Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Apr. 2014 - L 7 VE 1/11

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2014:0423.L7VE1.11.0A
bei uns veröffentlicht am23.04.2014

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die Überprüfung eines Bescheides auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches (BSA).

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Die Ermittlungen zum Lebenslauf des am ... 1947 geborenen Klägers haben Folgendes ergeben: Nach einem Schulbesuch von 1953 bis 1961 nahm er eine Lehre als Maurer auf. Aufgrund einer systemkritischen Anmerkung, die er während des Berufschulunterrichts in eine Ausgabe der Verfassung der DDR geschrieben hatte, wurden gegen ihn strafrechtlich ermittelt. In diesem Zusammenhang stellte ein Sachverständiger unter dem 8. Juli 1963 fest: Der Kläger sei gegenüber seinen Altersgenossen in der Schule erheblich zurückgeblieben. So leide er an Konzentrationsschwächen einer raschen Ermüdbarkeit, was auf einen frühkindlichen Hirnschaden hindeute. Aufgrund der sittlichen und geistigen Entwicklung zum Zeitpunkt der Tat habe ihm die Reife gefehlt, die Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen und hiernach zu handeln.

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Dieser Vorfall führte dazu, dass der Kläger von den staatlichen Stellen gedrängt wurde, seine Maurerlehre nicht zu beenden. In der Zeit vom 25. Juni 1965 bis 21. Dezember 1967 (Urteil des Bezirksgerichtes H. vom 20. Oktober 1965), im November 1975 für sechs Wochen (Urteil des Kreisgerichtes Q. vom 23. Dezember 1975) sowie vom 17. November 1976 bis 16. November 1977 (Urteil des Kreisgerichtes M.-Süd vom 20. Januar 1977) und vom 16. Februar 1984 bis 18. April 1984 (Haftbefehl des Kreisgerichtes H. vom 14. Februar 1984) befand sich der Kläger in Haft. Vom 26. Juli 1975 bis 14. November 1975, von Februar 1976 bis November 1976 sowie vom 17. November 1977 bis August 1981 befand er sich nach Ausweisungsverfügungen der staatlichen Organe der DDR in der Bundesrepublik Deutschland.

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Mit Beschluss des Bezirksgerichts M. vom 21. August 1992 wurde das Urteil des Kreisgerichts M.-Süd vom 20. Januar 1977 aufgehoben und der Kläger rehabilitiert. Das Landgericht H. das Landgericht M. erklärten die weiteren Verurteilungen sowie Entscheidungen am 21. Dezember 1993 bzw. am 15. November 1995 für rechtsstaatswidrig.

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In der Zeit von 1990 bis 1992 war er als Hausmeister für das Amt Q. tätig. Seit April 1997 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 20. September 1995 hatte er einen Rentenantrag bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt gestellt und zu seinem beruflichen Werdegang angegeben:

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September 1961 bis 1964 (Maurerlehrling im Eisenhüttenwerk T.; ohne Abschluss wegen Entlassung/Kündigung),

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Juli 1964 bis Juni 1965 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),

8

Juni 1965 bis Dezember 1967 (Haft),

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Januar bis Dezember 1968 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),

10

Januar bis Dezember 1969 (Produktionsarbeiter in der Stoßdämpferherstellung in H.),

11

Januar 1970 bis Juni 1971 (Transportarbeiter, Blechverarbeitung in T.),

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Juli 1971 bis Juli 1975 (Gleisbauer im VEB G. B.),

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Juli 1975 (Ausweisung aus der DDR),

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August 1975 bis 23. September 1975 (Staplerfahrer, Mineralölwerke F., M.),

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Oktober 1975 (arbeitslos),

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10. November 1975 bis 14. November 1975 (Tiefbauer, R. S., B.),

17

15. November 1975 bis 20. April 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-C.)

18

21. April 1976 bis 7. Mai 1976 (Tiefbauer, O. M., B.),

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10. Mai 1976 bis 10. September 1976 (Kabelwickler, AEG T., B.),

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15. September bis 21. September 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),

21

22. September 1976 bis 28. September 1976 (Kabelwickler, Kabelwerke E., B.),

22

29. September 1976 bis 24. Oktober 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-T.),

23

25. Oktober 1976 bis 3. November 1976 (Staplerfahrer, F. W. Werkzeugmaschinen B.),

24

4. November bis 16. November 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),

25

November 1976 bis November 1977 (Haft),

26

November 1977 bis Januar 1978 Aufnahmelager M.,

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9. Januar 1978 bis 30. April 1978 (Staplerfahrer, V. GmbH, S.),

28

Mai 1978 bis Dezember 1980 (Anlagenfahrer, Kali Salzbergwerke L.),

29

Januar bis September 1981 (Staplerfahrer, Fa. S. B.),

30

August bis September 1981 (Aufnahmelager K.),

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5. bis 16. Oktober 1981 (Justierer, VEB Q.),

32

26. Oktober bis 1. Dezember 1981 (Lackierer, Walzengießerei Q.),

33

14. bis 31. Dezember 1981 (Bogenfänger, Diagrammdruck Q.),

34

Januar 1982 (arbeitslos),

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17. Februar bis 11. April 1982 (Hausmeister, N. A.),

36

26. April bis 26. Juli 1982 (Betriebshandwerker, DGH Fruchtsäfte R.),

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August 1982 (arbeitslos),

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13. September bis 17. November 1982 (Verlader, VEB H. Gipswerke R.),

39

18. November 1982 bis April 1983 (Haft),

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9. Mai bis 18. August 1983 (Möbelarbeiter, VEB M. E.), 16. September bis 30. November 1983 (Arbeiter, VEB Z. O.),

41

15. Dezember 1983 bis 10. August 1984 (Tapetenwickler, Papierfabrik W.),

42

September 1984 bis 8. April 1985 (Tiefbauer, VEB K. Q.), 28. Mai bis 23. August 1985 (Farbspitzer, VEB P. T.),

43

18. September 1985 bis 12. Dezember 1989 (Verlader, T.),

44

30. Januar bis 28. Februar 1990 (Polierer, O. GmbH H.),

45

März 1990 bis 27. Mai 1990 (arbeitslos),

46

28. Mai 1990 bis Juli 1992 (Hausmeister, Amt Q.), 29. Juli bis 31. Dezember 1992 (Schlosser, GFA T.),

47

Seit 1. Januar 1993 bis 31. August 1995 (arbeitslos),

48

Seit 1. September 1995 (Tiefbauer, ABM-Maßnahme im B. Stadtverwaltung),

49

Seit 6. September 1995 (erkrankt).

