Oberlandesgericht Köln Beschluss, 26. Juni 2014 - 2 Ws 344/14
Tenor
Die angefochtenen Entscheidungen werden aufgehoben.
Unter Entpflichtung der Rechtsanwälte K. und S. aus B. werden dem Angeschuldigten Rechtsanwalt A. als Pflichtverteidiger und Rechtsanwältin B. als weitere Pflichtverteidigerin zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet.
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Landeskasse auferlegt.
1
G r ü n d e:
2I.
3Das Landgericht B. hat dem Beschwerdeführer – jeweils in deutscher Sprache - die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft B. vom 16.05.2014 sowie ein Anschreiben vom 21.05.2014 zustellen lassen, in welchem er aufgefordert worden ist, binnen einer Woche zwei Rechtsanwälte zu benennen, die ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet werden könnten. Die Zustellung erfolgte am 24.05.2014 (einem Samstag). Da bis zum 04.06.2014 (Dienstschluss) keine Reaktion des Beschwerdeführers auf die genannte Aufforderung beim Landgericht B. eingegangen war, bestellte der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer mit Beschluss vom 04.06.2014 Rechtsanwältin S. aus B. zur Pflichtverteidigerin und Rechtsanwalt K. aus B. zur Sicherung des Verfahrens zum weiteren Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers. Dieser Beschluss wurde noch am gleichen Tage innerhalb der Dienstzeit durch die Geschäftsstelle der Strafkammer an den Beschwerdeführer und die Rechtsanwälte S. und K. abgesandt. Am 04.06.2014 ging nach Dienstschluss um 17:44 Uhr ein in deutscher Sprache verfasstes Fax des Beschwerdeführers beim Landgericht B. ein, in welchem er Rechtsanwalt A. aus D. als Hauptverteidiger und Rechtsanwältin B. aus D. als weitere Verteidigerin benannte. Zur Begründung führte er an, er kenne Rechtsanwalt A. „bereits damals über einen Bekannten“; er sei sein Anwalt, dem er vertraue. Auch Rechtsanwältin B., die so wie er die serbo-kroatische Sprache beherrsche, sei eine Rechtsanwältin seines Vertrauens. Beide seien auch nur im Strafrecht tätig, was er bevorzuge. Er bitte, seine Entscheidung zu berücksichtigen. Bereits um 17:24 Uhr und 17:29 Uhr (also ebenfalls nach Dienstschluss) waren Faxe der Rechtsanwälte A. und B. beim Landgericht B. eingegangen, in denen sie die Verteidigung des Beschwerdeführers angezeigt und die Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Anführung der vom Beschwerdeführer selbst benannten Gründe beantragt hatten. Diese Anträge lehnte der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer mit Beschluss vom 05.06.2014 unter Hinweis auf den am 02.06.2014 eingetretenen Fristablauf zur Benennung von Pflichtverteidigern ab.
4Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Angeschuldigten mit Schriftsatz von Rechtsanwalt A. vom 10.06.2014. In dieser trägt er vor, seine Muttersprache sei serbo-kroatisch; die deutsche Sprache, insbesondere Amtsdeutsch, sei ihm fremd. Den Inhalt der ihm am 24.05.2014 zugestellten Sendung, insbesondere die darin verfügten Fristen, habe er mangels beigefügter Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden. Sein Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwälte A. und B. sei deshalb erst nach Fristablauf bei Gericht eingegangen, weil er nicht verstanden habe, dass ein Fristablauf und damit verbunden ein Rechtsnachteil gedroht habe. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer habe am Vormittag des 05.06.2014 den Beschluss vom Vortag per Fax gegenüber den von ihm erwählten Rechtsanwälten widerrufen können und müssen, insbesondere da zum diesem Zeitpunkt noch keinerlei Auslagen oder Gebühren angefallen gewesen seien. Zudem ist er der Meinung, dass die ihm gesetzte Frist von einer Woche zur Verteidigerbenennung nicht angemessen gewesen sei.
5Mit Beschluss vom 11.06.2014 hat der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Beiordnung der Rechtsanwälte A. und B. als Pflichtverteidiger des Angeschuldigten.
8Nicht zu beanstanden war die unübersetzte Aufforderung an den Beschwerdeführer, binnen einer Woche ab Zustellung zwei Verteidiger gegenüber dem Gericht zu benennen. Der Senat schließt sich der im Nichtabhilfebeschluss im Einzelnen begründeten Auffassung des Landgerichts B. an, dass der Beschwerdeführer nach Aktenlage der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist und das Anschreiben des Gerichts vom 21.05.2014 nicht nur verstehen konnte, sondern auch verstanden hat. Nicht anders ist es nämlich zu bewerten, dass der Beschwerdeführer in seinem am 04.06.2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben differenziert und in nahezu fehlerfreiem Deutsch die Beiordnung von Rechtsanwalt A. als Hauptverteidiger und Rechtsanwältin B. als weiterer Verteidigerin beantragt und dies auch plausibel begründet hat. Auch die Bemessung der Äußerungsfrist auf eine Woche begegnet keinen Bedenken, da die Kammer vor dem Hintergrund, dass sich einer der Mitangeschuldigten bereits seit deutlich mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft befindet, dem in Haftsachen in besonderem Maße geltenden Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen hatte. Da die dem Angeschuldigten gesetzte Frist am 02.06.2014 abgelaufen war, ist auch gegen die am 04.06.2014 vor Eingang der Faxe des Angeschuldigten und seiner beiden Verteidiger erfolgte Bestellung der Rechtsanwälte S. und K. nichts einzuwenden.
