Oberlandesgericht Hamm Urteil, 03. Feb. 2015 - 26 U 153/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 07. August 2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über das Bestehen eines Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrags sowie über Ansprüche des Klägers aus diesem Vertrag.
4Mit Antrag vom 13.03.2007 beantragte der am ####1969 geborene Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufs-Unfähigkeits-Zusatzversicherung (Anlage B1). Versicherungsbeginn war der 01.05.2007. Diesem Antrag war ein Vermittlungsgespräch des Klägers mit der Zeugin B2 und dem Zeugen F vorausgegangen. In dem hierbei ausgefüllten Fragebogen wurde die Gesundheitsfrage Nr. 3 nach Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen in den letzten 5 Jahren mit „nein“ angekreuzt.
5Nach Meldung des Versicherungsfalls durch den Kläger trat die Beklagte mit Schreiben vom 02.02.2012 in die Leistungsprüfung ein. Mit Schreiben vom 07.03.2012 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag unter Bezugnahme auf die im Versicherungsantrag vom 13.03.2007 nicht erwähnten ärztlichen Behandlungen des Klägers in der Zeit vom 03.04.2003 bis 26.01.2007 (vgl. Krankenkassenauskunft der C v. 16.02.2012, Anl. B4). Zudem wies sie darauf hin, dass sie im Moment nicht einschätzen könne, ob der Kläger berufsunfähig sei, da ihr noch Auskünfte und Informationen fehlten.
6Nachdem die Beklagte in der Folgezeit verschiedene Arztbriefe und Berichte der behandelnden Ärzte und Kliniken erhalten hatte, forderte sie die Hausärztin des Klägers, Frau Dr. y, seit April 2012 mehrfach schriftlich zur Übermittlung einer vollständigen Anamnese und der vorliegenden medizinischen Unterlagen auf und erinnerte ebenso den Kläger an die Unterlagen von Frau Dr. y. Mit Schreiben vom 15.03.2013 teilte Dr. y schließlich mit, dass der Kläger erst seit dem Jahr 2006 in ihrer Behandlung sei. Zudem übersandte sie mehrere Berichte anderer Ärzte aus 2006.
7Der Kläger hat behauptet, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Gesundheitsfragen seien ihm in dem Beratungsgespräch vom 13.03.2007 von der Vermittlerin B2 nicht übersetzt worden. Er sei seit seiner Krankschreibung vom 11.08.2011 aufgrund einer Lungenerkrankung und einer psychischen Erkrankung berufsunfähig und könne seinen seit 2005 ausgeübten Beruf als Stanzer nicht mehr ausführen. Der Beklagten sei eine Prüfung der Leistungspflicht aufgrund der umfangreichen fachärztlichen Unterlagen ohne weiteres möglich gewesen. In Bezug auf die Zeit seit März 2002 seien der Beklagten sämtliche Erkrankungen und Behandlungen aufgrund der Auskunft der C bekannt. Zudem ist der Kläger der Ansicht gewesen, die Ermittlungen im Sinne von § 14 VVG seien abgeschlossen, da es ihm unmöglich oder unzumutbar sei, die von der Beklagten geforderten Unterlagen beizubringen. Der Kläger hat (1) Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.000,00 € ab 01.09.2011 bis zum 30.04.2027 sowie (5) vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.227,26 € begehrt sowie (2) Feststellung, dass der Versicherungsvertrag wirksam fortbesteht, (3) Feststellung der Befreiung von der Beitragspflicht und (4) Feststellung zur Zahlungsverpflichtung von Überschussanteilen verlangt.
8Die Beklagte hat behauptet, dass dem Kläger die Gesundheitsfragen, insbesondere die Frage 3 gestellt worden seien und die Ansicht vertreten, dass die Klage hinsichtlich der Klageanträge 1, 3, 4 und 5 derzeit unbegründet sei, da sie vor Fälligkeit gemäß § 14 VVG erhoben sei.
9Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
10Unter dem 30.01.2013 hat das Landgericht ein am 11.02.2013 zugestelltes, klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen, gegen das der Kläger mit am 21.02.2013 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt hat.
11Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen B2, F und K den Einspruch des Klägers zurückgewiesen und das Versäumnisurteils aufrechterhalten. Die Klage sei hinsichtlich der Anträge 1, 3, 4 und 5 derzeit unbegründet, hinsichtlich des Antrags zu 2 unbegründet. Etwaige Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag seien mangels Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen nicht fällig. Die Voraussetzungen des § 14 VVG lägen nicht vor. Vorliegend fehle es an einer Einsicht der Beklagten in die Patientenunterlagen der klägerischen Hausärztin Dr. y für den Zeitraum 01.03.2002 bis 13.03.2007, welche der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen nicht zur Verfügung gestellt habe. Die Einsichtnahme in diese Unterlagen sei Bestandteil der notwendigen Erhebungen. Es bestehe durch die Betrachtung des 5-Jahres-Zeitraums die Möglichkeit der Aufdeckung oder Substantiierung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung. Hierfür reiche die Auskunft der C, aus der sich lediglich eine stichwortartige Diagnose ergebe, nicht aus. Bei den vom Kläger übermittelten Unterlagen handele es sich nicht um die vollständigen Patientenunterlagen. Es sei dem Kläger angesichts seines (gesetzlichen) Einsichtsrechts auch nicht unmöglich oder unzumutbar, eine Kopie der vollständigen Patientenunterlagen der Frau Dr. y zu beschaffen. Zudem fehle es für die notwendigen Erhebungen auch an der Durchführung einer ärztlichen Untersuchung des Klägers durch von der Beklagten beauftragte Ärzte. Eine solche Untersuchung habe die Beklagte verlangt. Entgegen der Auffassung des Klägers habe die Beklagte mit ihrer Rücktrittserklärung vom 07.03.2012 Geldleistungen an den Kläger auch nicht endgültig abgelehnt.
12Die vom Kläger mittels Klageantrags zu 2 begehrte Feststellung sei nicht zu treffen. Der Versicherungsvertrag sei gemäß § 19 Abs. 2 VVG n.F. i.V.m. § 16 Abs. 1 VVG a.F. aufgrund Rücktritts der Beklagten beendet. Der Kläger habe die Gesundheitsfrage Nr. 3 mit „nein“ beantwortet und hierdurch seine Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten verletzt. Aus der Vernehmung der Zeugen B2 und F folge, dass dem Kläger die Frage Nr. 3 vorgelesen worden sei. Er habe die aus der Auskunft der C ersichtlichen Behandlungen seit dem 03.04.2003 nicht angegeben. Die Zeugin K habe die klägerische Behauptung, dass insoweit keine Gefahrerheblichkeit vorliege, nicht bestätigt, so dass der Kläger die Vermutung des § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. nicht entkräftet habe. Der Kläger habe seine Anzeigepflicht auch vorsätzlich verletzt. Er habe die auf die Frage Nr. 3 mit „nein“ geantwortet, obwohl er diese verstanden habe. Dies folge aus der Vernehmung der Zeugen B2 und F.
13Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Das Landgericht verstoße gegen § 14 VVG. Die geltend gemachten Ansprüche seien fällig. Das Landgericht überdehne die Anforderungen für eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, die verlangten Informationen zu beschaffen. Der Kläger habe alles versucht, die Unterlagen von Frau Dr. y zu beschaffen. Diese habe schleppend auf Nachfragen reagiert und sei möglicherweise ihrer Dokumentationspflicht nicht nachgekommen. Beides sei jedoch nicht dem Kläger anzulasten. Die Erhebung einer Auskunftsklage gegen die Hausärztin sei nicht zumutbar. Die Beklagte habe die Fälligkeit überdies mit Schreiben vom 07.03.2012 selbst herbeigeführt. Dieses beinhalte eine endgültige Leistungsablehnung. Bei der Begutachtung nach § 6 Abs. 2 BUZVB handele es sich nicht um eine notwendige Erhebung i.S.v. § 14 VVG. Die Obliegenheit gem. § 6 Abs. 2 BUZVB sei zudem aufgrund der Ablehnung der Beklagten vom 07.03.2012 entfallen.
