Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 17. Juni 2016 - 32 SA 31/16
Tenor
Zuständig ist das Landgericht E.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin, eine in das Handelsregister eingetragene GmbH & Co. KG mit Sitz in E, nimmt die Beklagte, eine GmbH mit Sitz in C, in der Hauptsache auf Zahlung von 9.282 € in Anspruch. Sie hat vor dem Landgericht E Klage erhoben, der Folgendes zugrundeliegt:
4Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 15.04.2015 durch Unterzeichnung eines Angebots der Klägerin mit Programmierungsarbeiten. In dem Angebot heißt es unter anderem:
5„Hiermit beauftrage ich die x GmbH & Co. KG mit der Durchführung der o.g. Dienstleistungen auf Basis der AGB der x GmbH & Co. KG (…).“ (Bl. 15 der Akte).
6In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es in der Präambel:
7„Die x GmbH & Co. KG (…) führt für seine Kunden Dienstleistungen (…) durch. Für diese Dienstleistungen gelten die nachfolgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“
8Nach Ziff. 14 der AGB der Klägerin wird bei Zuständigkeit der Landgerichte als ausschließlicher Gerichtsstand das Landgericht E vereinbart, wenn sowohl die x GmbH & Co. KG als auch der Kunde Kaufmann sind. Wegen der weiteren Einzelheiten der AGB wird auf Bl. 9 ff. der Akte verwiesen.
9Die Beklagte hat die Zuständigkeit des Landgerichts E gerügt und geltend gemacht, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien ausweislich der Präambel nur auf Dienstleistungen anwendbar. Vorliegend sei jedoch ein Werkvertrag geschlossen worden. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26.02.2016 darauf hingewiesen, dass ausweislich des Vertragstexts „Dienstleistungen“ beauftragt worden seien und zudem gem. § 631 Abs. 2 BGB auch ein durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg Gegenstand des Werkvertrags sein könne.
10Durch Beschluss vom 09.03.2016 hat das Landgericht E sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht C verwiesen, das gem. § 17 ZPO örtlich zuständig sei. Die Gerichtsstandsklausel sei nicht einschlägig, denn sie regele eine vom Gesetz abweichende Zuständigkeit nur für den Fall, dass Dienstleistungen der Klägerin streitig seien. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei aber als Werkvertrag zu qualifizieren.
11Das Landgericht C hat sich seinerseits durch Beschluss vom 07.04.2016 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über Zuständigkeit vorgelegt. Es erachtet den Verweisungsbeschluss als willkürlich.
12II.
131.
14Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zu der Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Das nächsthöhere Gericht über den Landgerichten E und C ist der Bundesgerichtshof. Das Landgericht E, das zuerst mit der Sache befasst war, liegt in seinem Bezirk.
152.
16Das Landgericht E und das Landgericht C haben sich durch die Beschlüsse vom 09.03.2016 und vom 07.04.2016 jeweils rechtskräftig im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für örtlich unzuständig erklärt.
173.
18Örtlich zuständig ist das Landgericht E.
19a)
20Das Landgericht E ist gem. § 38 Abs. 1 ZPO i.V.m. Ziff. 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin örtlich zuständig.
21aa)
22Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO liegen vor. Die Parteien sind Kaufleute, die Klägerin jedenfalls gem. den §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB und die Beklagte gem. den §§ 6 Abs. 1 HGB, 13 Abs. 3 GmbHG.
23bb)
24Die AGB sind nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin in den Vertrag zwischen den Parteien in den Vertrag einbezogen worden. Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel bestehen nicht.
25cc)
26Die AGB gelten entgegen der Ansicht des Landgerichts E auch für den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Ausweislich des von der Beklagten unterzeichneten Angebots der Klägerin hat die Beklagte Dienstleistungen auf der Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin beauftragt, die die Klägerin erbringen sollte. Damit übereinstimmend ist in der Präambel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeführt, dass die Klägerin für ihre Kunden Dienstleistungen erbringt und für diese die nachfolgenden AGB gelten. Zweifel daran, dass die AGB für den in Frage stehenden Vertrag – unabhängig von dessen Qualifizierung als Dienst- oder Werkvertrag - Geltung hatten, können nach alldem nicht bestehen.
27Zudem ist die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Präambel auch nicht auf Dienstverträge beschränkt. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass gem. § 631 Abs. 2 BGB Dienstleistungen im Rahmen eines Werkvertrags geschuldet sein können.
28dd)
29Nach Ziff. 14 der AGB war unter Kaufleuten als ausschließlicher Gerichtsstand bei Zuständigkeit der Landgerichte das Landgericht E vereinbart. Die Parteien sind - wie dargelegt - Kaufleute. Die Zuständigkeit der Landgerichte ist nach dem Streitwert gem. den §§ 71 Abs. 1, 23 GVG gegeben.
30b)
31Die Zuständigkeit des Landgerichts C folgt auch nicht aus der Verweisung durch das Landgericht E.
32aa)
33Eine Verweisung setzt gem. § 281 Abs. 2 ZPO voraus, dass das verweisende Gericht unzuständig ist. Diese Voraussetzung lag wie dargelegt nicht vor.