9Die am 05.06.2014 durch den Vorsitzenden der 9. großen Strafkammer bei der Ablehnung des Antrages des Angeschuldigten vorgenommene Ermessensausübung teilt der Senat hingegen nicht. Vielmehr hätte das Landgericht bei der Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwälte A. und B. trotz der am Vortag anderweitig vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung berücksichtigen müssen, dass der Angeschuldigte die beiden Rechtsanwälte als Verteidiger seines Vertrauens bezeichnet hatte und am 05.06.2014 noch keinerlei Kosten verursacht worden waren.
10Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Steht kein wichtiger Grund entgegen, bestellt der Vorsitzende diesen Verteidiger, § 142 Abs. 1 S. 2 StPO. Dem Beschuldigten wird dadurch die Möglichkeit gegeben, sich von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Allein der Ablauf der gesetzten Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar (LG Magdeburg, Beschl. v. 26.03.2013 – 21 Qs 22/13). Der Beschwerdeführer hat hier noch am Tage der anderweitig vorgenommenen Pflichtverteidigerbestellung – wenn auch erst nach Dienstschluss und nach bereits hergestellter Außenwirkung – mit plausiblen Argumenten zwei Rechtsanwälte seines Vertrauens benannt. Diesen gewichtigen Umstand, der einerseits die gerichtliche Fürsorgepflicht, andererseits den Grundsatz des fairen Verfahrens berührt (vgl. BGHSt 43, 153, 158), hat das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, sondern allein auf den inzwischen eingetretenen Fristablauf abgestellt. Insbesondere hat das Landgericht nicht erwogen, dass am 05.06.2014 eine Rücknahme der Bestellung der Rechtsanwälte S. und K. nach § 143 StPO noch möglich war, ohne dass weitere Kosten verursacht worden wären. Denn am 05.06.2013 konnte weder eine Grundgebühr noch eine Verfahrensgebühr für die am 04.06.2014 beigeordneten Pflichtverteidiger entstanden sein.
11Die Grundgebühr nach VV Nr. 4100 entsteht „für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“. Mit ihr soll der Arbeitsaufwand abgegolten werden, der ein- und erstmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Die Grundgebühr ist in ihrem sachlichen Geltungsbereich abzugrenzen von der Verfahrensgebühr nach VV Nr. 4112, mit der das Betreiben des Geschäfts im gerichtlichen Verfahren honoriert wird, sofern hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind, zu denen auch die Grundgebühr zählt. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S.222) gehören zum Katalog der von der Grundgebühr erfassten Tätigkeiten
12- das – pauschal und überschlägig beratende – erste Mandantengespräch,
13- die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen, wozu auch die erste Akteneinsicht zählt,
14- sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, wozu telefonische Anfragen zum Sachstand bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht gehören können (SenE v. 17.01.2007 – 2 Ws 8/07).
15Die Gesetzessystematik bedingt, dass die Verteidigertätigkeit nach der Mandatsübernahme über die beschriebenen Tätigkeiten hinausgehen muss, um die Verfahrensgebühr zur Entstehung zu bringen. Ansonsten verbliebe für die Grundgebühr kein eigenständiger Anwendungsbereich (SenE v. 17.01.2007 – 2 Ws 8/07). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass bereits am 05.06.2014, also dem potenziell ersten Tag, bei dem der Bestellungsbeschluss des Landgerichts B. bei den Rechtsanwälten S. und K. eingegangen sein kann, ein erstes Mandantengespräch mit dem Beschwerdeführer stattgefunden hat, die Rechtsanwälte bereits Akteneinsicht genommen oder sonstige Tätigkeiten im zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats entfaltet hatten. Liegt schon kein Tatbestand für das Entstehen der Grundgebühr vor, ist das Entstehen einer Verfahrensgebühr erst recht fernliegend.
16Schließlich ist für den Senat nicht ersichtlich, dass durch eine nunmehr vorgenommene Auswechselung der Pflichtverteidiger eine Verfahrensverzögerung beim Landgericht B. eintreten kann. Denn die Rechtsanwälte A. und B. haben mit Schriftsatz vom 05.06.2014 gegenüber dem Landgericht B. mitgeteilt, dass sie auch im Zeitraum einer ggfs. anzusetzenden Hauptverhandlung ab September 2014 zur Verfügung stünden.
