Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 24. März 2016 - I-4 U 99/13
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.05.2013 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.505,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 30 %, die Beklagte trägt sie zu 70 %.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2A.
3Die Klägerin macht nach Rücktritt von einem am 25.01.2001 geschlossenen Lebensversicherungsvertrag Ansprüche aus der Rückabwicklung geltend. Am 28.11.2000 beantragte sie bei der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Todesfallschutz. In dem Antragsformular (Bl. 14 GA) findet sich folgende umrandete Belehrung über das Rücktrittsrecht:
4Wenn die V. Lebensversicherung AG den Antrag annimmt, kann ich innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Versicherungsvertrags davon zurücktreten. Die Frist wird durch rechtzeitige Absendung meiner Erklärung gewahrt. Auf das Rücktrittsrecht wird die Vorsorge Lebensversicherung AG noch einmal im Versicherungsschein hinweisen.
5Dieser Hinweis findet sich vor dem gesondert umrandeten Feld Unterschriften, der Begriff „Rücktrittsrecht“ ist links ausgerückt und wie die Belehrung selbst in Fettdruck geschrieben. Das gilt allerdings auch für weitere Belehrungen, die der über das Rücktrittsrecht vorangehen sowie dem der Belehrung nachfolgenden für sich ebenfalls umrandeten Feld „Unterschriften“. Dort findet sich folgender Text:
6Eine Durchschrift meines Antrags, die anhängenden Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen mit Informationen zur Fondsanlage, die steuerlichen Informationen und das Merkblatt zur Datenverarbeitung habe ich erhalten.
7Innerhalb dieses Feldes hat die Klägerin den Antrag unterschrieben.
8Wegen der Einzelheiten des Antrags, insbesondere der äußeren Gestaltung, wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Anlage K 1, Bl. 13 ff. GA) Bezug genommen. Dem Versicherungsvertrag liegen die AVB 08/2000 zugrunde (Bl. 16 ff. GA). Der Versicherungsvertrag wurde nach dem Antragsmodel geschlossen, der Klägerin lagen zum Zeitpunkt der Antragstellung die Verbraucherinformationen, die Versicherungsbedingungen, die Informationen zur Fondsanlage, steuerliche Informationen zu privaten fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen und zu Direktversicherungen sowie ein Merkblatt zur Datenverarbeitung vor (vgl. Bl. 15 GA). Die Beklagte übersandte mit Datum vom 22.01.2001 den Versicherungsschein (Bl. 53 GA), der insoweit fehlerhaft war, als die Angabe „Geschlecht“ auf „männlich“ lautet. Der Versicherungsschein enthielt folgende Erläuterungen zum Rücktrittsrecht:
9Über das Rücktrittsrecht hatten wir Sie im Antrag informiert. Dementsprechend können Sie innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Empfang dieses Versicherungsscheines vom Versicherungsvertrag zurücktreten. Die Frist wird durch rechtzeitige Absendung Ihrer Erklärung gewahrt.
10Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Versicherungsschein vom 22.01.2001 Bezug genommen (Bl. 53 f. GA). Auf Beanstandung der Klägerin hin erstellte die Beklagte mit Datum vom 25.01.2001 eine „Ersatzurkunde“, mit der das Geschlecht auf „weiblich“ bei im Übrigen inhaltsgleichen Modalitäten berichtigt wurde. Dieser Versicherungsschein enthält keine Belehrung über das Rücktrittsrecht. Zu Eingang des Versicherungsscheins ist ausgeführt, dass der Versicherungsschein alle unter gleicher Nummer ausgefertigten Versicherungsscheine ersetzt und den Vertragsinhalt am Tage der Ausfertigung der Urkunde wiedergibt.
11Die Klägerin wandte sich während der Vertragslaufzeit vielfach an die Beklagte und gab u.a. Anweisungen für die Anlagestrategie (Fondswechsel). Sie erhielt regelmäßig Auskunft über den Stand der Lebensversicherung. Mit Datum vom 07.01.2012 (Bl. 92 GA) kündigte sie die Lebensversicherung, die Beklagte rechnete den Vertrag mit Datum vom 13.02.2012 ab (Bl. 93 GA). Die Klägerin, die jedenfalls 37.119,72 € an Beiträgen geleistet hat, erhielt auf der Grundlage des Verkaufs der Fondsanteile zum 06.02.2012 den von der Beklagten errechneten Betrag von 30.463,15 € ausgezahlt. Durch anwaltliches Schreiben vom 03.05.2012 erklärte sie anschließend den Rücktritt vom Vertrag und begehrt weitergehende Zahlungen auf der Grundlage des ausgeübten Rücktritts. Sie ist der Ansicht, aufgrund einer unzureichenden Belehrung habe sie das Rücktrittsrecht noch ausüben können. Darüber hinaus sei das von der Beklagten verwendete Klauselwerk teilweise intransparent und der Vertrag nichtig (§ 306 Abs. 3 BGB), so dass sie auch aus diesem Grunde einen Rückabwicklungsanspruch nach den §§ 812, 818 BGB habe. Daneben beruft sie sich auf eine Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages im Hinblick auf die „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs.
