Oberlandesgericht Köln Beschluss, 26. Juni 2014 - 2 Ws 189/14
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt, verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Die Staatsanwaltschaft Köln hat unter dem 17.08.2012 gegen den Angeschuldigten K wegen des Vorwurfs der Untreue in fünf Fällen, gegen den Angeschuldigten L wegen des Vorwurfs der Untreue in vier Fällen, gegen die Angeschuldigten T, N und N2 wegen des Vorwurfs der Untreue in zwei Fällen und gegen den Angeschuldigten K2 wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue in drei Fällen im Zeitraum von Mai 2006 bis zum 30.03.2009 Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Aachen erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt (Band IX, Bl. 1840 – 2088) Bezug genommen.
4Mit Beschluss vom 17.12.2013 hat das Landgericht Aachen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen alle sechs Angeschuldigten teils aus rechtlichen, teils aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Akteninhalt (Band XII, Bl. 2559 – 2601) Bezug genommen.
5Gegen diesen, ihr am 20.12.2013 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Köln am 20.12.2013, eingegangen beim Landgericht Aachen am 20.12.2013, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Akteninhalt (Band XII, Bl. 2642 – 2659) Bezug genommen.
6Mit Vorlageverfügung vom 31.03.2014 ist die Generalstaatsanwaltschaft Köln der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln beigetreten.
7Die Angeschuldigten K, L, T, N und N2 haben mit Schriftsätzen ihrer Verteidiger vom 02.05., 06.05., 08.05. und 09.05.2014 zur sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stellung genommen.
8II.
9Das Rechtsmittel ist gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthaft und form- und fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
10Das Landgericht hat die für die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Maßgabe des § 203 StPO erforderliche Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung im Ergebnis zutreffend verneint. Der Senat gelangt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu keinem anderen Ergebnis.
11Hinreichender Verdacht im Sinne von § 203 StPO besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung, wobei für den Grundsatz „in dubio pro reo“ noch kein Raum, eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich ist und nicht die gleiche Wahrscheinlichkeit wie beim dringenden Tatverdacht nach den §§ 112, 126 a StPO verlangt wird. Dabei muss sich die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung auch auf die Beweisbarkeit erstrecken (vgl. SenE v. 20.12.2012 – 2 Ws 851/12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 203 Rn. 2 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen gemessen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts als zutreffend. Bei umfassender Gesamtwürdigung ist eine Verurteilung der Angeschuldigten nicht hinreichend wahrscheinlich.
12Fall 1 der Anklage:
13Angeschuldigter K
141.
15Der Angeschuldigte K ist nicht hinreichend verdächtig, durch die Aufgabe der Platzierungsverpflichtung gegenüber der G2 Mitte des Jahres 2006 eine Untreue zum Nachteil der G3 31 begangen zu haben.
16Die Platzierungsverpflichtung der G2 gegenüber der G3 31 zerfällt gemäß § 4 Ziffer 2 Satz 1 der Vereinbarung vom 28.09.2002 in drei Bestandteile:
17Die Verpflichtung, den bis zum 28.02.2003 nicht durch Beitrittserklärungen belegten Teil der Kapitalerhöhung bis zu einem Gesellschaftskapital von 82 Millionen Euro auf Anfordern der G3 31 selbst zu übernehmen (im Folgenden: Selbsteintrittsverpflichtung) oder alternativ nach Wahl der G2 der G3 31 Darlehen in Höhe der Differenz der nicht belegten Kapitalerhöhung zu einem Gesellschaftkapital von 82 Millionen Euro zu gewähren (im Folgenden: Darlehensgewährungsverpflichtung) oder alternativ nach Wahl der G2 der G3 31 Darlehen in Höhe der Differenz der nicht belegten Kapitalerhöhung zu einem Gesellschaftkapital von 82 Millionen Euro zu vermitteln (im Folgenden: Darlehensvermittlungsverpflichtung).
18(1) Untreue durch Aufgabe der Selbsteintrittsverpflichtung
19Als alleiniger Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G2, die ihrerseits wiederum Geschäftsbesorgerin der G3 31 war, besaß der Angeschuldigte K eine schuldrechtliche Vermögensbetreuungspflicht betreffend das Vermögen der G3 31.
20Voraussetzung für eine strafbare Untreue im Sinne des Treubruchstatbestandes ist gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst eine klare, evidente und gravierende Pflichtverletzung (BVerfGE 126, 170, 211). Ansatzpunkt für die Annahme einer solchen gravierenden und evidenten Treupflichtverletzung kann hier sein, dass im Zeitpunkt der Aufgabe der Selbsteintrittsverpflichtung (26.06.2006) die Differenz zwischen dem Deckelungsbetrag von 82 Millionen Euro und dem nicht durch Beitrittserklärungen belegten Teil der Kapitalerhöhung 25,5 Millionen Euro betrug (eingeworben war bis zu diesem Zeitpunkt Eigenkapital in Höhe von 56,5 Millionen Euro), in dieser Höhe zu diesem Zeitpunkt – vorbehaltlich der Einwerbung weiteren Eigenkapitals bis zum Ende des Jahres 2010 - ein (noch nicht fälliger) Anspruch der G3 31 gegen die G2 auf Selbsteintritt bezüglich dieser Differenz bestanden haben könnte und dieser Anspruch ohne Notwendigkeit, insbesondere ohne Kollision mit den Kreditbedingungen der D, aufgegeben worden sein könnte.
21Der Senat, der sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 46, 30, 34) zur Eigennützigkeit des Handelns von Entscheidungsträgern bewusst ist, kann jedoch offen lassen, ob diese Aufgabe tatsächlich pflichtwidrig war.
22Es kann darüber hinaus offen bleiben, ob insoweit das Einverständnis der Gesellschafter die Annahme von Untreue ausschließt, weil die Gesellschafterversammlung der G3 31 2006 den geplanten Änderungen des Gesellschaftsvertrages vorab ihre Zustimmung erteilt hat, oder ob dieses Einverständnis aufgrund von Willensmängeln derjenigen Gesellschafter, die ihre Zustimmung erteilt haben, unwirksam war.
23Entscheidend ist hier vielmehr, dass ein konkreter Vermögensschaden der G3 31 im Sinne des § 266 StGB nicht feststellbar ist.
24Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist hierzu folgendes zu berücksichtigen:
25Im Falle des Nachteilsmerkmals des § 266 StGB muss die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, dieses Merkmal als selbständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem aufgehen lassen. Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen – etwa bei einem ohne weiteres greifbaren Mindestschaden – abgesehen, werden die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen müssen (BVerfGE 126, 170, 211).
26Eine gebotene konkrete Ermittlung des Nachteils darf insbesondere nicht aus der Erwägung heraus unterbleiben, dass sie mit praktischen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn und soweit in der wirtschaftlichen Praxis geeignete Methoden zur Bewertung von Vermögenspositionen entwickelt worden sind, müssen die Gerichte diese – gegebenenfalls über die Hinzuziehung eines Sachverständigen – auch ihrer Beurteilung zugrunde legen. Dabei geht es darum, die Schadensfeststellung auf eine sichere Grundlage zu stellen, sie rational nachvollziehbar zu machen und sich zu vergewissern, ob im Einzelfall eine hinreichend sichere Grundlage für die Feststellung eines Vermögensnachteils überhaupt existiert oder ob man sich in einem Bereich bewegt, in dem von einem zahlenmäßig fassbaren Schaden noch nicht die Rede sein kann. Soweit Unsicherheiten verbleiben, ist unter Beachtung des Zweifelssatzes der (Mindest-)Schaden im Wege der Schätzung zu ermitteln (BVerfGE 126, 170, 212).
27Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war (BVerfG a.a.O.).
28Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue soll nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden (BGHSt 47, 295, 301f., BGH NStZ-RR 2006, 378, 379).
29Davon ausgehend ist hier wie folgt zu differenzieren:
30Der G3 31 ist im Zeitpunkt der Aufgabe der Selbsteintrittsverpflichtung am 26.06.2006 kein unmittelbarer Vermögensschaden in Höhe von 25,5 Millionen Euro entstanden. Insoweit ist die in der sofortigen Beschwerde vertretene Ansicht der Staatsanwaltschaft, es habe nach den vertraglichen Regelungen auch vor dem 31.12.2010 ein fälliger Anspruch gegenüber der G2 bestanden, die bis dahin durch das noch fehlende Eigenkapital entstehenden liquiden Nachteile auszugleichen, unzutreffend. Die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs trat erst mit Ablauf des 31.12.2010 ein.
31Für die ursprüngliche Vereinbarung vom 28.09.2002 folgt dies aus § 4 Ziffer 2, vorletzter Satz, der wie folgt lautet:
32„Der bis zum 31.12.2005 noch nicht durch Beitrittserklärungen belegte Teil der Kapitalerhöhung ist dann von G selbst zu übernehmen“.
33Aus dieser Formulierung geht klar hervor, dass erst am 31.12.2005 Bilanz gezogen werden konnte, um die Höhe der Selbsteintrittsverpflichtung der G2 feststellen zu können.
