Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Sept. 2012 - L 7 SB 55/06

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2012:0925.L7SB55.06.0A
bei uns veröffentlicht am25.09.2012

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab 28. November 2001.

2

Die am ... 1963 geborene Klägerin beantragte erstmals am 19. August 1999 die Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz und auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises wegen eines chronischen Wirbelsäulenleidens, einer Lungen-TBC, einer Tumorerkrankung im Unterleib, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Stoffwechselstörungen. Das Amt für Versorgung und Soziales M. führte medizinische Ermittlungen durch, deren Ergebnis den ärztlichen Dienst zu dem Vorschlag veranlasste, wegen Verlust von Gebärmutter und beiden Eierstöcken mit Hormonmangelerscheinungen und Funktionseinschränkung der Wirbelsäule einen Gesamt-GdB von 30 ab Antragstellung festzustellen. Dem folgend erließ das Versorgungsamt einen entsprechenden Bescheid vom 1. Dezember 1999. Am 15. Februar 2001 beantragte die Klägerin die Feststellung weiterer Behinderungen und die Erhöhung des GdB wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, eingeschränkter Lungenfunktion, einer Herzerkrankung, Bandscheibenschädigung und "Schilddrüse, links entfernt". Nach Durchführung von medizinischen Ermittlungen lehnte das V. den Antrag mit Bescheid vom 29. Juni 2001 ab, da nach versorgungsärztlicher Prüfung unter Einbeziehung ärztlicher Befundberichte keine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen gegenüber dem Bescheid vom 1. Dezember 1999 festzustellen sei. Die nunmehr festgestellten weiteren Behinderungen "Migräne und Kreislaufbeschwerden" wirkten sich nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus. Weitere Gesundheitsstörungen, die als Behinderungen festzustellen wären, lägen nicht vor.

3

Einen weiteren Antrag auf Feststellung zusätzlicher Behinderungen und Erhöhung des GdB stellte die Klägerin am 28. November 2001. Darin wies sie u. a. auf einen im August 2001 erlittenen leichten Schlaganfall sowie auf Asthma, Luftnot bei leichter und schwerer Arbeit sowie auf die Notwendigkeit des Tragens von Hörhilfen beidseits hin. Ihre Gesundheit habe sich erheblich verschlechtert. Das V. zog den Reha-Entlassungsbericht des ... Reha-Klinikums B. K. vom 21. November 2001 über die vom 26. September bis 10. Oktober 2001 durchgeführte Reha-Maßnahme bei, in dem die Diagnosen "psychosomatischer Beschwerdekomplex, Hypertonie, Thorakalsyndrom, Lumbalsyndrom, Refluxoesophagitis" aufgeführt sind. Die Patientin sei mit einer Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von 3 bis 6 h arbeitsfähig entlassen worden; als nachfolgende Maßnahme wurde eine ambulante Psychotherapie vorgeschlagen. Bei der ergometrischen Untersuchung habe die Patientin nicht ausreichend mitgearbeitet, Hinweise für eine belastungsinduzierte Myocardischämie hätten sich nicht gefunden. Es bestehe ein Trainingsmangel. Das körperliche Leistungsbild sei stabilisiert worden, die Patientin habe aber subjektiv keine Besserung der Beschwerden angegeben. Die geschilderten Beschwerden korrelierten nicht mit den objektiv erfassten Befunden. Im Vordergrund stehe eine unzureichende Kondition und ein damit verbundener Bluthochdruck, dessen Werte jetzt aber stabilisiert seien. Das Versorgungsamt zog ferner einen Befundbericht des Arztes für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dipl.-Med. O. vom 10. Dezember 2001 bei, wonach bei der Klägerin beidseits eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit mit einem prozentualen Hörverlust beidseits von 50 % bestehe. Taubheit oder Sprachstörungen lägen nicht vor; mit einer Hörhilfe werde eine ausreichende Verständigung möglich sein. Nach Auswertung der medizinischen Befunde schlug der ärztliche Dienst des V. die Behinderungen "Hörminderung (30), psychovegetative Beschwerden und Hormonmangelerscheinungen (20), Migräne (20), Verlust der Eierstöcke (10), Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (10), orthostatische Kreislaufbeschwerden (10) und zusammenfassend einen Gesamt-GdB von 40 vor. Dem folgend erließ das V. M. den Aufhebungsbescheid vom 12. März 2002 und setzte wegen dieser Behinderungen einen GdB von 40 ab 28. November 2001 fest. Gleichzeitig wurde eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt. Mit dem dagegen am 26. März 2002 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, wegen der Hörminderung sei in Übereinstimmung mit den Anhaltspunkten ein höherer GdB von 30 bis 40 festzustellen. Ferner seien die anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit zu gering bei der GdB-Feststellung berücksichtigt worden. Sie leide auch unter Gicht und einer Teilentfernung der Schilddrüse. Das V. holte von der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. B. einen Befundbericht vom 10. August 2002 ein, dem weitere medizinische Unterlagen anderer Ärzte und Einrichtungen beigefügt waren. Dipl.-Med. B. benannte als Gesundheitsstörungen einen chronischen Bluthochdruck NYHA I bis II, einen Zustand nach Tuberkulose, Verdacht auf psychosomatisches Beschwerdebild, Migräne, häufige Infekte, einen nachgewiesenen Insult ohne neurologische Ausfälle, Rückenbeschwerden. Die Klägerin sei nicht belastbar, häufig krank und müsse wegen der zahlreichen Infekte antibiotisch behandelt werden. Hinsichtlich Konzentration und Orientierung bestünden keine wesentlichen Einschränkungen, die Einschränkung der Leistungsfähigkeit resultiere aus dem insgesamt reduzierten Gesamtzustand. In den beigefügten Unterlagen war u. a. die Epikrise des Kreiskrankenhauses Sch. vom 13. März 2002 enthalten, in der über stationäre Behandlungen der Klägerin vom 18. bis 20. Februar 2002 und vom 21. bis 23. Februar 2002 berichtet wurde. Als Diagnosen wurden benannt: "Parästhesien, bevorzugt lokalisiert in der linken Körperhälfte, anamnestisch rezidivierende synkopale- und präsynkopale Erscheinungen bei ( ) orthostatischer Dysregulation, bekannter Migränekopfschmerz, Zustand nach Apoplexia cerebri im Bereich der rechten Capsula interna (Größe 7 mm), Zustand nach offener TBC 1997, Zustand nach gynäkologischer OP bei Eileitergravidität". Die Patientin sei seit mehreren Jahren wegen diffuser Beschwerden in regelmäßiger neurologischer Betreuung, wobei bis auf einen ca. 7 mm großen ischämischen Insult im Bereich der Capsula interna rechts kein objektivierbares pathologisches Korrelat der Symptome gefunden worden sei. Der nachgewiesene Apoplex könne die Vielzahl der Beschwerden nicht erklären. Während der stationären neurologisch-psychiatrischen Behandlung im Krankenhaus B. sei eine gravierende Persönlichkeitsstörung mit konversionsneurotischen Mechanismen diagnostiziert und der Verdacht auf einen psychosomatischen Beschwerdekomplex geäußert worden. Insgesamt seien in Anbetracht der Krankengeschichte der Patientin die nicht eindeutig objektivierbaren Beschwerden am ehesten im Rahmen eines psychosomatischen Bildes zu sehen. Da die Patientin auf Entlassung gedrängt habe, sei sie am 23. Februar 2002 wieder in die Häuslichkeit entlassen worden. Dr. H. vom ärztlichen Dienst des V. M. gab nach Auswertung der medizinischen Unterlagen am 8. Oktober 2002 folgende Stellungnahme ab: Die Hörstörung sei mit einem Einzel-GdB von 30 entsprechend den Anhaltspunkten zutreffend bewertet, da der Hörverlust nach dem Reintonaudiogramm rechts 57 % und links 80 % betrage. Demgegenüber sei aber das Sprachaudiogramm sehr viel günstiger und zeige einen Hörverlust rechts um 30 und links um 40 %, so dass eine höhere Bewertung der Hörminderung nicht vertretbar sei. Einen Schlaganfall habe die Klägerin im August 2001 nicht erlitten, da zwar ein entsprechender Verdacht geäußert worden sei, der bei Kontrolluntersuchungen aber nicht habe bestätigt werden können. Da kein Schlaganfall abgelaufen sei, bestehe keine neurologische Symptomatik und sei es auch zu keiner Hirnschädigung gekommen. Die zur Feststellung einer Angina Pectoris im Jahre 2000 wiederholt durchgeführte Diagnostik habe keine wesentlichen pathologische Befunde ergeben. Demzufolge sei keine Herzerkrankung oder wesentliche Herzleistungsminderung festzustellen. Ebenfalls bestehe kein Asthmaleiden, da die Lungenfunktionsparameter regelmäßig im Normbereich gelegen hätten. Die Blutgasanalyse sei unauffällig; die subjektiv empfundene Luftnot bei Hinweisen auf Hyperventilation entspreche keiner Lungenfunktionsstörung, sondern sei offensichtlich Ausdruck einer psychosomatischen Komponente. Eine Gicht mit einem Mindest-GdB von 10 sei nur festzustellen bei häufigen Gichtanfällen und entsprechenden Gelenkveränderungen, die hier weder aus der Anamnese noch durch entsprechende Laborparameter belegt seien. Eine Schilddrüsenresektion führe in aller Regel nicht zu einer Behinderung mit messbarem GdB, so dass sich zusammenfassend keine neuen Gesichtspunkte ergäben und eine Abhilfe nicht vorgeschlagen werden könne. Es sollten allerdings die psychovegetativen Beschwerden mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werden, ohne dass dies Einfluss auf den Gesamt-GdB hätte. Zusammenfassend schlug Dr. H. die Feststellung der Behinderungen "Hörminderung (30), psychovegetative Beschwerden und Hormonmangelerscheinungen (30), Migräne (20), Verlust der Eierstöcke (10), Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (10), orthostatische Kreislaufbeschwerden (10) und einen Gesamt-GdB von weiterhin 40 vor. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2003 zurück.