12Mit seinem am 29. Mai 2013 verkündeten Urteil, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 130 ff. GA), hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichterin – die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
13Der Klägerin stehe aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB eine weitergehende Zahlung in Höhe von 23.446,29 € nicht zu. Die Klägerin sei nicht wirksam gem. § 8 Abs. 5 VVG a.F. vom Vertrag zurückgetreten. Auf die Frage einer ordnungsgemäßen Belehrung komme es nicht an, da zumindest die Frist nach § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. abgelaufen sei, wonach das Rücktrittsrecht spätestens einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlösche. Diese Vorschrift sei unabhängig von der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Belehrung anwendbar und nicht europarechtswidrig. Darüber hinaus sei ein Rücktritt nach vollständiger Abwicklung des Vertragsverhältnisses nicht mehr möglich. Ein Anspruch auf weitergehende Zahlung ergebe sich auch nicht aus der gerügten Unwirksamkeit einzelner Versicherungsbedingungen. Intransparente AVB würden einen Widerspruch bzw. Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers nicht auslösen, auch führe die Unwirksamkeit einzelner Klauseln nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages. Ein Schadensersatzanspruch aus den §§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB stehe der Klägerin auch nicht im Hinblick auf die Rüge, über die Höhe der Abschlusskosten, der damit verbundenen Provision des Vermittlers sowie sonstiger möglicher finanziellen Folgen unzureichend beraten worden zu sein, zu. Die gebotene Aufklärung sei über die schriftliche Verbraucherinformation nach § 10 a VVG bewirkt, über die Rechtsfolgen des Fehlens dieser Unterlagen bei Antragsstellung hinaus sei kein Raum für Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss. Die „Kick-Back-Rechtsprechung“ des BGH sei auf fondsgebundene Lebensversicherungen nicht anwendbar.
14Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.06.2013 zugestellte Urteil hat sie mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 10.07.2013 eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie mit einem am 08.08.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
15Mit der Berufung verfolgt die Klägerin in erster Linie weiter den erstinstanzlich geltend gemachten Zahlungsanspruch. Daneben macht sie hilfsweise im Wege der Stufenklage einen Auskunfts- und Zahlungsanspruch geltend (Bl. 173 GA). Den Klageantrag zu III (außergerichtliche Anwaltskosten) hat sie mit Schriftsatz vom 4.11.2014 zurückgenommen (Bl. 218 GA).
16Die Klägerin ist der Ansicht, die Rücktrittsbelehrung sei fehlerhaft. Die zeitliche Befristung des Rücktrittsrechts sei nicht europarechtskonform, auch führe die Kündigung des Vertrages nicht zum Verlust des Rücktrittsrechts. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, der Rücktritt werde von ihr aus der Unwirksamkeit der Kostenverrechnungsklausel abgeleitet. Vielmehr ergebe sich aus der Unwirksamkeit dieser Bestimmungen die des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB. Gleiches gelte für die Regelungen zur Überschussbeteiligung in § 20 der AVB. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch die „Kick-Back-Rechtsprechung“ anzuwenden, allein im Hinblick auf das Konstrukt des Lebensversicherungsvertrages bestehe ein erheblicher Beratungsbedarf. Es müsse ausführlich über die Risiken bei der Durchführung eines solchen Vertrages aufgeklärt werden, das sei nicht geschehen.
17Die Klägerin beantragt,
18unter Abänderung des am 29.05.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf
19- 20
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.446,29 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2013 zu bezahlen;
- 22
2. hilfsweise:
die Beklagte zu verurteilen, in nachprüfbarer Form Auskunft zu erteilen, über die Höhe des sich aus dem Vertrag zur Versicherungsnummer … zum Zeitpunkt der Kündigung am 06.02.2012 ergebenden hälftigen ungezillmerten Fondsguthabens, bei welchem auch die Abschlusskosten nicht das Zillmer-Verfahren angewendet worden ist;
24die Beklagte zu verurteilen, einen der Höhe nach, nach erfolgter Auskunft noch zu beziffernden Betrag nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
27Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags verteidigt sie das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Insbesondere habe sie die von der Klägerin behaupteten Nutzungen nicht gezogen. Sie ist der Ansicht, die Rücktrittsbelehrung sei zutreffend; auch habe die Klägerin durch ihre Unterschrift ausreichend i.S. des § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F. bestätigt, belehrt worden zu sein.
28Auch dann, wenn ein Rücktrittsrecht zugrunde gelegt werde, habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Zahlung über den Rückkaufswert hinaus. Der Bundesgerichthof habe in seiner Entscheidung vom 7.5.2014 im Hinblick auf Lebensversicherungsverträgt die die Grundsätze einer geltungserhaltenden Reduktion bei der Auslegung der Vorschrift des § 8 Abs. 5 VVG a.F. überschritten. Ohnehin sei im Hinblick auf § 176 Abs. 1 VVG allenfalls der Rückkaufswert auszuzahlen. Selbst bei einer bereicherungsrechtlichen Abwicklung sei allenfalls ein Anspruch in Höhe von 6.155,81 € gegeben. Das Kapitalanlageergebnis habe bei der fondsgebundenen Lebensversicherung aufgrund der Kursentwicklung 0 € betragen, sie habe aus der Kapitalanlage keine Nutzungen gezogen. Der Risikoschutz, der mit 1.309,87 € zu bemessen sei, müsse berücksichtigt werden. Die Abschlusskosten (4.120,08 €) seien zur Vergütung von Vermittlungsansprüchen Dritter verwandt worden, die kalkulatorische Verwaltungskosten (1.855,92 €) deckten den eigenen Aufwand ab (Bl. 287 GA).
29Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 08.08.2013 (Bl. 167 ff. GA) sowie ihre Schriftsätze vom 19.03.2014 (Bl. 201 ff. GA), vom 04.11.2014 (Bl. 218 GA) und vom 29.01.2015 (Bl. 250 ff. GA) Bezug genommen. Weiter wird auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 06.11.2013 (Bl. 176 ff. GA) sowie ihre Schriftsätze vom 27.01.2014 (Bl. 189 ff. GA), vom 06.01.2015 (Bl. 220 ff. GA) und vom 02.03. 2015 (Bl. 277 ff. GA) Bezug genommen.
30B.
31Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
32I.
33Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr auf die Lebensversicherung V. Eurostar geleisteten Beiträge – soweit diese von der Beklagten nicht schon zurückgezahlt worden sind ‑ abzüglich des Prämienanteils für den Risikoschutz und auf Ersatz gezogener Nutzungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB in Höhe von insgesamt 16.505,37 EUR. Die Klägerin ist mit Schreiben vom 03.05.2012 rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 5 VVG a. F. vom Lebensversicherungsvertrag zurückgetreten.
341.
35Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Rücktritt nach Kündigung und beiderseitiger Leistungserbringung des Lebensversicherungsvertrages nicht gem. § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. ausgeschlossen. Nach dieser Regelung erlischt, unabhängig davon, ob die Belehrung über das Rücktrittsrecht wirksam war, dieses einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie. Dieser Zeitraum ist zwar verstrichen. Es bedarf jedoch einer richtlinienkonformen einschränkenden Auslegung der Bestimmung für den Bereich der Lebensversicherung. Entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2014 ist § 8 VVG a.F. richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass Absatz 5 Satz 4 der Vorschrift, die sich auf die Lebensversicherung bezieht, nicht anwendbar ist (BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 260/11, BeckRS 2015, 01049). Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Grenzen einer teleologischen Auslegung nicht überschreitet, sondern eine richtlinienkonforme Reduktion der Norm darstellt. Dabei ist der Regelungsbereich der Norm des § 8 VVG a.F. insgesamt – und nicht isoliert die Bestimmung in Abs. 5, die allein die Lebensversicherungsverträge betrifft – maßgeblich (BGH a.a.O, dort Rz. 25 ff.); es verbleibt außerhalb der Lebensversicherungsverträge ein unveränderter Anwendungsbereich.
362.
37Ein Rücktritt der Klägerin ist auch nicht im Hinblick auf die Auszahlung des Rückkaufswerts am 13.02.2012 ausgeschlossen. Eine beiderseitige vollständige Leistungserbringung steht nach Außerkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes bzw. des Haustürwiderrufsgesetzes dem Rücktritt nicht entgegen (BGH BeckRS 2015, 01049, dort Rz. 28; ebenso OLG Köln, BeckRS 2014, 22830, dort Rz. 19). Nur für Verträge, die innerhalb des Geltungszeitraums der Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG beendet wurden, kommt eine analoge Anwendung der Bestimmungen in Betracht (vergl. BGH IV ZR 52/12 = NJW 2013, 3776). Liegt aber nur der Vertragsschluss im Geltungszeitraum dieser am 01.01.2002 außer Kraft getretenen Gesetze, nicht aber Rücktritt und Abrechnung, scheidet eine Analogie aus (BGH BeckRS 2015, 01049; vgl. auch BGH BeckRS 2009, 88957, dort Rz. 16, 17 zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes nach vollständiger Ablösung eines Darlehens). Die Klägerin konnte daher den Rücktritt des am 25.01.2001 geschlossenen Vertrags erklären, weil der maßgebliche Zeitpunkt der Vertragsbeendigung aufgrund der Kündigung der Lebensversicherung am 01.02. 2012 nach Außerkrafttreten von Verbraucherkreditgesetz bzw. Haustürwiderrufsgesetz lag.
383.
39Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Für den Verjährungsbeginn ist die Ausübung des Gestaltungsrechts, hier die Erklärung des Rücktritts mit anwaltlichem Schreiben vom 03.05.2012, maßgeblich (BGH BeckRS 2015, 01049, dort Rz. 34). Eine Verjährung der klägerischen Ansprüche kommt damit nicht in Betracht, da die Klage bereits 2012 anhängig war.
404.
41Das Rücktrittsrecht der Klägerin ist nicht gemäß § 8 Abs. 5 VVG a. F. erloschen. Die für den nach dem Antragsmodell geschlossenen Lebensversicherungsvertrag maßgebliche Frist von 30 Tagen ist nicht verstrichen, weil sie nicht in Lauf gesetzt wurde. Nach § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a. F. beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Versicherer
42- den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und
43- der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat.
44An letzterem fehlt es:
45a)
46Zwar entspricht der Belehrungstext den gesetzlichen Anforderungen (vergl. das Senatsurteil vom 19.12.2014, Az. I – 4 U 156/13). Die Formulierung des Rücktrittsrechts gibt den gesetzlichen Wortlaut wieder. Entgegen der Auffassung der Berufung ist nicht erforderlich, die gesetzliche Formulierung näher zu erläutern. Von dem Versicherer, der über die gesetzlichen Voraussetzungen des Rücktrittsrechts belehrt, kann nicht verlangt werden, dass er zum Teil interpretierend über den Gesetzeswortlaut hinaus Anforderungen an das Rücktrittsrecht erläutert, wenn dies gesetzlich nicht so bestimmt ist.
47b)
48Dahinstehen kann, ob die Belehrung drucktechnisch ausreichend hervorgehoben ist. Jedenfalls hat die Klägerin die Belehrung nicht durch ihre Unterschrift bestätigt. Eine gesonderte Unterschrift ist zwar grundsätzlich nicht nötig und die Belehrung kann auch im Antragsformular enthalten sein (Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. A., § 8 VVG Rn. 46). Die Belehrung darf allerdings nicht im sonstigen Klauselwerk untergehen, es muss gewährleistet sein, dass sie vom Durchschnittskunden auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wird (vgl. OLG Köln, BeckRS 2012, 05821). Der angesprochene Versicherungsnehmer muss auf die Belehrung aufmerksam gemacht werden (BGH NJW-RR 1996, 471). Aus diesem Grund muss eine Unterschrift, die die Belehrung nicht gesondert bestätigt, unzweifelhaft den Rückschluss zulassen, dass sie sich (auch) auf die Belehrung bezieht.