34Diese Vereinbarung ist von der G3 31 und der G2 um fünf Jahre bis zum 31.12.2010 prolongiert worden. Eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen diesen beiden Gesellschaften hierzu befindet sich zwar nicht bei den Akten. Es ist jedoch nach Aktenlage erkennbar, dass auf Seiten der G3 31 sämtliche gesellschaftrechtlichen Bedingungen für den Abschluss einer solchen Vereinbarung geschaffen worden sind und eine Prolongation zwischen den Parteien tatsächlich gelebt worden ist. Denn die G2 hat noch in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 26.06.2006 Eigenkapital in Höhe 957.016,81 Euro für die G3 31 eingeworben. Zudem heißt es in der Vereinbarung zwischen den Parteien vom 26.06.2006:
35„Der zwischen den Parteien bestehende Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung vom 28.09.2002 nebst Nachtrag endet mit Platzierung der nunmehr beschlossenen Gesellschaftskapitalerhöhung von T€ 56.600.
36Mit Plazierung dieser Gesellschaftskapitalerhöhung sind die von G nach § 2 (Alleinvertrieb) und § 4 (Plazierungsverpflichtung) zu erbringenden Leistungen erbracht.“
37Diese Formulierungen ergeben nur dann einen Sinn, wenn die Parteien davon ausgegangen sind, dass wechselseitige Verpflichtungen über den 31.12.2005 hinaus bestanden und auch über den 26.06.2006 hinaus bestanden hätten, wenn diese nicht zum Aufhebungszeitpunkt beendet worden wären.
38Im Ergebnis bedeutet dies, dass erst am 31.12.2010 hätte Bilanz gezogen werden können, um die Höhe des dann fälligen Anspruches gegen die G2 zu ermitteln.
39Eine strafbare Untreue kann auch nicht unter dem Blickwinkel der Kategorie des „Gefährdungsschadens“ angenommen werden.
40Insoweit gilt es zunächst Folgendes zu beachten:
41Der Dogmatik der schadensgleichen Vermögensgefährdung oder des Gefährdungsschadens liegt die Annahme zugrunde, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung unter bestimmten Umständen bereits die Gefahr eines zukünftigen Verlustes eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswertes und damit einen vollendeten Schaden oder Nachteil im Sinne der §§ 263, 266 StGB darstellen kann (vgl. RGSt 16, 1, 11; BVerfGE 126, 170, 221). Die Annahme eines Gefährdungsschadens setzt nach gefestigter Rechtsprechung allerdings voraus, dass das Vermögen des Opfers durch die Tathandlung konkret gefährdet wird. Eine abstrakte Gefährdungslage reicht nicht aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die Betroffenen mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen hatten, der Eintritt eines Schadens also nahe liegend war, so dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gegenwärtig gemindert wurde (BGHSt 48, 354, 357 f.; BGHSt 51, 100, 113; BGHSt 52, 182, 188).
42Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bestehen zwar keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Figur des Gefährdungsschadens auf den Untreuetatbestand. Um jedoch eine verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestandes in den Fällen des Gefährdungsschadens zu vermeiden, ist es jedoch notwendig – aber auch ausreichend -, dass Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festgestellt werden (BVerfGE 126, 170, 229). Anerkannte Bewertungsverfahren und –maßstäbe sind dabei zu berücksichtigen; soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen sind, ist regelmäßig die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich. Unvermeidlich verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume sind durch vorsichtige Schätzung auszufüllen; im Zweifel muss allerdings freigesprochen werden (BVerfG a.a.O.).
43Ein Gefährdungsschaden kommt im vorliegenden Fall unter dem theoretisch denkbaren Gesichtspunkt in Betracht, dass es der G2 auch bei Fortsetzung der Vereinbarung mit der G3 31 bis zum Ablauf des 31.12.2010 im ungünstigsten Fall nicht gelungen wäre, Kommanditkapital für die G3 31 in Höhe des Deckelungsbetrages von 82 Millionen Euro einzuwerben, und sie zum Stichtag in Höhe der dann bestehenden Differenz zwischen bis dahin eingeworbenem Kommanditkapital und Deckelungsbetrag selbst eintrittspflichtig geworden wäre. In der Höhe dieses Differenzbetrages könnte der Gefährdungsschaden der G3 31 liegen, da sie auf diesen denkbaren Ausgleichsanspruch im Jahre 2006 verzichtet hat.
44Der Senat sieht sich jedoch außerstande, nach den genannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die exakte Höhe dieses Gefährdungsschadens oder - unter Beachtung des Zweifelssatzes – jedenfalls einen (Mindest-)Schaden im Wege der Schätzung zu ermitteln. Denn eine solche Schadensermittlung setzt eine seriöse Prognose voraus, wie sich die weitere Einwerbung von Kommanditkapital durch die G2 für die G3 31 zwischen dem 26.06.2006 und dem 31.12.2010 gestaltet hätte, wenn die zwischen den Parteien bestehende Vereinbarung bis Ende 2010 fortgeführt worden wäre. Es sind auf der Basis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte ersichtlich, auf deren Grundlage eine solche Prognose – auch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – verlässlich getroffen werden kann. Nach den Feststellungen des Wirtschaftdezernenten der Staatsanwaltschaft ist es der G2 gelungen, zwischen dem 28.09.2002 und dem 31.12.2003 Kapitalanteile in Höhe von 45.467.507,06 Euro für die G3 31 zu platzieren, bis zum 31.12.2004 weitere Kapitalanteile in Höhe von 5.279.180,45 Euro, bis zum 31.12.2005 weitere Kapitalanteile in Höhe von 4.796.295,68 Euro und bis zum 26.06.2006 weitere Kapitalanteile in Höhe von 957.016,81 Euro. Anhand dieses Verlaufs ist zwar erkennbar, dass nach großen Anfangserfolgen die Kapitaleinwerbung stetig zurückgegangen ist, und auf dem Niveau des Jahre 2006 die Lücke bis zum Deckelungsbetrag von 82 Millionen Euro nicht hätte geschlossen werden können. Es ist aber auch nicht ausschließbar, dass – etwa bei verändertem Einwerbeaufwand oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen – im konkreten Einzelfall auch wieder größere Kapitalanwerbeerfolge hätten erzielt werden können. Wie hoch diese ausgefallen wären, ist nach Ansicht des Senats nicht mit ausreichender Gewissheit prognostizierbar. Jedenfalls kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass in den Jahren 2006 bis 2010 weitere Kapitalanteile in Höhe des fehlenden Betrages von 25,5 Millionen Euro eingeworben worden wären – in einem solchen Falle hätte die G3 31 gegen die G2 auch bei bis dahin nicht aufgegebener Platzierungsverpflichtung keinen Zahlungsanspruch gehabt.
45Unabhängig von der Frage, ob – was höchst zweifelhaft erscheint – die Schadenshöhe noch abschließend aufklärbar ist, hat die Strafkammer daher im Ergebnis zu Recht eine Eröffnung des Verfahrens bezüglich dieses Anklagepunktes abgelehnt. Es entspricht gefestigter Senatsrechtsprechung (vgl. SenE vom 06.05.2013 – 2 Ws 254/13), dass es nicht Aufgabe der Hauptverhandlung ist, einen eventuellen Vermögensschaden (im Sinne einer Vermögensgefährdung) zu bestimmen. Ist eine entsprechende Aufklärung nicht bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgt, ist die Eröffnung des Verfahrens vielmehr aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.
46(2 und 3) Untreue durch Aufgabe der Darlehensgewährungs- und Darlehensvermittlungsverpflichtung
47Die Aufgabe der Darlehensgewährungs- und Darlehensvermittlungsverpflichtung im Jahre 2006 stellt – wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat – keine Pflichtverletzung dar.
48Die Entscheidung zur Umfinanzierung in Form der Ablösung mehrerer, bei verschiedenen Banken bestehender Kredite und deren Ersetzung durch ein einheitliches, nur von einem Kreditinstitut gewährtes Darlehen war – was von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung letztlich auch nicht in Abrede gestellt wird – von der unternehmerischen Freiheit des Angeschuldigten K gedeckt. Nach Aktenlage war unabdingbare Voraussetzung dieser 2006 vorgenommenen Umschuldung aller bestehenden Altverbindlichkeiten der G3 31 auf ein neues Gesamtdarlehen der D der Ausschluss weiterer Kreditvergaben von Seiten Dritter an den Kreditnehmer G3 31.
49Ergänzend ist insoweit noch auf die Stellungnahme der Kanzlei O vom 22.02.2012 zu verweisen. Ausweislich dieser Stellungnahme hat die Kanzlei O im Jahre 2006 u.a. die D am Finanzplatz London vertreten. Sie ist daher augescheinlich in der Lage, über die für die erfolgte Kreditausreichung an die G3 31 relevanten Rahmendaten und Umstände, die in der Natur des damaligen Verbriefungsmarktes lagen, Auskunft zu geben.