50

Mit Bescheid vom 2. April 1998 wurde der Kläger als Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt und als Verfolgungszeiten anerkannt:

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März 1964 bis 26. Juli 1975,

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15. November 1975 bis 5. Februar 1976,

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17. November 1976 bis 16. November 1977,

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15. August 1981 bis 02. Oktober 1990.

55

Der Kläger stellte am 9. August 1994 beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). Nach Einholung medizinischer Unterlagen erstattete Privatdozent Dr. G. ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 17. Dezember 1994 und führte aus: Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er sei schon immer ein Eigenbrödler gewesen, habe sich seit seiner Jugend von anderen zurückgezogen und keine Freundschaften geschlossen. In seinem Kontaktverhalten habe es daher schon immer Probleme gegeben. Rückblickend könne seine Lebensgeschichte als ein ständiges Ringen um die Gestaltung sozialer Kontakte und Beziehungen und gleichzeitig als die Geschichte des Scheiterns dieses Bemühens gesehen werden. In den zahlreichen aus Beziehungskonflikten resultierenden Krisensituationen reagiere der Kläger bis zuletzt fremd- oder autoaggressiv. Dieser Verarbeitungsmodus sei jedoch keine Haftfolge, wie der Kläger vermute. Aktuell seien keine krankheitswertigen Befunde zu erheben. Insbesondere seien weder eine Angst- noch eine phobische Symptomatik festzustellen. Mit Bescheid vom 30. März 1995 lehnte der Beklagte einen Versorgungsanspruch ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1997 zurück und hielt einen Ursachenzusammenhang zwischen den Inhaftierungen und den psychischen Problemen des Klägers für nicht nachgewiesen. Hiergegen richtete sich die am 21 Juni 1997 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangene Klage (S 1 VU 58/97), die mit Urteil vom 20. Januar 2001 abgewiesen wurde. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 5 VU 8/01) ein. Das LSG hatte Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens von Professor Dr. F. vom 13. Januar 2003. Gegenüber dem Sachverständigen hatte der Kläger angegeben: Er sei bei seiner Mutter sowie seinen Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, einen russischen Offizier habe er persönlich nie kennengelernt. Als er fünf Jahre alt war, habe seine Mutter den Stiefvater geheiratet. Ab dem Jahr 1953 habe er die Schule besucht, den Abschluss der sechsten Klasse erreicht, jedoch keine besonders guten Leistungen erzielt. Zum psychischen Befund hat der Sachverständige mitgeteilt: Beim Kläger bestehe eine dysphorisch gereizte Grundstimmung. Er habe weitschweifig und umständlich sowie mit streckenweise deutlich emotionaler Betroffenheit über seine Beschwerden und seine Lebensgeschichte berichtet. Dabei sei es ihm kaum möglich, inneres Erleben sowie Gefühle differenziert zu beschreiben. Im Denken sei er verlangsamt und konzentrationsgemindert. Auffällig sei eine nahezu zwanghafte Beschäftigung mit dem Thema seiner Inhaftierung sowie seiner Lebensbeeinträchtigung durch die Staatssicherheit. Auch bestehe bei ihm eine klare Opferidentität. Auffällig sei eine misstrauische bis fast paranoid anmutende Haltung gegenüber Autoritäten und staatlichen Stellen. Zudem gebe es Hinweise für eine verminderte Frustrationstoleranz sowie gelegentliche Impulskontrollverluste in autoaggressiver sowie in fremdaggressiver Form. Diagnostisch sei von einer Persönlichkeitsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung sowie von Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen, die jeweils auf seine Inhaftierung aus den Jahren 1965 bis 1967 zurückzuführen seien. Schon vor der Inhaftierung habe es bezüglich der Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich Besonderheiten wie ein eigenbrödlerisches und trotziges Verhalten gegeben. Angesichts des frühen Inhaftierungszeitpunkts mit 18 Jahren sei jedoch davon auszugehen, dass er noch keine vollständige Erwachsenenidentität ausgebildet hatte. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich ohne die Haftstrafe eine vergleichbare Persönlichkeitsstörung entwickelt hätte. Die seit Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit sei allenfalls als mittelbare Folge anzusehen und stehe eher im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Spaltungsphänomene, wie sie eine Borderline-Störung voraussetzen würde, seien bei ihm nicht eindeutig nachweisbar. Sollte es während der späteren Haftzeit noch einen Entwicklungsrückstand gegeben haben (so Gutachten aus dem Jahr 1963) dürften sich die verschärften Haftbedingungen mit Isolierung noch schwerwiegender ausgewirkt haben. Das Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich vom 31. März 2004. Zu Gunsten des Klägers wurde eine stärker behindernde Persönlichkeitsstörung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG anerkannt sowie ab dem 1. August 1994 eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 von 100 gewährt (vgl. auch Ausführungsbescheid des Beklagten vom 16. April 2004).