49Das ist hier nicht der Fall. Im Unterschied zu einem vom Senat bereits entschiedenen Rechtsstreit (Senatsurteil vom 19.12.2014, Az. I – 4 U 156/13) steht die Unterschrift nicht unmittelbar unter der Belehrung, sondern in einem eigenen Feld „Unterschriften“. Damit ist bereits ein enger räumlicher Zusammenhang, wie er in dem vom Senat entschiedenen Fall vorhanden war – dort war das Rücktrittsrecht die letzte derart drucktechnisch hervorgehobene Erklärung und die Unterschrift befand sich unmittelbar darunter – fraglich. Der entscheidende Gesichtspunkt ist jedoch, dass das für sich gesondert umrandete Feld „Unterschriften“ die Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht bei den Informationen aufzählt, deren Erhalt mit der Unterschrift bestätigt wird. Die Unterschrift bestätigt dann aus Sicht eines objektiven Empfängers allein den Erhalt der dort genannten Unterlagen, nicht aber, auch über das Rücktrittsrecht belehrt worden zu sein.
50II.
51Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vergl. BGH BeckRS 2015, 01049, dort Rz. 12).
521.
53Die Klägerin hat insgesamt Prämien in Höhe von 37.119,72 € eingezahlt. Den - geringfügig – höheren Betrag von 37.399,60 € hat sie nicht nachgewiesen.
542.
55Die Klägerin muss sich den Todesfallschutz, den der Vertrag enthält (vgl. Bl. 13 GA), anrechnen lassen. Die entsprechenden Kosten lassen sich dem Vertrag unmittelbar nicht entnehmen, die Beklagte hat sie mit 1.309,87 € angegeben. Das liegt in einem Bereich, wie er dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist, bei denen Monatsbeiträge für den Todesfallschutz gesondert ausgewiesen wurden. Der Senat legt der Abrechnung diesen Betrag zugrunde (§ 287 ZPO).
563.
57Zugunsten der Beklagten ist der unstreitig ausgezahlte Rückkaufswert der Versicherung in Höhe von 30.463,15 € (vergl. Bl. 93 GA) zu berücksichtigen.
58Die Ansprüche der Klägerin sind allerdings nicht auf diesen Rückkaufswert beschränkt. Die Vorschrift des § 176 VVG a.F. bezieht sich auf die Berechnung des Rückkaufswertes, beschränkt aber nicht die sich aus § 346 BGB ergebenden Ansprüche nach Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts aus § 8 VVG a.F. (so auch KG, Urteil vom 13.02.2015, BeckRS 2015, 03314, dort Rz. 19 ff). Nur damit ist auch eine richtlinienkonforme Umsetzung des Rücktrittsrechts gewährleistet; die Rücktrittsfolgen müssen zu einer umfassenden Rückabwicklung der vertraglichen Ansprüche führen (vergl. auch BGH BeckRS 2015, 01049, Rz. 30).
594.
60Der Prämienanteil, der auf die vertragsbezogenen Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist (4.120,08 € und 1.855,92 €), ist nicht zu Lasten der Klägerin anzurechnen.
61Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 (a.a.O.) folgt nicht, dass zugunsten des Versicherers sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Gewährung von Versicherungsschutz während der Dauer der Prämienzahlung zusammen hängen, mindernd zu berücksichtigen sind. Bei der vom Bundesgerichtshof verlangten gerechten Risikoverteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Versicherer durch ein ihm zuzurechnendes Fehlverhalten (hier eine fehlende Bestätigung der Widerspruchsbelehrung) wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Vertrag im Zustand schwebender Unwirksamkeit verblieben ist und nicht wirksam werden konnte. Bei dieser Sachlage ist es nicht angemessen, den Versicherungsnehmer mit den Kosten für den (letztlich nicht wirksam zustande gekommenen) Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten (ebenso OLG Köln, Urt. v. 15.08.2014, BeckRS 2014, 18315; KG, Urt. V. 13.02.2015, BeckRS 2015, 03314). Auch liefe dies dem Verbraucherschutz als einem der grundlegenden Ziele der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung zuwider. Dass es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen ist und dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrags deshalb auch nach Jahren noch widersprochen werden kann, beruht hier maßgebend darauf, dass der Versicherer sein Formular in einer den gesetzlichen Ansprüchen nicht genügenden Form gestaltet hat. Das Risiko, dass er deswegen seine Vertragskosten unnötig aufgewandt hat, liegt daher sowohl hinsichtlich der Abschluss- und als auch der Verwaltungskosten beim Versicherer (vgl. OLG Köln, a.a.O.; ebenso für die Verwaltungskosten OLG Stuttgart, Urt. v. 23.10.2014, BeckRS 2014, 21294). Gleiches gilt für nicht naher erläuterte Stückkosten (336,65 €) sowie die Stornokosten (102,26 €).
625.
63Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf die Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Dies sind die aus den eingezahlten Versicherungsprämien erlangten wirtschaftlichen Vorteile, die der Senat hier gemäß § 287 Abs. 2 ZPO für den Einzahlungszeitraum von Februar 2001 bis Februar 2012 (vergl. Anlage B 29, Bl. 116 ff. GA) auf insgesamt 11.496,65 € schätzt.