50Wörtlich heißt es in dieser Stellungnahme wie folgt:
51„3. Neben dem ausgereichten Kreditbetrag waren weitere Kreditvergaben von Seiten Dritter an die Kreditnehmer nicht zulässig. Der Hintergrund dieses standardmäßigen Verbotes liegt darin begründet, dass die Emissionsgesellschaft, an die der Kredit verkauft werden sollte, sich nicht mit dritten Kreditgebern auseinandersetzen wollte und konnte. Diese hinzutretenden Gläubiger wären ja aufgrund der vertraglichen Regelungen in der Lage gewesen, trotz eines nach dem Hauptkredit kleineren Darlehens den Hauptkredit in eine Leistungsstörung allein durch das bloße Behaupten, ihren Kredit alsbald fällig stellen zu wollen, zu treiben. Nach allgemeinen Standardkreditvertragsbedingungen führt nämlich auch eine behauptete Leistungsstörung eines Darlehensnehmers in Bezug auf eine weitere Verbindlichkeit desselben auch zur Kündigung des Hauptkreditvertrages. Damit wäre der verbriefte Kredit einem nicht beherrschbaren Risiko ausgesetzt worden und hierüber hätte die Emissionsgesellschaft keinerlei Kenntnis oder Kontrolle gehabt. Aus diesem Grunde sind in Verbriefungen nur Gesamtdarlehen aus einer Hand und unter einer einheitlichen Struktur ausgereicht worden. Eine andere Wahl als dieses Gesamtdarlehen entweder insgesamt abzunehmen oder kein Darlehen zu erhalten, hatten Ihre Gesellschaften nicht.
52(…)
535. Aus diesem Grunde war es für die finanzierende Bank neben der herausgehobenen Stellung des Immobilienensembles wesentlich, dass man die Gesamtfinanzierung in einer Hand sichert und weitere – auch nachrangige – Kreditgeber von vorneherein ausgeschlossen wurden.
54(…)
558. Aus den im Vorhergehenden skizzierten Überlegungen ergibt sich klar, dass zur Gesamtbereinigung des vorgefundenen Portfolios und aus Gründen der Kapitalmarktplatzierung nur ein Kredit in der schließlich abgeschlossenen Höhe in Rede stand oder gar keiner.
569. Die damals durch die D2 (D2) vorgegebenen Richtlinien und Vorgaben für die Verbriefung von hypothekarisch besicherten gewerblichen Immobilienkrediten sahen stets einen einzelnen Kredit für ein Portfolio vor. Daneben sahen die Richtlinien, so wie sie auch im Standardkreditvertrag für diese Transaktion umgesetzt worden sind, ein Verbot der Eingehung weiterer Verbindlichkeiten und das Nichtvorhandensein von anderen Finanzierungen vor. (…)“
57Aus diesen Bedingungen der D (im Rahmen der Umschuldung und Darlehensgewährung im Jahre 2006) geht klar hervor, dass sich die G3 31 des in § 4 der Platzierungsverpflichtung vom 28.09.2002 vereinbarten Rechtes der G2, statt des Selbsteintritts alternativ nach Wahl der G2 entweder ein Darlehen zu gewähren oder zu vermitteln, entledigen musste, wenn sie die Umschuldung auf ein Gesamtdarlehen bei der D erhalten wollte. Denn ein weiteres Darlehen - entweder der G2 direkt oder eines anderen von der G2 vermittelten Kreditgebers – hätte den von der D gegebenen Hauptkredit einem nicht beherrschbaren Risiko ausgesetzt, worüber die Emissionsgesellschaft, an die der Kredit verkauft werden sollte, keinerlei Kenntnis oder Kontrolle gehabt hätte. Insoweit war das vom Angeschuldigten K im Jahre 2006 gegenüber den Gesellschaftern der G3 31 zur Begründung der Aufgabe der Rechte aus der Platzierungsverpflichtung der G2 genannte Argument, dass sich die Umfinanzierung zwangsläufig auf die zur Platzierung mit der G2 bestehenden Verträge auswirke, zutreffend. Im Ergebnis war damit die Aufgabe der Darlehensgewährungs- und Darlehensvermittlungsverpflichtung der G2 durch die G3 31 zur Erlangung des Gesamtdarlehens der D im Jahre 2006 – durch welche die G3 31 u.a. eine immerhin zehnjährige Tilgungsfreiheit für das neue Darlehen aushandeln konnte – von der unternehmerischen Freiheit des Angeschuldigten K gedeckt und keinesfalls pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB.
58Eine Untreue durch Aufgabe der Platzierungsverpflichtung zum Nachteil der B Residenz kommt von vorneherein nicht in Betracht, da die B Residenz nach dem Wortlaut der Platzierungsverpflichtung vom 28.09.2002 weder Vertragspartner der G2 war noch die G2 in diesem Vertrag – anders als im Vertrag zwischen der G3 31 und der G2 zur Übernahme einer Zinsgarantie vom gleichen Tage – Verpflichtungen gegenüber der B Residenz eingegangen ist. Durch die Aufgabe der Platzierungsverpflichtung sind also keine vermögensrechtlichen Belange der B Residenz berührt worden.
592.
60In der Aufgabe der Zinsgarantie gegenüber der G3 31 zum 26.06.2006 mit Vereinbarung vom gleichen Tage sowie in der Aufgabe der Zinsgarantie gegenüber der B Residenz zum 31.07.2007 mit Vereinbarung vom 11.12.2006 liegt ebenfalls keine Pflichtverletzung i.S.v. § 266 StGB.
61Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, wonach Ansprüche gegen die G2 aus dem Zinsgarantievertrag nicht entstanden sind, weil keine gesonderte Zwischenfinanzierung hinsichtlich der vorgesehenen Kapitalerhöhung stattgefunden hat und der G3 31 dementsprechend keine Zwischenfinanzierungsaufwendungen im Sinne des Vertrages entstanden sind. Zu Recht geht die Wirtschaftsstrafkammer davon aus, dass nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck der Zinsgarantievereinbarung die Erstattungsverpflichtung der G2 gegenüber der G3 31 nur für den Fall zum Tragen kommen sollte, dass eine neue Kreditaufnahme explizit zum Zwecke der Vorfinanzierung der Kapitalerhöhung erfolgt wäre. Zutreffend hat das Landgericht Aachen begründet, dass damit der Fall, dass bestehende Altverbindlichkeiten nicht reduziert worden sind – nur darum handelt es sich nach den Feststellungen im Vermerk des Wirtschaftsreferenten -, nicht vergleichbar ist und hierfür die G2 nicht einstehen sollte.
62Insbesondere wirkt sich die Aufgabe der Zinsgarantie auch nicht auf das 2006 aufgenommene Darlehen bei der D mit einem Kreditanteil von 135 Millionen Euro bezüglich der G3 31 und einem Kreditanteil von 25 Millionen Euro bezüglich der B Residenz und die damit verbundenen Zinslasten aus, mit der Folge, dass der gesamten Schadensberechnung in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (Zinsschaden für den Zeitraum von sechs Jahren bis Mitte 2012 i.H.v. 14.078.061,60 €, wovon auf die G3 31 KG 6.767.061,60 € und die B Residenz GmbH & Co. KG 7.311.000,00 € entfallen) die Grundlage entzogen ist.
63Die Staatsanwaltschaft geht nämlich zu Unrecht davon aus, dass im Rahmen der Kreditgewährung durch die D Mitte 2006 der Fehlbetrag zwischen ursprünglich avisierter Kapitalerhöhung i.H.v. 104.640.000 Euro und bis dahin eingeworbenem Kommanditkapital i.H.v. 56.5000.000 Euro (= 48.140.000 Euro) nunmehr durch Fremdkapital akquiriert worden sei und es der G3 31 sowie der B Residenz ohne weiteres möglich gewesen sei, es bei der Umschuldung 2006 bei einer Kreditaufnahme von ca. 112 Millionen Euro (160 Millionen weniger 48 Millionen Euro) zu belassen.
64Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall; es hat keine zusätzliche Kreditaufnahme zur Finanzierung des nicht weiter akquirierten Fremdkapitals gegeben, sondern lediglich eine Umschuldung sämtlicher Altverbindlichkeiten.