14Der Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag sei unwirksam. Es fehle an einer objektiven Anzeigepflichtverletzung. Die Zeugen B2 und F hätten die Gesundheitsfragen völlig anders vermittelt, als die Beklagte sie in ihrem Antragsformular schriftlich fixiert habe. Sie hätten ihm mitgeteilt, er müsse – entgegen der vorformulierten Gesundheitsfragen – nur chronische Krankheiten angeben. Auf diese Frage habe er ordnungsgemäß geantwortet. Hiervon habe das Landgericht aus Gründen der Beweislast ausgehen müssen. Die landgerichtliche Beweiswürdigung sei fehlerhaft und setze sich nicht mit den Widersprüchen der Angaben der Zeugen auseinander. Die vagen Angaben der Zeugen, der Kläger könne gut Deutsch und habe die Gesundheitsfrage 3 richtig verstanden, sei angesichts von dessen Verständigungsproblemen nicht sehr glaubhaft. Weiter habe die Zeugin B2 angegeben, der Zeuge F habe den Begriff der chronischen Krankheit häufiger verwendet. Dies erwecke Zweifel an der Aussage des Zeugen F, er lese die Fragen immer exakt so vor, wie sie im Bogen ausgeführt seien. Denn in den Gesundheitsfragen – auch nicht bei Frage Nr. 3 – tauche der Begriff der chronischen Krankheiten gar nicht auf. Auch im Hinblick auf den Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 19 Abs. 3 S. 1 VVG n.F. habe das Landgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen, weil es sich nicht hinreichend mit den Angaben der Zeugen auseinandergesetzt habe.
15Der Kläger beantragt,
16das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 07.08.2013, Az. I-2 O 339/12 abzuändern,
17das Versäumnisurteil vom 30.01.2013 aufzuheben, sowie
181. die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. 4.3 833 049.89 ab dem 01.09.2011 bis längstens zum 30.04.2027 eine monatlich im Voraus eines jeden Monats zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen;
192. festzustellen, dass der Versicherungsvertrag Nr. 4.3 833 049.89 über eine Berufsunfähigkeitsversicherung wirksam fortbesteht und nicht durch die Gestaltungserklärung der Beklagten vom 07.03.2012 beendet worden ist;
203. festzustellen, dass die Beklagte aufgrund der Berufsunfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 01.09.2011 bis längstens zum 30.04.2027 verpflichtet ist, ihn von der Beitragspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsnummer 4.3 833 049.89 freizustellen;
214. festzustellen, dass die Beklagte aufgrund der Berufsunfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 01.09.2011 bis längstens zum 30.04.2027 verpflichtet ist, für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsnummer 4.3 833 049.89 Überschussanteile zu zahlen;
225. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.227,26 € zu zahlen.
23Hilfsweise beantragt der Kläger,
24die Sache gemäß § 538 Abs. 2 ZPO an das Landgericht Arnsberg zurückzuverweisen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die geltend gemachten Leistungsansprüche seien derzeit nicht fällig. Es fehle an einer Einsicht in die Patientenunterlagen der Hausärztin Dr. y und an der Durchführung einer ärztlichen Untersuchung des Klägers gemäß § 6 Abs. 2 BUZVB. Das Landgericht habe die Anforderungen an eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit nicht überspannt. Ein anwaltlicher Hinweis auf den in § 630 g BGB geregelten Anspruch auf Einsicht in die Patientenunterlagen sowie eine Klageandrohung sei dem Kläger durchaus möglich gewesen. Der Rücktritt vom 07.03.2012 sei wirksam. Das Landgericht habe auf Grundlage der Beweisaufnahme zutreffend festgestellt, dass dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 im Einzelnen vorgelesen worden sei, der Kläger die Frage verstanden habe und weder der Zeuge F noch die Zeugin B2 die Gesundheitsfragen eingeschränkt hätten auf chronische Erkrankungen. Entgegen der Darstellung der Berufung habe die Zeugin B2 gesagt, weder sie noch der Zeuge F hätten nach chronischen Erkrankungen gefragt.
28Der Senat hat den Kläger erneut angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Senatstermins vom 03.02.2015 und den Berichterstattervermerk vom selben Tag verwiesen.
29Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
30II.
31Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
32Das Landgericht hat die Klage zu Recht hinsichtlich der auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gerichteten Anträge 1, 3, 4 und 5 wegen mangelnder Fälligkeit als derzeit unbegründet und hinsichtlich des Antrags zu 2 als unbegründet abgewiesen.
331.
34Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 07.03.2012 (Anlage K 17, Bl. 64 d.A.) wirksam den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 16 Abs. 2 VVG a.F. wegen schuldhafter Anzeigepflichtverletzung erklärt hat.
35Bei Beurteilung eines nach dem 31.12.2008 erfolgten Rücktritts von einem vor dem 31.12.2007 abgeschlossenen Versicherungsvertrag, ist hinsichtlich der Frage, ob eine Anzeigepflicht verletzt wurde, auf § 16 Abs. 1 VVG a.F. sowie hinsichtlich des Rücktrittsrechts im Übrigen auf § 19 ff VVG n.F. abzustellen (vgl. Prölss/Martin VVG, 28. Aufl. § 19 Rn. 4).
36Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 a.F. hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Hat der Versicherer ausdrücklich und schriftlich nach einem Umstand gefragt, so wird nach § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. widerleglich vermutet, dass dieser gefahrerheblich ist.
37a) Vorliegend hat der Kläger sämtliche Gesundheitsfragen im Antrag vom 13.03.2007 verneint. Dabei war unter der mit „nein“ angekreuzten Frage Nr. 3 gefragt worden:
38„Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Vergiftungen, Alkohol- und Drogenkonsum?“ (vgl. Anlage B 1).
39Nach der Mitteilung der C vom 16.02.2012 über diverse Behandlungen/Diagnosen aus der Zeit vom 03.04.2003 bis 26.01.2007 (vgl. Anl. B 4) und der ergänzenden Beweisaufnahme des Landgerichts in Form von Vernehmung der Zeugin K steht fest, dass der Kläger damit gefahrerhebliche Umstände im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. nicht angegeben hat. Die Zeugin K hat die klägerische Behauptung, dass keine Gefahrerheblichkeit der vom Kläger nicht angezeigten Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen vorlag, nicht bestätigt. Dem Kläger ist es danach nicht gelungen, die Vermutung des § 16 Abs.1 Satz 3 VVG a.F. zu widerlegen. Dies greift der Kläger im Rahmen seiner Berufung auch nicht an.
40b) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger in der Berufung gegen die Annahme einer Anzeigepflichtverletzung, als dass er an seiner Behauptung festhält, die Zeugen B2 und F hätten die Gesundheitsfragen völlig anders vermittelt, als die Beklagte sie in ihrem Antragsformular schriftlich fixiert habe. Sie hätten ihm mitgeteilt, er müsse – entgegen der vorformulierten Gesundheitsfragen – nur chronische Krankheiten angeben.
41Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Versicherer den Nachweis zu führen, dass der Versicherungsvertreter dem Antragsteller die Fragen in einer Art und Weise vorgelesen hat, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung durch den Antragsteller vergleichbar erscheinen lassen. Sind die Antragsfragen aber korrekt gestellt, kann sich der Versicherungsnehmer nicht mit der Behauptung entschuldigen, er habe die Fragen nicht verstanden. Ein der deutschen Sprache nicht ausreichend kundiger Ausländer muss sich deshalb ggf. in Eigeninitiative den Text des Formulars übersetzen lassen. Hat bereits bei Antragsaufnahme ein Dolmetscher mitgewirkt, scheidet ein Berufen auf unzulängliche Sprachkenntnisse aus (vgl. BGH Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337; OLG Köln Urt. v. 06.03.2001 – 9 U 153/00, NVersZ 2001, 562; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl. O.IV Rn. 53 ff).