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In einem vom Beklagten eingeholten Arztbrief berichtete die Leitende Ärztin Dipl.-Med. K. (N. Anstalten): Der Kläger sei wegen Suizidversuchen wiederholt stationär behandelt worden (1983, 1991, 1995 bis 1996). Er fühle sich als Versager und Verlierer gegenüber dem gesellschaftlichen System. Wegen aktueller Eheprobleme und Auseinandersetzungen mit behördlichen Stellen habe er keine Kraft, eine Therapie anzugehen. Die Entlassung erfolgte am 30. Januar 1996 in unbefriedigendem, jedoch arbeitsfähigem Zustand. Nach einem REHA-Bericht der M.-Klinik F. berichtete Dr. Dr. R. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 27. März bis 17. April 1997. Hiernach sei der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Diagnostisch sei von einer schweren, als dauerhaft einzuschätzende Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline auszugehen. Diese sei durch eine erhebliche psychische bzw. emotionale Instabilität geprägt und von aggressiven sowie autoaggressiv-suizidalen Impulsdurchbrüchen begleitet. Daneben bestehe ein sekundärer Alkoholmissbrauch. Hinzu kämen Einschränkungen des Bewegungsapparates wegen eines chronischen, belastungsabhängigen lumbalen Schmerzsyndroms. Nach Angaben des Klägers komme er nicht mehr zurecht. Zu Hause gäbe es häufige, mitunter von ihm tätlich geführte Auseinandersetzungen mit der zweiten Ehefrau (Heirat: 1983). Beispielsweise habe er ein Gebäude seiner Großeltern angezündet. Auf dem Arbeitsamt habe er z.B. einen Schreibtisch eines Sachbearbeiters umgekippt. Es habe bereits etliche Suizidversuche gegeben. Gerade unter Alkoholeinfluss komme es bei ihm zu Fehlreaktionen. Während der Behandlung habe eine deutlich depressive Verstimmung vorgelegen. Aufgrund der Störung könne der Kläger keine ausreichende Alltagsbeständigkeit und Stabilität herstellen. Für eine Erwerbsfähigkeit fehle es an einer ausreichenden Belastbarkeit. Seit dem Jahr 1997 bezog der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Rentenversicherungsträger beauftragte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. mit einem Gutachten vom 28. April 2003, der zur Frage des Fortbestehens der Erwerbsunfähigkeit mitteilte: Der Kläger habe angegeben, am 2. Juni 2002 überfallen worden zu sein. Er habe einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei wahrscheinlich zeitweise bewusstlos gewesen. Der Überfall habe auch zu Verletzungen an der rechten Schulter geführt. Die erste Ehefrau habe ihn für die Staatssicherheit der DDR bespitzelt. Im Jahr 1965 sei er erstmals bei einem Nervenarzt in Behandlung gewesen. In der Haft sei er teilweise "ausgeflippt" und habe aggressiv reagiert. Auch sei es zu einem Suizidversuch in dieser Zeit gekommen. Während seines Aufenthaltes in der BRD (1976 bis 1977) sei er ständig nervenärztlich bei Dr. P. behandelt worden. Im Jahr 1985 sei es nach einem Suizidversuch zu einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus B. und später häufig zu entsprechenden Aufenthalten in der Psychiatrischen Abteilung in N. gekommen. Aufgrund der psychischen Probleme habe er verstärkt Alkohol getrunken. Dem Kläger sei es nicht gelungen, das Zeitgitter seines Lebenslaufs darzustellen. Er verharre dabei teilweise, wirke während der gesamten Untersuchungssituation äußerst agitiert, teilweise auch zerfahren und unsicher. Das EEG habe einen leichten Herdbefund ergeben, was für eine gewisse hirnorganische Komponente sprechen könnte, die weiter aufzuklären sei. Diagnostisch bestehe eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, eine leicht bis mittelgradige depressive Episode sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. In neurologischer Hinsicht zeigten sich keine eindeutig krankhaften Befunde. In psychischer Hinsicht bestehe ein deutlicher Leidensdruck. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich selbst zu steuern und habe teilweise leichte Störungen in der Konzentration. Er könne aktuell weder in seinem Beruf noch anderweitig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden.

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Von Amts wegen nahm der Beklagte eine Prüfung zu den Voraussetzungen eines BSA vor. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Oktober 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger einen BSA und legte als Vergleichsberuf den des Hausmeisters zu Grunde. Darüber hinaus stellte der Beklagte eine besondere berufliche Betroffenheit fest und erhöhte die Gesamt-MdE von 30 auf 40 vom 100 ab dem April 1997.

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Am 31. März 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides. Nach seiner Bewertung müsse als Vergleichsberuf nicht der Hausmeister, sondern der des Maurers zu Grunde gelegt werden. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2006 ab. Die begonnene Maurerlehre habe der Kläger aus politischen Gründen und nicht wegen der anerkannten Schädigungsfolgen als Folgen nach dem StrRehaG aufgeben müssen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 zurück.

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Hiergegen hat der Kläger am 19. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und geltend gemacht: Er sei ca. ein halbes Jahr vor dem Abschluss seiner Lehre gedrängt worden, diese Berufsausbildung abzubrechen, weil er eine politische Straftat begangen habe. In der Folge habe er keine weitere Möglichkeit gehabt, diese Lehre fortzusetzen bzw. neu zu beginnen. Nicht nur aufgrund politischer Verfolgungsmaßnahmen, sondern aufgrund der rechtsstaatswidrigen Strafverfolgungsmaßnahmen sowie der damit verursachten Gesundheitsstörungen sei er gehindert gewesen, den angestrebten und fast zu Ende geführten Ausbildungsberuf als Maurer abzuschließen.

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In der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2010 hat der Kläger wörtlich erklärt:

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"Nach meiner Inhaftierung habe ich nur Hilfsarbeiten ausgeführt. Ich habe die Arbeitsstelle auch häufig gewechselt. Ich war immer sehr nervös und teilweise auch aggressiv, so dass mir auch gekündigt worden ist. Ich habe nur sehr einfache Tätigkeiten ausgeübt. So habe ich oft Kohle geschippt oder Blätter gezählt. Als ich als Betriebshandwerker bzw. Hausmeister tätig war, habe ich überwiegend geheizt und teilweise auch kleinere Reparaturen ausgeübt, wenn beispielsweise ein Stuhl kaputt war oder ein Kinderfahrrad. Ich habe auch Gartenarbeiten verrichtet. Die einzige Ausbildung, die ich noch absolviert habe, war mein Gabelstaplerschein. Weitere Ausbildungen habe ich dann nicht begonnen. Wenn ich gefragt werde, weshalb meine Tätigkeit als Maurer nicht möglich gewesen sein soll, so kann ich dazu sagen, dass ich kein Durchhaltevermögen gehabt habe und mich auch nur sehr schlecht konzentrieren konnte. Darüber hinaus habe ich auch Kreuzschmerzen gehabt, was auch auf die Haft zurückzuführen ist, da ich dort teilweise nur sitzen musste und nicht liegen durfte."