34bb)
35Die Verweisung ist auch nicht gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, weil ihr die Bindungswirkung aus rechtsstaatlichen Gründen zu versagen ist.
36(1)
37Die durch § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird zwar nicht dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst – auch grob - fehlerhaft ist. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Verweisung willkürlich, insbesondere offenbar gesetzeswidrig oder offensichtlich unrichtig oder unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs ergangen ist und sie deshalb aus rechtsstaatlichen Gründen nicht hingenommen werden kann (st. Rspr., z. B. BGH, Beschluss vom 22.06.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810; Senat, Beschluss vom 13.12.2013, 32 SA 84/13, BeckRS 2014, 00517; vergleiche Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 36 ZPO, Rn. 28 mit weiteren Nachweisen).
38Einen schlichten Rechtsfehler stellt das einfache Übersehen oder Verkennen einer Norm dar, die die eigene Zuständigkeit begründet (st. Rspr, z.B. BGH, Beschluss vom 09.06.2015 - X ARZ 115/15, BeckRS 2015, 11660 Rn. 11f. m.w.N.). Deshalb ist eine Verweisung nicht willkürlich, wenn das verweisende Gericht in möglicher Auslegung des dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Vertrags annehmen konnte, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist, an das verwiesen worden ist (BGH, a.a.O., NJW 1993, 2810, 2811; Senat, Beschluss vom 02.06.2015 - 32 SA 19/15, BeckRS 2015, 11593, beck-online) oder wenn beide Parteien sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag berufen und deshalb die Verweisung beantragt oder ihr zugestimmt haben (BGH, Beschluss vom 27. 5. 2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309, 1310).
39Anderes gilt aber, wenn zusätzliche Umstände vorliegen, die über das bloße Übersehen oder Verkennen einer Zuständigkeitsnorm hinausgehen. Solche Umstände können vorliegen, wenn die nicht beachtete Norm gerade den Zweck hat, Verweisungen der in Rede stehenden Art zu unterbinden, oder sich eine Befassung mit der zuständigkeitsbegründenden Norm den Umständen nach aufgedrängt hat (vgl. BGH, a.a.O., BeckRS 2015, 11660, beck-online Rn. 11 m.w.N.).
40(2)
41Nach diesen Grundsätzen ist der Beschluss des Landgerichts E nicht bindend.
42Das Landgericht E hat sich nach den Gründen des Verweisungsbeschlusses als unzuständig erachtet, weil die Gerichtsstandsklausel nur Dienstleistungen (gemeint wohl: innerhalb eines Dienstvertrags) erfasse und damit auf den geschlossenen Vertrag nicht anwendbar sei, da dieser als Werkvertrag zu qualifizieren sei. Das stellt nicht nur wegen des Wortlauts des § 631 Abs. 2 BGB, sondern auch deshalb, weil die Parteien selbst in dem Vertrag ausdrücklich von der Beauftragung von „Dienstleistungen“ ausgingen und sich dieser Begriff im Eingang der AGB wiederholt, weder eine richtige noch eine auch nur vertretbare Auslegung der Klausel dar. Auf diese Umstände war das Gericht durch die Klägerin mit ausführlicher Argumentation in dem Schriftsatz vom 26.02.2016 auch hingewiesen worden. Dennoch hat sich das Gericht mit den von der Klägerin genannten Argumenten in seinem Verweisungsbeschluss in keiner Weise auseinandergesetzt, sondern allein den Begriff der „Dienstleistung“ zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.
43Die Ausführungen des Landgerichts E gehen über einen – auch groben – Rechtsfehler hinaus. Sie sind nur damit zu erklären, dass das Gericht entweder die zur Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage notwendige Befassung mit dem für den Begriff der Dienstleistung maßgeblichen Vertragstext unterlassen wollte oder aber die Ausführungen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 26.02.2016 tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen hat und dadurch in seinem – für sich schon groben – Rechtsirrtum verblieben ist. Im ersteren Fall liegt Willkür vor, weil nicht deutlich wird, warum der weitergehende Vertragstext ohne Bedeutung sein soll. Sich mit ihm zu befassen, drängte sich nachdrücklich auf. Im zweiteren liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die immer dann vorliegt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2009 - V ZR 105/09, BeckRS 2009, 87670, beck-online Rn. 4 m.w.N.). Beides hat den Wegfall der Bindungswirkung des Beschlusses zur Folge.
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(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.
(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist.
(2) Eine Gesellschaft, deren Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 Abs. 2 Handelsgewerbe ist oder die nur eigenes Vermögen verwaltet, ist offene Handelsgesellschaft, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. § 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung.
(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.
(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen.
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.
(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig
- 1.
für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden; - 2.
für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen; - 3.
für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden; - 4.
für Verfahren nach - a)
(weggefallen) - b)
den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes, - c)
§ 26 des SE-Ausführungsgesetzes, - d)
§ 10 des Umwandlungsgesetzes, - e)
dem Spruchverfahrensgesetz, - f)
den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes;
- 5.
in Streitigkeiten - a)
über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - b)
über die Höhe des Vergütungsanspruchs infolge einer Anordnung des Bestellers (§ 650c des Bürgerlichen Gesetzbuchs);
- 6.
für Ansprüche aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.