65Letztlich belegt dies schon die von der Staatsanwaltschaft zitierte Berechnung des dortigen Wirtschaftsreferenten. Aus der ausweislich der vorliegenden Jahresabschlüsse der Jahre 2002 - 2006 im Bericht vom 20.10.2011 zusammengestellten Entwicklung der Verbindlichkeiten der G3 31 und der B Residenz gegenüber Kreditinstituten ergibt sich danach folgendes Bild:
66G3 31:
67Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Mio € |
31.12.2002 |
31.12.2003 |
31.12.2004 |
31.12.2005 |
31.12.2006 |
O2 Darlehen aus 1999 |
75,43 |
75,43 |
75,43 |
75,43 |
|
E AG, C Darlehen aus 1996 |
59,32 |
59,32 |
59,32 |
59,32 |
|
Anteilige Zinsen etc. |
1,34 |
1,17 |
1,19 |
0,92 |
1,36 |
D International, GB Darlehen seit 31. Juli 2006 |
135,00 |
||||
Summe in Mio € |
136,09 |
135,92 |
135,94 |
135,67 |
136,36 |
B Residenz:
69Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Mio € |
31.12.2002 |
31.12.2003 |
31.12.2004 |
31.12.2005 |
31.12.2006 |
B2 AG, G4 Zwischenfinanzierungsdarlehen als Eigenkapitalvorfinanzierung vor 2002 |
20,45 |
22,11 |
22,01 |
21,41 |
|
Anteilige Zinsen etc. |
1,66 |
0,44 |
0,07 |
0,08 |
0,25 |
D International, GB Darlehen seit 31. Juli 2006 |
25,00 |
||||
Summe in Mio € |
22,11 |
22,55 |
22,08 |
21,49 |
25,25 |
Dieses Zahlenwerk belegt, dass mit der Umfinanzierung im Jahre 2006 sämtliche bis dahin bei verschiedenen Banken bestehenden Altverbindlichkeiten in nahezu identischer Höhe lediglich umgeschuldet worden sind. Die neuen Kreditbeträge bei der D sind höhenmäßig mit den Altschulden fast deckungsgleich, so dass keine Rede davon sein kann, man habe sich 2006 das fehlende Eigenkapital i.H.v. 48,14 Millionen Euro durch Aufnahme von Fremdkapital beschafft. Erst recht ist der Annahme der Boden entzogen, man hätte es 2006 mit einer Kreditaufnahme i.H.v. 112 Millionen Euro bewenden lassen können. Denn damit hätte man Altschulden i.H.v. 48 Millionen Euro nicht umgeschuldet und damit der Bedingung der D, alleiniger Kreditgeber unter Ausschluss aller anderen Darlehensgeber zu sein (s.o.), nicht entsprechen können. Die Zinsaufwendungen, die im Hinblick auf das neue Gesamtdarlehen an die D zu leisten waren, wären in ähnlicher Form an die bisherigen Kreditgeber zu entrichten gewesen, wenn eine Umschuldung nicht vorgenommen worden wäre.
71Die Umschuldung aller bestehenden Altschulden für zwei Gesellschaften auf ein einziges Gesamtdarlehen unter günstigen Konditionen (u.a. 10 Jahre Tilgungsfreiheit) entsprach daher insgesamt den Sorgfaltspflichten ordentlichen kaufmännischen Handelns.
72Die Zinsgarantie hätte – auch wenn sie 2006 nicht aufgegeben worden wäre - bei dieser Sachlage nicht gegriffen. Denn in ihr hatte sich die G2 nur verpflichtet, gegenüber der G3 31 und der B Residenz den liquiden Nachteil aus Finanzierungsaufwendungen (Zinsen etc.) auszugleichen, der ihnen dadurch entsteht, dass Teilbeträge der vorgesehenen Kapitalerhöhung durch Bank- oder sonstige Kredite zwischenfinanziert worden sind. Da es sich bei der Umschuldung 2006 jedoch gerade nicht um eine Zwischenfinanzierung von Teilbeträgen der vorgesehenen Kapitalerhöhung handelte, sondern nur um eine Umschuldung von Altverbindlichkeiten, waren die Bedingungen für ein Eingreifen der Zinsgarantie für die aus dem neuen Darlehen erwachsenen Zinsbelastungen nicht gegeben. Da für beide Gesellschaften von 2002 bis 2006 zu keinem Zeitpunkt anderweitig Zwischenfinanzierungen von Teilbeträgen der vorgesehenen Kapitalerhöhung vorgenommen worden sind, wirkte sich die Aufgabe der Zinsgarantie im Jahre 2006 vermögensrechtlich in keiner Weise aus. Eine Pflichtverletzung durch Aufgabe der Zinsgarantie ist mithin nicht ersichtlich.
73Angeschuldigte T, N und N2
74Betreffend die Beteiligung der Angeschuldigten T, N und N2 an dem Geschehen rund um den angeklagten Fall 1 hat die Wirtschaftsstrafkammer ausgeführt:
75„Besteht nach allem schon gegenüber dem Angeschuldigten K im Fall1 der Anklage kein hinreichender Tatverdacht einer strafbaren Untreue, gilt dies erst recht im Hinblick auf die Angeschuldigten N, N2 und T in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Treuhandkommanditistin. War das Vorgehen des Angeschuldigten K nach strafrechtlicher Betrachtungsweise schon nicht treuwidrig, kann es dessen Befürwortung umso weniger sein.“
76Dem schließt sich der Senat an.
77Fälle 2 und 4 der Anklage:
78Angeschuldigte K und L
79Die Angeschuldigten K und L sind nicht hinreichend verdächtig, durch den in den Fällen 2 und 4 der Anklage näher beschriebenen Verzicht auf Miet-/Pachtforderungen eine Untreue zum Nachteil der Vermögen der G3 31 und der B Residenz begangen zu haben.
80Dieses Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand der Untreue im Sinne des § 266 StGB, weil schon nicht erkennbar ist, dass hierdurch ein Vermögensschaden entstanden sein könnte.
81Beim Verzicht auf eine Forderung tritt der von dem Tatbestand vorausgesetzte Vermögensschaden nur ein, wenn die Forderung werthaltig ist. Wer auf die Geltendmachung einer wertlosen, weil gänzlich uneinbringlichen Forderung verzichtet, erleidet dadurch keinen Vermögensschaden (BGH NStZ 1997, 95, 96).
82Vorliegend waren die Miet-/Pachtforderungen sowohl der B Residenz als auch der G3 31 gegenüber der B Holding GmbH für die Jahre 2008 und 2009 uneinbringlich. Denn der Versuch der Einbringung der Forderungen in der oben beschriebenen Höhe hätte unverzüglich die Zahlungsunfähigkeit, damit die Insolvenz der B Holding GmbH und in der Folge den weitgehenden wirtschaftlichen Verlust der Forderungen herbeigeführt.
83Dass die B Holding GmbH bereits im Jahre 2008 zahlungsunfähig geworden wäre, wenn die Mieten/Pachten für das Jahr 2008 hätten gezahlt werden müssen, ergibt sich wiederum aus dem bereits oben erwähnten Vermerk des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011. Hiernach betrug zwar das Liquiditätssaldo der B Holding GmbH, also das Über-/Unterdeckungsverhältnis der kurzfristigen Aktiva zu den kurzfristigen Passiva, am 31.12.2008 + 675.679,18 Euro.
84Zu beachten ist jedoch, dass sich dieses für das Jahr 2008 ausgewiesene Liquiditätspolster nur daraus ergibt, dass folgende Umstände, nämlich einerseits der Miet-/Pachterlass für das Jahr 2008 und andererseits ein von der B Residenz zugunsten der B Holding GmbH anerkannter Schadensersatzanspruch in Höhe von 750.000,00 Euro (Näheres dazu unter Fall 3), in das Ergebnis eingeflossen sind:
85- 86
+ ca. 300.000,00 Euro mehr Forderungen gegenüber der B Residenz wegen (Rest-)Schadensersatz (zum 31.12.2008 noch nicht an die G3 31 abgetretener Forderungsteil von ursprünglich 750.000,00 Euro)
- 87
- ca. 450.000,00 Euro weniger Miet-/Pachtverbindlichkeiten gegenüber der G3 31 (nach Verrechnung von Miet-/Pachtverbindlichkeiten mit an die G3 31 zuvor abgetretener Schadensersatzforderung in Höhe von ca. 450.000,00 Euro),
- 88
- 417.207,67 Euro weniger Miet-/Pachtverbindlichkeiten gegenüber der B Residenz wegen Miet-/Pachtverzichts für das Jahr 2008.
Ohne diese vermeintlichen Guthaben, die – da Gegenstand der fraglichen Untreuehandlung – bei der hier gebotenen Gesamtbetrachtung außer Betracht zu bleiben haben, hätte sich das ausgewiesene Liquiditätspolster der B Holding GmbH um 1.167.207,60 Euro (300.000,00 Euro Schadensersatzforderung zzgl. 867.207,67 Euro Miet-/Pachtverzicht) in ein Liquiditätsdefizit von - 491.528,49 Euro verwandelt.
90Angesichts kurzfristig fälliger Verbindlichkeiten der B Holding GmbH Ende 2008 in Höhe von 2.058.300,00 Euro hätte das Liquiditätsdefizit von – 491.528,49 Euro umgerechnet einen Prozentsatz von 23,88 % der kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten erreicht. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGHZ 163, 134). Diese 10%-Marke wäre hier fast um das anderthalbfache überschritten gewesen, so dass ohne den Miet-/Pachtverzicht der B Residenz einerseits bzw. der G3 31 andererseits (nach Verrechnung mit teilweise abgetretenem Schadensersatzanspruch) bereits 2008 unverzüglich für die B Holding GmbH Insolvenz hätte angemeldet werden müssen.