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Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrisch-psychosomatischen Fachgutachtens von Frau Dr. H. vom 9. Juli 2010, in dem die Sachverständige ausgeführt hat: Der Kläger habe angegeben, er habe den Führerschein, fahre jedoch aufgrund seiner Nachtblindheit nicht mehr. Als Medikamente nehme er Doxepin, Mirtazapin und seit Jahren Planum ein. In den ersten fünf Lebensjahren sei er bei seiner Mutter und den Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, der Offizier der sowjetischen Streitkräfte gewesen sei, habe er persönlich nie kennengelernt. Später habe er versucht, Kontakt zur Familie des Vaters aufzunehmen. Diese Ermittlungen hätten ergeben, dass die väterliche Familie in der Ukraine wohne, jedoch der leibliche Vater inzwischen verstorben sei. Zu den Großeltern habe ein gutes Verhältnis bestanden. Bereits zu dieser Zeit sei er ein Einzelgänger gewesen. Insbesondere habe er nie "so intensive Freunde gehabt". Er sei gern allein, gehe viel in die Natur und nutze seinen Bungalow im Harz. Von 1969 bis 1971 sei er in erster Ehe verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe seien zwei Söhne (1969 und 1971) hervorgegangen. Die Ehe sei wegen einer Außenbeziehung der Ehefrau geschieden worden. Nach der Scheidung sei dem Kläger und der Ehefrau je ein Sohn zugesprochen worden. 1975 habe er seinen Sohn nach einer Ausweisung aus der DDR zurücklassen müssen. Seit 1983 sei er in zweiter Ehe verheiratet. Im Jahr 1983 habe er das Leben noch genossen und anfangs mit den Kindern Spaß gehabt. Mit seiner Frau fahre er regelmäßig zu selbst finanzierten Kuren nach K. Beruflich habe er die POS besucht und 1961 mit Abschluss der achten Klasse beendet. Das Lernen sei ihm schwer gefallen. Die Lehrer hätten ihm den vorzeitigen Schulabgang empfohlen. Im Jahr 1961 habe er eine Maurerlehre begonnen. Wegen einer politisch motivierten Bemerkung, die er in die Verfassung der DDR im Unterricht geschrieben habe, sei er in Haft geraten. Nach der Haftentlassung sei er aus der Lehre gedrängt worden und habe als ungelernte Hilfskraft in einem Walzwerk weiter gearbeitet. In dem Beruf als Maurer habe er keine Arbeit mehr gefunden.

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Zum psychischen Befund hat die Sachverständige ausgeführt: Die Stimmungslage des Klägers sei depressiv verbittert. Er zeige ein gesteigertes Misstrauen sowie eine gesteigerte Impulsivität. Sein Antrieb sei dagegen nicht beeinträchtigt. Es bestehe auch kein Anhalt für ein psychotisches sowie psychosenahes Erleben. Der Kläger sei auf seine Opferrolle fixiert und berichtete über frühere Traumatisierungen, ohne emotionalen Abstand gewinnen zu können. Sein Konzentrationsvermögen sei leicht beeinträchtigt. Dem Gesprächsverlauf habe er ausreichend konzentriert folgen können. Nach dem SKT sei von einer leichten kognitiven Leistungsstörung auszugehen. Nach dem MWT-B habe der Kläger einen Intelligenzquotienten von 93 erreicht, was im durchschnittlichen Bereich liege. Diagnostisch bestehe eine andauernde Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Anteilen nach Extrembelastung sowie eine rezidivierende depressive Störung. Aus den vorliegenden Unterlagen, den Angaben des Klägers sowie der Gewichtung der Diagnosen bestehe kein Anhalt dafür, warum der Kläger aus medizinischen Gründen gehindert gewesen sei, in dem Beruf als Maurer zu arbeiten. Seine Erkrankungen hätten zu Zeiten von Arbeitsunfähigkeit geführt, die jedoch berufsunabhängig gewesen seien. In nicht depressiven Phasen habe keine Einschränkung für das Leistungsvermögen als Maurer vorgelegen. Die aus der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung resultierende Leistungseinschränkung wie Verlust der inneren Ruhe, Misstrauen, aggressive sowie autoaggressive Impulsdurchbrüche, Schlafstörungen und Albträume schlössen eine Maurertätigkeit nicht aus. Weitergehende Leistungseinschränkungen, die lediglich noch Hilfsarbeitertätigkeiten, jedoch nicht Maurertätigkeiten zulassen, seien medizinisch nicht begründbar. Die für den Maurerberuf gestellten mittelschweren geistigen Anforderungen, könne er erfüllen. Durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit könne der Kläger genügen. Lediglich im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein hätten bei akuten Kränkungen oder emotionalen Überlastungen Gefährdungen auftreten können. Derartige psychische Belastungssituationen seien jedoch beim Kläger nie im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit dokumentiert worden. Ihm sei ein Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck oder häufigem Publikumsverkehr möglich gewesen. Sein räumliches Vorstellungsvermögen sei nicht beeinträchtigt. Gleiches gelte auch für die Flexibilität. So habe er in seiner jeweiligen Lebenssituation immer wieder Veränderungen herbeigeführt oder zumindest ausgehalten. Seine Befähigung zur Gruppenarbeit sei zwar eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Aufgrund des jugendlichen Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Inhaftierung spreche sehr viel für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Inhaftierung und der beschriebenen Leistungseinschränkung. Gegen die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs spreche, dass ein eindeutiger Kausalnachweis nicht zu führen ist.

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Mit Urteil vom 11. November 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen sei der Kläger trotz der schädigungsbedingten Folgen in der Lage gewesen, den Beruf des Maurers auszuüben. Entgegen seiner Behauptung habe er durchaus über längere Zeiträume beispielsweise seine Tätigkeit als Hausmeister bewältigen können. Auch diese Tätigkeit erfordere eine Fähigkeit zur Konzentration auf bestimmte Arbeitsabläufe. Die Tatsache, dass der Kläger zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen darin gehindert war, seine Ausbildung abzuschließen, könne im Anwendungsbereich des BVG keine Berücksichtigung finden.

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Gegen das ihm 17. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Januar 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt und ergänzend ausgeführt: Das Gutachten von Dr. H. sei nicht nachvollziehbar, da sie selbst davon ausgegangen sei, dass durch die Inhaftierung eine wesentliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Nach Ansicht des Klägers sei der Nichtabschluss der Maurerlehre auf die durch die Haft bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Unterlagen wie Zeugnisse oder ähnliches könne er nicht mehr vorlegen.