42Die vom Landgericht unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Beweisaufnahme ist auch unter Berücksichtigung des klägerischen Berufungsvorbringens nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen B2 und F die Behauptung des Klägers als widerlegt angesehen, dass ihm angeblich gesagt worden sei, dass er die Versicherung abschließen könne, wenn er keine chronischen Krankheiten habe. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Gesundheitsfragen nicht verstanden, da er kein Deutsch verstehe. Insoweit ist die Zeugin B2 der türkischen Sprache mächtig und hat dem Kläger seinen eigenen Angaben nach die auf Deutsch vorgelesenen Fragen anschließend auf Türkisch erläutert. Damit bestätigt der Kläger zunächst die Aussagen der beiden Zeugen, wonach ihm die Gesundheitsfragen tatsächlich vorgelesen worden sind. Hinsichtlich der klägerischen Behauptung, die Zeugin habe ihn ungenügend informiert und ihm „immer genau das Gegenteil gesagt, von dem, was dort steht“ hat sich das Landgericht eingehend mit den Aussagen der beiden Zeugen auseinandergesetzt. Danach hatte der Kläger, der überdies nach Eindruck der Zeugen Deutsch kann und beinahe alles versteht, absprachegemäß zu jeder Zeit die Gelegenheit, sich eine Frage, die er nicht genau verstanden hat, von der Zeugin B2 ins Türkische übersetzen zu lassen. Beide Zeugen haben übereinstimmend bestätigt, dass dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 von dem Zeugen F exakt vorgelesen worden ist. Die Zeugin B2 hat den Kläger zu der Frage Nr. 3 ihren Bekundungen nach sodann speziell gefragt, ob er in den letzten fünf Jahren beim Arzt gewesen ist. Darüber hinaus hat die Zeugin ausdrücklich in Abrede gestellt, den Kläger nur nach chronischen Krankheiten gefragt zu haben.
43Das Berufungsvorbringen des Klägers und dessen Einwendungen gegen die Beweiswürdigung sind nicht geeignet, diese in Zweifel zu ziehen. Der Kläger versteht auch nach dem durch den Senat im Senatstermin gewonnenen Eindruck im Wesentlichen die deutsche Sprache und kann sich auf Deutsch verständigen. Bei Verständigungsschwierigkeiten hätte er sich absprachegemäß an die Zeugin B2 wenden können. Entgegen dem Berufungsvorbringen spricht nichts dafür, dass die Zeugin B2 dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 abweichend von ihrem Inhalt dahingehend erläutert hat, er müsse nur die chronischen Krankheiten angeben. Dabei hat die Zeugin insbesondere an keiner Stelle ausgesagt, dass dem Kläger gegenüber der Begriff der chronischen Krankheiten überhaupt verwendet worden ist. Die Zeugin hat lediglich allgemein angeben, dass Herr F den Begriff häufiger in Vermittlungsgesprächen verwendet. Sie konnte sich gerade nicht daran erinnern, ob er ihn in dem streitgegenständlichen Gespräch verwendet hat. Vielmehr hat sie allein angegeben, dass der Begriff „chronische Krankheiten“ benutzt wurde, wenn er in den Gesundheitsfragen verwandt wurde. Dies ist aber bei den von der Beklagten im Streitfall verwendeten Fragen gerade nicht der Fall. Unschädlich ist entgegen der Ansicht des Klägers auch, dass die Zeugin B2 den Kläger ihren Bekundungen nach speziell gefragt hat, „ob er in den letzten fünf Jahren regelmäßig beim Arzt war“. Dem Kläger wurde die Gesundheitsfrage Nr. 3 wörtlich vorgelesen, was beide Zeugen bestätigt haben. Darauf hat der Kläger ausweislich der weiteren Bekundungen der Zeugin entgegnet, dass er fit sei und dass nichts vorgelegen habe. Der Senat vermochte danach keine fehlerhafte oder unzureichende Beweiswürdigung zu erkennen. Es gab auch keine Veranlassung die ausführliche und umfassende Zeugenbefragung des Landgerichts zu wiederholen.
44c) Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung des Klägers ausgegangen ist.
45Speziell in Bezug auf Anzeigepflichtverletzungen gilt, dass die zum Vorsatz erforderliche Kenntnis der Verhaltensnorm im Allgemeinen anzunehmen ist, da heute jeder Versicherungsnehmer weiß, dass er weder mittelbar noch unmittelbar die Feststellungen des Versicherers erschweren darf, sondern ihn nach besten Kräften bei der Aufklärung unterstützen muss (Prölss/Martin VVG § 31 Rn. 24). Fragt der Versicherer nach gefahrerheblichen Umständen und kennt der Versicherungsnehmer diese positiv, liegt in der Regel Vorsatz vor. Wer gesundheitliche Beschwerden und wiederholte Arztbesuche nicht offenbart, weiß, dass er mit seinem Verschweigen Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers über den Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nimmt (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 11.06.2012 – 10 U 108/12).
46Der Kläger hat die Gesundheitsfrage Nr. 3 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fehlerhaft mit „nein“ angekreuzt, obwohl er sie verstanden hat. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass er die elf der C gemeldeten Diagnosen im Zeitraum der letzten fünf Jahre zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr in Erinnerung gehabt hat. Sein Vorbringen, er habe in Unkenntnis des Frageinhalts nur chronische Erkrankungen angeben sollen, ist durch die Bekundungen der Zeugen B2 und F wiederlegt. Es ist danach zumindest davon auszugehen, dass der Kläger die Begehung einer Obliegenheitsverletzung für möglich hielt und diese billigend in Kauf genommen hat.
47Der Kläger hat auch nicht nachweisen können, dass die Nichtanzeige unvorsätzlich oder gar unverschuldet war. Die Gesundheitsfrage Nr. 3 war zwar umfassend, aber ausreichend klar und erfasste ersichtlich die letzten 5 Jahre. Die letzten ärztlichen Behandlungen des Klägers lagen teils nur wenige Monate zurück. Die Gesundheitsfragen beschränkten sich auch nicht auf schwere oder andauernden („chronische“) Krankheiten oder auf solche von erheblichem Gewicht. Es wurden allgemein alle Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen innerhalb der letzten fünf Jahre bzgl. bestimmter Bereiche abgefragt. Daraus war für den Kläger zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich die Beklagte ein möglichst umfassendes Bild über etwa bestehende erhöhte Risiken verschaffen wollte. Es musste auch dem Kläger klar sein, dass die Vielzahl seiner innerhalb der letzten fünf Jahre diagnostizierten Erkrankungen für die Beklagte von Interesse sein musste. Dies stellt der Kläger letztlich auch nicht in Abrede.
48d) Die vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung berechtigt den Versicherer zum Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG n.F. und führt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 VVG n.F. zur Leistungsfreiheit.
49Der Versicherungsnehmer hat demgegenüber nach § 21 Abs. 2 VVG allein die Möglichkeit eines Kausalitätsgegenbeweises im Hinblick auf Umstände, die mit dem Versicherungsfall nicht ursächlich zusammenhängen. Die Leistungsfreiheit des Versicherers beim Rücktritt hängt von der Kausalität der Anzeigepflichtverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ab. Den Beweis fehlender Kausalität hat der Versicherungsnehmer zu führen (Neuhaus a.a.O., O.322).
50Der Kläger hat zum möglichen Kausalitätsgegenbeweis nach § 21 Abs. 2 VVG vorgetragen und behauptet, eine etwaige Verletzung der Anzeigepflicht beziehe sich allein auf Umstände, die weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich seien. Die im Schreiben der C aufgeführten Erkrankungen seien weder für die Lungenerkrankung noch für die psychische Erkrankung des Klägers ursächlich.
51Allerdings ist sein pauschales Vorbringen unsubstantiiert. Gerade zum Ausschluss der Kausalität bedarf es detaillierter Angaben zu den einzeln festgestellten Vorerkrankungen. Mangels Vorlage der Patientenunterlagen und Befunde würde im Streitfall ein Gutachten auf reinen Spekulationen beruhen und letztlich Ausforschung darstellen. Der Kläger wurde ausweislich der Übersicht der C u.a. wegen Gehirnerschütterung, Lumboischialgie, Fettleber, Oberbauchbeschwerden, Hypertonie, Ureterstein, Epicondylitis, Gastritis, Kreuzschmerz, Viruswarzen behandelt. Gerade zur Wiederlegung der Kausalität bedarf es aber der vollständigen Befunde der Hausärzte, die der Kläger beizubringen hat.
52Die Kausalitätsregelung nach § 21 Abs. 2 VVG ist aber auf vor dem Rücktritt eingetretene Versicherungsfälle beschränkt. Die Wirksamkeit des Rücktritts selbst bleibt unberührt. Für zukünftige Versicherungsfälle ist der Versicherer deshalb leistungsfrei, denn durch den Rücktritt wird das Vertragsverhältnis beendet (Neuhaus, a.a.O. O.326). Die Klage ist insoweit im Streitfall bzgl. des Antrags zu 2) aufgrund des wirksamen Rücktritts in jedem Falle unbegründet.
53Soweit der vom Kläger zu führende Kausalitätsgegenbeweis mithin allein für die Frage der Leistungsfreiheit in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall relevant ist und damit die übrigen Klageanträge des Klägers betreffen könnte, bedurfte es vorliegend keiner abschließenden Entscheidung des Senats, da insoweit eine endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten bis heute nicht vorliegt.