(3) Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen.
(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen in Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e und Nummer 5 einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen. In Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e darf die Übertragung nur erfolgen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen eines Mangels einer von dieser erworbenen Immobilie in Anspruch. In der Klageschrift hat sie unter Hinweis auf die Belegenheit des Grundstücks in der Gemarkung Ebstorf ausgeführt, dass sie das Landgericht Lüneburg nach § 24 ZPO für örtlich zuständig halte.
- 2
- Mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das Landgericht Lüneburg Bedenken gegen eine Zuständigkeit am dinglichen Gerichtsstand für die geltend gemachten Ansprüche geäußert. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung die Zuständigkeit des Landgerichts Lüneburg gerügt, da § 24 ZPO nicht einschlägig sei. Das Landgericht Lüneburg hat sich daraufhin für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Aurich verwiesen. Dieses hat den Rechtsstreit zurückverwiesen. Es ist der Ansicht , der Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung.
- 3
- Das Landgericht Lüneburg hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das Oberlandesgericht Celle um Entscheidung über den Gerichtsstand er- sucht. Dieses hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Es möchte das Landgericht Lüneburg für zuständig erklären, sieht sich hieran jedoch durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2011 (X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364) und den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juli 2010 (1 AR 25/10, juris) gehindert.
- 4
- II. Die Vorlage ist zulässig.
- 5
- Nach § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Das an sich nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufene Oberlandesgericht Celle möchte seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Lüneburg objektiv willkürlich und mithin nicht bindend sei, weil das verweisende Gericht sich nicht mit der Frage befasst habe, ob es gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig ist. Damit würde es von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts abweichen.
- 6
- III. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
- 7
- Die beiden mit der Sache befassten Landgerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt.
- 8
- IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Landgericht Aurich, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Lüneburg gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.
- 9
- 1. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Dies folgt aus der Regelung in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, wonach ein auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, bindend ist. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Beschluss vom 17. Mai 2011 - X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 9).
- 10
- 2. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Lüneburg nicht als willkürlich anzusehen, sondern entfaltet die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung.
- 11
- a) Zwar kann ein Verweisungsbeschluss als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar zu beurteilen sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635). Jedoch ist eine Verweisung nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutref- fend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498; Beschluss vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201). So hat der Senat die von einem zuständigen Gericht ausgesprochene Verweisung als willkürlich und daher nicht bindend erachtet, weil sie darauf beruhte, dass das Gericht eine schon mehrere Jahre vor dem Verweisungsbeschluss erfolgte Gesetzesänderung nicht beachtet hatte, die Verweisungen der in Rede stehenden Art gerade verhindern sollte (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635). Umgekehrt hat der Senat in dem vom vorlegenden Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss vom 17. Mai 2011 entschieden , dass ein Verweisungsbeschluss nicht schon deshalb als unwirksam anzusehen ist, weil das verweisende Gericht eine mögliche Zuständigkeit nach § 29 ZPO nicht geprüft hat. Er hat dies im damaligen Streitfall damit begründet, dass eine Befassung mit diesem Gerichtsstand sich nach den Umständen, insbesondere da die Parteien die Frage des Erfüllungsorts nicht thematisiert hatten , nicht derart aufgedrängt habe, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als schlechterdings nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden könne (BGH, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 12). Mit den gleichen Erwägungen hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 27. Juli 2010 angenommen, dass es für sich allein noch keine objektive Willkür darstelle, wenn das verweisende Gericht den Gerichtsstand des Erfüllungsorts übersehen oder verkannt habe (1 AR 25/10, juris Rn. 9).
- 12
- Die Vorlage des Oberlandesgerichts Celle gibt keinen Anlass, von den diesen Entscheidungen zugrunde gelegten Kriterien für die Beurteilung eines Verweisungsbeschlusses als willkürlich abzuweichen. Zwar hat das Gericht die Frage seiner Zuständigkeit stets von Amts wegen zu prüfen und dabei - worauf das vorlegende Oberlandesgericht auch zutreffend hinweist - den vorgetragenen Sachverhalt unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten zu würdigen sowie gegebenenfalls nicht vorgetragene, für die Zuständigkeit relevante Umstände aufzuklären (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 12 Rn. 13). Bejahte man jedoch in Fällen, in denen ein Gericht sich nicht mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm befasst hat, die Willkürlichkeit des Verweisungsbeschlusses allein deshalb, weil das Gericht es unterlassen habe, den von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt von Amts wegen nach Anhaltspunkten für eine eigene Zuständigkeit zu erforschen, ohne das Vorliegen zusätzlicher Umstände , die über das bloße Übersehen oder Verkennen einer Zuständigkeitsnorm hinausgehen, zu verlangen, wie etwa, dass die nicht beachtete Norm gerade den Zweck hat, Verweisungen der in Rede stehenden Art zu unterbinden oder sich eine Befassung mit der zuständigkeitsbegründenden Norm den Umständen nach aufgedrängt hat, liefe dies darauf hinaus, dass letztlich auch auf einfachen Rechtsfehlern beruhende Verweisungsbeschlüsse als nicht bindend anzusehen wären. Dies stünde nicht im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen, die im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermeiden soll. Dementsprechend ist auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung entzogen (BGH, NJW 2002, 3634).