4

Mit der am 7. März 2003 beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und einen GdB von 60 geltend gemacht, da die Bewertung ihrer Gesundheitsstörungen nicht den Vorgaben der Anhaltspunkte entspreche. Die ärztlich festgestellte hochgradige Innenohrschwerhörigkeit auf beiden Seiten sei mit einem Einzel-GdB von mindestens 40 zu bewerten. Ferner würden mindestens drei Mal im Monat Migräneanfälle, verbunden mit starker Übelkeit und Erbrechen sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit auftreten, die ebenfalls mit einem GdB von 40 bewertet werden müssten, da es sich bei diesem Beschwerdebild um eine mittelgradige Verlaufsform handele. Hinsichtlich der psychovegetativen Beschwerden und der Hormonmangelerscheinungen sei nicht nachvollziehbar, warum bei der Bewertung zwar eine stärker behindernde psychische Störung festgestellt, für den GdB jedoch nur die untere Grenze von 30 angenommen werde. Bei der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule schließlich handele es sich nach dem Reha-Entlassungsbericht um schmerzhafte Veränderungen, die als mittelgradig einzustufen und dementsprechend mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten seien. Hinsichtlich des psychosomatischen Beschwerdekomplexes hat die Klägerin auf die der Klagebegründung beigefügte Epikrise der S. Fachkrankenhaus B. vom 23. Juni 2000 verwiesen.

5

Der Beklagte hat in seiner Stellungnahme vom 26. November 2003 an seiner Auffassung festgehalten und die prüfärztliche Stellungnahme der Dipl.-Med. S. vom 13. November 2003 vorgelegt. Diese hat angegeben, es seien bei der Klägerin bislang bis auf die Hörbehinderung und die degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule mit umformenden Veränderungen keine wesentlichen krankhaften Organbefunde erhoben worden. Eine nachweislich echte Migräne, die einer gezielten Behandlung bedürfe, sei bisher nicht belegt worden. Die psychische Gesundheitsstörung sei mit einem GdB von 30 bereits im oberen Ermessensspielraum bewertet worden. Von einer schweren psychischen Gesundheitsstörung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sei nach Aktenlage nicht auszugehen. Nach Auswertung des Sprachaudiogramms vom 22. Oktober 2001 liege eine Hörbehinderung vor, die maximal mit einem GdB von 20 Anerkennung finden könne. Ein GdB von 30 sei nicht korrekt. Die rezidivierenden Beschwerden in der Wirbelsäule ohne dauernd bestehende Funktionseinschränkungen seien maximal mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die stattgehabte Lungentuberkulose ohne Lungenfunktionseinschränkung, der Teilverlust der Schilddrüse, der Verlust der Gebärmutter, der Knick-Plattfuß beidseits, die Thrombophilie infolge ABC-Responsedefekt seien Gesundheitsstörungen ohne einen GdB von 10.

6

Zu den vom SG angeforderten Migränetagebüchern hat die Klägerin am 28. April 2004 mitteilen lassen, bislang kein Tagebuch geführt zu haben, aber sofort damit beginnen zu wollen. Bislang verordnet gewesene Antidepressiva seien aufgrund einer Unverträglichkeit durch die Hausärztin Frau Dr. B. abgesetzt worden. In psychotherapeutischer Behandlung befände sie sich nicht. Notwendige Medikamente und Schmerzmittel zur Behandlung der Migräne würden ebenfalls von der Hausärztin verordnet.

