Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2006:0628.L5KR66.05.0A
bei uns veröffentlicht am28.06.2006

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für die Berufungsinstanz zu gewähren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine bei ihm durchgeführte ambulante Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation bei Prostatakrebs in Höhe von 8.275,00 EUR hat.

2

Der 1935 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Zu Beginn des Jahres 2004 wurde bei ihm ein lokal begrenztes Prostatakarzinom im Anfangsstadium (T1c, PSA 8,2ng/ml; Gleason 6) ohne Nachweis von Metastasen diagnostiziert. Für den Kläger beantragte der behandelnde Arzt Dr. T. bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. März 2004 die Kostenübernahme für die Durchführung der permanenten Seed-Implantation der Prostata wegen Prostatakarzinoms. Gleichzeitig informierte Dr. T. die Beklagte umfassend unter „Ambulantes Brachytherapie-Zentrum Schleswig-Holstein, Rendsburg,“ über herkömmliche Behandlungsmethoden bei dieser Erkrankung und deren Nebenwirkungen. Aufgrund der Komplikationsraten, insbesondere der radikalen Entfernung von Prostata und Samenblasen, lehne der Kläger eine solche Operation ab. Gleiches gelte für eine externe Bestrahlung. Als Alternative dazu habe sich in den USA die Implantation radioaktiver Jod-Seeds direkt in die Prostata etabliert. Da der Kläger die radikale Prostatektomie ablehne und die Überlebensrate der streitigen Behandlung gegenüber externer Bestrahlung deutlich besser sei, sei die Monotherapie mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl bei dem Kläger. Die Kosten lägen im Rahmen der Kombinationstherapie bei 8.275,00 EUR.

3

Die Beklagte nahm eine Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 14. April 2004 vor, in dem sie auf eine Stellungnahme des Kompetenz Centrums Onkologie beim Medizinischen Dienst Nordrhein vom 23. Juli 2002 verwies. Die dort vorliegenden Daten zeigten, dass die Lebensqualität bei einer externen Bestrahlung eher besser sei. Mit Bescheid vom 29. April 2004 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab, da die beantragte Therapie keine Kassenleistung sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei schwerbehindert (Bescheid des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung, Saarland, vom 27. Februar 1997, GdB 100) und leide an den Folgen einer Reihe von Vorerkrankungen. Bei einer Operation wegen eines Aortenaneurysmas seien Nerven durchtrennt und wichtige Funktionen des Körpers massiv gestört worden. Seitdem habe er Missempfindungen in der Körperwahrnehmung mit starken Schmerzen, die chronisch geworden seien. Damit könne er sich keine Operation mehr zumuten. Er lebe mit der Metallverklammerung, die seinen Brustkorb zusammenhalte. Er habe keine andere Wahl als das am wenigsten belastende Verfahren, nämlich die hier streitige Behandlung. In dem Narkosevorgespräch im Kreiskrankenhaus R. habe die Anästhesistin sich eindeutig dahingehend geäußert, dass eine Prostataentfernung für ihn zu riskant sei. Der von ihm ebenfalls aufgesuchte dortige Strahlentherapeut Dr. G. habe erklärt, dass die externe Bestrahlung sowie auch after loading sehr belastend seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der hier streitigen Behandlung handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die keine Vertragsleistung sei. Bei der interstitiellen Brachytherapie ohne die Verwendung von Seed-Implantaten handele es sich hingegen um eine Vertragsleistung, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden könne (Ziffern 7041 und 7046 EBM). Zu der streitgegenständlichen Methode habe sich der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht geäußert. In dem Fall schließe das Sozialgesetzbuch die Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus.