- 13
- b) Der Umstand, dass das Landgericht Lüneburg sowohl im Verweisungsbeschluss als auch in dem zuvor erteilten Hinweis die Frage nach seiner örtlichen Zuständigkeit nur unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Gerichtsstands (§ 24 ZPO) erörtert und insoweit verneint hat, ohne eine mögliche Zuständigkeit am Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) in Erwägung zu ziehen, macht den Verweisungsbeschluss zwar fehlerhaft, begründet aber nicht den Vorwurf der Willkür.
- 14
- aa) Der Schadensersatzanspruch wegen eines Mangels der Kaufsache folgt aus dem auf Übereignung einer mangelfreien Sache gerichteten Erfüllungsanspruch und ist beim Grundstückskauf am selben Ort wie dieser, nämlich am Ort der Belegenheit des Grundstücks, zu erfüllen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 29 Rn. 25 Stichwort: Kaufvertrag; BGH Beschluss vom 24. September 1987 - I ARZ 749/86, juris). Danach ergab sich eine Zuständigkeit des Landgerichts Lüneburg aus § 29 Abs. 1 ZPO, so dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlagen.
- 15
- bb) Da die Klägerin Gewährleistungsansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag geltend macht und in der Klageschrift auf die Belegenheit des Grundstücks hingewiesen hat, mag eine Prüfung der Zuständigkeit aufgrund von § 29 ZPO zwar nahegelegen haben. Eine Befassung mit dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts drängte sich aber nicht derart auf, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als schlechterdings nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann. Die Klägerin hat zwar die Belegenheit des von der Beklagten erworbenen Grundstücks als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit des von ihr angerufenen Gerichts angegeben. Sie hat die Zuständigkeit dieses Gerichts aber lediglich unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Gerichtsstands gemäß § 24 ZPO in Betracht gezogen. Weder sie noch die Beklagte haben die Frage nach dem Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche thematisiert und die Belegenheit des Grundstücks damit in Verbindung gebracht. Dass das Landgericht Lüneburg diese Frage nicht von sich aus aufgegriffen hat, stellt vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nicht einen auf das Grundstück bezogenen Erfüllungsanspruch, sondern einen auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsanspruch eingeklagt hat, und im Hinblick darauf, dass eine Leistung nach § 269 Abs. 1 BGB im Regelfall an dem Ort zu erbringen ist, an dem der Schuldner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz hat, lediglich einen einfachen Rechtsfehler dar, lässt die getroffene Entscheidung aber nicht als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen.
- 16
- c) Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin den Verweisungsantrag nur aufgrund des unzutreffenden Hinweises des Landgerichts Lüneburg auf seine fehlende Zuständigkeit gestellt hat. Ein auf einem einfachen Verfahrensfehler beruhender Verweisungsbeschluss ist grundsätzlich bindend, wenn den Parteien vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 9). Die anwaltlich vertretene Klägerin hatte mit der Nachfrage des Landgerichts Lüneburg, ob Verweisung beantragt werde, vor der Verweisung des Rechtsstreits Gelegenheit erhalten, auf eine sich gegebenenfalls aus anderen Vorschriften ergebende Zuständigkeit des Landgerichts Lüneburg hinzuweisen. Meier-Beck Gröning Grabinski Hoffmann Kober-Dehm
OLG Celle, Entscheidung vom 24.02.2015 - 4 AR 2/15 -
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Herford.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin macht mit der zunächst vor dem Amtsgericht Herford - an dem der Beklagte seinen allgemeinen Wohnsitz hat - erhobenen Klage aus abgetretenem Recht der i-Punkt Handelsgesellschaft mbH Ansprüche auf Miete für einen Kaffeeautomaten geltend.
4Die i-Punkt Handelsgesellschaft mbH schloss unter dem 30.08.2011 mit dem Beklagten eine „Benutzervereinbarung“, nach der sie dem Beklagten – der Kaufmann war und unter der Fa. B firmierte – für sein Gewerbe einen Vollautomaten zur Zubereitung von Kaffeespezialitäten vermietete. Unter Ziff. 5 der Benutzervereinbarung heißt es: „Im Übrigen gelten die umseitig genannten Geschäftsbedingungen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Vertragsformulars, Bl. 5 der Akte, verwiesen. Die Rückseite des Vertragsformulars ist bislang nicht zur Akte gereicht.
