Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Juli 2012 - L 8 SO 7/12 B ER

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2012:0710.L8SO7.12BER.0A
10.07.2012

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners (Ag.) zur Übernahme der Kosten für ihre Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte.

2

Bei der am ... 2006 geborenen Ast. entwickelte sich nach ihrer Geburt im achten Monat eine kombinierte Entwicklungsstörung (ICD-10 F83). Nach der von Dipl.-Med. H. erstellten amtsärztlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen für die Eingliederungshilfeleistungen nach den §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) vom 14. April 2009 sei die Ast. im Regelkindergarten, den sie seit ihrem "1 ½-sten Lebensjahr" besuchte, aufgefallen; es sei von dort der Hinweis zur Frühförderung erteilt worden. Bei der amtsärztlichen Untersuchung seien insbesondere ein starker Nystagmus (Wackelbewegungen der Augen) und eine starke Verlangsamung erkennbar gewesen. Es bestehe kognitiv und motorisch ein deutlicher Rückstand von sechs bis zwölf Monaten; eine geistige Behinderung drohe. Erforderlich sei die Aufnahme in einen integrativen Kindergarten mit heilpädagogischer Fördermöglichkeit. Aus dem Arztbericht des Sozialpädiatrischen Zentrums des Kinderzentrums M. vom 29. Juni 2009 gehen (bei dem damaligen Alter der Ast. von 30 Monaten) im Vergleich zum Altersmedian folgende nach Monaten angegebene Entwicklungsrückstände hervor: Laufalter und Handgeschicklichkeit sechs Monate, Perzeption acht Monate, Sprechalter sieben Monate, Sprachverständnis 13 Monate, Sozialalter zehn Monate, Selbstständigkeit sechs Monate. Die bereits beantragte Frühförderung solle im Juli 2009 beginnen und sei aus Sicht der Einrichtung dringend erforderlich. Nach einem angemessenen Frühförderzeitraum sollte dann über die Notwendigkeit der Aufnahme der Ast. in einen integrativen Kindergarten entschieden werden.

3

Die Arbeiterwohlfahrt als Einrichtungsträger der integrativen Kindertagesstätte "W." in O. übersandte dem Landkreis B. (im Folgenden: Landkreis) als Anlage zu seinem Schreiben vom 8. September 2009 den Antrag der Ast. auf Aufnahme in diese Einrichtung ab dem 1. September 2009 unter Gewährung von Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz (KiFöG) vom 5. März 2003, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Februar 2010 (GVBl. LSA S. 69)). Erforderlich seien die heilpädagogische Betreuung in einer Kleingruppe und die Sprachheilerziehung. Der Landkreis gab unter dem 27. Oktober 2009 ein schriftliches Anerkenntnis im Namen des Ag. für die Kosten des Aufenthaltes der Ast. in der Kindertagesstätte "W." für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2011 - mit einem Monatssatz in Höhe von 974,19 EUR bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, nachfolgend in Höhe von 898,58 EUR - ab.