17III.
18Die Auslagenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
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(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.
(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.
(3) Über die Bestellung entscheidet
- 1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht; - 2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist; - 3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.
(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.
(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 7. März 2013 insoweit aufgehoben, als dem Angeklagten Rechtsanwalt ... aus Magdeburg als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist.
Dem Angeklagten wird anstelle von Rechtsanwalt A. aus Magdeburg nunmehr Rechtsanwalt ... aus Braunschweig als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
- 1
Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 - dem Angeklagten mit der Anklageschrift am 6. Februar 2013 förmlich zugestellt - hat das Amtsgericht Magdeburg dem Angeklagten binnen einer Woche Gelegenheit gegeben, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Eine Benennung erfolgte innerhalb der Frist nicht.
- 2
Am 7. März 2013 ging beim Amtsgericht Magdeburg um 9.32 Uhr ein Telefax des Rechtsanwalt ... aus Braunschweig ein, in welchem er im Namen des Angeklagten seine Bestellung als Pflichtverteidiger beantragte.
- 3
Am selben Tag beschloss das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten und bestellte ihm Rechtsanwalt ... aus Magdeburg als Pflichtverteidiger. Der Beschluss wurde am 11. März 2013 ausgefertigt.
- 4
Ebenfalls mit Schreiben vom 11. März 2013 teilte das Amtsgericht Rechtsanwalt ... mit, nach Ablauf der Stellungnahmefrist sei Rechtsanwalt ... für den Angeklagten als Pflichtverteidiger bestellt worden. Eine weitere Pflichtverteidigung komme nicht in Betracht.
- 5
Mit Schriftsatz vom 15. März 2013 hat der Angeklagte über Rechtsanwalt ... Beschwerde gegen die Bestellung von Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger eingelegt und zugleich beantragt, ihm Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Begründung führte er aus, der ursprüngliche Beiordnungsbeschluss hätte noch abgeändert werden können, da er zum Zeitpunkt der Benennung eines Verteidigers seiner Wahl keine Außenwirkung erlangt habe.
- 6
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, das Schreiben von Rechtsanwalt ... habe dem Gericht am 7. März 2013 nicht vorgelegen.
II.
- 7
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
- 8
Im Rahmen der Pflichtverteidigerbestellung hätte das Amtsgericht trotz der bereits seit mehreren Wochen abgelaufenen Benennungsfrist berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte Rechtsanwalt ... als Verteidiger seiner Wahl bezeichnet hat, bevor die am 7. März 2013 erfolgte Pflichtverteidigerbestellung Außenwirksamkeit erlangt hatte. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- 9
Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Steht kein wichtiger Grund entgegen, bestellt der Vorsitzende diesen Verteidiger, § 142 Abs. 1 S. 2 StPO. Dem Beschuldigten wird dadurch die Möglichkeit gegeben, sich von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Allein der Ablauf der gesetzten Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar. Vielmehr ist auch ein Vorschlag des Beschuldigten, der nach Fristablauf eingeht, bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, solange eine Pflichtverteidigerbestellung noch nicht ergangen ist oder eine bereits ergangene Entscheidung noch keine Außenwirkung erlangt hat (vgl. LG Braunschweig, Beschluss vom 21. September 2009, Az.: 7 Qs 280/09, BeckRS 2010, 03738; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl.,§ 142 Rdnr. 10; Wessing, in BeckOK StPO, Stand 1. Oktober 2012, § 142 Rdnr. 8a; zu einer ähnlichen Fristenfrage siehe LG Magdeburg, Beschluss vom 13. Februar 2012, 22 Qs 11/12, Rdnr. 15, zitiert nach juris). Im Ergebnis wird die Ermessensentscheidung des Gerichts damit auch bei einer verspäteten Benennung über § 142 Abs. 1 S. 2 StPO erheblich eingeschränkt. So liegt der Fall hier.
- 10
Das Telefax des Rechtsanwalts ... ist am Tag der Bestellung des Rechtsanwalts ... als Pflichtverteidiger bei Gericht eingegangen. Außenwirkung hat dieser Beschluss erst in dem Moment erlangt, als die Geschäftstelle ihn an eine Person außerhalb des Gerichts herausgegeben hat, hier am 11. März 2013. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der zuständigen Richterin das Telefax des Rechtsanwalts ... vom 7. März 2013 auch bekannt, was die Verfügung vom selben Tage zeigt. Eine Rücknahme der Bestellung nach § 143 StPO war zu diesem Zeitpunkt noch möglich, ohne dass weitere Kosten verursacht worden wären. Auch sprachen keine wichtigen Gründe gegen die Bestellung des vom Angeklagten verspätet benannten Rechtsanwalts ...
- 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 S. 1 StPO analog.
(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.
(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.
(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.