7

Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von der Internistin Dr. R. vom 19. April 2004 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin SR Dr. W. vom 28. April 2004 eingeholt. Dr. R. hat mitgeteilt, der Verdacht auf hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie habe im Rahmen einer Stressechokardiographie vom 18. Juni 2003 nicht erhärtet werden können. Festgestellt worden sei eine mäßige körperliche Leistungsfähigkeit bis 75 W ohne ST-Senkung. Bis dahin sei keine Belastungskoronarinsuffizienz eingetreten. Möglicherweise könne die Leistungsfähigkeit durch körperliches Training aufgebaut werden. SR Dr. W. hat angegeben, die Klägerin vom 25. Oktober 1999 bis März 2001 als Hausärztin behandelt zu haben und ein weiteres Mal am 23. September 2002 in Vertretung für Frau Dr. B. Wegen Rückenbeschwerden sei die Klägerin zum Orthopäden überwiesen worden, wegen Einschränkungen und Funktionsstörungen ergebe sich das Weitere aus der Epikrise des Fachkrankenhauses B. über eine stationäre Behandlung vom 14. bis 20. Juni 2000. Dem Befundbericht von SR Dr. W. waren weitere Befund- und Behandlungsunterlagen verschiedener Ärzte und Einrichtungen beigefügt, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 44 ff. der Gerichtsakte verwiesen wird. Klägerin und Beklagter haben nach Kenntnisnahme von den medizinischen Ermittlungen keine weitere inhaltliche Stellungnahme mehr abgegeben.

8

Mit Schreiben vom 16. September 2004 hat die Klägerin Migränetagebücher für die Monate Mai und Juni 2004 vorgelegt. Darin befinden sich Eintragungen zum Auftreten von Migräne, Kreislaufproblemen und Kopfschmerzen an 15 Tagen sowie die Einnahme der Medikamente Optalidon 200 und Migrätan S sowie von nicht näher bezeichneten "Zäpfchen".

9

Schließlich hat das SG noch einen undatierten Befundbericht der Hausärztin Dipl.-Med. B. vom Juni 2005 eingeholt, wonach bei der Klägerin eine eingeschränkte Belastungsfähigkeit, gehäufte Infektionsanfälligkeit, Orthostase und ein Verdacht auf Kardiomyopathie bestünden. Sie habe keine Besserung feststellen können, die Patientin im letzten Jahr allerdings seltener gesehen. Am 27. November 2006, nachdem das Urteil vom 16. Oktober 2006 bereits zugestellt war, ist beim SG der angeforderte Befundbericht der SR G. vom 23. November 2006 eingegangen. Darin wird zum Behandlungszeitraum vom 26. Juni 1997 bis 28. Juni 2006 über die Diagnosen COPD, Asthma bronchiale, Verdacht auf Thrombophilie mit Apoplexie berichtet. Insgesamt habe sich der Zustand der Klägerin ständig verschlechtert, die Tuberkulose sei aber wieder stabil. Während der langen Betreuung sei es nur vorübergehend zu leichterem Stillstand des Krankheitsbildes gekommen. Durch die Übernahme ihres Enkelkindes in ihre Obhut, die jetzt auch richterlich geregelt sei, habe das Leben der Klägerin einen Sinn bekommen. Der Kampf um diese Entscheidung habe aber weitere Kraft gekostet.

10

Mit Urteil vom 16. Oktober 2006 hat das SG die auf einen GdB von 60 gerichtete Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, es sei kein höherer Gesamt-GdB als 40 festzustellen. Zutreffend habe der Beklagte die Kopfschmerzsymptomatik als einen Aspekt der psychovegetativen Störungen bewertet und keinen zusätzlichen Einzel-GdB für eine Migräne vergeben. Eine echte Migräne sei von keinem Arzt festgestellt worden. Es habe sich immer nur um anamnestische Angaben der Klägerin gehandelt, die in keinem ihrer Anträge eine Migräne als Behinderung geltend gemacht habe. Auch seien während der in den Akten dokumentierten stationären Aufenthalte der Klägerin in Kliniken keine Migräneattacken dokumentiert worden. Selbst wenn die psychosomatische Gesundheitsstörung einschließlich der Kopfschmerzsymptomatik mit einem Einzel GdB von 40 bewertet werden würde, ergäbe sich kein höherer Gesamt-GdB, da die weiteren Behinderungen korrekt mit Graden der Behinderung von 20 für die Hörbehinderung und jeweils 10 für den Verlust der Eierstöcke und die Funktionsminderung der Wirbelsäule bewertet worden seien. Das Urteil wurde der Klägerin am 27. Oktober 2006 zugestellt.

11

Das Urteil greift die Klägerin mit der am 13. November 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an und begehrt die Feststellung eines GdB von mindestens 50 ab 28. November 2001. Sie trägt vor, es liege eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion durch das Asthma bronchiale vor, die mit einem GdB von mindestens 30 bewertet werden müsse. Die von Dr. B. diagnostizierte Migräne müsse fachärztlich weiter aufgeklärt werden und auch psychisch sei sie erheblich belastet. Aus dem Entlassungsbericht der K.-klinik H. vom 26. Juni 2007 gehe eindeutig hervor, dass sie im Alltag mit ihrer durch häusliche Gewalt und Vernachlässigung geprägten Enkelin oftmals überfordert sei. Deswegen benötige sie Unterstützung bei der Bewältigung der schwierigen Aufgaben im Alltag. Seit etwa November 2010 habe sich ihr Zustand deutlich verschlimmert. Sie leide unter Atemnot, Kopfschmerzen, verminderter Leistungsfähigkeit, Kollapsneigung und Sehstörungen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2006 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr einen GdB von mindestens 50 ab 28. November 2001 festzustellen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Er hält unter Hinweis auf die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen das erstinstanzliche Urteil und seine Bescheide für zutreffend.

