Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 20. Mai 2015 - 15 W 398/14
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
1
Gründe
2Die zulässige Beschwerde ist begründet.
3Die der Zwischenverfügung zugrundeliegende Ansicht des Grundbuchamtes, dass die Unrichtigkeit der Grundbücher hinsichtlich des in Abteilung II Nr.7 zugunsten der Beteiligten zu 2) eingetragenen Verfügungsverbots nicht hinreichend nachgewiesen sei, erweist sich als unzutreffend.
4Das Grundbuchamt ist vorliegend mit einem Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs wegen des Wegfalls des eingetragenen Verfügungsverbots befasst. Da vorliegend keine Löschungsbewilligung eingeholt werden soll, setzt die Löschung den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches voraus (§ 22 Abs.1 GBO), der grundsätzlich in der Form des § 29 GBO zu führen ist. Dieser Nachweis ist hier geführt.
5Die Eintragung in Abt. II Nr. 7 verlautbart ein außerhalb des Grundbuchs entstandenes Verfügungsverbot, das durch das im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Urteil des Landgerichts Essen vom 29.12.2011 begründet worden ist. Inhalt und Umfang des Verfügungsverbots werden deshalb abschließend durch den Tenor dieses Urteils bestimmt. Der Beteiligten zu 1) ist durch Ziff. 1 des Tenors untersagt worden, „bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache“ über das im Bestandsverzeichnis gebuchte Wohnungseigentum nebst den zugebuchten Miteigentumsanteilen zu verfügen. Gleichzeitig ist ihr in Ziff. 2 des Tenors für den Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht worden. Aus dieser Formulierung folgt unzweifelhaft eine zeitliche Beschränkung des gegen die Beteiligte zu 1) verhängten Verfügungsverbots bis – so ersichtlich gemeint - zum Eintritt der formellen Rechtskraft der in der Hauptsache ergehenden Entscheidung. Es handelt sich in der Sache um eine Befristung durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung als Endtermin.
6Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) sieht der Senat keine hinreichende Grundlage für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des Urteilstenors in der Weise, dass das Verfügungsverbot „jedenfalls“ bis zur Rechtskraft in der Hauptsache gelten solle, die Befristung damit der Sache nach entfällt. Es mag zwar sein, dass das Befriedigungsinteresse der Beteiligten zu 2) als Anfechtungsgläubigerin, deren Sicherung das Verfügungsverbot dient, auch über den Zeitpunkt des Eintritts der formellen Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache hinaus bedeutsam ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie in der Hauptsache einen Duldungstitel beantragt und erwirkt hat, mit dem sie nach Eintritt der Rechtskraft unbeschränkt die Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum betreiben kann. Das Verfügungsverbot ist lediglich ein Sicherungsmittel, ersetzt jedoch nicht die Befriedigung durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, von denen die Beteiligte zu 2) aus nicht erkennbaren Gründen bislang abgesehen hat. Insbesondere verschafft das Verfügungsverbot der Beteiligten zu 2) kein dingliches Befriedigungsrecht an dem Wohnungseigentum. Die Beschränkung des Verfügungsverbots auf den Endtermin begründet allerdings allgemein die Gefahr, dass nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache ein Rennen der Beteiligten einsetzt, wer als erster bei dem Grundbuchamt einen vollzugsfähigen Antrag auf Eintragung einer Belastung in Abt. III des Grundbuchs einreicht. Es ist jedoch Sache der Beteiligten zu 2) als Anfechtungsgläubigerin, in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ihre eigenen Interessen zu wahren und auf eine Formulierung des Urteilstenors hinzuwirken, die entweder überhaupt keinen Endtermin bestimmt oder ihr – etwa für eine angemessene Frist – auch nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum ermöglicht, ohne dass zuvor die Eigentümerin durch weitere Verfügungen eine ggf. aussichtsreiche Rangstelle zu ihren eigenen Gunsten abschöpfen kann. Ein in diesem Sinne weitergehendes Sicherungsinteresse der Beteiligten zu 2) kann es jedoch allein nicht rechtfertigen, den Urteilstenor entgegen seinem Wortlaut dahin auszulegen, dass die zeitliche Beschränkung des Verfügungsverbots schlicht entfällt. Denn das fortbestehende Verfügungsverbot führt zu einer massiven Einschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis der Eigentümerin und kann nicht nach dem Belieben der Anfechtungsgläubigerin unbeschränkt aufrecht erhalten werden. Hinzu kommt, dass das Verfügungsverbot durch die Androhung von Ordnungsmitteln sanktionsbewehrt ist. Dies schließt eine über den Wortlaut hinausgreifende Auslegung des Verbots aus.
7Zum Nachweis der danach maßgebenden Tatsache, dass hinsichtlich der beiden hier betroffenen Eigentumswohnungen eine Hauptsacheentscheidung ergangen und rechtskräftig geworden ist, hat die Beteiligte zu 1) eine Ausfertigung des Urteils des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vorgelegt. Die Ausfertigung, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 29 GBO, ist hinreichend, um den Beweis des Eintritts des Endtermins für das hier in Frage stehende Verfügungsverbot zu führen. Allerdings ist die Urteilsausfertigung keine bezeugende Urkunde im engeren Sinne, da sich die besonderen Beweiswirkungen eines Zivilurteils hier nicht unmittelbar auf die Frage erstrecken, ob eine Hauptsacheentscheidung vorlag und diese rechtskräftig geworden ist. Im Rahmen des § 22 Abs.1 GBO ist das Grundbuchamt und das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht jedoch -in den Grenzen des § 29 GBO- zu einer freien Beweiswürdigung befugt.
