssig und überzeugend erscheinen lässt.
13Auch soweit der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung geltend gemacht hat, dass der Beklagte ihn in dem am 19.2.2008 geführten Telefongespräch an einen Facharzt habe verweisen müssen, hat der Kläger in seiner Stellungnahme keine Gründe aufgezeigt, die zur Zulassung des neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO führen, insbesondere die Verspätung nicht ausreichend entschuldigt. Die Gründe, die insoweit den Verdacht eines Behandlungsfehlers hätten begründen können, waren dem Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten als medizinischen Laien auch in erster Instanz bekannt, nämlich – wie die entsprechende Aufklärungsrüge zeigt – das erhöhte Infektionsrisiko nach einer intraartikulären Injektion, das tatsächliche Verhalten des Beklagten während des Telefonats und der Umstand, dass die Behandlung eines Knieinfekts in das unfallchirurgische und orthopädischen Fachgebiet fällt. Denn die weitere Nachbehandlung des Klägers nach seiner Rückkehr nach Deutschland erfolgte in einer entsprechenden Abteilung des St. G-Hospitals in L2.
14Aus den unter I 1 c des Beschlusses vom 10.7.2014 dargelegten Gründen ist der Senat im Übrigen weiterhin der Auffassung, dass in Bezug auf die telefonische Beratung und Aufklärung durch den Beklagten im Ergebnis ein Fehler nicht schlüssig dargetan ist. Selbst wenn der Beklagte als Facharzt um das Infektionsrisiko nach intraartikulärer Injektion wusste, durfte er darauf vertrauen, dass ein anderer Arzt, an den er den Kläger telefonisch verwies, eine vollständige Anamnese und Untersuchung vornehmen und den Kläger erforderlichenfalls zwecks weiterer Diagnostik und Therapie an einen Facharzt weiter überweisen würde. Da ein angerufener Arzt den Patienten weder klinisch noch sonst untersuchen kann, ist ihm eine genauere Differenzierung zwischen den nach den telefonischen Angaben denkbaren Differentialdiagnosen nicht möglich, etwa im Streitfall zwischen einer Thrombose und einem Kniegelenksinfekt bei Schmerzen im Ober- und Unterschenkel nach intraartikulärer Injektion und Flug.
15Eine mangelhafte Eingriffs- und Risikoaufklärung ist aus den im Senatsbeschluss vom 10.7.2014 dargelegten Gründen und den dort in Bezug genommenen Gründen des landgerichtlichen Urteils zu verneinen. Hätte der Beklagte, wie der Kläger in seiner Stellungnahme vom 5.8.2014 in diesem Zusammenhang anführt, gegen fachärztlichen Standard verstoßen, würde er ohnehin nur aus dem Gesichtspunkt eines Behandlungsfehlers, nicht aber deshalb haften, weil er eine Aufklärung des Klägers über das vom Standard abweichende Vorgehen unterlassen hat.
16Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
17Berufungsstreitwert: 44.604 € (wie 1. Instanz)
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Referenzen - Gesetze
Gesetz über den Lastenausgleich
Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten
Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss
Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
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einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)