17

Das Gericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholt. Der Orthopäde Dr. B. hat am 19. Januar 2009 mitgeteilt, es bestünden aus orthopädischer Sicht keine wesentlichen Einschränkungen mit Signifikanz im Alltagsleben. Im Behandlungszeitraum bis 11. Oktober 2007 habe sich die Klägerin nur unregelmäßig vorgestellt, so dass klinische Untersuchungen und Therapie nur in längeren Zeitabständen halb- bis zweijährlich erfolgt seien. Termine zur Wiedervorstellung habe sie leider nicht wahrgenommen. Nach dem Bericht der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. B. vom 4. Februar 2009 hätten sich im Behandlungszeitraum vom 5. März 2001 bis 19. Januar 2009 keine neuen Gesichtspunkte im Vergleich zu 2005 ergeben. Es bestehe weiterhin eine Infektanfälligkeit bei der Klägerin, die auch über häufige Rückenschmerzen klage. Wesentliche Behinderungen seien eine Leistungsinsuffizienz und Rückenbeschwerden. Dem Bericht von Dipl.-Med. B. war der Entlassungsbericht der Kurparkklinik H. vom 26. Juni 2007 beigefügt, wo die Klägerin an drei Einzelgesprächen teilgenommen habe. Dabei habe die Klägerin angegeben, der Alltag mit ihrer Enkeltochter stelle sie vor hohe Anforderungen. Das Verhalten der Enkelin sei sehr wechselhaft, sie könne schlecht zuhören, sei schnell gekränkt und impulsiv, wenn ihr etwas nicht passt. Mit der Klägerin seien exemplarisch kritische Situationen besprochen und in Rollenspielen Verhaltensalternativen zu dem bisherigen Verhalten erarbeitet worden. Dabei sei sie motiviert gewesen und habe engagiert mitgearbeitet. Darüber hinaus seien mit ihr Möglichkeiten zur eigenen Entlastung besprochen worden. Ihr Lebenspartner und ihre Schwester seien für sie und ihre Enkelin Vertrauenspersonen und stellten im Alltag eine Ressource dar, um die Klägerin bei zeitweise auftretenden schwierigen Situationen zu entlasten. Im Entlassungsbericht des K. " ..." in Heilbad H. vom 5. Juli 2007 über den stationären Aufenthalt der Klägerin mit ihrer Enkelin vom 5. bis 26. Juni 2007 sind als Diagnosen "Tuberkulose, rezidivierende Infekte der oberen Atemwege, Zervikalsyndrom" genannt. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei noch für drei bis unter sechs h täglich leichte Arbeit gegeben. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen. Seit 2006 sei der Klägerin das Sorgerecht für ihre sieben Jahre alte Enkelin übertragen. Sie lebe mit einem Lebenspartner zusammen. In psychischer Hinsicht sei sie bewusstseinsklar, vollständig orientiert, die Stimmungslage erscheine ausgeglichen. Die Sprache sei flüssig und die Patientin gebe bereitwillig auf die gestellten Fragen Auskunft. Bei der Wirbelsäule (WS) bestehe eine verstärkte Brustkyphose. Die Rotationsmaße der Halswirbelsäule (HWS) seien in Neutralstellung rechts/links 70/0/70 Grad, die Bewegungsmaße für die Seitenneigung rechts/links 30/0/30 Grad, der Kinn-Jugulum-Abstand betrage 2 zu 20 cm. Die Muskulatur des Schultergürtels sei leicht verspannt, Seitneigung, Rotation, Ante-/Retroversion der WS seien regelrecht. Der Finger-Boden-Abstand betrage 10 cm, das Zeichen nach Schober 10/13 cm, das Zeichen nach Ott 30/32 cm. Bei den Schultergelenken hätten sämtliche Funktionen gut vorgeführt werden können. Bewegungsabhängige Schmerzen bestünden nicht. Der neurologische Befund sei unauffällig. Die Blutdruckwerte hätten während der Rehabilitationsbehandlung im hypotonen bis normotonen Bereich gelegen. Mit Befundbericht von 23. März 2011 hat Dipl.-Med. B. angegeben, es hätten sich weiterhin keine neuen Gesichtspunkte ergeben; neue Diagnosen habe sie nicht gestellt. Frau Dr. B. hat am 21. Februar 2011 auf ihren Bericht vom 17. Februar 2009 mit den Diagnosen "psychosomatischer Beschwerdekomplex, Migräne, präsynkopale Zustände, Somatisierungsstörung" verwiesen. Im Vordergrund stehe die Somatisierungsstörung. Seit 2008 habe sie die Klägerin nicht mehr behandelt. Dr. M. hat mit Bericht vom 29. März 2011 angegeben, die Klägerin habe sich 2009 und am 2. November 2010 in der ärztlichen Einrichtung vorgestellt, zwischenzeitlich habe sich der Gesundheitszustand erneut verschlechtert. Geklagte Beschwerden der Klägerin und festgestellte Befunde entsprechen den Angaben von SRin G. Alle Leiden hätten sich verschlechtert, keine seien weggefallen; die Tuberkulose sei bisher aus Datenschutzgründen nicht erwähnt worden. Seinem Bericht war ein Befundbericht der SR G. vom 11. November 2010 beigefügt. Dem Bericht ist das Ergebnis einer Lungenfunktionsprüfung am 2. November 2010 zu entnehmen, wonach die Werte für die Tests von FVC (Soll: 3,06, ist: 3,25), FEV1 (Soll: 2,62, ist: 3,25), PEF (Soll: 6,39, Ist: 7,43) und PEF50 (Soll: 3,95, ist: 5,76) ausnahmslos im Normbereich gelegen hätten.