8Danach hat der Senat hier keine Zweifel, dass Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, das zu dem Berufungsverfahren vor dem 27. Zivilsenat geführt hat, auch die Verpflichtung der Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die hier betroffenen Sondereigentumsrechte war. Dies erschließt sich unmittelbar aus der Neufassung des Tenors durch den 27. Zivilsenat. Angesichts der weiteren Ausführungen im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ist für den Senat auch nicht zweifelhaft, dass die erstinstanzliche Entscheidung insoweit -mangels Anfechtung- rechtskräftig geworden ist. Dies allerdings, entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1), erst mit Erlass des Berufungsurteils.
9Die danach festzustellende rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts betreffend die Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung ist bezogen auf die einstweilige Verfügung, die Grundlage der hier in Frage stehenden Eintragungen war, auch als Hauptsacheentscheidung anzusehen. Hauptsache einer einstweiligen Verfügung ist nach dem fachlichen Sprachgebrauch stets diejenige Zivilklage, mit der derjenige Individualanspruch verfolgt wird, dessen Sicherung die einstweilige Verfügung dient (vgl. §§ 938, 935 ZPO). Vorliegend hat das Landgericht Essen seine einstweilige Verfügung ausweislich der Entscheidungsgründe explizit zur Sicherung des auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anspruchs aus § 11 AnfG erlassen. Eben dieser Anspruch ist durch das Urteil des Landgerichts Essen vom 25.09.2012 rechtskräftig ausgeurteilt worden.
10Da der Eintritt des Endtermins somit nachgewiesen ist, steht zugleich die Unrichtigkeit des Grundbuchs bezogen auf das Verfügungsverbot fest. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes ist eine Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) nicht deshalb erforderlich, weil die Möglichkeit verbotswidriger Verfügungen der Beteiligten zu 1) in der Zeit der Wirksamkeit der Anordnung besteht. Denn wie bereits ausgeführt verschafft das Verfügungsverbot der Beteiligten zu 2) keine dingliche Rechtsposition an dem Wohnungseigentum. Vielmehr sichert das eingetragene Verfügungsverbot lediglich die relative Unwirksamkeit verbotswidriger Verfügungen gegenüber der Beteiligten zu 2), indem ein gutgläubiger Dritterwerb ausgeschlossen wird (§§ 135 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 136 in Verbindung mit § 892 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Erlöschen der Verfügungsbeschränkung, die durch die Löschung im Grundbuch lediglich verlautbart wird, hat materiell-rechtliche Wirkungen lediglich für die Zukunft. Die beschriebene Wirkung der eingetragenen Verfügungsbeschränkung gem. § 892 Abs. 1 S. 2 BGB für die Entwicklung der Rechtsverhältnisse in Vergangenheit wird dadurch nicht berührt. Dementsprechend wäre die Beteiligte zu 2) nicht gehindert, bei einer etwa von der Beteiligten zu 1) vorgenommenen Verfügung geltend zu machen, dass das erworbene Recht aufgrund der eingetragenen Verfügungsbeschränkung ihr gegenüber relativ unwirksam ist. Insbesondere bleibt der Zeitraum, in dem die Verfügungsbeschränkung eingetragen war, aus der Abfolge der Eintragungen in Abt. II des Grundbuchs ersichtlich. Für eine Gleichbehandlung mit der Fallkonstellation der Löschung einer Vormerkung, die für einen bedingten Auflassungsanspruch bestellt und eingetragen worden ist, besteht deshalb kein Anlass.
11Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs.2 FamFG) liegen nicht vor.
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(1) Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der Bewilligung nach § 19 nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Eintragung oder Löschung einer Verfügungsbeschränkung.
(2) Die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers oder eines Erbbauberechtigten darf, sofern nicht der Fall des § 14 vorliegt oder die Unrichtigkeit nachgewiesen wird, nur mit Zustimmung des Eigentümers oder des Erbbauberechtigten erfolgen.
(1) Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.
(2) (weggefallen)
(3) Erklärungen oder Ersuchen einer Behörde, auf Grund deren eine Eintragung vorgenommen werden soll, sind zu unterschreiben und mit Siegel oder Stempel zu versehen. Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden.
(1) Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der Bewilligung nach § 19 nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Eintragung oder Löschung einer Verfügungsbeschränkung.
(2) Die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers oder eines Erbbauberechtigten darf, sofern nicht der Fall des § 14 vorliegt oder die Unrichtigkeit nachgewiesen wird, nur mit Zustimmung des Eigentümers oder des Erbbauberechtigten erfolgen.
(1) Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.
(2) (weggefallen)
(3) Erklärungen oder Ersuchen einer Behörde, auf Grund deren eine Eintragung vorgenommen werden soll, sind zu unterschreiben und mit Siegel oder Stempel zu versehen. Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden.
(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.
(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.
(1) Zugunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht durch Rechtsgeschäft erwirbt, gilt der Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist. Ist der Berechtigte in der Verfügung über ein im Grundbuch eingetragenes Recht zugunsten einer bestimmten Person beschränkt, so ist die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist.
(2) Ist zu dem Erwerb des Rechts die Eintragung erforderlich, so ist für die Kenntnis des Erwerbers die Zeit der Stellung des Antrags auf Eintragung oder, wenn die nach § 873 erforderliche Einigung erst später zustande kommt, die Zeit der Einigung maßgebend.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.