4

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 teilte der Landkreis dem Einrichtungsträger mit, dass um Vorlage eines Entwicklungsberichtes bis zum ... 2011 gebeten werde, sofern eine Verlängerung der Hilfe notwendig werden sollte. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem Ende des Bewilligungszeitraumes keine Kosten (Vergütung) mehr übernommen würden. Der Einrichtungsträger beantragte unter dem 28. Januar 2010 bei dem Landkreis die Finanzierung des zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarfs im Umfang und in Höhe von monatlich 1.367,71 EUR ab dem 1. Februar 2010. Der Begründung ist zu entnehmen, die Verhaltensweisen der Ast. hätten von Beginn an die ständige Begleitung und Zuwendung durch eine feste Bezugsperson erfordert, um ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens entwickeln zu können. Sie zeige in allen Fähigkeitsbereichen unterdurchschnittliche Fähigkeiten. Besondere Auffälligkeiten zeigten sich im emotionalen und sozialen Verhalten, wobei autistische Züge immer deutlicher hervorträten. Es sei davon auszugehen, dass ihre weitere Entwicklung stark von Behinderung bedroht sei. Sie zeige Erregungszustände - z.B. mit dem Schlagen des Hinterkopfs auf den Boden -, die mitunter bis zu einer Stunde dauerten. Während dieser Zeit brauche sie eine einfühlende, Halt gebende und verlässliche Bezugsperson, da sie allein keine Lösung für ihre Krisensituation finde. Kommunikation, Kognition und Kontakt könnten im Wesentlichen nur durch eine Bezugsperson im Rahmen einer Einzelförderung umgesetzt und gefördert werden. Es bestehe ein erheblicher Entwicklungsrückstand auch in den Bereichen Sprache und Verrichtung der Selbstversorgung. Die heilpädagogische bzw. therapeutische Förderung mache die 1:1-Betreuung während des gesamten Tagesablaufs erforderlich, um eine Chronifizierung und Ausweitung der Entwicklungsrückstände zu verhindern. Die Ast. zeige positive Ansätze für weitere Entwicklungsschritte (z.B. grundsätzliches soziales Interesse, einfaches Sprachverständnis, Teilnahme an Förderangeboten nach ihren eigenen Regeln), die durch eine engmaschige und kontinuierliche Betreuungssituation zur Entfaltung kommen könnten. Ohne den Einsatz einer 1:1-Betreuung könnten zentrale Ziele der Eingliederungshilfe nicht erreicht werden. Insbesondere sei es dringend notwendig, die Entwicklung von adäquaten Sozialreaktionen zu fördern, da ansonsten eine Manifestation des aggressiven und autoaggressiven Verhaltens wie auch destruktiver stereotyper Verhaltensweisen die Weiterentwicklung in fast allen Persönlichkeitsbereichen blockiert werde. Nur durch eine direkte persönliche Begleitung könne es gelingen, dass die Ast. überhaupt zu einer beginnenden Ablauf- und Regelorientierung geführt werden könne. Ein weiterer Grund sei die Selbstgefährdung der Ast., die eklatant bei ungesteuertem Abwehrverhalten auftrete und sich darin zeige, dass sie mit dem Kopf hart auf den Boden aufschlage. Dies könne nur durch die Intervention einer Fachkraft in jeglicher Betreuungssituation vermieden werden könne. Dem Antrag beigefügt ist eine Kostenkalkulation, die den bereits bewilligten Beträgen in Höhe von monatlich insgesamt 1.342,29 EUR monatliche Beträge zum individuellen Hilfebedarf für "Personalkosten entspr. indiv. Bedarf (38 WH)" = 2.505,00 EUR und "Sachkostenumlage (notwendige Materialien, zusätzlicher Raumbedarf)" = 205,00 EUR gegenüberstellt. In einer ebenfalls beigefügten Aufstellung zum zeitlichen Mehrbedarf vom 12. Oktober 2009 wird der Tagesablauf der Ast. in der Kindertagesstätte beschrieben; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 24 bis 29 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

5

Aus dem Gutachten von Herrn H., Rehapädagogischer Fachdienst der Sozialagentur S.-A., vom 30. April 2010 zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs im Einzelfall geht im Ergebnis hervor, bei der Ast. bestehe ein rehabilitationspädagogischer Hilfebedarf, der nicht ausschließlich auf eine Schwäche der geistigen Kräfte zurückzuführen sei, sodass auch eine Hilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) zu prüfen sei. Die Ast. habe einen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Auf Grund ihrer Defizite (u.a. im Sozialverhalten, in der Fein-/Grobmotorik und im Kommunikationsverhalten), des Vorliegens einer Behinderung und der Entwicklungspotentiale werde ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von 180 Minuten täglich (bei einem Aufenthalt der Ast. in der Kindertagesstätte von 7,5 Stunden an jedem Wochentag), abzudecken durch eine 1:1-Betreuung durch eine heilpädagogische Fachkraft, festgestellt. Sofern eine gesicherte fachärztliche Diagnose zur vermuteten Autismusspektrumstörung erfolge, seien die ggf. zu planenden autismusspezifischen Therapiemaßnahmen, die in der Kindertagesstätte erfolgen würden, in diese täglichen 180 Minuten in 1:1-Betreuung durch eine therapeutische Fachkraft zu involvieren. Für die restliche Betreuungszeit sei der generelle Personalschlüssel einer Kindertagesstätte gemäß dem KiFöG zu berücksichtigen.

