Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 30. Dez. 2015 - 32 SA 67/15
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht C-Q-X.
1
Gründe:
3I.
4Die Klägerin hat Klage vor dem Amtsgericht I erhoben, mit der sie den in C im Bezirk des Amtsgerichts C-Q-X wohnhaften Beklagten auf Mietzins für ein Reinigungsgerät in Anspruch nimmt.
5Sie behauptet, ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen seien Bestandteil des zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Vertrags. Sie hat in der Klageschrift weiter behauptet, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sei als Gerichtsstand ihr eigener Sitz – P – vereinbart worden. In der der Klageschrift beigefügten Kopie der „Allgemeinen Verkaufsbedingungen“ der Klägerin heißt es unter Ziff. IX: „Gerichtsstand ist I.“
6Der Beklagte hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts I gerügt. Für den Sitz der Klägerin in P sei das Amtsgericht I schon nicht zuständig. Eine Gerichtsstandsvereinbarung habe in Ermangelung einer Kaufmannseigenschaft des Beklagten allerdings auch schon nicht wirksam getroffen werden können. Auch sei zwischen den Parteien gar kein Vertrag geschlossen worden, jedenfalls seien die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht wirksam in diesen einbezogen worden.
7Das Amtsgericht I hat der Klägerin den die Zuständigkeit rügenden Schriftsatz des Beklagten mit der Anfrage übersandt, ob Verweisung an das Amtsgericht P beantragt werde. Die Klägerin hat daraufhin die Verweisung nach dort beantragt.
8Der Beklagte hat auf diesen Verweisungsantrag erneut auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung mangels Vollkaufmannseigenschaft sowie auf die den fehlenden Vertragsschluss hingewiesen. Mit weiterem Schreiben an die Klägerin hat das Amtsgericht I darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 38 ZPO nicht dargelegt seien und daher auch das Amtsgericht P nicht zuständig sein dürfte. Die Klägerin hat daraufhin die Verweisung an das für den Wohnsitz des Beklagten zuständige Amtsgericht C-Q-X beantragt.
9Durch Beschluss vom 28.10.2015 hat das Amtsgericht I sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht C-Q-X verwiesen und zur Begründung ausgeführt, das angerufene Gericht sei aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig, insbesondere da der Wohnort der beklagten Partei nicht im dortigen Bezirk gelegen sei.
10Das Amtsgericht C-Q-X hat mit Beschluss vom 16.11.2015 die Übernahme abgelehnt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht I vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts I sei willkürlich, da er sich in keiner Weise mit der Zuständigkeit des Amtsgerichts I nach den AGB der Klägerin auseinandersetze.
11II.
121.
13Das Oberlandesgericht I ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zur Entscheidung berufen.
14Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht über den örtlich in Betracht kommenden Amtsgerichten I und C-Q-X ist der Bundesgerichtshof. Das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht I gehört zu dem Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm.
152.
16Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
17Das Amtsgericht I und das Amtsgericht C-Q-X haben sich jeweils rechtskräftig im Sinne dieser Vorschrift durch Beschluss für unzuständig erklärt.
183.
19Zuständig ist das Amtsgericht C-Q-X.
20Das Amtsgericht I hat den Rechtsstreit zu Recht verwiesen. Die Voraussetzungen einer Verweisung an das Amtsgericht C-Q-X gem. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO lagen vor.
21a)
22Das Amtsgericht I ist aus keinem erdenklichen Gesichtspunkt zuständig.
23In Betracht kommt allerdings eine Zuständigkeit gem. § 38 Abs. 1 ZPO aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung durch Einbeziehung der von der Klägerin mit der Klageschrift eingereichten „Allgemeinen Verkaufsbedingungen“ in den Vertrag, nach deren Ziff. IX Gerichtsstand I ist. Die Klageschrift, nach der der Sitz der Klägerin (P) als Gerichtsstand vereinbart sein soll, gibt den Inhalt der allgemeinen Geschäftsbedingungen insoweit unrichtig wieder.
24Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung enthalten die Geschäftsbedingungen der Klägerin jedoch nicht. Sie setzt gem. § 38 Abs. 1 ZPO die Vollkaufmannseigenschaft des Beklagten voraus, die die Klägerin auch auf den Hinweis des Amtsgerichts I nicht aufgezeigt hat und die auch nicht ersichtlich ist.
25b)
26Das Amtsgericht C-Q-X ist gem. den §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig. Es ist das Gericht, bei dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.
27c)
28Die Klägerin hat die Verweisung an das Amtsgericht C-Q-X beantragt. Die Klägerin hat an ihrem ursprünglichen Verweisungsantrag an das Amtsgericht P nicht festgehalten. Sie hat vielmehr (nicht hilfsweise, sondern stattdessen) Verweisung an das Amtsgericht C-Q-X beantragt.
29Ihr stand insoweit auch die Möglichkeit einer Änderung zu. Allerdings ist mit dem Stellen eines Verweisungsantrags grundsätzlich eine gem. § 35 ZPO bindende Wahl des zuständigen Gerichts getroffen, die das verweisende Gericht gem. § 281 Abs. 1 S. 2 ZPO zu beachten hat. Anderes gilt aber für die Benennung eines örtlich unzuständigen Gerichts durch den Kläger. Diese bindet nicht, da sie sich nicht auf einen tatsächlichen bestehenden Gerichtsstand bezieht. Es steht dem Kläger vielmehr frei, durch einen weiteren Verweisungsantrag seine Wahl erneut auszuüben und ggfs. unter den (wirklich) örtlich zuständigen Gerichten ein Gericht zu wählen (vgl. Toussaint in: BeckOK ZPO § 35 ZPO Rn. 8.1, beck-online, m.w.N.).
30So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht P ist örtlich unzuständig. Seine Zuständigkeit könnte allein aus § 38 Abs. 1 ZPO folgen. Die Klägerin hat aber zum einen den Inhalt ihrer Allgemeinen Verkaufsbedingungen in der Klageschrift offensichtlich irrtümlich wiedergegeben. Aus diesen folgt nicht die Vereinbarung des Gerichtsstands am Sitz der Klägerin, sondern am Sitz des Amtsgerichts I. Zum anderen liegen auch – wie aufgezeigt - die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO nicht vor, da der Beklagte nicht Vollkaufmann ist.
31d)
32Der Verweisungsbeschluss ist, da richtig, schon schlechthin nicht willkürlich und im Übrigen auch entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts (noch) hinreichend begründet. Denn ausreichend ist, wenn die Voraussetzungen der Verweisung sich aus dem Lauf des Verfahrens und dem Akteninhalt ergeben, soweit für die Prozessbeteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu den Zuständigkeitsfragen bestanden hat (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 281 ZPO, Rn. 17 m.w.N.). Das ist nach dem dargestellten Verlauf des Verfahrens ohne Weiteres der Fall.
33e)
34Auch einer erneuten Übersendung des Verweisungsantrags an den Beklagten zur Wahrung von dessen rechtlichem Gehör bedurfte es nicht, nachdem der Antrag der durchgehend geäußerten Rechtsauffassung des Beklagten Rechnung trug und die Verweisung seinem Begehren nach Verweisung an das für seinen Wohnsitz zuständige Gericht entsprach.
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(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.
Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl.
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.