542.
55Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klage hinsichtlich der übrigen Klageanträge zu 1, 3, 4 und 5 mangels Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag derzeit unbegründet ist.
56Dabei ist bereits fraglich, ob angesichts der festgestellten vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung des Klägers überhaupt noch Leistungsansprüche des Klägers bestehen.
57In jedem Falle aber sind etwaige Ansprüche des Klägers aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgrund Wegfalls der behaupteten Berufsunfähigkeit ab April 2013 auf den Zeitraum vom 01.09.2011 bis 31.03.2013 beschränkt. Der Kläger befindet sich seinen eigenen Angaben nach seit fast 20 Jahren in ungekündigter Stellung, hat am 02.04.2013 seine alte Stelle als Stanzer wieder aufgenommen und übt seinen Beruf seitdem in Vollzeit aus. Bereits nach eigener Einlassung des Klägers ist damit zumindest ab diesem Zeitpunkt offensichtlich keine Berufsunfähigkeit mehr gegeben, so dass für den Senat nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund der Kläger weiterhin Versicherungsleistungen bis zum vereinbarten Vertragsende 2027 geltend macht.
58Soweit danach überhaupt nur noch Leistungs- und Feststellungsansprüche des Klägers für einen Zeitraum von 19 Monaten in Betracht kommen, sind diese derzeit nicht fällig.
59Die Beklagte hat sich zu Recht darauf berufen dürfen, dass sie noch nicht alle notwendigen Erhebungen hat abschließen können, weswegen die Fälligkeit nach § 14 Abs. 1 VVG noch nicht eingetreten ist. Der Versicherer kann verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfangs erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer ist danach verpflichtet, unter anderem Ärzte, bei denen er in Behandlung war, zu ermächtigen, der Versicherung auf Verlangen Auskunft zu erteilen.
60a) Hinsichtlich der Vorbehandlungen des Klägers innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung steht durch die Auskunft der C fest, dass es zwischen 2002 und 2007 zu einer Vielzahl von Diagnosen und Behandlungen des Klägers gekommen ist. Die notwendigen Erhebungen beziehen sich dabei auch auf die Ermittlungen zur Aufdeckung oder Substantiierung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung.
61Im Streitfall hat der Kläger eine Schweigepflichtsentbindung für die behandelnden Ärzte erteilt. Die Hausärztin Dr. y hat jedoch keinerlei sachdienstliche Auskünfte erteilt und insbesondere keinerlei Patientenunterlagen und Befunde übermittelt. Macht ein Arzt nur unvollständige Angaben und gibt erfragte Behandlungszeiträume und Therapien nicht an, sind die Erhebungen nicht abgeschlossen. Der Nachweis der Berufsunfähigkeit ist allein durch den Versicherungsnehmer zu erbringen, was auch die Vorlage sämtlicher Unterlagen, aus denen sich die Berufsunfähigkeit ergibt, umfasst (vgl. Neuhaus a.a.O, E.186 ff).
62Das Landgericht hat im konkreten Streitfall angesichts des gesetzlichen Anspruchs des Klägers auf Einsicht in die Patientenakte die Beschaffung der Patientenunterlagen aus zutreffenden Gründen nicht als unzumutbar oder unmöglich angesehen und ist entsprechend von mangelnder Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche ausgegangen.
63Dabei hat das Landgericht entgegen der Ansicht des Klägers, die Anforderungen für eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, die verlangten Informationen zu beschaffen, nicht überdehnt. Im vorliegenden Einzelfall sind besondere Umstände gegeben, die das Verlangen der Beklagten auf Übermittlung von Kopien der Behandlungsunterlagen nach § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG rechtfertigen. Danach kann der Versicherer Belege insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann. Hierfür spricht der Umstand, dass sich bereits aus der stichwortartigen Übersicht der C ergibt, dass der Kläger entgegen seinen Angaben bei Antragstellung über Jahre hinweg umfassend ärztlich behandelt worden ist, und die Beklagte danach auf detaillierte Diagnosen und Befunde zur Feststellung ihrer Leistungspflicht und einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung angewiesen ist. Der Kläger hat sich nicht ausreichend um Beibringung der Patientenunterlagen bemüht, indem er Dr. y mehrfach vergeblich um Übermittlung gebeten hat. Es ist ihm zuzumuten, seine gesetzlichen Ansprüche auf Einsicht in die Patientenunterlagen massiv einzufordern und seine Auskunfts- und Einsichtsansprüche gegenüber seiner Hausärztin – ggf. sogar unter Androhung gerichtlicher Schritte - durchzusetzen.
64Soweit Frau Dr. y lediglich lapidar mitgeteilt hat, den Kläger erst seit 2006 zu behandeln (Anlage K 20, Bl. 190 d.A.), ist dies vollkommen unzureichend. Auch soweit der Kläger eigenen Angaben nach vom 01.03.2002 bis zum Wechsel in die Behandlung von Frau Dr. y in hausärztlicher Behandlung des Internisten Dr. B in Menden (s. Bl. 185 d.A.) gewesen ist, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, warum keine Unterlagen beigebracht werden können. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist unzureichend. Selbst wenn diese Praxis tatsächlich seit 2006 „aufgelöst“ ist, müsste der Kläger angesichts der bestehenden Aufbewahrungsfristen und einer etwaigen Praxisnachfolge darlegen, warum keine Unterlagen mehr zu bekommen waren und welche Anstrengungen er diesbezüglich unternommen hat.
65Insoweit kann zu Gunsten des Klägers keine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit angenommen werden.
66b) Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob darüber hinaus auch von mangelnder Fälligkeit auszugehen ist, weil der Kläger dem Verlangen der Beklagten nach Durchführung einer ärztlichen Untersuchung durch von der Beklagten beauftragte Ärzte nicht nachgekommen ist. Das Recht der Beklagten, im Rahmen ihrer notwendigen Erhebungen eine solche Untersuchung zu verlangen, folgt aus § 6 Abs. 2 BUZVB. Die Beklagte hatte angekündigt, hierüber abschließend nach Vorlage der Unterlagen durch Dr. y zu entscheiden.
67c) Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte die Fälligkeit auch nicht mit Schreiben vom 07.03.2012 selbst herbeigeführt. Dieses Schreiben (Anlage K17, Bl. 64 d.A.) beinhaltet gerade keine endgültige Leistungsablehnung.
68Grundsätzlich erlöschen durch den in dem Schreiben ausgesprochenen Rücktritt die beiderseitigen Leistungsansprüche; der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Aufgrund der Rechtsfolgeregelungen der §§ 19 ff VVG n.F. kommt aber ggf. auch nur eine Kündigung oder gar eine Vertragsanpassung in Betracht. Hierauf hat die Beklagte in dem Schreiben auch ausdrücklich hingewiesen. Bei einem Ausschluss des Rücktrittsrechts wegen grob fahrlässiger oder gar nur fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung oder bei Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises durch den Versicherten (§ 21 Abs. 2 VVG n.F.) kommt ein Anspruch auf Leistung aus der Versicherung zumindest für den bereits geltend gemachten Leistungsfall weiterhin in Betracht. Entsprechend hat die Beklagte in dem Schreiben vom 07.03.2012 allein eine Prüfung angekündigt, ob sie trotz des Rücktritts leistungspflichtig ist. Sie hat damit Leistungen gerade nicht endgültig abgelehnt, sondern klargestellt, dass zur Prüfung der Leistungspflicht noch weitere Erhebungen erforderlich sind.
69III.
70Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
71Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
72Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 03. Feb. 2015 - 26 U 153/13
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 03. Feb. 2015 - 26 U 153/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen.
(2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.
(3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam.
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.
(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.
(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
(1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam.
(2) Die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben unberührt.
(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen.
(2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.
(3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam.
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.
(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.
(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam.
(2) Die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, die er im Jahre 2001 in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung abschloss.
- 2
- Am 18. März 2001 unterzeichnete der Kläger ein Formular der Beklagten , das wie folgt überschrieben ist: "Anfrage: Ich wünsche (Wir wünschen) ein Angebot zum Abschluss einer Lebens-/Rentenversicherung".
- 3
- Als gewünschte Versicherungsform war in dem Formular "kapitalbildende Lebensversicherung" angekreuzt.