6

Unter dem 30. Juni 2010 forderte der Ag. weitere Angaben des Einrichtungsträgers insbesondere zur Frage des für die Betreuung der Ast. zur Verfügung stehenden zusätzlichen Personals und zur Betreuungssituation in der Kindertagesstätte im Allgemeinen an. Der Einrichtungsträger gab hierzu unter dem 13. August 2010 an, seit dem 1. März 2010 sei eine Heilpädagogin mit 35 Wochenstunden zur Sicherstellung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs der Ast. eingesetzt; im Übrigen wird auf Bl. 35ff. der Verwaltungsakte Bezug genommen. Darauf forderte der Ag. unter dem 8. Dezember 2010 diesbezügliche Nachweise (Personaleinsatzpläne, Stundennachweise, Verträge) an. Daraufhin übersandte der Einrichtungsträger eine Tabelle, in der eine Personalnummer und die Angabe "35 Wh" mit dem Zusatz "Einzelförderung L. H." enthalten sind.

7

Auf die am 16. Dezember 2010 (S 22 SO 159/10) eingegangene Untätigkeitsklage verpflichtete das Sozialgericht Magdeburg den Ag. mit rechtskräftig gewordenem Gerichtsbescheid vom 7. März 2011, den Antrag der Ast., der Klägerin in jenem Verfahren, vom 28. Januar 2010, eingegangen am 4. Februar 2010, auf Erstattung und Gewährung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs als Eingliederungshilfeleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bis zum 15. April 2011 zu bescheiden. Ein zureichender Grund im Sinne von § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Nichtbescheidung liege nicht vor.

8

Der Landkreis bewilligte der Ast. auf den Antrag vom 28. Januar 2010 im Namen des Ag. mit Bescheid vom 30. März 2011 für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. August 2011 weitere Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII in der Kindertagesstätte "W." für den behinderungsbedingten Mehrbedarf zur Teilhabe an der Gemeinschaft nach § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) in Höhe von 572,46 EUR monatlich. Für den vorausgehenden Zeitraum vom 4. Februar 2010 bis zum 31. März 2011 lehnte er ebenfalls mit Bescheid vom 30. März 2011 eine entsprechende Bewilligung ab. Die Erbringung zusätzlicher Leistungen durch die Kindertagesstätte sei für diesen Zeitraum, trotz mehrfacher Aufforderung, nicht nachgewiesen worden. Die vorgelegten Unterlagen seien unvollständig und ohne jede Beweiskraft. Sollten die erforderlichen Unterlagen vorliegen, erfolge eine entsprechende Ermittlung der Vergütung.

9

Die Ast. legte am 2. Mai 2011 Widerspruch gegen die Bescheide vom 30. März 2011 insoweit ein, als ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von mehr als 572,46 EUR für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. August 2011 abgelehnt und jeglicher behinderungsbedingte Mehrbedarf für den Zeitraum vom 4. Februar 2010 bis zum 31. März 2011 versagt worden sei.

10

Auf den Folgeantrag der Ast. vom 22. Juli 2011 bewilligte der Landkreis ihr im Namen des Ag. mit Bescheiden vom 2. August 2011 für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. März 2012 in der Kindertagesstätte "W." die Kosten für den Aufenthalt und den behinderungsbedingten Mehrbedarf als Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX. Kosten würden zunächst für den Aufenthalt in Höhe von 898,58 EUR monatlich und für den integrativen Mehrbedarf in Höhe von 572,46 EUR anerkannt.