91Dasselbe gilt nach dem Vermerk des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011 auch für das Jahr 2009. Hiernach betrug zwar das Liquiditätssaldo der B Holding GmbH, also das Über-/Unterdeckungsverhältnis der kurzfristigen Aktiva zu den kurzfristigen Passiva, am 31.12.2009 - 2.931,83 Euro, was einem Liquiditätsdefizit in Höhe von 0,22 % der kurzfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von 1.332.650,00 Euro entsprach. Ohne die Verzichte auf Mieten/Pachten durch die G3 31 und die B Residenz gegenüber der B Holding GmbH für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 2.590.530,76 Euro hätte sich das Liquiditätsdefizit um diesen Betrag auf 2.593.462,59 Euro erhöht. Dies ergibt einem Prozentsatz von 194,6 % der kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten zum Stichtag 31.12.2009.
92Die Angeschuldigten K und L sind - was auch hinsichtlich der noch zu erörternden Fälle 3 und 5 gilt - zudem keiner Untreue durch den unterlassenen Vertragsabschluss mit einem anderen Mieter für die Gewerbeflächen der B Südseite (anstelle der B Holding GmbH) hinreichend verdächtig.
93Die Ermittlungen haben nicht ergeben, dass den Vermieterinnen G3 31 und B Residenz kein Schaden entstanden wäre, wenn die Angeschuldigten K und L als Verantwortliche anstelle des Abschlusses der Verzichtsvereinbarungen der B Holding GmbH wegen Zahlungsverzuges (fristlos) gekündigt hätten und ein Mietverhältnis mit einem anderen solventen Mieter eingegangen wären. Die Anklage erschöpft sich diesbezüglich im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen mit der Wiedergabe von Veröffentlichungen der J C, welche im relevanten Zeitraum 2009 und 2010 erzielbare Mieten in Höhe von 34 – 100 Euro pro Quadratmeter und mindestens 34 Euro Miete im Durchschnitt pro Quadratmeter für die 5 Lokale an der B Südseite auswiesen, während mit der B Holding GmbH eine Durchschnittsmiete für die Gesamtfläche der fünf Lokale mit 27,63 Euro pro Quadratmeter vereinbart gewesen sei.
94Die Anklage berücksichtigt jedoch nicht, dass die B Holding GmbH in den an sie vermieteten Räumlichkeiten wirtschaftlich selbst nicht tätig war, sondern sich ihre Rolle darin erschöpfte, Zwischenmieterin zu sein, die ihrerseits von dem unternehmerischen Erfolg ihrer eigenen Mieter abhängig war. Es wäre deshalb bei einem solchen Ansatz im Ermittlungsverfahren zu untersuchen gewesen, ob anstelle der B Holding GmbH ein Austauschmieter hätte gefunden werden können, der mit dem gleichen unternehmerischen Konzept (Vermietung an gehobene Gastronomie und an einen Wellness-Bereich) die mit der B Holding GmbH vereinbarte Miete (27,63 Euro pro Quadratmeter) oder die von der IHK Berlin ausgewiesene erzielbare Mindestmiete (34 Euro pro Quadratmeter) hätte erzielen können. Alternativ wäre zu untersuchen gewesen, ob ein Austauschmieter hätte gefunden werden können, der – bei fehlender Erzielbarkeit dieser Mieten mit diesem unternehmerischen Konzept – bereit gewesen wäre, drei oder vier Jahre ausschließlich Verluste in Kauf zu nehmen, bis das Konzept beginnt, sich zu amortisieren.
95Dies ist jedoch unterblieben. Dass nach dem derzeitigen Ermittlungsstand die insoweit erforderliche Aufklärung bisher nicht erfolgt ist, steht der Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen entgegen (vgl. dazu SenE v. 06.05.2013 – 2 Ws 254/13).
96Angeschuldigter K2
97Mangels Haupttat ist auch ein hinreichender Tatverdacht betreffend den Angeschuldigten K2 wegen Beihilfe zur Untreue in den Fällen 2 und 4 der Anklage nicht ersichtlich.
98Fall 3 der Anklage:
99Im Ergebnis zu Recht hat die Wirtschaftsstrafkammer auch eine Eröffnung des Verfahrens hinsichtlich Fall 3 der Anklage abgelehnt; auch insoweit ist aufgrund des bisherigen Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens nicht erkennbar, dass die Angeschuldigten durch ihr Verhalten in strafrechtlich vorwerfbarer Weise einen Vermögensschaden verursacht haben könnten.
100Angeschuldigte K und L
101Die Angeschuldigten K und L sind zunächst nicht hinreichend verdächtig, durch die Begründung einer Schadensersatzverpflichtung zum Nachteil der B Residenz gegenüber der B Holding GmbH in Höhe von 750.000,00 Euro durch schriftliche Vereinbarung vom 19.12.2008 eine Untreue zum Nachteil des Vermögens der B Residenz begangen zu haben.
102Entgegen der von der Staatsanwaltschaft bereits in der Anklage vertretenen Rechtsauffassung begründet alleine die Anerkennung der Zahlungsverpflichtung der B Residenz gegenüber der B Holding GmbH noch keinen Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB bei der B Residenz.
103Eine solche isolierte Betrachtungsweise wird dem durch die Ermittlungsakte dokumentierten gesamtwirtschaftlichen Verhalten aller Vertragsbeteiligten nicht gerecht. Insoweit sind hier alle kurz nach dem 19.12.2008 (zwischen den 20.12.2008 und dem 27.02.2009 abgeschlossenen) Vereinbarungen zwischen der G3 31, der B Residenz und der B Holding GmbH in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Daraus ergibt sich, dass die B Residenz im Ergebnis von der zu ihren Lasten begründeten Schadensersatzverpflichtung komplett seitens der G3 31 freigestellt worden ist, so dass sich die Vereinbarung vom 19.12.2008 für sie letztlich wirtschaftlich neutral und nicht nachteilig ausgewirkt hat.
104Unter dem 22.12.2008, 30.01.2009 und 27.02.2009 (SH 21, Bd. 3, Bl. 382f., 384 a f.und 384 c. f.) sind zwischen der B Holding GmbH, der B Residenz und der G3 31 folgende, gleich lautende Abtretungs- und Verrechnungsvereinbarungen getroffen worden:
105„1. B Holding hat gegenüber B Residenz eine Forderung in Höhe von € 750.000.
1062. G3 31 hat gegenüber B Holding eine Forderung aus Mieten Oktober - Dezember 2008 in Höhe von 450.607,23 € (resp. Januar 2009/Februar 2009 i.H.v. jeweils 151.909,26 €).
1073. B Holding tritt hiermit ihre Forderung gegenüber B Residenz in Höhe von 450.607,23 € (resp. 151.909,26 € und 147.483,51 €) an G3 31 ab. G3 31 nimmt die Abtretung an.
1084. B Residenz stimmt der Abtretung zu.
1095. G3 31 verrechnet hiermit den abgetretenen Betrag mit ihrer Forderung gegen B Holding.“
110Die Summe aus den Beträgen 450.607,23 Euro, 151.909,26 Euro und 147.483,51 Euro ergibt genau 750.000,00 Euro.
111Das Ergebnis dieser Abtretungs- und Verrechnungsvereinbarungen war daher, dass die G3 31 die B Residenz vollständig von ihrer Schadensersatzverpflichtung freigestellt hat, indem sie der B Holding GmbH Mieten in Höhe von 750.000 Euro erlassen hat. Der Vorteil lag damit komplett bei der B Holding GmbH (erlassene Mieten i.H.v. 750.000,00 Euro für den Zeitraum 10/2008 bis 2/2009), der korrespondierende wirtschaftliche Ausfall hingegen bei der G3 31 (Mietverzicht i.H.v. 750.000,00 Euro für den Zeitraum 10/2008 bis 2/2009 gegenüber der B Holding GmbH durch Verrechnung der gegen diese bestehenden Mietansprüche mit der Schadensersatzforderung gegen die B Residenz). Die B Residenz stand im Ergebnis wie zuvor da, d.h. für sie ist die Begründung einer Schuld i.H.v. 750.000,00 Euro wirtschaftlich neutral verlaufen; ein Vermögensschaden ist bei ihr nicht eingetreten.
112Untreue zum Nachteil der G3 31:
113Ungeachtet des von der Staatsanwaltschaft konkretisierten Tatvorwurfs eines infolge der Untreue verursachten Vermögensschadens bei der B Residenz hat der Senat im Hinblick auf die vorstehend beschriebenen Abtretungs- und Verrechnungsvereinbarungen im Rahmen der allgemeinen Kognitionspflicht auch geprüft, ob sich diesem Anklagevorwurf im Kern auch eine Untreuehandlung zum Nachteil der G3 31 entnehmen lässt; im Ergebnis kann aber auch diesbezüglich kein eine Eröffnung rechtfertigender Strafvorwurf festgestellt werden.
114Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass – soweit die G3 31 in den Vereinbarungen vom 30.01.2009 und 27.02.2009 die Mieten für die Monate Januar und Februar 2009 in Höhe von 151.909,26 Euro und 147.483,51 Euro verrechnet hat, dieser Mietverzicht bereits von dem (nicht eröffneten) Anklagevorwurf zu Fall 4 abgedeckt ist, bei dem es um den Verzicht auf alle Mieten des Jahres 2009 durch die G3 31 gegenüber der B Holding GmbH geht.
115Eine Pflichtverletzung kommt aber aufgrund der Vereinbarung vom 22.12.2008 in Betracht, in welcher bereits drei Tage nach Begründung der Schadenssatzverpflichtung in Höhe von 750.000,00 Euro zum Nachteil der B Residenz ein Teilbetrag in Höhe von 450.607,23 Euro zum Erlöschen einerseits der Schadensersatzforderung gegenüber der B Residenz und andererseits der Mietverbindlichkeiten der B Holding GmbH gegenüber der G3 31 für das letzte Quartal des Jahres 2008 eingesetzt wurde. Diese Vorgehensweise erscheint – abweichend von den Ausführungen der Kammer in der angefochtenen Entscheidung – wie von der Staatsanwalt dargelegt, durchaus bedenklich. Letztlich bedarf dies vorliegend jedoch keiner näheren Überprüfung, weil auch hier das bereits oben zu den Fällen 2 und 4 Gesagte gilt; es ist nicht ersichtlich, dass der G3 31 durch dieses Verhalten ein Vermögensschaden im Sinne des § 266 StGB entstanden ist. Denn der Versuch der Einbringung der Forderungen der G3 31 gegen die B Holding GmbH in der oben beschriebenen Höhe hätte unverzüglich die Zahlungsunfähigkeit, damit die Insolvenz der B Holding GmbH und in der Folge den weitgehenden wirtschaftlichen Verlust der Forderungen herbeigeführt (s.o.).
116Angeschuldigter K2
117Mangels Haupttat ist auch ein hinreichender Tatverdacht betreffend den Angeschuldigten K2 wegen Beihilfe zur Untreue in Fall 3 der Anklage nicht ersichtlich.
118Fall 5 der Anklage:
119Die Angeschuldigten K, L, T, N und N2 sind schließlich auch nicht hinreichend verdächtig, durch den in Fall 5 der Anklage näher beschriebenen Verzicht auf Miet-/Pachtforderungen eine Untreue zum Nachteil der Vermögen der G3 31 und der B Residenz begangen zu haben.
120Auch insoweit fehlt es im Ergebnis an dem Eintritt eines Vermögensschadens.
121Hier ist zu beachten, dass - soweit der Gesellschaftsanteil eines Kommanditisten betroffen ist - sein Einverständnis die Annahme eines Vermögensschadens ausschließt (BGH Beschl. vom 30.08.2011 - 2 StR 652/10; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 25; BGH NStZ 1987, 279; Fischer StGB, 61. Auflage, § 266 Rn. 113).
122Vorliegend haben die Gesellschafterversammlungen der B Residenz (am 16.03.2010) sowie der G3 31 (am 17.03.2010) jeweils der Ausdehnung des Mietverzichts für die Jahre 2010 und 2011 im Vorhinein zugestimmt (SH 21, Bd. 3, Bl. 568 ff. und 572 ff.).
123Zu Recht ist das Landgericht Aachen in der angefochtenen Entscheidung auch von der Wirksamkeit dieses Einverständnisses ausgegangen.
124Die Wirksamkeit des Einverständnisses ist nach den Grundsätzen der rechtfertigenden Einwilligung zu beurteilen (Fischer StGB, 61. Auflage, § 266 Rn. 92). Ausnahmen von der tatbestandsausschließenden Wirkung gelten daher dann, wenn die Zustimmung des Geschäftsherrn gesetzwidrig war, erschlichen ist oder sonst auf Willensmängeln beruht oder ihrerseits pflichtwidrig ist (Fischer a.a.O.). Diese Ausnahmen liegen hier nicht vor.
125Eine Unwirksamkeit des im Rahmen der Gesellschafterversammlung der G3 31 vom 17.03.2010 erteilten Einverständnisses ergibt sich abweichend von der Beschwerdebegründung zunächst nicht aus dem Umstand, dass dieser Beschluss von einzelnen Kommanditisten im Verfahren 18 U 296/11 vor dem Oberlandesgericht Köln erfolgreich angefochten worden ist.
126Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat zwar mit Beschluss vom 02.08.2012 (18 U 296/11) die Berufungen gegen ein Urteil des Landgerichts Aachen vom 04.10.2011 (8 O 533/09) zurückgewiesen, in welchem festgestellt worden war, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2010 zu TOP 3 (welcher die Zustimmung der Gesellschaftversammlung zur Verlängerung des Mietverzichts enthielt) nichtig ist. In der genannten Entscheidung wird die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 3 jedoch ausschließlich mit der Verweigerung der Herausgabe der Gesellschafterliste an zwei Mitgesellschafter, also mit reinem Verfahrensfehler, begründet. Materielle Gründe für die Nichtigkeit des Beschlusses vom 17.03.2010 sind hingegen nicht festgestellt, insbesondere keine Falschinformation der Gesellschafter im Vorfeld der Abstimmung. In dem dem Zurückweisungsbeschluss vom 02.08.2012 vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 12.06.2012, in dem erörtert wird, dass ein anderer Gesellschafterbeschluss der G3 31 vom 16.9.2009 u.a. wegen Falschinformationen der Gesellschafter nichtig war, heißt es dazu ausdrücklich:
127„Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 3 vom 17.03.2010 gelten die vorstehenden Erwägungen dagegen nicht. Hier war die Information über den sogenannten „Besserungsschein“ im Vorfeld der Versammlung zutreffend und ein Stimmrechtsausschluss kommt aufgrund der geänderten Gesellschaftsstruktur der Beteiligungsgesellschaft nicht mehr in Betracht.“
128Die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses allein aus formellen Gründen (Verfahrensfehler der Verweigerung der Herausgabe der Gesellschafterliste an zwei Mitgesellschafter) zählt aber, worauf die angefochtene Entscheidung zu Recht hinweist, nicht zu den Gründen, aus denen die strafrechtliche Unwirksamkeit der tatbestandsauschließenden Wirkung des Einverständnisses angenommen werden kann. Dessen Wirksamkeit ist vielmehr allein nach den oben benannten Kriterien zu beurteilen; diese liegen hier nicht vor.
129Dass die Zustimmung der Gesellschafter zur Verlängerung des Mietverzichts als solche gesetzwidrig war, ist fernliegend. Nicht erkennbar und im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht näher untersucht worden ist, ob die Zustimmung der Gesellschafter erschlichen war oder sonst auf Willensmängeln beruhte. Abweichend von der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft ist schließlich nicht ersichtlich, dass das Abstimmungsergebnis kausal auf einem pflichtwidrigen Verhalten der Angeschuldigten beruht. Was die Angeschuldigten N und N2 angeht, haben diese sich schon nicht an der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2010 nicht beteiligt. Ob dem Angeschuldigten T insoweit ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, kann bereits deshalb dahinstehen, weil dessen Abstimmungsverhalten angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht kausal für das Abstimmungsergebnis gewesen sein kann (unabhängig von den von den Angeschuldigten abgegebenen Stimmen haben von weiteren 109.614.306 Stimmberechtigten 60.413.892 mit Ja gestimmt).
130Der Gesellschafterbeschluss der B Residenz vom 16.03.2010 ist – im Gegensatz zum Beschluss der G3 31 vom 17.03.2010 – gerichtlich nicht angefochten worden, also gesellschaftsrechtlich wirksam.
131Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Zustimmung der Gesellschafter zur Verlängerung des Mietverzichts als solche gesetzwidrig gewesen sein könnte; ebenso wenig ist im Rahmen des Ermittlungsverfahrens geklärt worden oder anderweitig erkennbar geworden, dass die Zustimmung der Gesellschafter erschlichen worden wäre oder sonst auf Willensmängeln beruhte. Schließlich gilt auch für diesen Gesellschafterbeschluss, dass nicht ersichtlich ist, dass das Abstimmungsergebnis kausal auf ein mögliches pflichtwidriges Verhalten der Angeschuldigten K und T zurückzuführen sein könnte (unabhängig von den Stimmen der Angeschuldigten waren insoweit 3.078.012 Stimmberechtigte an der Abstimmung beteiligt, von denen 2.566.723 mit Ja gestimmt haben).
132III.
133Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 26. Juni 2014 - 2 Ws 189/14
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(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.
(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.
(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.
(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch in den Fällen B.III.1 bis 40 der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen, Bankrotts in sechs Fällen, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 30 Fällen, Betrugs sowie Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es das Verfahren eingestellt und den Angeklagten freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist im Umfang der Aufhebung begründet; hinsichtlich der noch verbleibenden Tat B.III.41 der Urteilsgründe (Untreue zum Nachteil der Wohnungseigentumsgemeinschaft N. H. – in K. ) ist sie hingegen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
A.