- 4
- der In Rubrik "Vertragsabschluss/Widerspruchsrecht/Rücktrittsrecht" heißt es: "Die [Beklagte] erstellt mir (uns) auf der Grundlage dieser Anfrage und der Angaben zum Gesundheitszustand der zu versichernden Person(en) ein schriftliches Vertragsangebot (Versicherungsschein). Der Vertrag gilt mit Aushändigung dieses Angebots und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn ich (wir) dem Vertragsabschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspreche(n) und ich (wir) über diese Folge noch einmal im Versicherungsschein schriftlich belehrt wurde(n). Nach Vertragsabschluss, also spätestens nach Ablauf der Monatsfrist, kann ich (können wir) innerhalb einer weiteren Frist von 14 Tagen vom Vertrag zurücktreten. …"
- 5
- DieBeklagteübersand te dem Kläger den Versicherungsschein und bat ihn in ihrem "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001, die beigefügten Unterlagen zu überprüfen und sie "bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben" umgehend zu informieren. Beigefügt war eine Anlage mit "Angaben zur versicherten Person", die den Gesundheitszustand des Klägers betrafen.
- 6
- Mit "ja" beantwortet war die Frage unter Nr. 4 "Sind Sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?"
- 7
- Art Als der Untersuchung war nur eine Routineuntersuchung im November 2000 bei dem damaligen Hausarzt des Klägers angegeben.
- 8
- Verneintwurdedie Frage unter Nr. 6.1 "Bestehen oder bestanden in den letzten zehn Jahren Beschwerden oder Krankheiten (z.B. … Wirbelsäule …) …?"
- 9
- Nachdem der Kläger im Dezember 2004 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung beantragt hatte, holte die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung ärztliche Auskünfte ein. Im Mai 2005 erfuhr die Beklagte von dem späteren Hausarzt des Klägers, dass dieser den Kläger unter anderem in den Jahren 1996, 1998 und 1999 wegen Rückenschmerzen und Lumbalgien behandelt hatte. Im September 2005 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, dass der Kläger ihr die früheren Behandlungen wegen Wirbelsäulenbeschwerden verschwiegen habe.
- 10
- Der Kläger behauptet, der Versicherungsagent der Beklagten habe ihm am 18. März 2001 nur das Formular zur Unterschrift vorgelegt und keine Gesundheitsfragen gestellt. Sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel habe er dem Versicherungsagenten gemacht; dieser habe eigenmächtig die weiteren Angaben nachträglich aus einem Versicherungsantrag von 1996 abgeschrieben.
- 11
- Kläger Der begehrt die Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrenten ab Dezember 2004 sowie die Feststellung, dass er von der Beitragszahlungspflicht befreit sei. Weiterhin verlangt er von der Beklagten Auskunft über die Höhe der ihm ab Dezember 2004 zustehenden zusätzlichen monatlichen Bonusrente aus der Überschussbeteiligung.
- 12
- Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 13
- Da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionstermin nicht vertreten war, ist über die Revision auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).
- 14
- Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 15
- Das I. Berufungsgericht hat die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für berechtigt gehalten, weil der Kläger sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages über die Fragen nach ärztlichen Untersuchungen in den letzten fünf Jahren sowie nach Beschwerden oder Krankheiten in den letzten zehn Jahren getäuscht habe. Selbst wenn man zugunsten des Klägers als wahr unterstelle, dass der Versicherungsvertreter eigenmächtig die Angaben zum Gesundheitszustand aufgenommen habe, bleibe unstreitig, dass der Kläger ein darauf basierendes schriftliches Vertragsangebot der Beklagten erhalten habe. Obwohl die Fragen zu Nr. 4 und 6.1 nicht richtig beantwortet worden seien, habe der Kläger die Angaben nicht korrigiert und sich spätestens mangels vertraglich gebotener Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 einer arglistigen Täuschung durch Unterlassen schuldig gemacht. Die arglistige Täuschung sei für die Willenserklärung der Beklagten , also die Annahme des Versicherungsantrages, auch kausal geworden. Die Beklagte habe unbestritten vorgetragen, dass sie den Versicherungsvertrag mit dem Kläger nicht abgeschlossen hätte, wenn sie über die bestehenden Vorerkrankungen, Behandlungen und Arztbesuche informiert gewesen wäre.
- 16
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 17
- Als 1. rechtsfehlerhaft erweist sich die Überzeugung des Berufungsgerichts , der Kläger habe die Beklagte arglistig getäuscht, indem er ihr die Behandlungen wegen Rückenbeschwerden verschwiegen habe.
- 18
- a) Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darin liegen, dass der Kläger auf die in dem Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 enthaltene Aufforderung , sie über etwaige Unrichtigkeiten der Angaben zum Gesundheitszustand zu informieren, nicht reagierte.
- 19
- Die aa) arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 Rn. 8 m.w.N.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 22 Rn. 4; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 22 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (Langheid in Römer/Langheid aaO § 22 Rn. 5 m.w.N.).
- 20
- bb) Schon der Ansatz des Berufungsgerichts ist verfehlt. Es hat nicht beachtet, dass der Kläger auf die Entscheidung der Beklagten keinen Einfluss mehr nehmen konnte, als er den Versicherungsschein nebst "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001 erhielt. Mit Übersendung des Versicherungsscheins hatte die Beklagte alles getan, was von ihrer Seite für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages erforderlich war.
- 21
- Auch wenn in dem von dem Kläger unterzeichneten Formular von einer "Anfrage" und einem daraufhin von der Beklagten zu erstellenden "Vertragsangebot" die Rede ist, belegt die Beschreibung des Zustandekommens des Vertrages, dass damit der Antrag des Versicherungsnehmers und dessen Annahme durch die Beklagte gemeint sind. Nur so ergibt es einen Sinn, wenn es in der "Anfrage" heißt, dass der Vertrag als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nach Erhalt der Police und der Verbraucherinformation nicht innerhalb eines Monats widerspricht.
- 22
- Das entspricht im Wesentlichen dem so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG a.F. Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die All- gemeinen Versicherungsbedingungen und die weitere Verbraucherinformation erst zusammen mit der Police zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der Vertragsschluss das Ausbleiben des Widerspruchs innerhalb der 14-tägigen Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war nach herrschender Meinung von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (OLG Frankfurt, VersR 2005, 631, 633; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 837, 838; OLG Hamm, VersR 1999, 1229, 1230; Prölss in Prölss/Martin aaO § 5a Rn. 9 f.; Römer in Römer/Langheid aaO § 5a Rn. 24 f.; BK/Schwintowski, VVG § 5a Rn. 78; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1052; jeweils m.w.N.). An dieser Art des Vertragsschlusses orientierte sich die Beklagte nach der Darstellung in dem von ihr verwendeten Formular insoweit, als der Vertrag mit Aushändigung des Versicherungsscheins und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspricht.
- 23
- Ob die Regelung des "Policenmodells" wirksam und insbesondere mit den Vorgaben der Richtlinien 90/619/EWG vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und 92/96/EWG vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) vereinbar ist, braucht hier nicht geklärt zu werden. Jedenfalls hatte die Beklagte nach Über- sendung des Versicherungsscheins keine für den Vertragsschluss wesentliche Willenserklärung mehr abzugeben, so dass sie durch Unterlassen der Richtigstellung etwaiger unrichtiger Angaben nicht mehr zu einer Annahmeerklärung bewogen werden konnte, die sie bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht oder nur zu anderen Konditionen abgegeben hätte.
- 24
- b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger zu seinem Gesundheitszustand bereits bei Antragstellung falsche Angaben machte. Dazu hat der Kläger behauptet, er habe sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel dem Versicherungsagenten der Beklagten gemacht, dieser habe aber eigenmächtig und selbständig die Angaben zum Gesundheitszustand aus einem früheren Versicherungsantrag abgeschrieben. Die Richtigkeit dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt. Trifft diese - auch für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellende - Behauptung zu, so hat der Kläger seine Anzeigeobliegenheit nicht verletzt.
- 25
- Der aa) empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent steht bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01, VersR 2001, 1541 unter II 1 a; vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, BGHZ 102, 194, 197). Hat der Agent etwas, was ihm der Antragsteller auf die Fragen wahrheitsgemäß mitgeteilt hat, nicht in das Formular aufgenommen, so hat der Antragsteller seine Anzeigeobliegenheit gleichwohl gegenüber dem Versicherer erfüllt (Senatsurteil vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 299/90, BGHZ 116, 387, 389). Hat der Versicherungsagent das Formular mit Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig ohne Rückfragen an den Versicherungsnehmer ausgefüllt - wie hier vom Berufungsgericht unterstellt -, so sind diesem die Formularfragen nicht einmal zur Kenntnis gelangt (Senatsurteil vom 13. März 1991 - IV ZR 218/90, VersR 1991, 575 unter 2 b). Auch dann scheidet eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit aus.
