Oberlandesgericht Köln Beschluss, 12. Dez. 2014 - 12 UF 105/14
Tenor
Das Verfahren über den eine Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 RpflG darstellenden Rechtsbehelf der Antragsgegnerin vom 03.06.2014 wird zur Entscheidung an das Amtsgericht – Familiengericht – Eschweiler zurückverwiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
1
Gründe:
21.
3Die Beteiligten sind Eltern zweier Kinder, geboren in den Jahren 2005 und 2008. Seit Sommer 2012 praktizieren sie bei der Betreuung der Kinder ein sog. Wechselmodell, d. h. die Kinder werden jeweils wochenweise von der Mutter bzw. vom Vater betreut. Die Bewertung des Umfangs der Betreuungsanteile ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Antragsgegnerin bezieht Kindergeld für den jüngeren Sohn N. Der Antragsteller begehrt seine Bestimmung als Bezugsberechtigter des Kindergeldes für den älteren Sohn G. Dem tritt die Antragsgegnerin entgegen.
4Nach Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung vom 22.05.2014 den Antragsteller zum Bezugsberechtigten des Kindergeldes für den Sohn G bestimmt. Hiergegen richtet sich die als Beschwerde bezeichnete Eingabe der Antragsgegnerin mit der Begründung, sie habe ein deutliches Übergewicht bei der Betreuung der Kinder, weshalb ihr das Kindergeld auch für G zustehe. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
52.
6Der von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbehelf ist als Beschwerde unzulässig, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist. Die Eingabe ist vielmehr als Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 RpflG zu behandeln, über die der Familienrichter des Amtsgerichts abschließend zu entscheiden hat. Die Vorlageverfügung ist daher aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
7a) Gemäß § 61 Abs. 1, 2 FamFG ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Beschwerde zugelassen hat. Letzteres ist nicht der Fall.
8Bei einem Verfahren betreffend die Bestimmung der Bezugsberechtigung für das Kindergeld nach den §§ 64 Abs. 2 S. 3 EStG handelt es sich um eine sonstige Unterhaltssache nach § 231 Abs. 2 FamFG, die jedoch nicht als Familienstreitsache, sondern als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt, obwohl es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.08.2013 – 6 UF 215/13 – zitiert nach juris, Rz. 4; OLG Celle, Beschluss vom 14.05.2012 – 10 UF 94/11 – zitiert nach juris, Rz. 12 m.w.N.; Feskorn in: Zöller, FamFG, 30. Aufl., § 61 Rdnr. 4). Insofern ist auch bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten für die Eröffnung der Beschwerde ein Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 600,00 € erforderlich.
9b) Es ist nicht ersichtlich, dass der vom Familiengericht erstinstanzlich nicht festgesetzte Verfahrenswert bzw. der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600,00 EUR überschreitet.
10Der Beschwerdewert ist in Unterhaltssachen, die nicht Familienstreitverfahren sind, nach freiem Ermessen festzusetzen (Feskorn in: Zöller, a.a.O. Rz. 11). Eine Bestimmung des Wertes entsprechend § 9 ZPO mit Einordnung des Kindergeldes als wiederkehrende Leistung kommt nicht in Betracht, da in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht auf die Vorschriften des §§ 3 ff. ZPO zurückgegriffen werden kann.
11§ 51 Abs. 3 S. 1 FamGKG trifft für die Kosten eine Regelung hinsichtlich des Verfahrenswerts, der in der Regel 500,00 EUR beträgt. Ist dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren Wert festsetzen, § 51 Abs. 3 S. 2 FamGKG. Zwar ist der nicht die Kosten betreffende Wert des Beschwerdegegenstands selbständig, insbesondere unabhängig von dem in § 51 Abs. 3 FamGKG vorgegebenen Verfahrenswert zu bestimmen. Die gesetzgeberische Überlegung, die Anlass gab, dem Verfahrenswert die geringstmögliche Gebührenstufe von ursprünglich 300,00 EUR zuzuweisen (BT-Drucks. 16/6308), dass nämlich den Verfahren grundsätzlich eine geringe Bedeutung zukomme, hat aber auch bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes Geltung (OLG Frankfurt, a.a.O. Rz. 6; OLG Celle a.a.O., Rz. 14; Thüringer OLG, Beschluss vom 14.02.2013 – 2 WF 642/12 – zitiert nach juris Rz. 16).