- 2
- Hinsichtlich der Verurteilungen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten, die der Angeklagte als Geschäftsführer der G. Grundstücks- und Wohnbau GmbH & Co KG (im Folgenden: G. GmbH & Co KG) und der A. Sportmarketing GmbH (im Folgenden: A. GmbH) ausgeübt hat (Fälle B.III.1 bis 39 der Urteilsgründe), greift die Verfahrensrüge einer Verletzung der Vorschrift des § 261 StPO durch; auf die weiteren formellen und materiellen Beanstandungen der Revision kommt es insoweit nicht an.
I.
- 3
- Nach den Urteilsfeststellungen hielt der Angeklagte über Familienangehörige , die ihm Generalvollmachten erteilt hatten, sowohl die Kommanditanteile an der G. GmbH & Co KG als auch sämtliche Anteile an deren Komplementär -GmbH, der G. Grundstücks- und Wohnbau GmbH. Zugleich war er Geschäftsführer beider Gesellschaften. Daneben war der Angeklagte alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A. GmbH, deren Geschäftsgegenstand im Bereich der Vermarktung von Sportlern lag und deren Anteile vom Angeklagten und seinem Sohn gehalten wurden. Nachdem diese am 6. Januar 2006 die Auflösung der A. GmbH beschlossen hatten, wurde der Angeklagte zu deren Liquidator bestellt. Am 15. Juli 2008 wurde das Unternehmen auf Antrag des Finanzamts wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
- 4
- Sowohl die G. GmbH & Co KG als auch die A. GmbH hatten ab dem Jahr 2003 mit massiven finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine Zeitlang gelang es dem Angeklagten, kurzfristige Liquiditätsengpässe mittels Hin- und Herschiebens von Geldern zwischen den beiden Unternehmen, aber auch seinem Privatvermögen auszugleichen. Letztlich jedoch wurden beide Unternehmen zahlungsunfähig. Die Zahlungsunfähigkeit trat nach den Feststellungen bei der G. GmbH & Co KG spätestens Anfang des Jahres 2005, bei der A. GmbH bereits Ende 2004 ein.
II.
- 5
- Die Strafkammer hat ihren Feststellungen zum finanziellen Niedergang der Unternehmen und zum Eintreten der Krisensituationen Auszüge der jeweiligen Geschäftskonten zugrunde gelegt, denen sie eine Vielzahl von Kontoständen und Einzelbuchungen entnommen hat. Diese Einzelbuchungen hat sie zum Teil datum- und zahlengenau auf mehreren Seiten der Urteilsgründe wiedergegeben.
- 6
- Die von der Revision zulässig erhobene Rüge, das Landgericht habe die Auszüge der Geschäftskonten der G. GmbH & Co KG bei der Sparkasse K. (Konto ) und bei der Volksbank V. (Konto ) bzw. der A. GmbH bei der Sparkasse K. (Konto ) verwertet, ohne diese prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben , ist begründet.
- 7
- 1. Wie die Revision zutreffend ausführt und durch den Inhalt der Protokollniederschrift bewiesen ist, sind die entsprechenden Kontoauszüge in der Hauptverhandlung weder förmlich als Urkunden gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 StPO verlesen noch sind sie im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt worden. Der an verschiedenen Stellen des Hauptverhandlungsprotokolls enthaltene Eintrag , Bankordner seien "zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht und in richterlichen Augenschein" genommen worden, ist nicht geeignet, eine förmliche Verlesung der Urkunden zu beweisen (BGHSt 11, 29, 30; Diemer in KK StPO 6. Aufl. § 249 Rn. 51; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 273 Rn. 9). Die Inaugenscheinnahme einer Urkunde beinhaltet im Übrigen nur dann eine zureichende Beweiserhebung, wenn es nicht auf ihren Inhalt, sondern auf ihr Vorhandensein oder ihren Zustand ankommt (BGHR StPO § 249 Abs. 1 Kontoauszüge 1; Meyer-Goßner aaO § 249 Rn. 7).
- 8
- Zwar kann der Inhalt einer Urkunde auch durch ihren Vorhalt an Zeugen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden (vgl. BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). So ist im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt, dass Bankordner mit Zeugen "erörtert" bzw. diesen vorgehalten wurden. Beweisgrundlage ist dann allerdings nicht der Vorhalt selbst, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht wurde (BGHSt 11, 159, 160; BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1; § 261 Inbegriff der Verhandlung 38). Der Einführung einer Urkunde mittels Vorhalt sind deshalb Grenzen gesetzt. Insbesondere wenn es sich um längere oder sehr komplexe Ausführungen handelt, besteht die Gefahr, dass die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin nicht richtig oder nur unvollständig erfasst oder sich an den genauen Wortlaut eines Schriftstücks nicht zuverlässig erinnern kann (BGHSt 11, 159, 160; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 39; BGH NStZ 1991, 500; Meyer-Goßner aaO § 249 Rn. 28). So liegt der Fall hier. Angesichts der hohen Anzahl der von der Kammer verwerteten Kontoauszüge und Einzelbuchungen ist auszuschließen , dass die als Zeugen gehörten Bankmitarbeiter und Polizeibeamten das entsprechende Zahlenwerk aus eigener Erinnerung heraus im Einzelnen bestätigen konnten (vgl. BGH NJW 2002, 2480, in BGHSt 47, 318 insoweit nicht abgedruckt
).
- 9
- 2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil in den Fällen B.III.1 bis 39 der Urteilsgründe auf diesem Mangel beruht.
- 10
- Das Landgericht hat im Abschnitt B.II.1 bis 3 ausführliche Feststellungen zur finanziellen Entwicklung der beteiligten Unternehmen getroffen, die sie ihrer Darstellung der konkreten Tathandlungen vorangestellt hat. Darin nimmt die Entwicklung der jeweiligen Geschäftskonten breiten Raum ein, teilweise werden Kontostände sowie einzelne Buchungen, etwa eingehende Mietzahlungen, nach genauem Datum und Betrag wiedergegeben. Aus diesen Feststellungen, die das Landgericht ausdrücklich auf die "in die Hauptverhandlung eingeführten Kontoauszüge" gestützt hat (UA S. 45/46 und 50), hat es sodann die Überzeugung gewonnen, dass die G. GmbH & Co KG "spätestens Anfang 2005" und die A. GmbH "spätestens Ende 2004" zahlungsunfähig geworden waren (vgl. UA S. 18, dort unter B.II.3 "Fazit"). Das sich aus den Kontoauszügen ergebende konkrete Zahlenwerk hatte damit bestimmenden Einfluss auf die Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen zu den jeweils relevanten Tatzeitpunkten. Dies kann sich auf die Schuldsprüche in den Fällen B.III.1 bis 39 der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
- 11
- Hierzu gilt im Einzelnen:
- 12
- a) Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall B.III.1 der Urteilsgründe wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 130b Abs. 1 HGB (in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung), § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt, weil er als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der G. GmbH & Co KG unter Missachtung der sich aus § 130a Abs. 1 S. 3 HGB (in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung; jetzt § 15a Abs. 1 S. 1 InsO) ergebenden Verpflichtungen erst am 23. Januar 2006 einen Insolvenzantrag gestellt habe, obwohl das Unternehmen bereits seit Anfang 2005 zahlungsunfähig gewesen sei. Im Fall B.III.2 der Urteilsgründe hat es den Angeklagten eines Vergehens der Insolvenzverschleppung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung) schuldig gesprochen, weil er es in seiner Eigenschaft als Liquidator der A. GmbH trotz zum Zeitpunkt seiner Bestellung bereits eingetretener und noch andauernder Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens unterlassen habe, einen Insolvenzantrag zu stellen.
- 13
- Das Landgericht hat bei seiner Beweiswürdigung zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit jeweils explizit auf seine Ausführungen zur generellen finanziellen Entwicklung der Unternehmen Bezug genommen und auf die dort angeführten Kontostände verwiesen (UA S. 56/57). Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass sich der von der Revision aufgezeigte Verfahrensmangel auf die Verurteilungen ausgewirkt hat.
- 14
- b) Aus denselben Gründen waren auch die Schuldsprüche wegen Bankrotts aufzuheben. Soweit die Strafkammer in den Fällen B.III.3 bis 5 der Urteilsgründe den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB dadurch als erfüllt angesehen hat, dass es der Angeklagte in verantwortlicher Funktion unterließ, Bilanzen der beiden Unternehmen für das Geschäftsjahr 2004 und eine Liquidationsbilanz der A. GmbH zu erstellen, greift die Rüge noch unter einem weiteren Gesichtspunkt durch. Zwar hat das Landgericht unter zutreffender Heran- ziehung der Grundsätze der Rechtsfigur der omissio libera in causa (vgl. hierzu : OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 104, 105; Beckemper JZ 2003, 806, 807; Rönnau NStZ 2003, 525, 530; Hillenkamp in FS Tiedemann 2008, S. 949, 963; Fischer StGB 58. Aufl. § 283 Rn. 29; LK/Tiedemann 12. Aufl. § 283 Rn. 154 sowie zu § 266a StGB: BGHSt 47, 318, 320 ff.; BGHZ 134, 304, 308 ff.) ausgeführt , dass die finanzielle Unmöglichkeit, einen Steuerberater mit der Erstellung von Bilanzen zu beauftragen, den Angeklagten nicht entlasten könne, weil er trotz sich abzeichnender Liquiditätsprobleme eingehende Mietzahlungen und sonstige Vermögenswerte nicht zur Bildung von Rücklagen, sondern zur Begleichung eigener Schulden oder Schulden der A. GmbH verwandt habe.