- 26
- bb) Demgemäß genügt es zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen - wie hier die Angaben zum Gesundheitszustand der versicherten Person - objektiv falsch sind. Der Versicherer kann allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht habe, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (Senatsurteile vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06, VersR 2008, 765 Rn. 7; vom 23. Mai 1989 - IVa ZR 72/88, BGHZ 107, 322, 325). Die Beweislast liegt auch dann beim Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer vorträgt, der Versicherungsagent habe die Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig beantwortet. Dann muss der Versicherer - im Regelfall durch Aussage seines Agenten - beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat (Senatsurteil vom 13. März 1991 aaO unter 3). Diesen Punkt wird das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung, ob die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt war, aufzuklären haben.
- 27
- Falls 2. das Berufungsgericht die Anfechtung nicht durchgreifen lässt, wird es sich mit der Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers zu befassen haben. Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob der Vortrag des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 15. und 29. Oktober 2007, in denen er seine zuletzt vor dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte berufliche Tätigkeit beschrieben hat, zu berücksichtigen ist.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 09.11.2007 - 4 O 1212/06 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.10.2008 - 4 U 51/07 -
(1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.
(2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Am 11. Dezember 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Beklagten. Die dabei gestellten Gesundheitsfragen verneinte die Klägerin bis auf die Angabe einer Skoliose, die sie seit Geburt ohne Beschwerden habe. Die Frage nach Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen in den letzten fünf Jahren wegen Krankheiten, Beschwerden oder Störungen verneinte die Klägerin. Die Beklagte nahm den Antrag mit Versicherungsschein vom 9. Januar 2004 an, mit einer Einschränkung wegen Wirbelsäulenerkrankungen.
- 2
Im November 2009 beantragte die Klägerin Leistungen bei der Beklagten, da sie seit November 2008 wegen Morbus Fabry berufsunfähig sei. Im Rahmen der Leistungsprüfung holte die Beklagte bei Ärzten Arztberichte für den Zeitraum 1999 bis 2003 ein. Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und mit Schreiben vom 9. März 2010 die Anfechtung des Versicherungsvertrages.
- 3
Die Klägerin hat vorgetragen,
sie habe die Gesundheitsfragen nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantwortet. Es liege keine Pflichtverletzung vor. Die Untersuchung der Schilddrüse habe keinen Befund ergeben. Auch die Untersuchung des Stuhls wegen Darmproblemen sei ohne Befund gewesen. Erschöpfungszustände und Müdigkeit hätten bei Antragstellung bereits dreieinhalb Jahre zurück gelegen. Die Beklagte hätte auch bei Kenntnis dieser Erkrankungen den Antrag in der abgeschlossenen Form zu gleichen Konditionen angenommen. Der Rücktritt sei verfristet, da das neue Versicherungsvertragsgesetz anzuwenden sei. Die Diagnose Morbus Fabry sei zudem erst viel später gestellt worden. Im Jahre 2007 sei Morbus Fabry noch ausgeschlossen worden und insoweit hätten die Behandlungen in den Jahren 1999 bis 2003 nichts mit der späteren Erkrankung an Morbus Fabry zu tun. Die Beklagte sei zur Leistung verpflichtet.
- 4
Die Klägerin hat beantragt,
- 5
1. festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu der bei der Beklagten abgeschlossenen Start-Ziel-Rentenpolice Nr. ... in Form des Nachtrags vom 4. April 2009 unverändert fortbesteht,
- 6
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.478,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 536,23 € seit dem 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010 und 1. Dezember 2010 zu zahlen,
- 7
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Januar 2011 für den Zeitraum, in dem bedingungsgemäß Berufsunfähigkeit vorliegt, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Dezember 2028 die vertraglich garantierte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 536,23 €, zahlbar jeweils monatlich im Voraus zu zahlen,
- 8
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zuzüglich der zu der vertraglich garantierten Berufsunfähigkeitsrente die hierauf entfallende, nicht garantierte Überschussbeteiligung zu zahlen,
- 9
5. die Beklagte zu verurteilen, an sie seit Eintritt der Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 2008 bis zum 1. Dezember 2010 gezahlte Versicherungsbeiträge in Höhe von 3.162,52 € zurückzuzahlen,
- 10
6. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu der bei ihr unterhaltenen Start-Ziel-Rentenpolice nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung VS-Nr. ..., seit dem 1. Oktober 2008 für den Zeitraum, in dem bedingungsgemäß Berufsunfähigkeit vorliegt, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Dezember 2028 Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge für die Hauptversicherung, für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Beitragsbefreiung und für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Höhe von monatlich jeweils 117,13 € zu gewähren,
- 11
7. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin hinsichtlich der nicht anzurechnenden Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.641,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gegenüber den Rechtsanwälten …[A] freizustellen,
- 12
Die Beklagte hat beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Die Beklagte hat vorgetragen,
für den vorliegenden Rechtsstreit sei altes Recht anwendbar, da der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 2009 eingetreten sei. Die Klägerin habe gefahrerhebliche Umstände durch die Verneinung der Gesundheitsfragen verschwiegen. Im Hinblick auf die Vielzahl der Behandlungen, die Schwere der Behandlungen und die Nähe der letzten Behandlung zur Antragstellung sei auch Arglist anzunehmen. Sie hätte diesen Antrag in Kenntnis der Umstände nicht angenommen. Das ergebe sich aus den vorgelegten Risikogrundsätzen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. November 2011 vorgetragen, dass sie dem vermittelnden Vertreter der Beklagten alle Erkrankungen mitgeteilt habe.
- 15
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe den Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag gemäß §§ 22 VVG a.F., §§ 123, 142 BGB wirksam angefochten. Die Klägerin habe die Beklagte über gefahrerhebliche Umstände arglistig getäuscht. Der Versicherungsfall, für den die Klägerin Versicherungsleistungen begehre, sei im November 2008 eingetreten, so dass das Versicherungsvertragsgesetz a. F. anwendbar sei. Die Klägerin habe bei Antragstellung wahrheitswidrig alle Gesundheitsfragen, mit Ausnahme einer Skoliose, verneint, obwohl sie im Zeitraum 1999 bis 2003 18mal beim Arzt, überwiegend wegen Darmproblemen, Schilddrüsenproblemen und Erschöpfungszuständen gewesen sei. Diese Umstände seien auch gefahrerheblich, was sich aus den von der Beklagten vorgelegten Risikogrundsätzen ergebe. Die Klägerin habe auch arglistig gehandelt. Für eine Arglist würden der Umfang der verschwiegenen Umstände und die Tatsache, dass Krankheiten wiederholt hätten behandelt werden müssen, sprechen. Ein weiteres Indiz sei die zeitliche Nähe der Antragstellung zur letzten Behandlung. Noch im Oktober 2003 habe sich die Klägerin wegen der Schilddrüsenuntersuchung und der Besprechung des Ergebnisses in ärztlicher Behandlung befunden, mithin nicht einmal zwei Monate vor Antragstellung. Dass diese Untersuchungen nach Auffassung der Klägerin nicht zu einem Befund geführt hätten, sei unerheblich, da sie ausdrücklich auch nach Untersuchungen und Beratungen gefragt worden sei. Der Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30. November 2011 sei verspätet und daher nicht zu berücksichtigen.