64a)
65Der Senat hat wie angekündigt gemäß § 287 Abs. 2 ZPO bei der Ermittlung der ersatzfähigen Nutzungen für den Zeitraum von Februar 2001 bis Februar 2012 die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) veröffentlichten Jahreswerte der Nettoverzinsung der Kapitalanlagen für Lebensversicherungen im engeren Sinne zugrunde gelegt. Diese sind im Internet auf der Homepage des GDV e.V unter www.gdv.de/Zahlen/Fakten/Lebensversicherung/Kapitalanlagen abrufbar und damit allgemeinkundig. Es handelt sich um die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen, bei der sämtliche Erträge und Aufwendungen auf Kapitalanlagen berücksichtigt werden. Einbezogen sind auch Erträge und Verluste aus dem Abgang von Kapitalanlagen sowie Abschreibungen auf Wertpapiere und Investmentanteile. Lebensversicherungen im engeren Sinne umfassen nach den im Internet mitgeteilten Angaben des GDV e.V. reine Lebensversicherungen ohne Verträge aus dem Bereich von Pensionskassen und Pensionsfonds.
66b)
67Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die Beklagte durch die rechtsgrundlos erlangten Beitragszahlungen wirtschaftliche Vorteile erlangt hat, die sie bei der Abrechnung nach Vertragskündigung nicht vollständig an die Klägerin zurückgezahlt hat. Anderenfalls wäre das Geschäftsmodell der Beklagten wirtschaftlich nicht sinnvoll angelegt. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.2015 (Bl. 277 ff. GA). Soweit die Beklagte hierzu behauptet hat, sämtliche Beiträge seien abzüglich der Abschluss- und Verwaltungskosten und des Risikoanteils vollständig in den Investmentfonds eingezahlt worden, bedeutete dies angesichts der negativen Entwicklung des Investmentfonds, dass die Beklagte keine Gewinne erwirtschaftet hätte. Die Beklagte hat ausdrücklich vorgetragen
68- aus der Kapitalanlage selbst seien ihr keinerlei Kapitalerträge entstanden (Bl. 286 GA), sie habe keinen Nutzen erzielt (Bl. 287 GA)
69- die Abschlusskosten seien zur Erfüllung von Vermittlungsvergütungsansprüchen Dritter verwandt worden (Bl. 287 GA)
70- die Verwaltungs- und Stückkosten deckten den eigenen Aufwand ab
71- Risikogewinne (aus dem Risikoschutz) seien in den Fond investiert worden (Bl. 286 GA)
72Damit hätte die Beklagte – ausgenommen eines Risikogewinnes auf den Todesfallschutz i.H. von 7,50 € - keinerlei wirtschaftlichen Vorteil erzielt, obwohl sie über einen Zeitraum von 10 Jahren Beitragszahlungen in Höhe von 37.119,72 € vereinnahmt hat. Das steht aber in Widerspruch zu der durchschnittlichen Rendite der deutschen Lebensversicherer für den hier maßgeblichen Zeitpunkt, die auf Kapitalanlagen eine Nettoverzinsung von (im Durchschnitt) 4,68 % erzielt haben. In den entsprechenden im Internet allgemein zugänglichen Informationen des GDV, auf die der Senat die Parteien hingewiesen hat, sind fondsgebundene Lebensversicherungen nicht herausgenommen. Die Beklagte hat nicht erläutert, wie sie bei fondsgebundenen Lebensversicherungen Gewinne erwirtschaftet, wenn sie von Kapitalerträgen keinen Nutzen hat und die nach ihrer Darstellung wichtigste Ergebnisquelle (vergl. Bl. 286 GA) für Kosten Dritter bzw. für eigene Verwaltungskosten verbraucht wird.
73Hinzu kommt, dass die Beklagte bei genauerer Betrachtung ihres Vortrags letztlich offen gelassen hat, ob sie nicht doch weitere Nutzungen erzielt hat. Sie hat die Abschluss- und Verwaltungskosten nur als „wichtigste Ergebnisquelle“ bezeichnet, obwohl nach ihrem Vortrag weitere Nutzungen nicht entstanden sein sollen. Sie hat zudem nur ausgeführt, sie habe aus der Fondsanlage „keinerlei Kapitalerträge“ erzielt; offen bleibt, ob sie andere Nutzungen gezogen hat, auch wenn sie behauptet, „an der Klägerin vorbei“ seien keine Kick-Backs bezahlt worden (Bl. 49 GA). Dass ihr außerhalb der Kapitalanlage selbst aus den Fonds keinerlei Zuwächse erwachsen sind, hat sie selbst nicht vorgetragen.
74Die Entwicklung des Fondsguthabens kann daher hier für die Bestimmung der ersatzfähigen Nutzungen nicht zugrunde gelegt werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte keinerlei Nutzungen gezogen hat.
75c)
76Ausgehend von den Angaben des GDV e.V. zur Nettoverzinsung der Kapitalanlagen von 1980 bis 2013 ergibt sich für den Zeitraum von Februar 2001 bis Februar 2012 ein Gesamtzinsbetrag von 11.496,65 €.Bei der Ermittlung dieses Betrags hat der Senat den Durchschnittswert der Nettoverzinsung der Jahre 2001 bis 2011 zugrunde gelegt (4,68 %). Des weiteren berücksichtigt die Schätzung, dass die Klägerin monatliche Beiträge in Höhe von 281,20 € EUR (550 DM) kontinuierlich entrichtet hat.
77d)
78Damit ergibt sich folgende Abrechnung:
79Beitragszahlungen: 37.119,72 €
80Zinsen: 11.496,65 €
81abzüglich
82Auszahlung: - 30.463,15 €
83Risikoschutz: - 1.309,87 €
84Weiter sind die Kapitalertragssteuer (320,36 €) sowie der Solidaritätszuschlag (17,62 €) in Abzug zu bringen. Die Beklagte hat insoweit eine Steuerschuld der Klägerin beglichen; es ist Sache der Klägerin, diese ggf. vom Finanzamt zurückzufordern (so auch KG, Urt. v. 13.02.2015, BeckRS 2015, 03314)
85Insgesamt hat die Beklagte daher noch einen Betrag von 16.505,37 EUR an die Klägerin zu zahlen.