11

Die Ast. hat am 8. September 2011 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Magdeburg gestellt. Sie hat beantragt, den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu verpflichten, vorläufig die Kosten für die Betreuung der Ast. in der integrativen Kindertageseinrichtung "W." in O. im Wege der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 28. Januar 2010 zu übernehmen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Einrichtungsträger habe mit Schreiben vom 1. Juli 2011 ihren Betreuungsplatz zum 1. September 2011 gekündigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben, Bl. 54 der Gerichtsakte, Bezug genommen. In Bezug auf den in unterschiedlicher Höhe von dem Ag. und dem Einrichtungsträger für erforderlich gehaltenen Umfang der 1:1-Betreuung könne dieser Dissens nicht zu ihren Lasten gehen. Ihr seien auch keine Alternativen aufgezeigt worden. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der nicht antragsgemäßen Leistungsbewilligung und der Befristung der Bewilligung.

12

Der Ag. hat die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es fehle sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund. Von dem Kündigungsschreiben des Einrichtungsträgers habe er erst am 12. September 2011 Kenntnis erlangt. Auch im Rahmen des am 22. Juli 2011 gestellten Folgeantrags sei er hierüber von den Eltern nicht informiert worden. Vielmehr habe eine Mitarbeiterin der Einrichtung die Bereitstellung eines Betreuungsplatzes schriftlich bestätigt. Für den Zeitraum vor Antragseingang bei Gericht fehle es stets an einem Anordnungsgrund.

13

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 31. Januar 2012 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach der durch den Einrichtungsträger erfolgten Kündigung des Betreuungsvertrages zum 31. August 2011 könne nicht mehr festgestellt werden, ob die Ast. den grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Eingliederungshilfe weiterhin in der Kindertagesstätte "W." habe. Dass sie dort, auf Grund welcher Vereinbarung auch immer, weiterhin betreut werde, ändere daran nichts. Der seit dem 1. September 2011 vertragslose Zustand müsse bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden. Es verbiete sich, staatliche Leistungen auszuwerfen, ohne dass diesen Leistungen ordentliche zivilrechtliche Vertragsverhältnisse zugrunde lägen. Nicht die Einrichtung, sondern die Ast. sei hier die Leistungsberechtigte. Die Zahlungen unmittelbar an die Einrichtung dienten lediglich der Verwaltungsvereinfachung. Müsste die Ast. die Leistungen der Einrichtung selbst tragen, ohne staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, würde sie sich ohne Zweifel dagegen wehren, nach Kündigung eines Vertragsverhältnisses noch ein Entgelt zu entrichten. Im Zweifel könnte nach erfolgter Kündigung des "ordentlichen" Betreuungsvertrages die weitere Betreuung durch die Kindertagesstätte als "freiwillig" und damit als Leistungen nach dem SGB XII ausschließende Maßnahme der Einrichtung bzw. ihres Trägers angesehen werden. Derartig streitige Rechtsverhältnisse zivilrechtlicher Natur ließen sich im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht nicht klären.

14

Die Ast. hat am 2. März 2012 Beschwerde bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt gegen den ihr am 2. Februar 2012 zugestellten Beschluss eingelegt.

15

Der Ag. hat der Ast. mit Bescheid vom 28. März 2012 die Leistungen der Eingliederungshilfe in gleichbleibender Höhe bis zum 31. Juli 2013 weiterbewilligt. Auch hiergegen hat die Ast. Widerspruch eingelegt.