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Der Kläger hat in einem handschriftlich verfassten Schreiben vom 12. April 2012 u.a. wörtlich ausgeführt: "Ich konnte den Beruf Maurer nie mehr ausüben erst durch Krankheit nicht, dann wurde er mir verwehrt." Nach einem Wechsel der Prozessvertretung hat die neue Prozessbevollmächtigte ergänzend ausgeführt: Die Aussagekraft der Gutachterin Dr. H. sei anzuzweifeln, da sie nicht hinreichend neutral sei. So habe sie angegeben, der Kläger sei auf die Opferrolle fixiert und nicht in der Lage, mit emotionalem Abstand über die früheren Traumatisierungen zu berichten. Die Schwere der psychischen Schädigung zeige sich beim Kläger daran, dass er infolge der ersten Haft ein suizidales Verhalten entwickelt habe. So sei es am 11. Januar 1977 zu einem ersten Suizidversuch gekommen. Diese Suizidneigung habe sich im Laufe der dritten Inhaftierung so verschlimmert, dass er bereits im Februar 1977 einen weiteren Suizidversuch unternommen habe. Die chronische Suizidalität sowie die Persönlichkeitsstörung hätten zu einer langfristigen Alltagseinschränkung geführt. An ein normales Leben sei für den Kläger nicht zu denken gewesen. Dass er in Phasen im Anschluss an Inhaftierungen lediglich einfachere handwerkliche Hilfstätigkeiten ausgeübt habe, sei nicht nur auf die erschwerten politischen Bedingungen, sondern auch auf seine schädigungsbedingt verminderte psychische Belastbarkeit zurückzuführen. Auch Prof. Dr. F. habe in seinem Gutachten von einer leichten geistigen Entwicklungsverzögerung berichtet. Durch die haftbedingten Folgen sei es ihm nicht möglich gewesen, die Lehre als Maurer wieder aufzunehmen bzw. abzuschließen. Der Kläger sei auch außerhalb der Haft ständiger Überwachung und Kontrolle und dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, sich staatsfeindlich zu betätigen oder anderweitig strafbar gemacht zu haben Er habe sein Leben in keiner Weise planen können. Im Gegensatz zum Beruf des Hausmeisters müsse der Maurer wesentlich komplexere Aufgabenbereiche bewältigen. Beispielsweise sei das Einrichten und Absichern von Baustellen, die Herstellung von Bauwerken sowie das Einbauen von Isolier- und Dämmstoffen vorzunehmen, was neben handwerklichem Geschick ein hohes Maß an Konzentrationsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit erfordere. Auch müssten zur Durchführung der Tätigkeiten Absprachen mit anderen vorgenommen werden, was wiederum eine Teamfähigkeit und besondere Zuverlässigkeit voraussetze. Der Verantwortungsbereich und das persönliche Anforderungsprofil eines Hausmeisters seien daher weitaus geringer als bei einem Maurer. Die Hausmeistertätigkeit habe der Kläger erst im Jahr 1990 aufgenommen, als sich die psychischen Beschwerden bereits erheblich verschlechtert hatten. Die Annahme der Gutachterin, es hätten keine Leistungseinschränkungen bestanden, die ihn am Erlernen bzw. Ausüben des Maurerberufs gehindert hätten, sei vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Die Aussage der Gutachterin zur Gruppenarbeit sei nicht nachvollziehbar. So benötige der Beruf des Maurers eine weitaus stärker ausgeprägte Teamfähigkeit als dies beim Hausmeister der Fall sei. Nach dem medizinischen Gutachten von Dr. E. vom 28. April 2003 habe sich der Kläger autoaggressiv und fremdaggressiv verhalten, wobei es regelmäßig zu Konflikten im sozialen Umfeld gekommen sei. Dies führe nach Dr. E. dazu, dass er nicht in der Lage sei, einem Beruf auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Gerade die Fortsetzung und Beendigung der Maurerlehre habe jedoch die Fähigkeit vorausgesetzt, kontinuierlich berufliche Leistungen zu erbringen. Die beim Kläger vorhandene Entwicklungsverzögerung könne als prämorbide Krankheitsdisposition gesehen werden, die als wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt zu bewerten sei. Wegen des großen Nachholbedarfs an Bauleistungen hätte der Kläger durchaus eine realistische Chance gehabt, nach 1990 den Beruf des Maurers zu ergreifen, wenn er nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen wäre.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 28. Oktober 2004 Berufsschadensausgleich ab 1. April 1997 nach dem Vergleichseinkommen eines Mauers zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

71

Er hält seine Entscheidung sowie das angegriffene Urteil für rechtmäßig. In erster Linie hätten den Kläger die Maßnahmen der politischen Verfolgung daran gehindert, den Berufsabschluss als Maurer und eine darauf gerichtete Berufstätigkeit auszuüben. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung sei er bereits 43 Jahre alt gewesen und habe sich den Verhältnissen des Arbeitsmarktes anpassen müssen. Im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit habe sich seine eingeschränkte Konfliktfähigkeit nie bei der Berufsausübung bemerkbar gemacht. Den Kläger treffe im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die objektive Beweislast.

72

Die Sachverständige Dr. H. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 8. März 2013 ausgeführt: Die vom Kläger aufgeführten Sachverhalte sowie zeitlichen Zusammenhänge habe sie bereits berücksichtigt. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe nicht automatisch zu einer Leistungsunfähigkeit. Es gebe keine spezifischen Berufe, welche aufgrund einer Persönlichkeitsstörung mit einer Berufsunfähigkeit verbunden wären. Unter Beachtung der individuellen Symptomatik und Leidensgeschichte sei es möglich, bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen eine Leistungsunfähigkeit abzuleiten. Dies setzte jedoch eine akute Symptomatik voraus. Retrospektive Bewertungen, wie sie im vorliegenden Fall vorzunehmen wären, seien dagegen nicht möglich. Vielmehr könne die Gutachterin nur die vorliegenden Unterlagen sichten und prüfen, ob zum damaligen Zeitpunkt eine Leistungsunfähigkeit bestanden habe. Der Hinweis auf die Suizidalität und das daraus abgeleitete Unvermögen des Klägers, die Ausbildung zum Maurer abzuschließen und auszuüben, sei nicht tragfähig. Akute Suizidalität hätte beim Kläger jede berufliche Tätigkeit ausgeschlossen. Es ergebe sich aus den Unterlagen, dass nach Abklingen der Symptomatik eine kontinuierliche Berufstätigkeit stabilisierend gewirkt habe. Gleiches gelte für die Team- und Konfliktfähigkeit. Es fänden sich keine Hinweise, dass der Kläger nach einer Haftentlassung oder später unfähig gewesen sei, sich in ein Team zu integrieren. Seine Behauptung, er sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, die Lehre des Maurers zu beenden, bleibe ein bloßer Gedanke. Einen konkreten Arbeitsversuch als Maurer habe es nie gegeben. Die vom Kläger geltend gemachten Entwicklungsverzögerungen bezögen sich auf den Zeitpunkt vor seiner ersten längeren Inhaftierung. Trotz dieser Verzögerungen habe der Kläger die Maurerausbildung zunächst termingerecht absolviert. Eine Debilität bestehe dagegen nicht. Vielmehr sei sein intellektuelles Leistungsvermögen durchschnittlich. Auch sei mitgeteilt worden, die "spielerische Veranlagung" des Klägers habe sich im zweiten und dritten Lehrjahr gebessert. An der bisherigen Einschätzung sei daher festzuhalten.