866.
87Auf den noch offenen Betrag steht der Klägerin ein Zinsanspruch in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes ab dem beantragten Zinsbeginn 19.05.2012 gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte ist mit Ablauf der mit vorprozessualen Schreiben der Klägervertreterin vom 03.05.2012 (Anlage K4, Bl. 20 GA) bis zum 18.05.2012 gesetzten Frist in Verzug geraten.
88III.
89Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme (Bl. 218 GA) bezog sich auf eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung (§ 3 ZPO) und war somit bei der Kostenentscheidung nicht gem. § 269 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen.
90Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
91Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO.
92Streitwert für die Berufungsinstanz: 23.446,29 €.
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(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.
(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.
(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.
(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.
(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einerRentenversicherung.
- 2
- Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.
- 3
- Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F."
- 4
- Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswerts hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.
- 5
- Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell die Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 VVG a.F. als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 VVG a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. versäumt.
- 9
- II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.
- 11
- 1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB (K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgte , was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 VVG a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 VVG a.F. und § 8 Abs. 4 und 5 VVG a.F. klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 VVG a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. nicht eröffnet ist.
- 12
- 2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
- 13
- a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der Senat selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter II 3 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl. § 546 Rn. 10).
- 14
- b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.
- 15
- aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5Satz 3 VVG a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.
- 16
- Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.).
- 17
- Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen , unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 aaO Rn. 15).
- 18
- Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.
- 19
- bb) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.
- 20
- Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 VVG a.F. entsprechend den im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) dargelegten Grundsätzen.
- 21
- (1) In dieser Entscheidung hat der Senat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebensund Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
- 22
- (2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
- 23
- (3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.
- 24
- § 8 VVG a.F. erfasste alle nicht im Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 VVG a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten Lebensversicherungsrichtlinien bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.
- 25
- An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 VVG a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im Antragsmodell geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu sehen.
- 26
- Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 VVG vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung, der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von W iderrufs - und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 VVG a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, das vor allem auch der Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissenund zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im Antragsmodell geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. eingefügt wurden.
- 27
- Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).
- 28
- c) Die vorangegangene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2005 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
- 29
- Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).
- 30
- 3. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
- 31
- 4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.
- 32
- Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BTDrucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in Kraft. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG, ABl. L 271, S. 16) umgesetzt.
- 33
- Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 VVG a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der Rentenversicherungsvertrag wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
- 34
- 5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht ver- jährt. Auch wenn Gestaltungsrechte nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 194 Rn. 4). Der Rückgewähranspruch entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 32; Soergel/Lobinger, BGB 13. Aufl. § 346 Rn. 60; Staudinger/Kaiser, BGB Bearb. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.
- 35
- III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.
- 36
- Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der Senat zu § 5a VVG a.F. entschieden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers , sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. war - im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose , allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete , Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.
- 37
- Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom Senat am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 S. 194 f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der Senat zu § 5a VVG a.F. bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungs- schutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden , wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 16.03.2011- 114 C 1621/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.11.2011- 7 S 157/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages.
- 2
- Dessen Abschluss beantragte er bei der Beklagten im März 1993 mit Wirkung ab April 1993. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unterzeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. Zwischen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weiterer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antragsformular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck hervorgehoben.
- 3
- Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die monatlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die Lebensversicherung , woraufhin die Beklagte 3.240,17 DM als Rückkaufswert auszahlte. Zehn Jahre später ließ der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 15. Februar 2010 erklären, dass "dem Vertragsabschluss … gemäß § 5a VVG a.F. widersprochen" werde, und die Rückzahlung al- ler geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes fordern.
- 4
- Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nicht ausreichend , da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenntnis nehme. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der auf Widerruf seiner Vertragserklärung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision ist unbegründet.
- 7
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht ergebe sich nicht aus dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung, da die Widerrufsfrist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Antrags abgelaufen sei. Der Kläger sei über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden. Eine besondere drucktechnische Gestaltung der Belehrung sei nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. nicht erforderlich. Sie müsse, um ihren Zweck zu erreichen, umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Diesen Anforderungen genüge die Belehrung, die im Antragsformular in Fettschrift unmittelbar über der Unterschriftszeile abgedruckt sei. Auf die Frage der Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung komme es daher nicht an.
- 8
- Offen bleiben könne auch, ob mit dem Versicherungsvertrag eine Zahlungserleichterung im Sinne des bis zum 31. Dezember 2001 gültigen § 1 Abs. 2 VerbrKrG verbunden gewesen sei, da nach § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erloschen sei.
- 9
- Im Übrigen stehe einem Widerruf entgegen, dass sich der Kläger für die Durchführung des Vertrages und die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen entschieden habe; damit sei sein Wahlrecht erloschen.
- 10
- II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand. In dem Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." liegt kein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.).
- 11
- 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 VVG a.F. ausgegangen. § 5a VVG in der ab dem 29. Juli 1994 gültigen Fassung findet nach Art. 16 § 11 des Dritten Durchführungsgesetzes /EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl. 1994 I, S. 1630) keine Anwendung auf Versicherungsverträge, die - wie hier - bis zum 31. Dezember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen wurden.
- 12
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war allerdings die in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. bestimmte Widerrufsfrist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages zum Zeitpunkt des Widerrufs im Februar 2010 noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. belehrt worden war. Die Widerrufsfrist beginnt in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der Fassung vom 16. Januar 1986 und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990 erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung über das Widerrufsrecht.