12Eine Erhöhung des Beschwerdewertes entsprechend § 51 Abs. 3 S. 2 FamGKG wegen Unbilligkeit der Annahme des Regelwertes ist schließlich nicht veranlasst. Für die Rechtfertigung einer Erhöhung ist vorliegend nichts dargetan. Eine solche Abweichung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Sache ihrem Umfang, ihrer Schwierigkeit oder ihrer Bedeutung nach eine Werterhöhung erfordert. Hiervon ist nicht auszugehen. Allein die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren streitig geführt wurde, rechtfertigt die Erhöhung nicht, da dies regelmäßig Anlass für eine gerichtliche Bestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG der Fall sein dürfte. Auch die Dauer der festzulegenden Kindergeldberechtigung – die Auszahlung erfolgte nicht mehr seit Sommer 2012 – rechtfertigt einen erhöhten Wertansatz nicht. Denn die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Bezugsberechtigung für das Kindergeld führt nicht zu einer endgültigen wirtschaftlichen Zuweisung des auszuzahlenden Kindergeldes an den materiell Berechtigten, vielmehr hat insoweit ggf. unterhaltsrechtlich ein Ausgleich stattzufinden. Eine besondere wirtschaftliche Bedeutung kommt der Bestimmung der Bezugsberechtigung also nicht zu (abweichend OLG Köln, Beschluss vom 29.05.2012 – 4 UF 78/12 – zitiert nach juris, Rz. 31).
13Die Sache ist daher an das Amtsgericht – Familiengericht – zurückzuverweisen. Dort wird zu entscheiden sein, ob der mit dem Rechtsbehelf erhobene Einwand überwiegender Betreuung der Klärung durch das Familiengericht zugänglich ist (vgl. OLG Celle – Beschluss vom 14.05.2012 – 10 UF 94/11 – zitiert nach juris).
14Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG abzusehen.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt.
(2) Übersteigt der Beschwerdegegenstand nicht den in Absatz 1 genannten Betrag, ist die Beschwerde zulässig, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.
(3) Das Gericht des ersten Rechtszugs lässt die Beschwerde zu, wenn
Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt.
(2)1Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.2Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten.3Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten.4Den Antrag kann stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat.5Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat.
(3)1Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt.2Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt.3Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll.4Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend.
(1) Unterhaltssachen sind Verfahren, die
- 1.
die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, - 2.
die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, - 3.
die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(2) Unterhaltssachen sind auch Verfahren nach § 3 Abs. 2 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes und § 64 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes. Die §§ 235 bis 245 sind nicht anzuwenden.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) In Unterhaltssachen und in sonstigen den Unterhalt betreffenden Familiensachen, soweit diese jeweils Familienstreitsachen sind und wiederkehrende Leistungen betreffen, ist der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. Bei Unterhaltsansprüchen nach den §§ 1612a bis 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist dem Wert nach Satz 1 der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Altersstufe zugrunde zu legen.
(2) Die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge werden dem Wert hinzugerechnet. Der Einreichung des Antrags wegen des Hauptgegenstands steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gleich, wenn der Antrag wegen des Hauptgegenstands alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird. Die Sätze 1 und 2 sind im vereinfachten Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt Minderjähriger entsprechend anzuwenden.
(3) In Unterhaltssachen, die nicht Familienstreitsachen sind, beträgt der Wert 500 Euro. Ist der Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren Wert festsetzen.
(1) Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt.
(2)1Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.2Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten.3Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten.4Den Antrag kann stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat.5Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat.
(3)1Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt.2Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt.3Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll.4Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend.
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.