4

Der Kläger hat am 9. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung vorgetragen: Auch Kosten für noch nicht empfohlene Behandlungsmethoden seien ausnahmsweise zu übernehmen, wenn die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens zur Beurteilung einer neuen Behandlungsmethode verzögert werde. Dann komme es nur darauf an, dass sich die neue Methode bereits in der Praxis insoweit durchgesetzt habe, als sie in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden habe und bereits von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt werde. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Insoweit werde auf eine 10-Jahres-Untersuchung in den USA verwiesen. Er, der Kläger, habe sich zwischenzeitlich der abgelehnten Behandlung am 6. Mai 2004 unterzogen und hierfür 8.275,00 EUR entrichtet. Insoweit mache er einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) geltend. Soweit die Techniker Krankenkasse und die Universitätsklinik Kiel nach einer Pressemitteilung eine Vereinbarung über die Kostenübernahme hinsichtlich der Seed-Brachytherapie geschlossen hätten, binde dies zwar die Beklagte nicht, stelle aber ein weiteres Indiz dafür dar, dass es sich bei der hier streitgegenständlichen Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handele. Seiner Ehefrau habe zudem der Geschäftsstellenleiter der Beklagten in S., Herr Sa., bei einem Telefonat sinngemäß mitgeteilt, sofern ihm auch nur ein einziger Fall bekannt werde, in dem eine andere Krankenkasse die Kosten der hier streitgegenständlichen Therapie trage, werde auch die Beklagte die Kosten übernehmen. Vor diesem Hintergrund komme der Vereinbarung zwischen der Techniker Krankenkasse und der Universitätsklinik Kiel eine Bedeutung zu. Das Schreiben des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. April 2005 zeige, dass dieser immer noch über die streitgegenständliche Behandlung berate und bisher nicht zu einem Ergebnis gekommen sei.

5

Der Kläger hat beantragt,

6

den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kostenerstattung für die durchgeführte permanente Seed-Implantation der Prostata in Höhe von 8.275,00 EUR zu gewähren.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat erwidert: Der Vertrag zwischen der Techniker Krankenkasse und dem Universitätskrankenhaus habe seine Grundlage in § 116b SGB V. Dabei handele es sich um eine "Kann-Regelung", von der die Beklagte keinen Gebrauch gemacht habe. Dazu, dass die Brachytherapie in § 116b Abs. 3 unter Nr. 1 erwähnt werde, sei anzumerken, dass es sich dabei nur um die anerkannte interstitielle Brachytherapie nach Nr. 7046 EBM (ohne permanente Seed-Implantation) handeln könne. Überdies stehe dem Anspruch des Klägers aus § 13 Abs. 3 SGB V auch entgegen, dass er nicht den Widerspruchsbescheid abgewartet habe, so dass es an der geforderten Kausalität fehle. Nach der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 29. Juni 2004 sei ein Systemmangel nicht ersichtlich. Mit ihrer Auffassung stehe die Beklagte zudem nicht allein, wie diverse Entscheidungen von Sozialgerichten zeigten.

10

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. April 2005 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Bei der Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation zur Behandlung des bei dem Kläger diagnostizierten lokal begrenzten Prostatakarzinoms handele es sich um eine wissenschaftlich anerkannte und effektive Methode, die - soweit bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien - von ihrer Wirksamkeit her der radikalen Prostatektomie und der externen Bestrahlung gleichkomme. Diese Behandlungsmethode sei darüber hinaus relativ komplikationsarm und für den Patienten mit geringeren Belastungen verbunden. Zwar handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten sei. Gleichzeitig sei sie jedoch in den Katalog der erstattungsfähigen hochspezialisierten Leistungen des § 116b Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) aufgenommen worden. Gleichzeitig sei festzustellen, dass sich die begehrte Behandlung in der Praxis durchgesetzt und unter bestimmten Voraussetzungen bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gegenüber der radikalen Prostatektomie und der externen Bestrahlung als die deutliche schonendere Behandlungsmethode etabliert habe. Dem Bundesausschuss liege der Überprüfungsantrag bereits seit April 2002 - mithin seit mehr als drei Jahren - vor. Da Anhaltspunkte für sachliche Gründe fehlten, die die nicht absehbare Dauer des Verfahrens rechtfertigten oder nachvollziehbar erscheinen ließen, müsse von einer willkürlichen oder gegebenenfalls auf sachfremden Erwägungen beruhenden Blockierung und Verzögerung des Überprüfungsverfahrens ausgegangen werden.