- 13
- a) Der Kläger ist nicht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
- 14
- aa) Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift zwar keine über die Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. In zwei Beschlüssen vom 16. November 1995 hat der Bundesgerichtshof jedoch zu § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, Beschlüsse vom 16. November 1995 - I ZR 25/94, VersR 1996, 221 unter I 2 und I ZR 175/93, VersR 1996, 313 unter II 1; ebenso KG r+s 2003, 98; zustimmend:Johannsen/ Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 302; ähnlich OLG Stuttgart VersR 1995, 202, 204; für eine drucktechnisch deutlich gestaltete Belehrung: Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Claussen, JR 1991, 360, 363; Schimikowski, ZfV 1991, 632, 635;Teske, NJW 1991, 2793, 2798; a.A.: Koch, VersR 1991, 725, 729).
- 15
- bb) Die Form der Belehrung im Antragsformular genügt diesen Anforderungen nicht; sie ist zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Widerrufsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines längeren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckmäßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwendung der Beiträge und über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält. Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hinweis steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers , sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärungen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.
- 16
- b) Mangels ordnungsgemäßer Belehrung hatte der Lauf der Widerrufsfrist nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen.
- 17
- aa) In § 8 Abs. 4 VVG a.F. findet sich zu den Folgen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Belehrung keine Regelung. Dagegen hatte der Gesetzgeber in dem am selben Tag in Kraft getretenen § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 VerbrKrG ausdrücklich bestimmt, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung beginnt (Satz 2) und dass bei Fehlen der Belehrung das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erlischt (Satz 3). Auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der vom 1. Mai 1986 bis 30. September 2000 gültigen Fassung setzt der Lauf der Widerrufsfrist die ordnungsgemäße Belehrung voraus; nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlen der Belehrung erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.
- 18
- bb) Zu der Frage, ob auch in Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
- 19
- Ein Teil der Literatur legt diese Vorschrift dahin aus, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der schriftlichen ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beginnt (Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 303; Koch, VersR 1991, 725, 729; ohne Begründung Präve, VW 1991, 488, 489). Zur Begründung dieser Rechtsfolge wird auch auf eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zurückgegriffen (Sieg, VersR 1992, 1; wohl auch Schimikowski , ZfV 1991, 632, 635 f.) oder der Einwand der Fristversäumung als treuwidrig angesehen (Claussen, JR 1991, 360, 363). Eine Verbindung zwischen ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung und Lauf der Widerrufsfrist wird weiter daraus abgeleitet, dass § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. eine vorvertragliche Informationspflicht des Versicherers normiere, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers aus Verschulden bei Vertragsschluss auslöse. Da der Versicherungsnehmer einen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde, könne er sein Widerrufsrecht auch nach Ablauf der Widerrufsfrist noch ausüben (Teske, NJW 1991, 2793, 2798 f.).
- 20
- Demgegenüber folgern andere aus dem Fehlen einer Regelung zu den Auswirkungen der unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäßen Belehrung in § 8 Abs. 4 VVG a.F.unter Berücksichtigung der Regelungen im Haustürwiderrufsgesetz und im damals neuen Verbraucherkreditgesetz, dass die Regelungslücke vom Gesetzgeber gewollt sei, so dass eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG oder des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG nicht in Betracht komme (OLG München VersR 1995, 1037, 1038; zustimmend Römer in Römer/Langheid, VVG 1. Aufl. § 8 Rn. 68; AG Heidenheim VersR 1992, 558; AG Köln VersR 2000, 41, 42).
- 21
- cc) Die zuerst genannte Meinung ist zutreffend. Nur eine Anknüpfung des Beginns der Widerrufsfrist an eine ordnungsgemäße Belehrung wird dem Zweck der Widerrufsbelehrung gerecht. Aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. lässt sich entnehmen, dass durch die Regelung eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreicht und zu diesem Zweck - im Hinblick auf die Bereichsausnahme für das Versicherungswesen in § 6 Nr. 2 HWiG - eine versicherungsvertragsrechtliche Spezialnorm geschaffen werden sollte. Dort heißt es weiter: "Wegen der Bedeutung der Belehrung über das Widerrufsrecht bedarf die Belehrung der Schriftform" (BT-Drucks. 11/8321, S. 12). Mit dem Ziel des Verbraucherschutzes und der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Widerrufsbelehrung, die in der ausdrücklichen Normierung des Erfordernisses einer schriftlichen Belehrung zum Ausdruck kommt, lässt sich eine Folgenlosigkeit ihres Fehlens nicht vereinbaren. Das in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Recht, den Vertrag binnen einer Frist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerrufen , lässt sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon auch Kenntnis erlangt oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Ein Verweis des Versicherungsnehmers auf einen Schadenersatzanspruch ist für einen effektiven Verbraucherschutz nicht ausreichend , da dem Versicherungsnehmer der Nachweis obläge, dass die Verletzung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung ursächlich für den Vertragsschluss bzw. das Festhalten am Vertrag geworden und dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 43).
- 22
- Einer derartigen teleologischen Auslegung steht zwar der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entgegen, der den Lauf der Widerrufsfrist allein an die Unterzeichnung des Antrags knüpft. Das Gesetz enthält angesichts der mit ihm bezweckten Stärkung der Verbraucherrechte aber eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwen- dung der Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG, die ebenfalls einen effektiven Verbraucherschutz gewährleisten sollen, geschlossen werden kann. Beide Regelungen sehen vor, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Der zugrunde liegende Gesetzeszweck, dass ein Widerrufsrecht nur dann zum Verbraucherschutz geeignet ist, wenn der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Erfüllung der Verpflichtung zur Belehrung über dieses Recht beginnt, lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen.
- 23
- 3. Das Widerrufsrecht ist jedoch nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung im Jahr 2000 erloschen.