16

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Ast. in ihrem am 16. April 2012 bei dem Senat eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen aus, sie benötige eine 1:1-Betreuung, die in der Kindertagesstätte "W." weiter sichergestellt werden könnte. Sie hat wiederholt, dass der Dissens über den Umfang der Betreuung nicht zu ihren Lasten gehen dürfe. Hier sei im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen, dass ohne die Anordnung des Gerichts ihre Betreuung nicht im erforderlichen Maß sichergestellt werde. Sie sei nicht in der Lage, die Differenz zwischen dem bewilligten und den von der Einrichtung für erforderlich gehaltenen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von monatlich 795,25 EUR aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Später lasse sich die Betreuung nicht mehr nachholen. Zur Betreuungssituation verweist sie auf ein Schreiben des Einrichtungsträgers vom 16. April 2012, in welchem dem Bevollmächtigten der Ast. mitgeteilt wird, dass die Kündigung des Betreuungsplatzes nicht vollzogen worden sei, sondern die Ast. bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Eilverfahren weiterbetreut werde; im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 128 der Gerichtsakte Bezug genommen.

17

Der Ast. beantragt sinngemäß,

18

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 aufzuheben und den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die Kosten für ihre Betreuung in der integrativen Kindertageseinrichtung "W." in O. im Wege der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 28. Januar 2010 zu übernehmen.

19

Der Ag. beantragt,

20

die Beschwerde zurückzuweisen.

21

Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Die Ast. verkenne, dass ihr Bedarf gegenwärtig gedeckt werde.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

23

Die Beschwerde der Ast. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 ist zulässig, aber unbegründet.

24

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, da sie nicht nach § 172 Abs. 3 SGG ausgeschlossen ist. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

25

Das Sozialgericht hat den Antrag der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

26

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

27

Der Senat kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich solche Anordnungen treffen, die zum Erreichen des Sicherungszwecks und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 Grundgesetz erforderlich sind. Gleichzeitig begrenzt der mögliche Streitgegenstand der Hauptsache den Umfang einer Verpflichtung der Behörde (vgl. hierzu z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 86b RdNr. 30). Der Senat hat ein zu einer Verpflichtung des Ag. führendes Begehren der Ast. durch die Auslegung des Antrages auf der Grundlage ihres Vorbringens hier nicht feststellen können.

28

Denkbar ist zunächst eine Auslegung ihres Antrages dahin gehend, dass sie für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2011 die Kosten einer durchgeführten 1:1-Betreuung erstattet haben möchte. In Bezug auf eine solche Geldleistung ist bereits ein Rechtsschutzbedürfnis der Ast. fraglich, da sie eine Belastung mit Kosten nicht dargelegt hat. Zumindest würde es nach allgemeiner Meinung insoweit an einem Anordnungsgrund fehlen, da der Zeitraum, für den höhere Leistungen begehrt werden, vor der Antragstellung bei Gericht liegt und auch eine auf den Zeitraum des Gerichtsverfahrens fortwirkende Belastung nicht vorgetragen worden ist (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2006 - L 9 B 302/06 KR ER - juris).

29

Sollte die Ast. demgegenüber laufende Leistungen begehren, ist ihr Antrag in sich in dem Umfang widersprüchlich, dass der Senat daraus keinen einer Verpflichtung des Ag. zugänglichen Streitgegenstand entnehmen könnte, ohne über den Antrag in unzulässiger Weise hinauszugehen. Der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 27. Oktober 2009 bezog sich ausschließlich auf den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2011. Das Antragsschreiben vom 28. Januar 2010, das in dem vor dem Sozialgericht gestellten und im Beschwerdeverfahren weitergeführten Antrag mit ihrem Begehren verknüpft ist, beinhaltet schon keinen im Namen der Ast. gestellten Antrag. Selbst wenn man das Schreiben, wie der Ag. es gesehen hat, in dieser Weise ausgelegen wollte, richtet sich das Schreiben nicht auf die Bewilligung von Leistungen über den 31. August 2011 hinaus. Zwischen den nachfolgenden Bewilligungsbescheiden für die Zeiträume vom 1. September 2011 bis zum 31. März 2012 und vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2013 ist ein Zusammenhang mit dem Antragsschreiben vom 28. Januar 2010 nicht erkennbar. Die aktuelle Personal- und Betreuungssituation ist von der Ast. für die Zeiträume ab dem 31. August 2011 nicht mehr dargelegt worden. Vielmehr hat die Einrichtung den Betreuungsvertrag gekündigt. Daraus kann gerade nicht auf eine dem Antragsschreiben vom 28. Januar 2010 vergleichbare Zielrichtung der Einrichtung geschlossen werden. Es ist nicht erkennbar, wieso die Einrichtung nach einer Kündigung des Vertrages Personal gesondert für die Betreuung der Ast. vorhalten sollte; damit entstehen keine über die bewilligten Leistungen hinausgehenden Kosten.