- 16
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags geltend macht, die mit Schriftsatz vom 30. November 2011 erklärte Streitverkündung Herrn ...[B] gegenüber sei rechtsfehlerhaft vollständig unberücksichtigt geblieben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Klägerin bei Antragstellung nicht über gefahrerhebliche Umstände arglistig getäuscht.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 21. Dezember 2011 die Beklagte wie folgt zu verurteilen:
- 19
1. festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu der bei der Beklagten abgeschlossenen Start-Ziel-Rentenpolice Nr. ... in Form des Nachtrags vom 4. April 2009 unverändert fortbesteht,
- 20
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.478,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 536,23 € seit dem 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010 und 1. Dezember 2010 zu zahlen,
- 21
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Januar 2011 für den Zeitraum, in dem bedingungsgemäß Berufsunfähigkeit vorliegt, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Dezember 2028 die vertraglich garantierte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 536,23 €, zahlbar jeweils monatlich im Voraus zu zahlen,
- 22
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zuzüglich der zu der vertraglich garantierten Berufsunfähigkeitsrente die hierauf entfallende, nicht garantierte Überschussbeteiligung zu zahlen,
- 23
5. die Beklagte zu verurteilen, an sie seit Eintritt der Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 2008 bis zum 1. Dezember 2010 gezahlte Versicherungsbeiträge in Höhe von 3.162,52 € zurückzuzahlen,
- 24
6. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu der bei ihr unterhaltenen Start-Ziel-Rentenpolice nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung VS-Nr. ..., seit dem 1. Oktober 2008 für den Zeitraum, in dem bedingungsgemäß Berufsunfähigkeit vorliegt, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Dezember 2028 Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge für die Hauptversicherung, für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Beitragsbefreiung und für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Höhe von monatlich jeweils 117,13 € zu gewähren,
- 25
7. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin hinsichtlich der nicht anzurechnenden Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.641,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gegenüber den Rechtsanwälten …[A] freizustellen,
- 26
Die Beklagte beantragt,
- 27
die Berufung zurückzuweisen.
- 28
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags.
- 29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
- 30
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 3. Mai 2012 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordere, die Berufung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei.
- 31
Er hat ausgeführt:
- 32
„Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte aus §§ 1 VVG a.F., 1 Abs. 1, Abs. 3 BUZ zu. Die Beklagte hat den Vertrag über die Berufsun-fähigkeitszusatzversicherung wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123 BGB, 22 VVG a.F. angefochten.
- 33
Die Beklagte war zur Anfechtung berechtigt, weil die Klägerin sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages arglistig getäuscht hat. Der Senat ist mit dem Landgericht davon überzeugt, dass die Klägerin mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen auf die Entscheidung der Beklagten über die Annahme ihres Versicherungsvertrages Einfluss nehmen wollte, wobei sie sich bewusst war, dass die Beklagte ihren Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, falls sie wahrheitsgemäße Angaben mache.
- 34
Die Arglistanfechtung setzt zunächst notwendig voraus, dass der Antragsteller und spätere Versicherungsnehmer Gesundheitsfragen objektiv unzutreffend beantwortet hat, indem er entweder anzeigepflichtige Umstände verschwiegen oder falsche Angaben gemacht hat. Dies steht zur Darlegungs- und Beweislast des Versicherers. Vorliegend ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, dass die Gesundheitsfrage Nr. 3 in dem Antragsformular vom 11.12.2003 objektiv falsch beantwortet wurden. Soweit die Klägerin erstmals in dem nach dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. November 2012 behauptet hat, dem Versicherungsagenten gegenüber über jährlichen Durchfall, Erkältung, Abgeschlagenheit und die Schilddrüsendiagnostik ohne Befund berichtet zu haben, hat das Landgericht diesen Vortrag zutreffend als verspätet zurückgewiesen, so dass dessen Zulassung nach 531 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht kommt. Daher ist weiterhin von einer objektiven Falschbeantwortung durch die Klägerin und nicht etwa von einer (teilweisen?) Offenbarung gegenüber dem Agenten auszugehen. Entgegen der Darstellung der Klägerin in der Berufungsbegründung hat das Landgericht im Übrigen die Streit-verkündung nicht vollständig unberücksichtigt gelassen, sondern – zutreffend – die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Empfänger verfügt.
- 35
Der Frage 3. nach Untersuchungen, Behandlungen oder Beratungen ist bereits für sich genommen mit wünschenswerter Klarheit zu entnehmen, dass der Versicherer ohne Einschränkungen nach jeglicher Untersuchung, Behandlung und Beratung fragt, unabhängig davon, ob dabei eine Krankheit festgestellt wurde. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungs-rechtliche Spezialkenntnisse, der die Fragen verständig würdigt, aufmerksam durchsieht und ihren erkennbaren Sinnzusammenhang berücksichtigt (vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab für AVB, der auch auf formularmäßige Antragsfragen anzuwenden ist, BGHZ 123, 83 ff. Rn 14 in juris; BGH VersR 2002, 1503 f. Rn 10 in juris; BGHZ 152, 262 ff. Rn 17 in juris; BGHZ 153, 182 ff. Rn 19 in juris), wird dem entnehmen, dass Untersuchungen und Beratungen anzugeben sind und dass vor diesem Hintergrund jegliche Behandlung ohnehin mitgeteilt werden muss. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Beschränkung auf Untersuchungen, die zur Diagnose einer Erkrankung führten, der Formulierung der Frage nicht zu entnehmen.
- 36
Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist weiter, dass der Versicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeigen- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag - hier Berufsunfähigkeitszusatzversicherung - anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss einzuwirken. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel, wenn schwere, chronische und/oder immer wieder auftretende Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen ver-schwiegen worden sind oder solche, die ihm offensichtlich als erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, ein solches Bewusstsein anzunehmen ist. Dagegen kann beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, der Beweis häufig als nicht geführt angesehen werden (in Anknüpfung an BGH VersR 1985, 156, 157; VersR 1987, 91; Senat NVersZ 1999, 72 f.; NVersZ 1999, 472 f. Urteil vom 20. April 2001 NVersZ 2001, 503).
- 37
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht ein arglistiges Verschweigen der Vorerkrankungen und der daraus folgenden ärztlichen Behandlungen angenommen.
- 38
Nach der zur Akte gereichten ärztlichen Stellungnahme vom 20. Januar 2010 (Bl. 95 ff d. A.) war die Klägerin seit dem 15. Februar 1999 mehr als 30 mal bei der Ärztin ...[C] in Behandlung. Die Klägerin hat Frau ...[C] wiederholt wegen Reizmagens, Gastroenteritis, Gastritis, Erschöpfungszuständen und Struma-Problemen aufgesucht. Wegen der gastroenterologischen Beschwerden erfolgte zwei Mal eine Überweisung zum Facharzt für Gastroenterologie. Ferner erfolgte im Jahr 2002 eine Überweisung zum Facharzt für Hals-, Nasen- Ohrenerkrankungen. Am 6. April 2000 wurde die Klägerin wegen eines Erschöpfungszustandes und einer Depression behandelt. Sowohl am 29. Mai 2000 als auch am 13. Juli 2000 erhielt die Klägerin eine IMAP-Injektion, ein Langzeit-Antipsychotikum. Im August 2003, d.h. nur vier Monate vor Antragstellung, diagnostizierte Frau ...[C] einen psychophysischen Erschöp-fungszustand, eine Gastritis und eine Refluxösophagitis. Am 22. September 2003 wurde die Klägerin wegen gastrointestinalen Motilitätsstörungen, Reizmagens und rez. Enteritis behandelt. In der Zeit vom 17. Oktober 2003 bis 30. Oktober 2003 erfolgte bei der Klägerin eine Schilddrüsendiagnostik.
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Weil die beim Versicherungsnehmer stattgefundenen inneren Vorgänge sich dem Versicherer nicht ohne weiteres erschließen, ist es, sobald das Vorliegen objektiv unzutreffender Angaben des Versicherungsnehmers feststeht, dessen Sache, plausibel darzulegen, weshalb es zu den Falschangaben gekommen ist. Gelingt ihm das nicht, so ist von Arglist auszugehen (BGH NVersZ 1999, 392 f. m.weit.Nachw.). Ein „Vergessen“ der zahlreichen Erkrankungen und Arztbe-suche bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen ist schlichtweg nicht vorstellbar. Die Klägerin hat das Verschweigen der genannten Untersuchungen, Behandlungen und Beschwerden aber auch nicht anderweitig nachvollziehbar erklärt. Wer aber nachhaltige Beschwerden und wiederholte Arztbesuche nicht offenbart, weiß, dass er mit seinem Verschweigen Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers über den Abschluss einer Berufsun-fähigkeitsversicherung nimmt.
- 40
Der Versicherer muss seine Grundsätze der Risikoprüfung dabei nur dann substantiiert darlegen, wenn die Gefahrerheblichkeit nicht ohnehin auf der Hand liegt. Der Versicherer ist also nur dann gehalten, seine Risikoprü-fungsgrundsätze offen zu legen, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrages von Bedeutung sein könnte (BGH VersR 2009, 529 mit weit. Nachw.).