18

Die Klägerin hat anlässlich des Erörterungstermins vom 19. September 2011 ein Gutachten des Chefarztes Dr. L., Facharzt für Innere Medizin, vom 20. Mai 2011 vorgelegt, das dieser im Rentenstreitverfahren S 6 R 871/08 vor dem SG Magdeburg erstattet hat. Dr. L. hat als hauptsächliche Diagnosen genannt: "Leicht- bis mittelgradige Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit bei: kardiopulmonaler Dekonditionierung bei Trainingsmangel und belastungsinduzierter Hyperventilation, psychovegetativer Fehlsteuerung, linksventrikulärer diastolischer Dysfunktion bei hypertensiver Herzerkrankung; differenzialdiagnostisch nicht obstruktive hypertrophe Kardiomyopathie, Zustand nach Lungentuberkulose des rechten Oberlappens 1984 mit Rezidiv 1997 (Lungenklinik Lostau), aktuell kein Hinweis für eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder Asthma bronchiale unter Therapie; Orthostatischer Schwindel ohne begleitende Kreislaufdysregulation". Als weitere Diagnosen hat er u. a. aufgeführt: "Spannungskopfschmerz und chronische Migräneanfälle (anamnestische Angaben)". Zur Beurteilung der erhobenen Befunde hat er ausgeführt, die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit der Klägerin sei leicht- bis mittelgradig eingeschränkt. Die maximale Belastungsgrenze betrage 75 W. Die eingeschränkte Leistung (ca. 75 % des Solls) sei primär Folge einer körperlichen Dekonditionierung. Die Klägerin habe mit neun Jahren einen Unfall mit Verletzung der Wirbelsäule erlitten und sei danach für die gesamte restliche Schulzeit vom Sportunterricht befreit gewesen. Später habe sich ein vollständiger Bewegungsmangel mit ständig abnehmender Belastbarkeit entwickelt. Derzeit würden nur geringe körperliche Belastungen durchgeführt. Die Arbeiten im Haushalt hätten die Schwester und die zwölfjährige Enkelin übernommen. Die aktuell gemessene Leistungsgrenze sei glaubhaft und objektivierbar. Im Belastungsversuch sei bei guter Mitarbeit die derzeitige maximale Leistungsgrenze erreicht worden. Eine Verbesserung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit sei unter Umständen durch konsequentes körperliches Training bei entsprechender Motivation und Willensanstrengung erreichbar. Diese Voraussetzungen seien jedoch anhand der anamnestischen Angaben und nach Durchsicht der Akten nicht erkennbar. Der Rückzug von nahezu jeglicher körperlicher Aktivität sei Ausdruck einer zunehmenden psychosomatischen und psychovegetativen Fehlsteuerung. Die Klägerin fühle sich durch ihre Lebensumstände, insbesondere seit der Trennung der Ehe, überfordert. Die vorhandene Verdickung der Muskulatur der linken Herzkammer (linksventrikuläre Hypertrophie) sei wahrscheinlich Folge eines langjährig erhöhten Blutdrucks. Allerdings sei ein hoher Blutdruck in den vorliegenden Unterlagen nicht als Diagnose vermerkt, so dass differenzialdiagnostisch eine angeborene Verdickung der Herzmuskulatur im Sinne einer leichten Verlaufsform der hypertrophen Kardiomyopathie in Betracht komme. Die vorliegende Störung der diastolischen Funktion der linken Kammer als Folge der Herzwandverdickung bei gut erhaltener systolischer linksventrikulärer Funktion führe in der Regel zu einer leichtgradigen Einschränkung der kardialen Leistungsfähigkeit entsprechend dem NYHA (New York Heart Association)-Stadium der Herzinsuffizienz Schweregrad II, definiert als: "Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit: keine Beschwerden in Ruhe. Alltägliche körperliche Belastung verursacht Ermüdung, ggf. Rhythmusstörungen, Luftnot oder Stenokardien". Die Lungentuberkulose im rechten Lungenoberfeld, die 1984 aufgetreten und 1997 zu einem Rezidiv geführt habe, sei derzeit ohne wesentliche funktionelle Auswirkungen. Die Lungenfunktionsdiagnostik sei sowohl in Ruhe als auch unter Belastung weitgehend im Normbereich gewesen, so dass sich mit Ausnahme der Hyperventilation unter Belastung kein pathologischer Befund nachweisen lasse. In der durchgeführten Lungenfunktionsdiagnostik habe sich unter der aktuellen Therapie mit Bronchodilatatoren insbesondere kein sicherer Hinweis für das Vorliegen einer klinisch bedeutsamen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung oder ein Asthma bronchiale gefunden. Die Vernarbungen in der rechten Lunge seien röntgenologisch abgeheilt. Das Krankheitsbild der Lungentuberkulose sei seit Abheilung 1997 stabil, eine relevante Beeinträchtigung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit sei daraus nicht abzuleiten. Die chronische Migräne und der Spannungskopfschmerz seien seit Jahren bekannt. Die bisherige Therapie mit Schmerzmitteln sei bislang wenig erfolgreich gewesen. Da wirksamere Therapien insbesondere zur Langzeitprophylaxe gegeben seien, empfehle sich eine Beratung durch einen Neurologen zur Optimierung der Therapie. Das Vorliegen der Kopfschmerzsymptomatik sei für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit unerheblich. Wirbelsäulenbeschwerden seien bereits seit Kindheit bekannt, der Zusammenhang mit dem Unfall beim Sportunterricht (Aufprall mit dem Rücken auf eine Eisenstange) sei zum damaligen Zeitpunkt gegeben gewesen. Zusätzlich lägen altersgemäße degenerative Veränderungen, insbesondere der Lendenwirbelsäule vor. Befundkontrollen durch einen Facharzt für Orthopädie und ggf. eine Physiotherapie seien sinnvoll. Das Vorliegen der Rückenbeschwerden überschreite nicht das Maß der Beschwerden der vergleichbaren Altersgruppe. Folgen der gynäkologischen Totaloperation mit Bezug auf die Arbeitsfähigkeit seien nicht erkennbar. Die geklagten subjektiven Beschwerden der Klägerin seien teilweise organisch (Wirbelsäulenveränderungen), teilweise psychosomatisch (Spannungskopfschmerz) bedingt. Im Vergleich zu Frauen entsprechenden Alters seien diese Beschwerden jedoch nicht außergewöhnlich und würden den allgemeinen Befindlichkeitsstörungen von Menschen im mittleren Lebensalter zugeordnet. Die Klägerin weise eine deutliche Somatisierungstendenz auf. Eine Aggravationstendenz liege dagegen nicht vor. Die Klägerin empfinde sich als krank und realisiere nicht, dass ihre wesentlichen Beschwerden und Einschränkungen nicht durch organische Erkrankungen, sondern vor allem durch funktionelle Störungen bedingt seien. Die volle Leistungserbringung im Rahmen der Spiroergometrie unterstütze diese Auffassung. Bei den vorliegenden Gesundheitsstörungen sei eine regelmäßige Erwerbstätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit für 6 bis 8 h am Tag möglich.

19

Der Senat hat vom Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr. V. das nervenfachärztliche Gutachten vom 14. Juni 2012 erstatten lassen. Der Sachverständige hat als aktuelle Beschwerden der Klägerin nach deren Angaben Folgendes festgehalten: Es gebe plötzlich auftretende Schmerzen in der Brustregion, die mit Luftnot und Husten einhergingen. Dies trete attackenartig etwa vier Mal pro Monat auf. Die Schmerzen würden eine Viertelstunde andauern; Husten und Luftnot bis zu 1 h. Daneben gebe es ständige Kopfschmerzen von drückendem Charakter, den ganzen Kopf betreffend, teilweise mit Augenflimmern, aber ohne Übelkeit. Diese Kopfschmerzen würden sich zeitweilig verstärken, seien dann überwiegend links vom Nacken über die linke Kopfseite ziehend und gingen dann mit Übelkeit und Lichtempfindlichkeit einher. Im Rahmen dieser Kopfschmerzverstärkung habe sie schon mehrfach den Notarzt in Anspruch nehmen müssen. Es gebe auch Rückenbeschwerden im gesamten Rücken. Die Schmerzen seien aber im LWS-Bereich betont, würden bei längerem Sitzen auftreten und gingen dann mit Missempfindungen an den Beinen einher. Die Knöchel seien öfter dick. Andere Beschwerden, die sie früher gehabt habe, spielten derzeit keine Rolle mehr. Gezielt gefragt nach den in der Aktenlage aufgeführten, jetzt nicht genannten Beschwerden habe die Klägerin zur Frage eines durchgemachten Schlaganfalls angegeben, damals von der Treppe gefallen zu sein. Anschließend habe der Mund etwas schief gestanden und sie habe auch kurzzeitig etwas undeutlicher gesprochen. Daraufhin sei ein Computertomogramm des Schädels durchgeführt worden, das eine kleine Veränderung gezeigt habe. Ohnmächtig umgefallen sei sie zuletzt im Jahre 2010. Es werde ihr dann jeweils schwarz vor Augen. Früher sei das im Zusammenhang mit niedrigem Blutdruck häufiger vorgekommen. Zu Schwindel gefragt habe sie angegeben, manchmal ein Schwanken beim Gehen zu haben. Die ihr verordneten Hörgeräte habe sie wegen der Kopfschmerzen nicht benutzt. Sie können (ihren eigenen Angaben gemäß) auch ohne Hörgeräte ausreichend hören.