- 24
- a) Allerdings schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den späteren Widerruf nicht aus. Zwar vertreten Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums die Auffassung, dass die Kündigung eines Vertrages einem späteren Widerruf generell entgegenstehe, wie Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums meinen (so: OLG Karlsruhe r+s 2013, 483; OLG Celle , Urteil vom 2. Februar 2012 - 8 U 125/11, juris Rn. 45; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 15 f.; OLG Koblenz , Beschluss vom 6. Juni 2011 - 10 U 162/11, nicht veröffentlicht; OLG Stuttgart, VersR 2011, 786 Rn. 4; LG Karlsruhe, Urteil vom 30. September 2011 - 9 S 266/11, S. 6 ff., nicht veröffentlicht; LG Köln, Urteil vom 18. August 2010 - 26 S 39/09, S. 7 f., nicht veröffentlicht; a.A.: LG Aachen, Urteil vom 11. Februar 2011 - 9 O 231/10, S. 10 f., nicht veröffentlicht). Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzulehnen , in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht sichergestellt , dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können.
- 25
- b) Das Erlöschen des Widerrufsrechts des Klägers aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG. Danach erlischt ein Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung.
- 26
- aa) Allerdings ist streitig, ob das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. bei Fehlen einer ausreichenden Belehrung unbegrenzt ist (so Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10) oder nach vollständiger Leistungserbringung (so Koch, VersR 1991, 725, 729;Schimikowski, ZfV 1991, 632, 636).
- 27
- bb) Letzteres trifft zu. Die Regelungslücke des § 8 Abs. 4 VVG a.F. hinsichtlich der Folgen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen W iderrufsbelehrung (s.o. unter b cc) ist nicht allein durch die entsprechende Anwendung der § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG beseitigt, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Dies führte bei Fehlen der Widerrufsbelehrung zu einem grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht bei im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994 geschlossenen Versicherungsverträgen, während die im selben Zeitraum gültigen Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgeset- zes ein solches zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht nicht vorsahen. Die planwidrige Regelungslücke erstreckt sich daher auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung erlischt.
- 28
- Diese Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der an § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfenden Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG zu schließen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt (vgl. zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 15 ff.). Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen (so zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 unter II 5 zu; Fischer /Machunsky, HWiG 2. Aufl. § 2 Rn. 57); ein insgesamt abgeschlossener Sachverhalt sollte nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden (BGH aaO). Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht, weil das Schuldverhältnis durch einen "lückenlosen" Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 48; ähnlich MünchKomm-BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 31; Bülow, VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rn. 38a). Zwar kann der Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließt die Kündigung einen späteren Widerruf nicht generell aus (s.o. unter a). Die im Haus- türwiderrufsgesetz und Verbraucherkreditgesetz geregelten Erlöschenstatbestände basieren jedoch auf dem Gedanken, dass bei beiderseits vollständiger Leistungserbringung dieses Interesse des Widerrufsberechtigten gegenüber dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten soll.
- 29
- cc) Das Erlöschen des Widerrufsrechts aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung verstößt nicht gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung). Der Europäische Gerichtshof hat für Haustürgeschäfte die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. als richtlinienkonform angesehen (EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Rs. C-412/06, NJW 2008, 1865 Rn. 40-45 - "Hamilton"). Die Befristung des Widerrufsrechts ab der vollständigen Erbringung der Leistung sei auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 (Richtlinie über Haustürgeschäfte) zu vereinbaren, wonach der Verbraucher das Recht besitze, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten. Die Verwendung des Begriffs "Verpflichtung" in der Richtlinie weise darauf hin, dass das Widerrufsrecht ausgeübt werden könne, es sei denn, dass für den Verbraucher aufgrund der vollständigen Durchführung des Vertrages keine Verpflichtungen aus dem Vertrag mehr bestünden (EuGH aaO Rn. 42). Anhaltspunkte, dass für vollständig abgewickelte Lebensversicherungsverträge ein weitergehendes Schutzniveau gelten soll, ergeben sich weder aus der Richtlinie 90/619/EWG noch aus der Richtlinie 92/96/EWG.
- 30
- dd) Die Parteien hatten vor Erklärung des Widerrufs ihre beiderseitigen Leistungen vollständig erbracht. Die Kündigung des Vertrages im Februar 2000, die zum 1. April 2000 wirksam wurde, hat die Verpflichtung des Klägers zur Prämienzahlung beendet und den Anspruch auf den Rückkaufswert ausgelöst. Mit anschließender Auszahlung des Rückkaufswertes haben die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet. Unerheblich ist, dass aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Lebensversicherungsvertrages die für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten Pflichten, d.h. insbesondere die Pflicht des Klägers zur Beitragszahlung und die Pflicht der Beklagten zur Auszahlung der Ablaufleistung, nicht vollständig erfüllt worden sind. Denn die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages und anschließende Auszahlung des Rückkaufswertes ist als eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Vertragsverhältnis angelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zählt zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung auch der Rückkaufswert nach Kündigung des Vertrages; das Recht auf den Rückkaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - IV ZR 208/09, VersR 2010, 1067 Rn. 13; vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02, VersR 2003, 1021 unter II 2 b; vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99, VersR 2000, 709 unter II 3 a; so bereits BGH, Urteil vom 17. Februar 1966 - II ZR 286/63, BGHZ 45, 162, 167). Von einer vollständigen Leistungserbringung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - den Rückkaufswert akzeptiert hat.
- 31
- ee) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob das Widerrufsrecht aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG unmittelbar nach beiderseitiger Leistungserbringung oder ent- sprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erst einen Monat später erlischt, da der Kläger den Vertrag erst zehn Jahre nach der einvernehmlichen Abwicklung widerrufen hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 24.05.2011- 2 O 279/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.02.2012- 8 U 124/11 -
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.