- 41
Die Gefahrerheblichkeit der Gesundheitsstörungen, wegen derer sich die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung in ärztliche Behandlung begeben hat, liegt ausgehend von diesen Grundsätzen auf der Hand. Insbesondere die wiederholte Behandlung wegen psychophysischer Erschöpfungszustände in Verbindung mit erheblichen, wiederholten gastro-enterologischen Beschwerden ist bei einem berufstätigen erst 40 Jahre alten Versicherungsnehmer ersichtlich für die Übernahme der mit einer Berufs-unfähigkeits-Zusatzversicherung abgesicherten Risiken erheblich.
- 42
Die gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin bestanden bereits im Jahr 1998, darüber hinaus aber auch während der letzten fünf Jahre vor Antragstellung. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts ...[Z] vom 26.03.2009 (Anlage B7, BL. 106 ff d. A.) hat die Klägerin dort berichtet, dass sie seit „Jahrzehnten…Panikattacken mit Überforderungsgefühlen“ kenne. Sie habe über viele Jahre „Antidepressiva eingenommen und auch Imapspritzen erhalten“. Zusammenfassend ist das Vorliegen einer leichten, nicht wiederholt auftretenden und deshalb für die Risikoprüfung von vornherein bedeu-tungslosen Störung zu verneinen, mit der Folge, dass die Beklagte den Vertrag über die Berufsunfähigkeitsversicherung wirksam angefochten hat.“
- 43
Die Klägerin hat Einwendungen gegen die Zurückweisung der Berufung erhoben.
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Sie macht geltend,
der Klägerin sei kein arglistiges Verhalten vorzuwerfen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2011 sei nicht ersichtlich gewesen, dass das Gericht von objektiv falschen Angaben ausgehen würde. Diese Annahme sei auch unzutreffend. Grippale Infekte seien nicht anzeigepflichtig. Die Rückenschmerzen seien im Zusatzfragebogen mit Angabe der bestehenden Skoliose mitgeteilt worden. Zu der Schilddrüse liege ein Gesundbericht gemäß Anlage B 6, Arztbrief Dr. med. ...[D] vor. Auch zu den Darmproblemen würden keine pathologischen Befunde vorliegen. Damit seien diese auch nicht anzugeben gewesen. Müdigkeit und Abgeschlagenheit seien Umstände, die 90 % der berufstätigen Bevölkerung treffen würden. Bei der Klägerin sei ärztlich das Vorliegen einer Morbus-Fabry-Erkrankung zunächst ausgeschlossen und erst viel später diagnostiziert worden. Es bestehe kein Zusammenhang zu den angeblichen Erkrankungen und Beschwerden der Klägerin, auf die sich die Beklagte berufe. Der Kausalitätsgegenbeweis könne durch die Beklagte nicht geführt werden. Zwar habe die Klägerin möglicherweise fahrlässig gehandelt, weil sie auf die Vorgehensweise des Maklers vertraut habe. Keineswegs habe sie aber vorsätzlich oder gar arglistig gehandelt. Das Landgericht hätte im Hinblick auf die im Schriftsatz vom 30. November 2011 vorgenommene Streitverkündung hin in die Beweisaufnahme eintreten müssen.
- 45
Die Berufung ist nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Der Senat hält an seinem Hinweis fest und verweist auf diesen auch zur Begründung seiner abschließenden, auf einstimmiger Überzeugungsbildung beruhenden Entschei-dung (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird zugleich Bezug genommen. Änderungen und Ergänzungen der Feststellungen sind nicht geboten.
- 46
Das Landgericht hat den erstmals im Schriftsatz vom 30. November 2012 enthaltenen Vortrag, die Klägerin habe dem Versicherungsagenten gegenüber über jährlichen Durchfall, Erkältung, Abgeschlagenheit und die Schilddrüsendiagnostik ohne Befund berichtet, zutreffend als verspätet zurückgewiesen, so dass dessen Zulassung nach § 531 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht kommt. Die Beklagte hat sowohl vorgerichtlich als auch in der Klageerwiderung die Anfechtung des Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrages mit den Behandlun-gen, Untersuchungen und Beratungen der Klägerin im Zeitraum 1999 bis 2003 begründet. Der erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 30. November 2011 gehaltene Vortrag, die Klägerin habe dem Zeugen Sch. gegenüber, der den Vertrag vermittelt habe, über jährlichen Durchfall, Erkältung, Abgeschlagenheit und Schilddrüsendiagnostik ohne Befund berichtet, ist daher vom Landgericht zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden. Entgegen der Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 1. Juni 2012 enthält die Klageschrift keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin Herrn ...[B] gegenüber, durch den der Vertrag vermittelt worden ist, Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht habe, die dieser nicht in das Antragsformular aufgenommen habe. Vielmehr hat die Klägerin lediglich darauf hingewiesen, dass es wegen der Erkrankungen/Beschwerden, die nicht angegeben worden seien, es nicht zum Eintritt der Berufsunfähigkeit gekommen sei und die Beklagte auch in Kenntnis dieser Umstände Versicherungsschutz in genau demselben Umfang und zu gleichen Konditionen gewährt hätte, wie es policiert worden sei.
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Zwar gibt es, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 3. Mai 2012 hingewiesen hat, keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.
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Hier hat das Landgericht aber zutreffend den Indizienbeweis dafür, dass die Klägerin die Vorerkrankungen und die daraus folgenden ärztlichen Behandlungen arglistig verschwiegen hat, als geführt angesehen. Der Vortrag der Klägerin, es sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen, dass das Gericht von objektiv falschen Angaben ausgehen würde, weil dies durch die Beklagte ausschließlich mit Umständen begründet worden sei, die außerhalb des Abfragezeitraums von fünf Jahren liegen würden, ist unzutreffend. Wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, war die Klägerin seit dem 15. Februar 1999, das heißt, in dem hier maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum mehr als 30mal bei der Ärztin ...[C] in Behandlung, und zwar wegen Reizmagens, Gastroenteritis, Gastritis, Erschöpfungszuständen und Stromaproblemen. Dabei erfolgte zweimal eine Überweisung zum Facharzt für Gastroenterologie. Im Jahr 2002 erfolgte eine Überweisung zum Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen. Am 6. April 2000 wurde die Klägerin wegen eines Erschöpfungszustandes und einer Depression behandelt. Sowohl am 29. Mai 2000 als auch am 13. Juli 2000 erhielt die Klägerin - unstreitig - ein Langzeit-Antipsychotikum, eine IMAP-Injektion. Nur vier Monate vor Antragstellung im August 2003 diagnostizierte Frau ...[C] einen psycho-physischen Erschöpfungszustand, eine Gastritis und eine Refluxösophagitis. Am 22. September 2003 wurde die Klägerin wegen gastrointestinalen Motilitätsstörungen, Reizmagens und einer rez. Enteritis behandelt. In der Zeit vom 17. Oktober 2003 bis 30. Oktober 2003 erfolgte bei der Klägerin eine Schilddrüsendiagnostik.
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Die Klägerin hat auch nicht plausibel darzulegen vermocht, weshalb es zu den Falschangaben gekommen ist. Die Gefahrerheblichkeit der Gesundheitsstörungen, insbesondere die wiederholte Behandlung wegen psycho-physischer Erschöpfungszustände in Verbindung mit erheblichen, wiederholten gastroentereologischen Beschwerden liegt auf der Hand. Insoweit wird zur Vermeidung von weiteren Wiederholungen erneut auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 3. Mai 2012 verwiesen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
- 51
Der Wert des Streitgegenstands für das Berufungsverfahren wird auf 50.672,26 € festgesetzt.
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.
(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.
(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
(1) Der Versicherer muss die ihm nach § 19 Abs. 2 bis 4 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. Der Versicherer hat bei der Ausübung seiner Rechte die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung angeben, wenn für diese die Frist nach Satz 1 nicht verstrichen ist.
(2) Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
(3) Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.
(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen.
(2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.
(3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam.
(1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.
(2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.
(1) Der Versicherer muss die ihm nach § 19 Abs. 2 bis 4 zustehenden Rechte innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das von ihm geltend gemachte Recht begründet, Kenntnis erlangt. Der Versicherer hat bei der Ausübung seiner Rechte die Umstände anzugeben, auf die er seine Erklärung stützt; er darf nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Erklärung angeben, wenn für diese die Frist nach Satz 1 nicht verstrichen ist.
(2) Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
(3) Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.