11

Gegen das ihr am 24. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 6. Juli 2005. Zur Begründung weist sie auf das beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren B 1 KR 12/05 R hin.

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Entscheidung des BSG in dem von der Beklagten zitierten Verfahren könne keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit entfalten, weil die dort streitgegenständliche Behandlung 2002 durchgeführt worden sei. Seine Behandlung sei im Mai 2004 erfolgt, also nachdem die Behandlungsmethode im stationären Bereich mit einer dafür vorgesehenen DRG-Position abrechenbar sei. Zudem stütze er seinen Anspruch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. In dem Kostenübernahmeantrag sei die stationäre Durchführung ausdrücklich erwähnt worden. Die Beklagte habe allerdings die Kostenübernahme pauschal abgelehnt. Hier hätte die Beklagte auf die stationäre Durchführung mit der Möglichkeit der Kostenübernahme durch sie hinweisen müssen. Er, der Kläger, habe jedenfalls davon nichts gewusst. Andernfalls hätte er sich selbstverständlich dafür entschieden, da die Beklagte wie andere Kassen auch zwischenzeitlich dazu übergegangen sei, die stationäre Behandlung in der Weise durchzuführen, dass der Patient lediglich pro forma für eine Übernachtung im Krankenhaus verbleibe. Gerade dieser Umstand führe die Ablehnung der ambulanten Behandlung ad absurdum. Sein Kostenübernahmeantrag sei nach den Maßstäben der BSG-Entscheidung vom gleichen Tag (B 1 KR 5/05 R) entsprechend weit auszulegen. Ihm sei es nur um die Therapie gegangen, unabhängig davon, ob ambulant oder stationär. Eine Beratung der Beklagten sei aber unstreitig unterblieben. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes komme nicht in Betracht, da dieser im Frühjahr 2004 die seit Anfang des Jahres geänderten rechtlichen Vorgaben noch nicht habe übersehen können. Soweit der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme auf eine Entscheidung des BSG vom 19. März 2002 zur Hippotherapie verweise, müsse dem entgegen gehalten werden, dass eine Vergleichbarkeit mit einem solchen Fall nicht gegeben sei. Denn dort sei die Hippotherapie im Vorfeld bereits mehrfach, nämlich siebenmal, von dem Bundesausschuss behandelt worden.

17

Der Senat hat vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine Stellungnahme eingeholt.

18

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 8.275,00 EUR zu erstatten. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat dieser nämlich einen Anspruch auf Kostenübernahme für die streitgegenständliche Brachytherapie.

20

Grundlage für den streitigen Kostenerstattungsanspruch des Klägers ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Voraussetzung ist danach, dass ein zur Leistung verpflichteter Träger entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Da ein Notfall im Sinne der ersten Alternative hier nicht vorlag - eine rechtzeitige Antragstellung war dem Kläger möglich - kann sein Anspruch sich lediglich auf die zweite Alternative stützen, nämlich die unrechtmäßige Ablehnung der Leistung. Dieser Fall liegt hier vor. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger die streitgegenständliche Brachytherapie als stationäre Behandlung zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund steht ihm der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zu.

21

Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger vor der Selbstbeschaffung der Leistung im Mai 2004 nicht den Widerspruchsbescheid abgewartet hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und des BSG (vgl. SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 Rz. 11 m. w. N.) in der Regel nicht erforderlich. Daher steht dem Erstattungsanspruch nicht entgegen, dass der Kläger sich die streitige Behandlung zwar nach der Ablehnungsentscheidung vom 29. April 2004, aber noch vor der Entscheidung über den Widerspruch auf eigene Kosten beschafft hat.