20

Befragt nach Schlaf und Stimmung habe sie angegeben, nicht durchschlafen zu können und meist zwei Mal in der Nacht munter zu sein. Sie stehe dann auf und lese für ein bis anderthalb Stunden ein Buch, um dann weiter zu schlafen. Ihre Stimmung sei öfter mal gereizt. Ihre Enkelin sage ihr das dann. Sie sei auch manchmal traurig, wenn sie an belastende Lebensereignisse denke. Angst kenne sie auch. Diese sei auf die Tuberkulose zurückzuführen. Hier habe sie Angst vor erneutem Ausbruch. Sie habe aber auch Angst vor Ämtern und unfreundlichen Reaktionen von Mitarbeitern, mit denen sie in der Vergangenheit wiederholt konfrontiert gewesen sei. Sie sei sehr nervös. Dies trete insbesondere auf, wenn ein Termin bei Ärzten oder Behörden bevorstehe. Da müsse sie vorher alles gut organisieren und zurechtlegen. Auch im Alltag bei Einkäufen sei sie nervös und orientiere sich ständig, ob sie alles dabei habe. Sie stehe nicht gern in Einkaufsschlangen und sei nicht gern mit größeren Menschenansammlungen konfrontiert. Seit September 2011, seit sie ihren neuen Partner habe, hätten sich die Beschwerden nicht weiter verschlechtert. Sie fühle sich von ihrem Ehemann körperlich und psychisch unterstützt und es bestehe ein gutes Eheleben. Er sei auch für die Enkeltochter wie ein Großvater. Der Partner habe selbst ein Kind und sei Kraftfahrer von Beruf. Seit der Eheschließung mache er aber keine Fernfahrten mehr und sei nach der Arbeit täglich zuhause. Sie habe eine Freundin, mit der sie zwei Mal im Monat etwas unternehme, zu der sie aber auch sonst öfter Kontakt habe. Über das Jugendamt habe sie auch etliche Bekannte, mit denen sie sich einmal pro Monat im Pflegeverein treffe. Sie lese Romane und schaue bestimmte Fernsehsendungen. Sie gehe auch gern mit Ehemann und Enkelkind spazieren. Morgens stehe sie um 5:30 Uhr auf, um das Frühstück für die Enkelin vorzubereiten, die um 7:00 Uhr das Haus verlasse. Danach erledige sie den Haushalt und lese Zeitung. Derzeit arbeite sie 15 h pro Woche als Reinigungskraft in einem Privathaushalt. Gegen 13:30 Uhr komme die Enkelin aus der Schule, man esse gemeinsam zu Mittag. Später helfe sie ihr, falls notwendig, bei den Hausaufgaben.

21

Zum Untersuchungsbefund hat Dr. V. angegeben: Aktueller Blutdruck 120/80 mmHg bei einer Herzfrequenz von 84/min. Angabe von Klopfschmerzhaftigkeit im Übergang der HWS zur BWS, im mittleren BWS- und unteren LWS-Bereich. Angabe von Druckschmerzhaftigkeit über der unteren HWS und unteren LWS. Finger-Boden-Abstand 30 cm. Nacken frei beweglich, aber mit Angabe von Schmerzhaftigkeit auf Nachfrage. Herztöne rein und rhythmisch. Lunge symmetrisch belüftet, vesikuläres Atemgeräusch, beidseitige Atemverschieblichkeit. Hörvermögen umgangssprachlich und für Fingerreiben seitengleich nicht nachweisbar gestört. Grobe Kraft, Motorik, Muskeltonus und Trophik der oberen und unteren Extremitäten regelrecht. Keine Paresen. Arm- und Beineigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Keine pathologischen Reflexe. Laseguè-Zeichen beidseits negativ. Psychisch bestünden keine Zeichen für aktuell bestehende depressive Verstimmung, Angst oder Unruhe. Die Affektivität sei situationsadäquat angemessen, freundlich zugewandt und auskunftsbereit mit flüssigem und schwingungsfähigem Kommunikationsverhalten. Mnestische Funktionen für Gedächtnis, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration ohne Einschränkungen. Keine Zeichen für formale oder inhaltliche Denkstörungen. Testpsychologisch hätten sich leichte Hinweise auf eine Neigung zu Depressivität und Angst gefunden. In der Persönlichkeitstestung finde sich eine breite Streuung der Ergebnisse in den verschiedenen Kategorien. Hier zeige sich die Offenheit deutlich unterdurchschnittlich, ebenso die Leistungsorientierung und die Aggressivität, aber auch die Extraversion. Lebenszufriedenheit, Erregbarkeit und Gesundheitssorgen lägen auf Durchschnittsniveau. Grenzwertig durchschnittlich seien die soziale Orientierung und allgemeine Hemmung, leicht überdurchschnittlich liege die allgemeine Beanspruchung. Deutlich unterdurchschnittlich fänden sich körperliche Beschwerden mit Hinweisen auf psychosomatisches Gestörtsein und Neigung zu emotionaler Labilität und Empfindlichkeit.

22

In Kenntnis der Anamnese und der Aktenlage sei bei der Klägerin bis etwa 2010 von einer Somatisierungsstörung auszugehen. Unter Konsolidierung der psychosozialen Situation habe es aber eine Besserungstendenz gegeben. Das Beschwerdebild erfülle derzeit nicht mehr die Kriterien des Vollbildes einer Somatisierungsstörung und sei jetzt einer sog. differenzierten Somatisierungsstörung zuzuordnen. Unter diese Störung seien die Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Stimmungs- und Affektschwankungen, aber auch die Kribbelmissempfindungen in den Beinen zu subsumieren. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin ein Mischkopfschmerz aus Spannungskopfschmerz und Migräne, für den aber die therapeutischen Optionen, auch in medikamentöser Hinsicht, noch nicht ausgeschöpft seien. Die bekannte Hörminderung habe bei der Untersuchung auch ohne Nutzung von Hörgeräten umgangssprachlich keine einschränkenden Auswirkungen gezeigt.

