Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 18. Dez. 2018 - 4 RVs 162/18
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben, und zwar mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
1
Gründe
2Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
3„I.
4Das Amtsgericht - Strafrichter - Lemgo hat den Angeklagten am 11.01.2018 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen (Bl. 67 - 70 d.A.).
5Seine hiergegen rechtzeitig eingelegte und auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Berufung (Bl. 66 d.A.) hat das Landgericht Detmold mit Urteil vom 23.08.2018 verworfen (Bl. 103 - 108R d.A.).
6Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündete (Bl. 93, 93R, 94 d.A.) und - auf Anordnung der Vorsitzenden vom 19.09.2018 (Bl. 109 d.A.) - seinem Pflichtverteidiger am 21.09.2018 (Bl. 112 d.A.) und seinem Wahlverteidiger am 24.09.2018 (Bl. 118 d.A.) zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit am 24.08.2018 bei dem Landgericht Detmold eingegangenem Telefax-Schreiben seines Pflichtverteidigers vom selben Tag (Bl. 99 d.A.) bzw. mit am 29.08.2018 bei dem Landgericht Detmold eingegangenem Schreiben seines Wahlverteidigers vom 27.08.2018 (Bl. 100 d.A.) Revision eingelegt und diese mit am 26.09.2018 bei dem Landgericht Detmold eingegangenem Telefax-Schreiben seines Pflichtverteidigers vom selben Tag (Bl. 115, 116 d.A.) sowie mit am 24.10.2018 bei dem Landgericht Detmold eingegangenem Telefax-Schreiben seines Wahlverteidigers vom selben Tag (Bl. 119 d.A.) jeweils mit der allgemeinen Sachrüge begründet.
7II.
8Die Revision des Angeklagten ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr bleibt jedoch in der Sache ein Erfolg versagt.
9Weil die Feststellungen des Amtsgerichts Lemgo den Schuldspruch tragen und die Berufung wirksam beschränkt worden ist, hat das Landgericht zutreffend seine Bindung an diese Feststellungen angenommen.
10Im Rahmen der Revision ist daher auf die allein erhobene Sachrüge allein der Rechtsfolgenausspruch zu prüfen, der im Hinblick auf die ausgeurteilten Einzelstrafen rechtlicher Nachprüfung standhält.
11Dabei ist die Strafzumessung im Wesentlichen der Beurteilung des Tatrichters überlassen und im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Dem Revisionsgericht ist nur die Prüfung, ob der Beurteilung des Tatrichters ein Rechtsfehler zugrunde liegt, möglich. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Entscheidung des Tatrichters sachlich nicht nachvollziehbar ist (zu vgl. Fischer, 65. Auflage 2018, § 46 Rn. 146 m. w. N.). Hieran gemessen weisen die ausgeurteilten (Einzel-)Freiheitsstrafen keine Rechtsfehler auf.
12Auch die Ausurteilung und Bemessung einer Sperrfrist gemäß § 69 a StGB begegnet keinen Bedenken.
13Allerdings kann das Urteil im Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben, da das Landgericht - wie es im schriftlichen Urteil zutreffend selbst festgestellt hat - versehentlich die gemäß § 55 StPO vorzunehmende Bildung einer Gesamtstrafe mit den Urteil des Landgerichts Detmold vom 02.03.2017 - 25 Ns 99/16 - ausgeurteilten Einzelstrafen unter Berücksichtigung der dort ausgeurteilten Maßregel des § 69a StGB unterlassen hat.
14Eine solche hätte das Landgericht allerdings treffen müssen, wenngleich alleine der Angeklagte Berufung eingelegt hatte und das Amtsgericht Lemgo in seiner Entscheidung keine Einbeziehung vorgenommen hatte. Denn das Berufungsgericht ist zwar an einer Einbeziehung gemäß § 55 StPO gehindert, wenn das erstinstanzliche Gericht eine Entscheidung über eine solche Einbeziehung getroffen hat, und sei es, dass es hiervon abgesehen hat. Fehlt es an einer solchen Entscheidung entweder, weil dem erstinstanzlichen Tatrichter die gesamtstrafenfähige anderweitige Verurteilung unbekannt geblieben ist, insoweit zu prüfenden Unterlagen trotz sachgerechter Terminsvorbereitung nicht vollständig vorgelegen haben oder er aber die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung fehlerhaft nicht erkannt hat, so ist die Entscheidung durch das Berufungsgericht zu treffen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.03.2008 - 3 Ss 68/08 -, m.w.N., zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht Lemgo hat ausweislich der Urteilsgründe die Entscheidung des Landgerichts Detmold vom 02.03.2018 gekannt, die Möglichkeit einer Einbeziehung ersichtlich übersehen und deshalb nicht geprüft hat oder diese rechtsfehlerhaft verkannt hat.
15Da jedoch die Taten und die jeweiligen Einzelstrafen feststehen und nicht ersichtlich ist, dass eine neue tatrichterliche Hauptverhandlung insoweit neue, für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben könnte, bedarf die vorzunehmende Gesamtstrafenbildung keiner Entscheidung aufgrund neuer Hauptverhandlung, sodass nach § 354 Absatz 1 b StPO verfahren werden kann.
16Der Revision bleibt daher der Erfolg versagt.“
17Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
18Der Angekl. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kostenentscheidung muss nicht – was möglich wäre - dem Nachverfahren gem. §§ 460, 462 StPO vorbehalten bleiben, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der den Rechtsfolgenausspruch insgesamt angegriffen hat, keinen über die gesetzliche gebotene nachträgliche Gesamtstrafenbildung hinaus gehenden Erfolg haben kann, so dass der Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 306).
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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.