5Im Anschluss an den Vertragstext und an die Unterschriften der Parteien heißt es in der Benutzervereinbarung weiter: „Hiermit wird eine zusätzliche Service-Vereinbarung abgeschlossen. (…).“ In dieser Servicevereinbarung („Service-Bedingungen“), wegen derer auf Bl. 53 der Akte verwiesen wird, heißt es unter § 5: (...) Erfüllungsort ist 26871 Papenburg. Gerichtsstand ist Papenburg.“ Als bislang unbestrittener Bestandteil der „Service-Bedingungen“ hat der Beklagte ferner weitere Geschäftsbedingungen mit den Ziff. 6 bis 14 zu den Akten gereicht (Bl. 54 der Akte). Dort heißt es unter Ziff. 13: „Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Papenburg.“
6Zur Verteidigung gegen den Entgeltanspruch hat der Beklagte sich unter anderem darauf berufen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin Leistungen aus der Servicevereinbarung, insbesondere die vollständige Geräteinspektion und den rechtzeitigen Wechsel des Entkalkungsfilters, nicht erbracht habe.
7Das Amtsgericht Herford hat zunächst Termin anberaumt. Ausweislich einer Verfügung vom 07.01.2015 (Bl. 79 der Akte) hat es den Termin „nach Absprache mit dem Parteivertretern“ aufgehoben. Als Grund der Aufhebung ist genannt: „Problematik der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Herford.“
8Mit Schriftsatz vom 07.01.2015 nahm der Klägervertreter Bezug „auf das soeben geführte Telefonat“ und beantragte für die Klägerin die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Papenburg. Diesen Schriftsatz hat das Amtsgericht Herford dem Beklagten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Woche übersandt. Der Beklagte hat nicht Stellung genommen.
9Durch Beschluss vom 27.01.2015 hat das Amtsgericht Herford den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das Amtsgericht Papenburg verwiesen. Die Parteien hätten durch Ziff. 13 der für den Rechtsstreit maßgeblichen „Service-Bedingungen“ als Erfüllungsort und Gerichtsstand Papenburg vereinbart. Dem Verweisungsantrag der Klägerin habe der Beklagte nicht widersprochen.
10Das Amtsgericht Papenburg hat durch Beschluss vom 11.03.2015 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Die Verweisung sei ohne jede rechtliche Grundlage erfolgt. Das Amtsgericht Herford sei als Gericht des Wohnsitzes des Beklagten gemäß den §§ 12, 13 ZPO jedenfalls auch zuständig gewesen. Der Gerichtsstandsvereinbarung in den „Service-Bedingungen“ sei nicht zu entnehmen, dass mit ihr die Zuständigkeit aller übrigen Gerichte ausgeschlossen werden solle. Ihr Wahlrecht zwischen den mehreren als zuständig in Betracht kommenden Gerichten habe die Klägerin mit Klagerhebung vor dem Amtsgericht Herford ausgeübt. Die Verweisung sei ferner unter Versagung des rechtlichen Gehörs erfolgt. Weder dem Beschluss noch der Akte sei zu entnehmen, dass dem Beklagten Gelegenheit gegeben worden sei, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, aus denen das Amtsgericht Herford und die Klägerin in ihrem Verweisungsantrag dessen Unzuständigkeit herleitete.
11Das Amtsgericht Herford hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 20.03.2015 dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt und hat in dem Vorlagebeschluss die Auffassung vertreten, die Verweisung sei bindend ausgesprochen worden. Der Gerichtsstand in Papenburg sei in den „Service-Bedingungen“ als ausschließlicher vereinbart worden. Denn das Amtsgericht Papenburg sei weder Sitz der Klägerin - der in P liege – noch Sitz des Beklagten. Vor diesem Hintergrund sei nur eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung sinnvoll gewesen.
12Die Verweisung sei auch nicht unter Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs erfolgt. Das in der Verfügung vom 07.01.2015 in Bezug genommene Telefonat zwischen dem Richter und dem Klägervertreter habe die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Gerichtsstandsvereinbarung, insbesondere die Qualifizierung des Beklagten als Kaufmann, zum Gegenstand gehabt. Der Beklagte habe nach Eingang des Verweisungsantrags Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Woche erhalten, diese jedoch nicht in Anspruch genommen.
13II.
141.
15Die in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das Amtsgericht Herford, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat und das – sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart ist - gem. §§ 12, 13 ZPO für den Rechtsstreit örtlich zuständig ist, hat sich durch einen grundsätzlich gem. § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren Beschluss für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Papenburg hat im Beschlussweg die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das genügt nach ständiger Rechtsprechung den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (vgl. BGH, I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338, 339f.; BGH, X 217/02, NJW 2002, 3634, 3635; Senat, 32 SA 46/13, BeckRS 2013, 16076).
162.
17Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zu der Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Zu seinem Bezirk gehört das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Herford. Die für eine Zuständigkeitsbestimmung in Betracht kommenden Gerichte in Herford und Papenburg liegen in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte, so dass das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist.
183.
19Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Herford.
20a)
21Der Beklagte hat im Bezirk des Amtsgerichts Herford seinen allgemeinen Wohnsitz und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß den §§ 12, 13 Abs. 1 ZPO.