22

Der von seinem behandelnden Arzt Dr. T. der Beklagten vorgelegte Kostenübernahmeantrag vom 28. März 2004 war in sinngemäßer Auslegung darauf gerichtet, die streitgegenständliche Brachytherapie mittels permanenter Seed-Implantation zu erhalten. Ausdrücklich abgelehnt hatte der Kläger darin lediglich die radikale Prostatektomie auf Grund ihres erheblichen Eingriffs und der Nebenwirkungen. Auch die externe Bestrahlung lehnte der Kläger auf Grund der seiner Auffassung nach besseren Überlebensrate bei der interstitiellen Brachytherapie ab. Gleiches gilt für die komplette Androgenblockade, die nach der Stellungnahme nicht effizient sei und zwangsläufig zum tumorbedingten Ableben führe. Die hier streitige Monotherapie mit Seeds sah der Kläger hingegen als die „Therapie der Wahl“ an, ohne zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu differenzieren. Vielmehr enthielt die Erläuterung der interstitiellen Brachytherapie mittels permanenter Seed-Implantation ausdrücklich den Hinweis, dass diese auch stationäre durchgeführt werde. Wenngleich der Antrag, da durch das ambulante Brachytherapie-Zentrum Schleswig-Holstein gestellt, offensichtlich auf die ambulante Therapie gerichtet war, ist aus dem Kostenübernahmeantrag nicht ersichtlich, dass der Kläger, anders als in der Entscheidung des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R Rz. 26), von Anfang an auf bestimmte Leistungserbringer oder eine bestimmte Art und Weise der Leistungserbringung festgelegt war. Ihm ging es offensichtlich darum, eine umfangreiche Operation zu verhindern und die Behandlung durchzuführen, die mit den seiner Meinung nach geringsten Nebenwirkungen die bestmöglichen Heilungschancen beinhaltete. Dabei präferierte der Kläger weder die ambulante noch die stationäre Behandlung.

23

Die Auslegung eines Antrags - ob als Verfahrenshandlung oder als materiell-rechtliche Voraussetzung - hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Regelmäßig ist ein Antrag damit vom Verwaltungsträger so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Behörde hat alle auf Grund des Sachverhalts zu seinen Gunsten in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten zu erwägen und notfalls auf eine Klärung des Verfahrensgegenstandes durch den Antragsteller hinzuwirken (BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - Rz. 14 m. w. N.).

24

Eine solche notwendige Beratungssituation lag hier vor. Durch seinen Kostenübernahmeantrag machte der Kläger deutlich, dass er zwar eine bestimmte Behandlung wünschte, dies jedoch unabhängig davon, ob ambulant oder stationär. Gleichwohl hat die Beklagte in dem Anhörungsschreiben vom 14. April 2004, dem Ablehnungsbescheid vom 29. April 2004 und in dem Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2004 umfassend eine Kostenübernahme der Brachytherapie abgelehnt, ohne zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu differenzieren. Jedenfalls handelte die Beklagte rechtswidrig, den Antrag auf Gewährung einer stationären interstitiellen Brachytherapie abzulehnen, obwohl diese zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung der Beklagten als stationäre Leistung nach dem GRG-Fallpauschalensystem bzw. der hierzu ergangenen Verordnung vom 13. Oktober 2003 (BGBl. I S. 1995) unter der GRG-Ziffer „M 07 Z“ vorgesehen war. Der Senat kann es in diesem Zusammenhang offenlassen, ob die Entscheidung, die Brachytherapie als ambulante Leistung nicht zu gewähren bzw. eine Kostenübernahme abzulehnen, rechtmäßig war - zwar fehlt es an einer positiven Empfehlung des Bundesausschusses, gleichwohl wurde und wird diese Therapie in Krankenhäusern bereits zur Anwendung gebracht und die Kosten dafür auch von den Krankenkassen übernommen, wobei der Mindestaufenthalt in dem DRG Fallpauschalen-Katalog mit einem Tag angegeben wird und damit insoweit nicht wesentlich von der ambulanten Behandlung abweicht.

25

Durch diese Ablehnung sind dem Kläger auch, wie es § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V voraussetzt, Kosten entstanden, weil er sich die begehrte Leistung - als ambulante Behandlung - selbst beschafft hat. Dabei schließt sich der Senat der bereits zitierten Rechtsprechung in dem Urteil des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 5/05 R) an, wonach der Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB V einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verdrängt. Dies folgt aus der Vorrangigkeit des § 13 Abs. 3 SGB V gegenüber dem gesetzlich nicht geregelten Herstellungsanspruch und, worauf das BSG zutreffend hinweist, aus dem Ausnahmecharakter der Kostenerstattung gegenüber dem grundsätzlich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sachleistungsprinzip.