73

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 hat der Kläger erklärt, er sei mit der Beiziehung seiner Stasi-Akten einverstanden. Weitere Unterlagen über seine Schul- und Lehrjahre habe er nicht. Nach Vertagung des Rechtsstreits hat der Senat die Stasi-Akte des Klägers beigezogen und das umfassende Aktenkonvolut von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – Außenstelle H. – zur Gerichtsakte genommen.

74

Hierin finden sich auszugsweise folgende Unterlagen:

75

In einer vom Kläger unterschriebenen Beschuldigtenvernehmung vom 1. Juni 1965 hat er auf Seite 5 ausgeführt:

76

"1954 kam ich in die Grundschule in T. und wurde 1961 aus der Grundschule mit Abschluss der 6. Klasse entlassen. In den Fächern Deutsch und Russisch hatte ich schlechte Zensuren. Nach meiner Schulentlassung erlernte ich den Beruf eines Maurer in dem VEB E. T. Ich lernte dort 2 Jahre und brach dann die Lehre ab. Ich hatte keine Lust mehr zu diesem Beruf und wollte in die Landwirtschaft. Ich arbeitete dort ca. 4 Monate in der Papierfabrik W." ( )

77

"In meiner Freizeit beschäftige ich mit meinem Hund oder arbeite in dem Garten. Meine Mutter ist seit längerer Zeit wieder verheiratet. Ich verstehe mich mit dem jetzigen Mann meiner Mutter nicht. Dieser Mann schlug schon meinen Großvater. Mit meinen Großeltern verstehe ich mich."

78

In einer weiteren Beschuldigtenvernehmung vom 29. Juli 1965 hat der Kläger angegeben:

79

"Im September 1961 nahm ich im VEB E. T. die Lehre auf, um den Beruf des Maurers zu erlernen. Ich wurde aber den gestellten Anforderungen nicht gerecht und unterbrach die Lehre im Februar 1964, indem ich kündigte und diesen Betrieb verließ."

80

In einem Entwicklungsbericht über den Kläger vom 12. August 1965 führte die Jugendfürsorgerin aus:

81

"F. besuchte in T. die G.-S.-Oberschule bis zur 6. Klasse. Er wurde 1961 dort entlassen, nachdem er insgesamt 5 Mal sitzengeblieben war. Seine schulischen Leistungen waren kaum genügend. Gesamtverhalten und Betragen, Fleiß und Mitarbeiten zeigten die Note "4" auf. Während der Schulzeit erhielt F. fast ausschließlich negative Eintragungen." ( )

82

"Am 1. 9.1961 nahm F. die Lehre im Eisenhüttenwerk T. als Maurer auf. Auch hier trat F. nur negativ in Erscheinung. Er hatte im Lernkollektiv keine Freunde, blieb wiederum der Einzelgänger" ( )

83

"F. war faul, er bummelte den Unterricht in der Berufsschule, seine Leistungen lagen im Durchschnitt bei "5". F. bestand die Zwischenprüfung nicht. Obwohl ihm das Angebot gemacht wurde, diese – trotz Unzulässigkeit – zu wiederholen, wurde dies von ihm abgelehnt. Das Lehrverhältnis wurde im 3. Lehrjahr gelöst. Im Jahr 1962 unternahm F. mit anderen Jugendlichen den Versuch, die DDR illegal zu verlassen. Dieses Vorkommnis wurde in der Konfliktkommission der BBS des EHW T. ausgewertet. Von der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht wurde abgesehen. Als sich F. vor diesem größeren Kreis zu verantworten hatte, brachte er zum Ausdruck, dass er ungern den Beruf des Maurers ergriffen hätte. Ihm wäre mehr gelegen an einem Beruf an der frischen Luft, wie etwa Viehzüchter oder Schäfer."

84

In einer Beurteilung vom 11. August 1965 hat der Bauleiter B. angegeben:

85

"Der Jugendfreund K. zeigte mit Beginn seiner Lehrzeit schon wenig Interesse."

( )

86

"F. K. hat vom 1.9.1962 bis 20.2.1964 51 Fehltage im theoretischen Unterricht und 42 Fehltage im praktischen Unterricht aufzuweisen." ( )

87

"Während seiner Anwesenheit, besonders im theoretischen Unterricht hat F. dann noch den Unterricht wiederholt gestört, in dem er z.B. die für den Unterricht ausgegebene Literatur (Verfassung) beschmutzte und mit unsachlichen Bemerkungen versah. Daraufhin wurde die Lösung des Lehrverhältnisses zum Ende des Monats Februar 64 beantragt und vom Rat des Kreises zugestimmt."

88

In einer Zeugenvernehmung vom 4. August 1965 hat die Mutter des Klägers G. L., geborene K., angegeben:

89

"Besondere Erziehungsschwierigkeiten mit meinem Sohn habe ich seit Beginn seiner Lehre 1961, weil er seit dieser Zeit desöfteren seine Arbeit bummelte. Er hatte schon zur Erlernung des Maurerhandwerks keine Lust und gab mir und meinem Ehemann Schuld, dass wir nicht entsprechend seinen Wünschen gehandelt hätten, damit er Tierpfleger werden könnte. Seine Vorstellung war immer, eine Tätigkeit zu verrichten, bei der er gute Verdienstmöglichkeiten hat, obwohl er seine Lehre nicht abschloss und beruflos ist." ( )

90

"Da er mit Unlust den Anforderungen eines Maurerlehrlings nachkam und er ständig bummelte, wurde seine Lehre nach drei Jahren unterbrochen, weil Bedenken bestanden, dass er die Lehre nicht besteht."

91

Auf einen gerichtlichen Hinweis über den Inhalt der Stasi-Akten hat der Kläger geltend gemacht: Diese Unterlagen dürften nur mit einem zeitkritischen Abstand gewürdigt werden. Es sei unzutreffend, dass die Eltern des Klägers ihn gegen seinen Willen in die Maurerlehre gedrängt hätten. Es habe zwar den Berufswunsch zum Tierpfleger gegeben. Hierbei müsse jedoch die beschränkte Berufswahlfreiheit in der DDR beachtet werden. Die aus den Unterlagen erkennbaren Bummelein, Fehlzeiten und Leistungsdefizite seien durch das Ausbildungsumfeld und das Arbeitsklima hervorgerufen worden. Es mag sein, dass es familiäre Konflikte gegeben habe, diese stünden jedoch mit der Beendigung der Maurerlehre in keinem Zusammenhang. In einer schriftlichen Erklärung von Frau G. L. vom 2. März 2014 hat diese angegeben: Eine Alternative zur Berufsausbildung zum Maurer habe es nicht gegeben. Von daher sei der Kläger auch nicht von seinen Eltern in diesen Beruf gedrängt worden. Nur der erhebliche politische Druck der Stadtsicherheitsorgane habe zur Aufhebung des Lehrvertrages geführt. Innerfamiliäre Konflikte habe es dagegen überhaupt nicht gegeben. Die am 28. Februar vorzeitig beendete Maurerlehre hätte regulär am 31. Juli 1964 ihren Abschluss bekommen. Es sei nicht einsichtig, weshalb der Kläger fünf Monate vor dem planmäßigen Ende diese Ausbildung aufgegeben haben solle.