22b)
23Die Klage im allgemeinen Gerichtsstand ist nicht durch Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen worden. Die insoweit (nach dem bisherigen Sach- und Streitstand) allein in Betracht kommende Gerichtsstandsvereinbarung in den Service-Bedingungen ist jedenfalls keine Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands für Klagen gegen den Beklagten.
24Es ist schon fraglich, ob diese überhaupt zugrundezulegen ist. Denn die „Service-Bedingungen“ (Bl. 53ff. der Akte), in denen sich die fragliche Gerichtsstandsvereinbarung in § 5 befindet, betreffen nach der Gestaltung des Vertrages eine gesonderte Vereinbarung. Dass die dort getroffene Vereinbarung des Gerichtsstands sich auf Ansprüche aus der Benutzervereinbarung (für die ausweislich des Vertragsformulars „umseitig genannte Geschäftsbedingungen“ galten) erstrecken sollte, ist bislang weder vorgetragen noch ohne weiteres anzunehmen.
25Dafür, dass die unter Ziff. 6 ff. getroffenen Regelungen und damit auch die unter Ziff. 13 geregelte Bestimmung von Erfüllungsort und Gerichtsstand Bestandteil der Benutzervereinbarung vom 30.08.2011 (Bl. 5 der Akte) waren, ist bislang ebenfalls nichts vorgetragen.
26Diese Fragen können aber dahinstehen. Denn die Parteien des Vertrags haben Papenburg in diesen Klauseln jedenfalls nicht als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart.
27Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach der Interessenlage der Parteien im Regelfall dahin, dass der Verwender eine Ausschließlichkeit nur für Klagen gegen sich selbst herbeiführen will, während es für Prozesse gegen den anderen Vertragspartner, wie es die vorliegende Klage ist, bei einem fakultativen Gerichtsstand bleiben soll, damit die Möglichkeit der Gerichtsstandswahl nach § 35 ZPO weiterhin eröffnet ist (vgl. BGH, VIII ZR 118/71, Z 59, 116, 119 [juris Rn. 13]; OLG Bamberg, 1 U 302/87, NJW 1989, 1288; Senat, 32 SA 3/12, BeckRS 2012, 06492).
28Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Klauseln entgegen der herrschenden Meinung und dem üblichen Gebrauch einen ausschließlichen Gerichtsstand begründen sollten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin selbst als Rechtsnachfolgerin der Verwenderin der Klauseln hat zum Regelungsgehalt der Klauseln nicht vorgetragen. Soweit das Amtsgericht Herford meint, die Ausschließlichkeit aus der Verschiedenheit von vereinbartem Gerichtsstand und Wohnsitz bzw. Sitz der Niederlassung der Parteien herleiten zu wollen, übersieht es bereits, dass der Sitz der Niederlassung der vertragsschließenden Rechtsvorgängerin der Klägerin Papenburg war. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, warum aus der Statuierung eines Gerichtsstands ein Verzicht des Verwenders einer Gerichtsstandsklauseln auf eine Klage gegen die andere Vertragspartei an deren allgemeinem Gerichtsstand geschlossen werden sollte.
29b)
30Das damit allenfalls in Betracht kommende Wahlrecht gem. § 35 ZPO zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten bei dem Amtsgericht Herford und einem gem. § 38 Abs. 1 ZPO vereinbarten weiteren besonderen Gerichtsstand bei dem Amtsgericht Papenburg hat die Klägerin durch die Klageerhebung vor dem Amtsgericht Herford für sie bindend und unwiderruflich zugunsten des Amtsgerichts Herford ausgeübt.
314.
32Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Papenburg ist auch nicht gem. § 281 Abs. 1, Abs. 2 S. 4 ZPO aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Herford gegeben. Denn dieser ist nicht bindend.
33Die durch § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzlich angeordnete grundsätzliche Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Eine Ausnahme gilt jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen, wenn die Verweisung willkürlich, nämlich offenbar gesetzeswidrig oder offensichtlich unrichtig oder unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs ergangen ist (st. Rspr., z.B. BGH, X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810; Senat, Beschluss vom 13.12.2013, 32 SA 84/13, BeckRS 2014, 00517; vergleiche Vollkommer in: Zöller, § 36 ZPO, Rn. 28 mit weiteren Nachweisen). Eine - nach Anhörung des Gegners - erfolgte Verweisung ist in Anwendung dieser Grundsätze nicht willkürlich, wenn das verweisende Gericht in möglicher Auslegung des dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Vertrags annehmen konnte, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist, an das verwiesen worden ist (BGH, X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810, 2811; BGH, X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309, 1310).
34a)
35Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Herford ist bereits unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten erfolgt. Dem Beklagten ist keine Gelegenheit gegeben worden, zu der maßgeblichen Frage der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung Stellung zu nehmen.