- 15
- Die dieser Wertung zugrunde gelegten Buchungsvorgänge, welche das Landgericht überwiegend tabellarisch in den Urteilsgründen aufgeführt hat (UA S. 21 bis 35), hat es jedoch ebenfalls den nicht prozessordnungsgemäß eingeführten Kontounterlagen entnommen, weshalb das Urteil auch insoweit auf dem Verfahrensmangel beruht. Dies gilt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts auch hinsichtlich der Feststellung, dass der Angeklagte rechtsgrundlos Gelder von den Geschäftskonten der G. GmbH & Co KG abgezogen hat. Zwar haben mehrere Zeugen solche Vermögensverschiebungen pauschal dem Grunde nach bestätigt. Die Bewertung der den Pflichtwidrigkeitsvorwurf begründenden, auf den jeweiligen Fälligkeitsstichtag zu beziehenden Liquiditätsprognose (vgl. BGHSt 47, 318, 322/323 zu § 266a StGB) setzt jedoch Kenntnis von den konkreten Zahlungsflüssen voraus, die sich dem Landgericht erst aus den verwerteten Kontoauszügen eröffnet hat.
- 16
- Vor diesem Hintergrund kann auch die Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in den Fällen B.III.9 bis 38 der Urteilsgründe keinen Bestand haben, bei der das Landgericht ebenfalls von einem schuldhaften Zahlungsunvermögen ausgegangen ist.
- 17
- c) Der Schuldspruch in den Fällen B.III.6 und 7 der Urteilsgründe nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB wegen unterlassener Buchführung sowie im Fall B.III.8 der Urteilsgründe nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Verheimlichens von Vermögenswerten hat ebenfalls keinen Bestand. Auch hier sind die Feststellungen zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit von dem Verfahrensmangel betroffen. Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht den Angeklagten eines Betruges schuldig gesprochen hat (Fall B.III.39 der Urteilsgründe), weil er trotz - von ihm auch erkannter - Zahlungsunfähigkeit einen Handwerker mit der Vornahme von Werkleistungen an Wohnobjekten der G. GmbH & Co KG beauftragt hatte.
- 18
- 3. Das Urteil war deshalb im vorbezeichneten Umfang aufzuheben. Für die neuerliche Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich zur Feststellung einer tatsächlichen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit empfiehlt, einen Liquiditätsstatus zu erstellen oder durch einen Sachverständigen erstellen zu lassen, in dem übersichtlich die Barmittel sowie die kurzfristig liquidierbaren Vermögenswerte aller bestehenden oder zu erwartenden Verbindlichkeiten entsprechend ihrer jeweiligen Fälligkeit gegenübergestellt werden (BGHR § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 1; BGH NStZ 2003, 546; NJW 2010, 2894, 2898, insoweit in BGHSt 55, 107 nicht abgedruckt; vgl. auch Wegner in Achenbach /Ransiek Handbuch Wirtschaftsstrafrecht 2. Aufl. 2008 VII 1 Rn. 69 ff.; LK/Tiedemann aaO, vor § 283 Rn. 130 ff.). Sofern der neue Tatrichter die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erneut anhand wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen vornehmen sollte, wird er zu beachten haben, dass hierbei nur solche Verbindlichkeiten herangezogen werden können, die zu dem möglichst konkret zu bezeichnenden Bewertungszeitpunkt auch fällig waren (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO; BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 2; Fischer aaO, vor § 283 Rn. 9).
B.
- 19
- Die Verurteilung wegen Untreue im Fall B.III.40 der Urteilsgründe hält auf die Sachrüge der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.
I.
- 20
- Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
- 21
- Der Angeklagte war Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter mit einem Kapital von 99.900 € der K. I. GmbH & Co KG (nachfolgend : I. GmbH & Co KG). Der Geschäftsanteil des Angeklagten war an die Sparkasse K. verpfändet, bei der der Angeklagte erhebliche, aus der Finanzierung von Immobilienankäufen resultierende Schulden hatte. Weitere Gesellschafterin der I. GmbH & Co KG war die Firma K. - I. -V. -GmbH, eine Tochtergesellschaft der Sparkasse K. , mit einer Einlage von einem Euro. Ziel der Geschäftsgründung war der Abverkauf der finanzierten Immobilien, wobei die Erlöse überwiegend letztlich der Sparkasse zufließen und der Darlehensrückführung dienen sollten. Im Februar 2002 schloss der Angeklagte hierzu mit Verantwortlichen der I. GmbH & Co KG einen Geschäftsbesorgungsvertrag, wodurch ihm gegen Provision die Vermarktung und Verwaltung von Wohnobjekten übertragen wurde. Am 15. Dezember 2005 vereinnahmte der Angeklagte Mietzahlungen für die I. GmbH & Co KG in Höhe von 12.000 €, die er entgegen den Bestimmungen des Geschäftsbesorgungsvertrages nicht auf das Mietkonto verbuchte, sondern für sich behielt.
II.
- 22
- 1. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB verurteilt. Durch die Nichtabführung der Mietzahlungen habe er die ihm durch den Geschäftsbesorgungsvertrag eingeräumte Befugnis , über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht und dadurch dem Vermögen der I. GmbH & Co KG einen Nachteil zugefügt.
- 23
- 2. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass im Rahmen des § 266 StGB eine Schädigung des Gesamthandvermögens einer Kommanditgesellschaft nur insoweit bedeutsam sein kann, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt. Für die Frage des Nachteilseintritts ist demnach nicht allein auf die Gesellschaft , sondern auf das Vermögen der einzelnen Gesellschafter abzustellen (vgl. BGHSt 34, 221, 223; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 25; E. Schramm, Untreue und Konsens, 2005, S. 85; Tiedemann GmbH-Strafrecht 5. Aufl. 2010 vor §§ 82 ff. Rn. 22).
- 24
- a) Soweit der Gesellschaftsanteil des Angeklagten betroffen ist, schließt sein Einverständnis die Annahme eines Vermögensschadens aus (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 25; BGH NStZ 1987, 279; Fischer aaO § 266 Rn. 113). Dem steht die Verpfändung seiner Kommanditanteile an die SparkasseK. nicht entgegen. Denn mit einer solchen ist jedenfalls nicht ohne Weiteres auch eine Übertragung der Stimmrechte verbunden (Hueck/Fastrich in Baumbach/ Hueck GmbHG 19. Aufl. 2010 § 15 Rn. 50; Michalski GmbHG 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 227).
- 25
- Feststellungen dazu, ob und in welcher Höhe auf Seiten der Komplementär -GmbH ein Vermögensschaden entstanden ist, hat das Landgericht nicht getroffen. Zwar kommt, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, eine anteilige Schädigung der GmbH im Verhältnis ihrer Einlageleistung zur Gesamteinlage in Betracht (vgl. BGH NStZ 1987, 279; Soyka, Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften, S. 64, jew. auch zu weiteren möglichen Schadenspositionen). Angesichts der lediglich marginalen Höhe eines solchen Nachteils (12.000 € x 1/99001 = 0,12 €) liegt es aber auf der Hand, dass der Angeklagte jederzeit bereit und in der Lage gewesen war, diesen mit eigenen Mitteln auszugleichen (vgl. BGHSt 15, 342, 344; BGH NStZ 1995, 233, 234; Fischer aaO § 266 Rn. 168 mwN).
- 26
- b) Ob der Angeklagte durch die Vereinnahmung der Mietzahlungen zugleich gegen die sich aus dem Verhältnis zur Sparkasse K. als Pfandnehmerin eines Gesellschaftsanteils ergebenden Pflichten verstoßen und dieser in Höhe des auf seinen Kommanditanteil entfallenden Anteils einen Vermögensnachteil zugefügt hat, kann dahin stehen. Mangels konkreter Feststellungen zum Inhalt der Sicherungsabrede ist bereits offen, ob die Ablieferung vereinnahmter Gelder an die I. GmbH & Co KG auch im Verhältnis zur Pfandnehmerin eine wesentliche Vertragspflicht darstellte (vgl. BGH wistra 1984, 143 mit Anm. Schomburg). Ein möglicher Pflichtenverstoß gegenüber der Sparkasse K. war jedenfalls weder von der Anklage bezeichnet, noch war der Angeklagte hierauf in sonstiger Weise, etwa in Form eines rechtlichen Hinweises entsprechend § 265 Abs. 1 StPO, hingewiesen worden.
C.
- 27
- Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen B.III.1 bis 40 der Urteilsgründe erfordert die Aufhebung auch der Gesamtstrafe.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.