92

Der Beklagte hat geltend gemacht: Das Ausbildungsverhältnis habe zum Zeitpunkt der ersten Inhaftierung im Juni 1965 bereits nicht mehr bestanden. Es könne daher nicht zu einem schädigungsbedingten Abbruch der Maurerlehre gekommen seien. Vielmehr seien es politische Gründe gewesen, die zur vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses geführt hätten.

93

Am 7. Februar 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Halle einen Antrag wegen überlanger Verfahrensdauer gestellt und behauptet, die lange Verfahrensdauer habe seine Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen und führe zu einem Entschädigungsanspruch.

94

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die Gerichtsakte L 5 VU 8/01 sowie Auszüge der Rentenakte und die sog. Stasiakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

95

Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.

96

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 rechtmäßig ist, insbesondere, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Bescheid vom 28. Oktober 2004, mit dem er beim Kläger als Vergleichsberuf den Hausmeister festgelegt hat, auf den Beruf des Maurers abzuändern und ein entsprechender BSA zu zahlen ist. Diesen Anspruch hat der Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemacht.

97

Die vom Kläger angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 30 Abs. 3, 4 Satz 1 und 5 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlass rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch wenn er unanfechtbar geworden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier nicht vor, denn dem Kläger steht kein BSA auf der Grundlage der Vergleichsgruppe des Maurers zu.

98

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, BSA. Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung. Was unter Einkommensminderung bzw. Einkommensverlust zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in § 30 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 5 BVG. Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Das Vergleichseinkommen, das höher sein muss als das derzeitige Einkommen, ist nach § 30 Abs. 5 BVG zu errechnen, d.h. auf statistischer oder tariflicher Grundlage "aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder der Wirtschaftsgruppe, der der Beschäftigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte". Die Fassung des Gesetzes - "ohne die Schädigung" - zeigt, dass der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg von der Zeit an nachgezeichnet werden muss, zu der die Schädigung i.S. des § 1 Abs. 1 BVG stattgefunden hat. Grundsätzlich ist deshalb zur Ermittlung der maßgeblichen Berufsgruppe von dem Beruf auszugehen, aus dem der Beschädigte durch die Schädigung verdrängt worden ist. Dieser Beruf einschließlich der Entwicklung, die ein Nichtbeschädigter in diesem Beruf genommen hätte, ist Vergleichsgrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1998, B 9 V 10/97 R, juris). Maßgeblich ist daher, ob der Kläger unter Berücksichtigung seiner weiteren beruflichen Entwicklung ab Eintritt der Schädigungsfolgen Maurer geworden wäre. Im Falle eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X ist davon auszugehen, dass eine antragsgemäße Einstufung erfolgen kann, wenn ein entsprechender hypothetischer Berufsverlauf entgegen einer früheren bestandskräftigen Ablehnung doch wahrscheinlich ist. Er braucht nicht gewiss zu sein (vgl. BSG a.a.O.). Insoweit gilt für die hypothetische Bestimmung eines Berufswegs nichts anderes als in Erstantragsfällen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG wo es heißt: "wahrscheinlich". Für die Aufhebung eines eine Leistung ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X müssen nur die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein, die hier lediglich Wahrscheinlichkeit voraussetzen (vgl. BSG a.a.O.). Wahrscheinlichkeit ist auch im Sinne des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann. Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die dieser Beurteilung zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen vielmehr erwiesen sein. Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer, d.h. gedachter, Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert. Dafür muss er ab dem Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden, wofür insbesondere die berufliche Entwicklung, die der Betreffende genommen hätte, d.h. welchen Beruf er heute hätte, zu berücksichtigen ist (vgl. BSG a.a.O.).

99

Bei der Prognose, wie sich die berufliche Entwicklung des Klägers ohne die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen weiter entwickelt hätte, hält es der Senat unter Würdigung der Gesamtumstände für unwahrscheinlich, dass er ohne die haftbedingten Schädigungsfolgen den Beruf des Maurers erlernt und den Ausbildungsberuf des Facharbeiters abgeschlossen hätte.

100

Zunächst ist es nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. H. eher unwahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Folgen der haftbedingten gesundheitlichen Schädigung dem Kläger die Fortsetzung und den Abschluss der Ausbildung zum Maurer verwehrt haben. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der haftbedingten Gesundheitsschädigung und der Nichtaufnahme der Maurerlehre samt Abschluss ist nicht wahrscheinlich zu machen. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon auszugehen wäre, dass er aus rein politischen Gründen aus der Lehre herausgedrängt worden sei, befand er sich zum Zeitpunkt der ersten schädigungsrelevanten Inhaftierung im Jahr 1965 schon nicht mehr in diesem Lehrverhältnis. Maßgeblich ist daher nur die Frage, ob die seit 1965 aufgetretenen haftbedingten Gesundheitsschäden ihn an der Aufnahme und dem Abschluss der Maurerlehre gehindert haben. Hierbei steht außer Frage, wie die Sachverständige Dr. H. ausgeführt hat, dass der Kläger in psychiatrischen Akutphasen z.B. nach Suizidversuchen zeitweise generell unfähig war, jeder beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dies gilt jedoch nicht nur für eine Tätigkeit als Maurer bzw. für eine Ausbildung zum Maurer, sondern praktisch für jede berufliche Tätigkeit. Die Sachverständige Dr. H. vermochte in ihrem Gutachten beim Kläger schädigungsbedingt weder eine völlige Teamunfähigkeit noch ein unterdurchschnittliches intellektuelles Leistungsvermögen feststellen oder zumindest wahrscheinlich machen. Vielmehr hielt sie den Kläger in Auswertung der medizinischen Befunde für grundsätzlich befähigt, den Beruf des Maurers trotz der schädigungsbedingten Folgen auszuüben. Die Annahme des Klägers, er sei durch die haftbedingten Schädigungen daran gehindert gewesen, den Maurerberuf zu erlernen, bleibt daher lediglich eine auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung abzielende Behauptung, die trotz umfassender Ermittlungen des Senats nicht wahrscheinlich zu machen ist. Überzeugend führte die Sachverständige Dr. H. aus, dass eine Persönlichkeitsstörung regelmäßig nicht dazu führen kann, dass ein Betroffener zwar Hilfstätigkeiten, jedoch keine Arbeiten eines Facharbeiters mehr ausführen könnte. Das Erkrankungsbild einer Persönlichkeitsstörung lässt eine derartige differenzierte Leistungsfähigkeit, z.B. zwischen einem Hausmeister und einem Maurer, nicht zu. Aus den von der Sachverständigen ausgewerteten Unterlagen spricht zudem einiges dafür, dass die beruflichen Tätigkeiten beim Kläger sogar zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes geführt haben. So hat es beim Kläger im beruflichen und privaten Bereich immer wieder weitgehend gesundheitlich unbeeinträchtigte Phasen gegeben. Die Sachverständige geht beim Kläger von einer Leistungsfähigkeit für mittelschwere geistige Tätigkeiten aus, die zur Erlangung des Maurerabschlusses notwendig gewesen wäre. Auch die persönlichen Schreiben des Klägers stützen diese Leistungsbewertung der Sachverständigen. So konnte er sein Anliegen jeweils zielorientiert und ohne signifikante Auffälligkeiten vertreten und sogar auf aktuelle Gesetzesänderungen (vgl. seine Verzögerungsrüge wegen überlanger Verfahrensdauer) durch zielgerichtete und anspruchsorientierte Anträge reagieren. Psychische Belastungssituationen, die allein im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit beim Kläger aufgetreten sind, sind nach Aktenlage und Auswertung durch die Sachverständige nicht dokumentiert. Der Kläger war trotz seiner Erkrankungen fähig, seine Lebenssituationen zu verändern und selbst schwierige Lebenssituationen auszuhalten.