36Weder dem Verweisungsantrag der Klägerin noch dem sonstigen Akteninhalt ist zu entnehmen, dass dem Beklagten mitgeteilt worden ist, auf welchen Erwägungen beruhend der Antrag auf Verweisung angeregt und gestellt worden ist. Dass der Verweisungsantrag auf der Annahme einer (ausschließlichen) Gerichtsstandsvereinbarung in den „Service-Bedingungen“ (Bl. 53 der Akte) bzw. den weiteren Bedingungen (Bl. 54 der Akte) beruhte, lag für den Beklagten nach dem Verlauf des Verfahrens auch nicht auf der Hand und war keinesfalls ohne weiteres ersichtlich. Die Gerichtsstandsvereinbarung war bis dahin weder von den Parteien noch von dem Gericht thematisiert worden. Sie befand sich zudem, wie unter 3. dargelegt, nicht in der Benutzervereinbarung, sondern in den allgemeinen Bedingungen der zusätzlichen Service-Bedingungen bzw. den durch den Beklagten in anderem Zusammenhang zur Akte gereichten und den Service-Bedingungen zugeordneten weiteren Bedingungen. Das Amtsgericht Herford hatte durch die vorgenommene Terminierung zunächst zu verstehen gegeben, dass es sich als zuständig erachtete. Die Terminsaufhebung war lediglich mit der – für die Beklagtenseite nicht nachvollziehbaren – „Problematik der örtlichen Zuständigkeit“ begründet worden.
37Unter diesen Voraussetzungen konnte der Beklagte in Ermangelung von Anhaltspunkten für einen Grund und eine Berechtigung des Verweisungsantrags davon Abstand nehmen, zu dem Verweisungsantrag Stellung zu nehmen. Auch konnte das Amtsgericht Herford in dieser Konstellation nicht aus dem Schweigen des Beklagten schließen, dass eine Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung als Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands auch auf Passivseite jedenfalls in Betracht kommen könnte.
38b)
39Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Herford ist ferner auch deshalb als willkürlich anzusehen, weil er unzureichend begründet ist. Ein Verweisungsbeschluss ist nicht bindend, wenn er nicht erkennen lässt, ob er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, Rn. 56 m.w.N.). Wenn ein als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands unzweifelhaft örtlich zuständiges Gericht sich darüber hinwegsetzt, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt und / oder eine nach § 35 ZPO bindende Gerichtsstandswahl des Klägers nicht berücksichtigt, liegt nahe, dass das Gericht sich über maßgebliche Rechtsfragen evident hinweggesetzt hat (Senat, 32 SA 84/13, BeckRS 2014, 00517; 32 SA 3/12, BeckRS 2012, 06492). Soweit ein Gericht (abweichend von der herrschenden Meinung) die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands annehmen will, ist erforderlich, dass das Gericht dies erkennbar nach einem Abwägungs- und Entscheidungsprozess tut (Senat, 32 SA 32 SA 3/12, BeckRS 2012, 06492).
40Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Herford befasst sich lediglich mit der Gerichtsstandsvereinbarung, ohne die - maßgebliche - Frage überhaupt zu erörtern, ob diese den bei dem Amtsgericht Herford begründeten allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten ausschließen sollte. Erwägungen zu der Ausschließlichkeit des Gerichtsstands finden sich erst in dem Vorlagebeschluss. Stellungnahmen der Parteien, die die in dem Vorlagebeschluss erstmals begründete Auslegung des
41Amtsgerichts Herford tragen könnten, lagen - wie dargelegt - bei Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht vor und sind von beiden Seiten bis heute nicht vorgetragen worden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin, die ihren Sitz im Landgerichtsbezirk Fulda hat, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn in Anspruch. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Hünfeld einen Mahnbescheid erlassen. Nach Widerspruch der Beklagten ist der Rechtsstreit an das Landgericht Heilbronn, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, abgegeben worden. Dieses Gericht hatte die Klägerin in dem Mahnantrag als für ein streitiges Verfahren zuständig angegeben.
- 2
- Die Klägerin hat in ihrem anspruchsbegründenden Schriftsatz an das Landgericht Heilbronn beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Fulda zu verweisen, und zur Begründung darauf hingewiesen, in § 15 des Werkvertrages sei der Sitz des Aufragnehmers als Gerichtsstand vereinbart. Diesen Schriftsatz hat das Landgericht Heilbronn der Beklagten zugestellt. In ihrer Stellungnahme hat die Beklagte bestätigt, dass vertraglich der Gerichtsstand des Landgerichts Fulda vereinbart sei, und dem Verweisungsantrag der Klägerin zugestimmt. Daraufhin hat sich das Landgericht Heilbronn für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf den Antrag der Klägerin und die Zustimmung der Beklagten gemäß § 38 Abs. 1 ZPO an das Landgericht Fulda verwiesen.