30

Für den Zeitraum seit Antragseingang bei dem Sozialgericht am 8. September 2011 würde es im Übrigen auch an einem Anordnungsanspruch fehlen. Eine vertragliche Grundlage für die Sicherstellung der tatsächlichen Betreuung der Ast. in einer Kindertagesstätte, die Grundlage der Bewilligung von höheren Leistungen sein könnte, fehlt seither. Die zivilrechtliche Basis der Betreuung kann der Senat auch nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzen. Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob die bereits erfolgten Bewilligungen des Ag. für den vertragslosen Zeitraum Bestand haben könnten; insoweit könnte es sich ggf. um ein Grundanerkenntnis handeln. Für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auf "Vorrat" für eine ggf. dann erfolgende tatsächliche Umsetzung im Rahmen eines noch zu schließenden Betreuungsvertrages ist, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, von vornherein kein Raum. Soweit der Einrichtungsträger mit Schreiben vom 16. April 2012 ausgeführt hat, die Kündigung "nicht vollzogen" zu haben, entspricht dies nicht der Gestaltungswirkung, die eine Kündigung grundsätzlich hat. Darüber hinaus ist diese Kündigung für den Senat insoweit nicht nachvollziehbar, als der Ag. fortlaufend Leistungen auch für eine 1:1-Betreuung bewilligt hat, sodass die Betreuung durch die Einrichtung zumindest in diesem Umfang hätte sichergestellt werden können, ohne für diese zu einem Kostenrisiko zu führen.

31

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum seit Antragseingang bei dem Sozialgericht ein Anordnungsanspruch auch deshalb nicht festgestellt werden kann, weil die Einrichtung weder den Anforderungen des Ag., Entwicklungsberichte vorzulegen, nachgekommen ist, noch in Bezug auf den von der Ast. angegebenen erforderlichen täglichen Umfang der 1:1-Betreuung Angaben erkennbar sind, die eine solche Betreuung im Umfang von 7,5 Stunden täglich für den Zeitraum seit Antragseingang bei dem Sozialgericht belegen könnten. Das Schreiben vom 28. Januar 2010 kann bereits wegen der darin dargelegten Entwicklungspotentiale bei der 1:1-Betreuung keine Grundlage für eine Bewertung des medizinischen und pädagogischen Bedarfs im Juli 2012 sein.

32

Auch sind die entstehenden Mehraufwendungen für die 1:1-Betreuung nicht durch Vorlage bestehender Arbeitsverträge/Lohnabrechnungen o.Ä. von Mitarbeitern dokumentiert. Ob weitere Kosten für die Betreuung der Ast. entstanden und zu übernehmen sind, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

33

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

34

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.


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Referenzen

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Das Gericht kann, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht ist, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachteile Sicherheit geleistet wird. Es kann die Anordnung des Arrestes von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, selbst wenn der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft gemacht sind.

In dem Arrestbefehl ist ein Geldbetrag festzustellen, durch dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt wird.

(1) Ist die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Arrestgericht auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe.

(2) Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes durch Endurteil auszusprechen.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

Nur unter besonderen Umständen kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung gestattet werden.

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.