101

Zudem spricht nach Würdigung der gesamten Aktenlage mehr dafür, dass die Nichtwiederaufnahme der Maurerlehre nach den anerkannten Verfolgungszeiten bis zum Jahr 1990 weniger gesundheitliche, sondern vielmehr andere Gründe gehabt haben dürfte. Der Kläger hat in seiner langen beruflichen Entwicklung und zahlreichen Berufswechseln keinen einzigen Versuch unternommen, in den fast abgeschlossenen Maurerberuf zurückzukehren. Hätte ein solcher Arbeitsversuch stattgefunden, wäre es weit eher möglich gewesen, ggf. eine schädigungsbedingte Einschränkung zur Maurerausbildung nachzuweisen. Hierzu ist es jedoch nie gekommen. Mag dies für die Zeit in der DDR noch wegen der Besonderheiten in der Berufswahl für politisch auffällige Personen - wie ihn - nachvollziehbar sein, kann dies für seine Zeit in der BRD (insbesondere in den Jahren 1977 bis 1981) so nicht gelten. Auch nach Beendigung der Verfolgungszeiten im Jahr 1990 hat es von ihm keine nachgewiesenen Versuche gegeben, eine weiterführende Ausbildung zu absolvieren. Diese Zurückhaltung, sich nochmals einer intensiven theoretischen Wissensverarbeitung zu stellen, erscheint vor dem schulischen Werdegang des Klägers auch nachvollziehbar. So hat er vor der Sachverständigen Dr. H. selbst angeben, dass ihm bereits in der Schule, d.h. zeitlich weit vor den ersten politischen Verfolgungsmaßnahmen der Sicherheitsorgane der DDR, das Lernen schwer gefallen sei und ihm sogar ein vorzeitiger Schulabgang empfohlen worden sei. Sein offenbar wenig ausgeprägtes theoretisches Interesse wird auch nach Auswertung der geprüften Stasi-Unterlagen deutlich. Nach dem Entwicklungsbericht von August 1965 ist er insgesamt fünf Mal sitzengeblieben und wurde in seinen schulischen Leistungen als kaum genügend bewertet. Diese durchweg schwache schulische Einschätzung des Klägers setzte sich bei Beginn der Lehre ab dem 1. September 1961 weiter fort. Auch während der Lehre wurden seine Leistungen als eher mangelhaft bezeichnet. Unabhängig von den genauen Umständen, die zur Auflösung des Lehrvertrages zum Maurer geführt haben, bestehen daher berechtigte Zweifel, ob der Kläger mit diesem wenig ausgeprägten theoretischen Interesse und der offenkundig geringen Motivation zu diesem Lehrabschluss, eine Maurerlehre überhaupt hätte erfolgreich abschließen wollen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund eines von ihm immer wieder geäußerten Berufswunsches zum Tierpfleger, der wegen der besonderen Umstände zu DDR-Zeiten nie erfüllt werden konnte. Die Maurerlehre war daher nach Aktenlage für den Kläger kein Wunschberuf. Es verwundert daher nicht, wenn er diesen "ungeliebten" Beruf nie wieder angestrebt und einen entsprechenden Abschluss zumindest versucht hat. Nach Ende der politischen Verfolgung im Jahr 1990 lag die angefangene Maurerlehre zudem bereits 26 Jahre zurück. Angesichts dieses zeitlich ganz erheblichen Abstands, dem bereits eingetretenen Verlust jeglicher Bindung zu dem ursprünglichen Berufsbild und dem deutlich vorgerückten Alter des Klägers von über 40 Jahren sowie der Umstände, die generell auf seine geringe Motivation zum Lernen hingedeutet haben, ist es nicht wahrscheinlich zu machen, dass die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen durch die erlittenen Haftzeit die wesentliche Ursache dafür waren, die Maurerausbildung nach dem Jahr 1990 nicht fortzusetzen. Diese Annahme kann sich allenfalls auf die anspruchsorientierte Behauptung des Klägers stützen. Objektivierbare Gesichtspunkte lassen sich hierfür nicht finden.

102

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

103

Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe (§§ 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG) nicht vorliegen.


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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Apr. 2014 - L 7 VE 1/11 zitiert 13 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 1


(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädig

Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG | § 21 Beschädigtenversorgung


(1) Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorg

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes. Dies gilt nicht, soweit er wegen desselben schädigenden Ereignisses bereits Versorgung auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes oder auf Grund von Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, erhält.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht eine gesundheitliche Schädigung gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden ist.

(3) Wer als Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 dieser Vorschrift oder § 22 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, als Pflegeperson oder als Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Beschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes eine gesundheitliche Schädigung erleidet, erhält Versorgung nach Absatz 1.

(4) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne der Absätze 1 bis 3 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(5) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges. Wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.