23

Dr. V. benannte auf nervenärztlichem Gebiet die folgenden Diagnosen:

24

undifferenzierte Somatisierungsstörung (F 45.1)

25

episodisch-paroxysmale Angst (F41.0l)

26

Mischkopfschmerz aus Migräne und Spannungskopfschmerz (G 43.0; G44.2)

27

Diese Gesundheitsstörungen führten zu einer Verminderung der psychischen und körperlichen Belastbarkeit. Hiervon betroffen seien die Funktionssysteme "Nervensystem und Psyche" sowie "Kopf und Gesicht".

28

Die Neurose mit leichteren psychovegetativen und psychischen Störungen sei mit einem Einzel-GdB von 20, die Migräne und der Spannungskopfschmerz mit mittelgradiger Verlaufsform ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die sich aus den nervenärztlichen Gesundheitsstörungen ergebenden Auswirkungen überschnitten sich gegenseitig. Beispielsweise seien die Schmerzen und die Kopfschmerzen mitbedingt durch die undifferenzierte Somatisierungsstörung und seien umgekehrt ebenso wie die Angststörung Bestandteil der undifferenzierten Somatisierungsstörung. Insgesamt sei für beide Funktionssysteme auf nervenärztlichem Gebiet ein GdB von 30 anzunehmen.

29

Hinsichtlich der übrigen Gesundheitsstörungen auf anderen medizinischen Fachgebieten hat der Sachverständige mitgeteilt: Bei der Hörminderung seien keine funktionell umgangssprachlichen Auswirkungen festzustellen gewesen, so dass dafür ein GdB von 10 angemessen erscheine. Die Bewertung von vegetativen Beschwerden und Hormonmangelerscheinungen mit einem GdB von 20 am 12. März 2002 entspreche den psychosomatischen Gesundheitsstörungen mit psychovegetativen Störungen, Blutdruckschwankungen und körperlichen Missempfindungen am Halte- und Bewegungsapparat sowie depressiver Stimmungslage in der Urteilsbegründung am 17. Oktober 2006 mit einem GdB von 30. Diese Behinderungen seien dem Komplex aus undifferenzierter Somatisierungsstörung, episodisch paroxsysmaler Angst und Mischkopfschmerz zuzuordnen, in den auch die rezidivierende Funktionsminderung der Wirbelsäule einfließe und die orthostatischen Kreislaufbeschwerden. Ferner seien bei der Gesamtbewertung der Verlust der Eierstöcke und die Hörminderung mit einem GdB von jeweils 10 zu berücksichtigen. Mit der Stabilisierung der Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet sei die jetzt geringere Beeinträchtigung durch die Hörminderung zu erklären, so dass auch hier eine Überschneidung mit den Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet anzunehmen sei. Als eigenständiges Funktionssystem ohne Überschneidung sei der Verlust der Eierstöcke zu bewerten. Der Gesamt-GdB für Behinderungen von Seiten des nervenärztlichen und nicht nervenärztlichen Fachgebiets sei aktuell auf 30 festzusetzen. Diese Einschätzung sei für den Zeitraum ab Anfang 2011 anzunehmen. Bis dahin sei für den Zeitraum ab November 2001 davon auszugehen, dass die neurotischen Störungen aufgrund fortlaufender psychosozialer Belastungsfaktoren stärker ausgeprägt gewesen seien und über eine undifferenzierte Somatisierungsstörung hinaus das Niveau einer manifesten Somatisierungsstörung hatten, so dass für diesen Zeitraum der Gesamt-GdB von 40 bis Anfang 2011 gerechtfertigt erscheine. Die differenzierte Auseinandersetzung mit den umfassenden medizinischen Unterlagen ergebe im Vergleich zu den jetzt erhobenen Befunden eine leichte Verbesserung der Gesundheitsstörungen, die vorrangig auf eine Besserung und Stabilisierung der psychosozialen Bedingungen zurückzuführen sei und schließlich auch eine Besserung des ursprünglichen Gesamt-GdB von 40 auf jetzt 30 begründe. Die pauschale Mitteilung der MVZ Behörde vom 29. März 2011 (Dr. M.), es sei eine Verschlechterung aller Leiden eingetreten, sei nicht nachvollziehbar und widerspreche den erhobenen Befunden.

30

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

31

Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 liegen nicht vor.

32

Die Klage gegen den Bescheid vom 12. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2003 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei dieser Klageart kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22).

33

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 einen GdB von 30 festgestellt und damit über den GdB entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die mit Antrag der Klägerin vom 28. November 2001 begehrte Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Für die wesentliche Änderung kommt es weder auf den Inhalt des Vergleichsbescheides noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung oder später angenommenen Verhältnisse, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse und deren objektive Änderung an (KassKomm-Steinwedel, SGB X, Stand Mai 2006, § 48 Rdnr. 14 m.w.N.). Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 1. Dezember 1999 vorgelegen haben, ist eine Änderung eingetreten. Die Funktionsstörungen rechtfertigen ab dem 28. November 2001 einen GdB von 40, wie der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2002 unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Dezember 1999 zutreffend festgestellt hat. Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB von 50 oder mehr hat die Klägerin jedoch nicht.

34

Für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 28. November 2001 gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.

35

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

36

§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.

37

Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a (S. 19)).

38

Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).

39

Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin kein höherer Grad der Behinderung als 40 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. V., das beigezogene Gutachten des Dr. L., die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten sowie die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte nebst Anlagen.

a)

40

Das Hauptleiden der Klägerin ist dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen. Dafür ist ein Einzelgrad der Behinderung von 40 für den Zeitraum vom 28. November 2001 bis Dezember 2010 und von 30 ab Januar 2011 festzustellen.

41

Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 3.7, S. 42) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19). Ferner ist nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 2.3, S. 35) eine echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen mit einem Behinderungsgrad von 0 bis 10 im Falle einer leichten Verlaufsform, von 20 bis 40 bei einer mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) und von 50 bis 60 bei einer schweren Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) zu bewerten.