- 3
- Das Landgericht Fulda hat die Verweisung für sachlich unrichtig und nicht bindend gehalten, sich ebenfalls für unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegt. Dieses möchte das Landgericht Heilbronn als zuständiges Gericht bestimmen. Es verneint eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Heilbronn, weil die Verweisung willkürlich erfolgt sei. Der Verweisungsbeschluss lasse jede Begründung der eigenen Zuständigkeit vermissen. Das Landgericht Heilbronn sei als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO zuständig. Ein ausschließlicher Gerichtsstand sei in § 15 des Werkvertrages nicht vereinbart worden. Indem die Klägerin im Mahnantrag das Landgericht Heilbronn als zuständiges Gericht angegeben habe, habe sie das ihr zustehende Wahlrecht zwischen allgemeinem und vertraglich vereinbartem Gerichtsstand bindend ausgeübt. Eine nachträgliche Prorogation sei wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung unzulässig , der Verweisungsbeschluss deshalb rechtsfehlerhaft. Zwar werde von einer Mindermeinung die Auffassung vertreten, ein Gericht könne im Falle nachträglicher Prorogation auch bei zunächst gegebener eigener Zuständigkeit den Rechtsstreit bei ausdrücklich erklärtem Einverständnis der Parteien mit jedenfalls vertretbarer Begründung an ein anderes Gericht verweisen. Die Behandlung eines solchen Beschlusses als fehlerhaft, aber nicht willkürlich setze jedoch voraus, dass das verweisende Gericht sich mit der aufgeworfenen Rechtsfrage befasst und begründet Position bezogen habe. Lasse man mit einem Teil der Literatur die bloße Möglichkeit, die eigene Unzuständigkeit vertretbar zu begründen, in Verbindung mit dem Einverständnis der Parteien genügen, eine Verweisung als nicht willkürlich anzusehen, könne bei Einvernehmen der Parteien stets begründungslos und gleichwohl bindend verwiesen werden.
- 4
- An einer entsprechenden Entscheidung sieht sich das vorlegende Oberlandesgericht durch die Beschlüsse der Oberlandesgerichte Koblenz (OLGR Koblenz 1997, 74) und Schleswig (MDR 2005, 233) und durch den Senatsbeschluss vom 10. Juni 2003 (X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201) gehindert. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
- 5
- Auf die zulässige Vorlage ist als zuständiges Gericht das Landgericht Fulda zu bestimmen, da es an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn gebunden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
- 6
- 1. Verweisungsbeschlüsse nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind im Interesse der Prozessökonomie sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkter Verzögerungen und Verteuerungen in der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGHZ 102, 388, 340; Sen.Beschl. v. 13.12.2005 - X ARZ 223/05, NJW 2006, 383 m.N.). Einem Verweisungsbeschluss kann daher die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (Sen.Beschl. v. 13.12.2005, aaO m.N.). Hierfür genügt es aber nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (Sen.Beschl. v. 10.6.2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201).
- 7
- 2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn vom 14. November 2007 nicht willkürlich.
- 8
- a) Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten liegt nicht vor, da der Verweisungsbeschluss durch das im Mahnantrag als zuständig angegebene Landgericht Heilbronn ergangen ist, nachdem dieses die Beklagte zu der von der Klägerin als Grundlage ihres Verweisungsantrags angegebenen Gerichtsstandsvereinbarung angehört hat.
- 9
- b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Heilbronn entbehrt auch nicht jeder gesetzlichen Grundlage, so dass er deshalb als offensichtlich unhaltbar betrachtet werden müsste.
- 10
- Gibt das Mahngericht den Rechtsstreit an das im Mahngericht als zuständig bezeichnete Empfangsgericht ab und ist dieses - gegebenenfalls neben anderen Gerichten - zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, so wird, wie der Senat bereits entschieden hat, die im Mahnantrag getroffene Wahl des Gerichtsstandes unwiderruflich und verbindlich (Sen.Beschl. v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1237; Sen.Beschl. v. 10.9.2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634). Der Senat hat darüber hinaus bereits entschieden, dass trotz einer im Mahnantrag anders getroffenen Wahl des Gerichtsstandes eine nach Anhörung des Gegners erfolgte Verweisung nicht willkürlich ist, wenn das verweisende Gericht in möglicher Auslegung des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrages annehmen konnte, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist, an das verwiesen worden ist (Sen.Beschl. v. 22.6.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810, 2811). Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben, weil beide Parteien sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag berufen und deshalb die Verweisung an das Landgericht Fulda beantragt oder ihr zugestimmt haben. Hieraus konnte ohne Willkür der Schluss auf eine Vereinbarung ausschließlicher Zuständigkeit dieses Gerichts gezogen werden. Angesichts des übereinstimmenden Verweisungsbegehrens der Parteien schadet auch nicht, dass der Verweisungsbeschluss nicht näher begründet worden ist. Denn ersichtlich war dies durch die Übereinstimmung der Parteien und die sich daraus möglicherweise ergebende ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Fulda verursacht.
- 11
- Auf die vom vorlegenden Oberlandesgericht erörtere Frage, ob die Parteien im Falle eines vorausgegangenen Mahnverfahrens nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Zuständigkeit des im Mahnantrag als zuständig bezeichneten Gerichts noch prorogieren können, kommt es im Streitfall nicht an, weil sich beide Parteien zur Begründung ihres Verweisungsbegehrens auf die bereits im Werkvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung berufen haben.
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Fulda, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 477/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.01.2008 - 4 AR 9/07 -
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.