42

Die Klägerin leidet nach den Feststellungen des Dr. V. im Gutachten vom 14. Juni 2012 an einer Neurose mit (leichteren) psychovegetativen und psychischen Störungen sowie an einer Migräne mit Spannungskopfschmerz von mittelgradiger Verlaufsform, für die nach dem aufgezeigten Maßstab innerhalb des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" seit Januar 2011 ein GdB von 30, bis Dezember 2010 aber von 40 festzustellen ist. Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei den Feststellungen von Dr. V. um gesicherte Diagnosen handelt, weil auch der Internist Dr. L. in seinem Gutachten vom 20. Mai 2011 im Verfahren S 6 R 871/08 vor dem SG Magdeburg ähnliche Diagnosen genannt hat, als er u. a. von einer psychovegetativen Fehlsteuerung und einem Spannungskopfschmerz mit chronischen Migräneanfällen auf anamnestischer Grundlage gesprochen hat. Allerdings ist abweichend von seinen Ausführungen von einer echten Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform auszugehen, die nicht lediglich auf anamnestische Angaben der Klägerin zu stützen ist. Denn es ergibt sich aus nahezu allen medizinischen Unterlagen, die seit 1999 angefallen sind, gleichlautend, dass die Klägerin hauptsächlich unter psychischen Beschwerden und häufigen Kopfschmerzen bzw. Migräneanfällen leidet. Dann erscheint es richtig, nicht nur eine psychovegetative Fehlsteuerung anzunehmen, sondern auch eine echte Migräne (mit Spannungskopfschmerz) mit mittelgradiger Verlaufsform als weitere Behinderung festzustellen. Bei der Festlegung des Behinderungsgrades ist zu berücksichtigen, dass die psychische Störung bis Ende 2010 mit stärkeren Behinderungen im Sinne einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden war, weil die Klägerin bis dahin noch erheblichen psychosozialen Belastungsfaktoren ausgesetzt war bzw. noch unter den Auswirkungen solcher früher erlebten Belastungen gelitten hat. Diese Annahme von Dr. V. erscheint plausibel, denn die Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Enkelin und die Regelung der entsprechenden behördlichen Angelegenheiten müssen die psychisch ohnehin angeschlagene Klägerin über einen langen Zeitraum stark belastet haben. Anderseits ist es nachvollziehbar, dass sich die Klägerin nach der Übertragung des Sorgerechts für die Enkelin und Begründung einer neuen Partnerschaft mit späterer Eheschließung psychisch stabilisieren konnte, sodass ab Anfang 2011 auch unter Berücksichtigung der gelegentlich auftretenden Angst- und Panikattacken nur noch von einer leichteren psychovegetativen Störung auszugehen ist. Vor diesem Hintergrund ist für die psychische Störung und die Migräne bis Dezember 2010 ein GdB von 40, ab Januar 2011 von 30 anzunehmen. Zwar überschneiden sich beide Behinderungen teilweise, es treten aber die Auswirkungen der unverändert mittelgradigen Migräne seit der Besserung des psychischen Leidens stärker in den Vordergrund, sodass die von Dr. V. angenommenen Behinderungsgrade von jeweils 20 mit 30 zusammenzufassen sind.

b)

43

Ferner leidet die Klägerin unter einer Hörminderung, für die im Funktionssystem "Ohren" ein GdB von 20 für den gesamten streitigen Zeitraum anzunehmen ist.

44

Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 5, S. 50) ist für die Bewertung des GdS bei Hörstörungen die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (siehe B 5.2.4, Tabelle D, S. 52) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogramms ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus entsprechenden Tabellen abzuleiten. Nach dem Befundbericht von Dipl.-Med. O. vom 10. Dezember 2001 besteht bei der Klägerin aufgrund des am 22. November 2001 erhobenen Sprachaudiogramms ein prozentualer Hörverlust von 30 auf dem rechten und von 40 auf dem linken Ohr. Diese Werte bedingen nach der Tabelle D (a.a.O.) eine geringgradige Schwerhörigkeit auf beiden Ohren und rechtfertigen einen GdB von 15. Ein GdB von 20 ist danach anzunehmen, wenn der Hörverlust auf einem Ohr als mittelgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust 40 bis 60 %) einzustufen ist. Nachdem Dipl.-Med. O. insgesamt eine mittelgradige Schwerhörigkeit angegeben und der Beklagte diese Wertung übernommen hat, ist ein GdB von 20 anzunehmen. Ein GdB von 30 kommt aber auf der Grundlage der Hörprüfung nicht in Betracht, weil dafür eine mittelgradige Schwerhörigkeit auf beiden Ohren mit einem jeweiligen Hörverlust von 40 bis 60 % gegeben sein muss, die bei der Klägerin nach den Feststellungen des Dipl.-Med. O. aber nicht vorliegt. Für eine mittelgradige Schwerhörigkeit ergeben sich auch aus den Gutachten von Dr. L. und Dr. V. keine Anhaltspunkte.

c)

45

Außerdem ist für das Funktionssystem "Weibliche Geschlechtsorgane" ein Einzelbehinderungsgrad von 10 aufgrund des Verlustes beider Eierstöcke festzustellen, wie dies nach Teil B 14.3 (S. 87) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze im Falle fehlenden Kinderwunsches und ohne wesentliche Auswirkungen auf den Hormonhaushalt vorgegeben ist.

d)

46

Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar. Für die im Befundbericht von Dr. M. vom 29. März 2011 pauschal angeführte "Verschlechterung aller Leiden" bestehen nach dem Gutachten von Dr. V. keine Anhaltspunkte. Die stattgehabte Lungentuberkulose mit Rezidiv ist jetzt offensichtlich ausgeheilt und bedingt nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 8.8, S. 62 f.) keinen GdB. Eine Einschränkung der Lungenfunktion besteht nicht, da die Klägerin bei der am 2. November 2010 von SRin G. durchgeführten Lungenfunktionsprüfung ausnahmslos die vorgegebenen Sollwerte übertroffen hat. Nennenswerte Beeinträchtigungen auf orthopädischen Fachgebiet liegen ebenfalls nicht vor, da Dr. B. im Befundbericht vom 19. Januar 2009 angegeben hat, es bestünden "aus orthopädischer Sicht ( ) keine wesentlichen Einschränkungen im Alltagsleben mit Signifikanz".

47

Da im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ein Behinderungsgrad von 40 bis Dezember 2010 und von 30 ab Januar 2011, für das Funktionssystem "Ohren" ein GdB von 20 und für das Funktionssystem "Weibliche Geschlechtsorgane" ein GdB von 10 festzustellen ist, muss ein Gesamtbehinderungsgrad gebildet werden. Dabei ist zu beachten, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 3 ee, S. 23) von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB/GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach diesen Grundsätzen kann der Gesamtbehinderungsgrad bis Dezember 2010 mit 40 (wie bereits ab 28. November 2001 festgestellt) und seit Januar 2011 mit 30 festgestellt werden. Die Hörbeeinträchtigung erhöht diesen Grad nicht, da sie sich auf das psychische Leiden nicht verstärkend auswirkt. Eine Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades im Sinne der von der Klägerin begehrten Schwerbehinderteneigenschaft widerspräche hier auch dem nach A 3 (S. 22) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. In Nr. 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Ausgabe 2008 (S. 25) wird insoweit erläuternd ausgeführt, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Derartig schwere Funktionsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

49

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Sept. 2012 - L 7 SB 55/06

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Sept. 2012 - L 7 SB 55/06

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Sept. 2012 - L 7 SB 55/06 zitiert 15 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 3 Vorrang von Prävention


(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Ein

Referenzen

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.