26

Die bei dem Kläger entstandenen und von ihm geltend gemachten Kosten in Höhe von 8.275,00 EUR beruhen auf der Inanspruchnahme der streitigen Therapie als ambulante Leistung und damit auf der rechtswidrigen Entscheidung der Beklagten, eine Kostenübernahme umfassend abzulehnen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger sich nicht einer stationären anstelle der ambulanten Operation unterzogen hätte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine solche stationäre Behandlung nur zu einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus geführt hätte. So wird der Vortrag des Klägers, der Patient bleibe lediglich pro forma für eine Übernachtung im Krankenhaus, durch den DRG Fallpauschalen-Katalog in der genannten Verordnung vom 13. Oktober 2003 bestätigt, in der als untere Grenzverweildauer ein Tag angegeben wird.

27

Die Kosten in Höhe von 8.275,00 EUR sind nach Auffassung des Senats auch nicht zu hoch gegriffen. So ist dieser Betrag auch Gegenstand der vom Senat am gleichen Tag entschiedenen Kostenerstattung ebenfalls einer Brachytherapie (L 5 KR 70/05). In der Entscheidung des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R) ging es um Kosten in Höhe von 9.064,94 EUR. Kostenermittlungen der vom BSG im Urteil vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R) zitierten HTA Studie der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29. Oktober 2005 (Rz. 35) ergaben Behandlungskosten von bis zu 26.320 US-Dollar. Fiktiv errechnete die Studie eine Vergütung nach dem DRG-System in Höhe von 6.090 EUR. Im Übrigen hat die Beklagte gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten Einwände auch nicht erhoben.

28

Zutreffend sieht der Kläger eine Verletzung der Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes im Hinblick auf eine mögliche stationäre Behandlung als nicht gegeben an. Eine solche Verletzung der Aufklärungspflicht könnte allerdings zur Folge haben, dass der Vergütungsanspruch des Behandlers ausgeschlossen ist (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Von einer solchen Aufklärungspflicht ist dann auszugehen, wenn Behandlungsverfahren regelmäßig auch im stationären Bereich erfolgen. Das war indes bei der hier streitigen Brachytherapie nicht der Fall. Vielmehr war diese gerade durch die Verordnung vom 13. Oktober 2003 in das System der stationären Behandlung aufgenommen worden. Von dem behandelnden Arzt kann, anders als von dem Versicherungsträger, nicht erwartet werden, dass er über solche Umstände außerhalb des Therapiebereiches umfassend Kenntnis hat.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

30

Der Senat lässt im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Revision zu.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen


Gesundheits-Reformgesetz - GRG

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 116b Ambulante spezialfachärztliche Versorgung


(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattunge

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 70/05

bei uns veröffentlicht am 28.06.2006

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz zu erstatten. Die Revision wird z
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 66/05.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2006 - L 5 KR 70/05

bei uns veröffentlicht am 28.06.2006

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz zu erstatten. Die Revision wird z

Referenzen

(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehören nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 insbesondere folgende Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen:

1.
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie
a)
onkologische Erkrankungen,
b)
rheumatologische Erkrankungen,
c)
HIV/AIDS,
d)
Herzinsuffizienz
(NYHA Stadium 3 – 4),
e)
Multiple Sklerose,
f)
zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
g)
komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
h)
Folgeschäden bei Frühgeborenen oder
i)
Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen;
bei Erkrankungen nach den Buchstaben c bis i umfasst die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nur schwere Verlaufsformen der jeweiligen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen;
2.
seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen wie
a)
Tuberkulose,
b)
Mukoviszidose,
c)
Hämophilie,
d)
Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
e)
schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
f)
biliäre Zirrhose,
g)
primär sklerosierende Cholangitis,
h)
Morbus Wilson,
i)
Transsexualismus,
j)
Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
k)
Marfan-Syndrom,
l)
pulmonale Hypertonie,
m)
Kurzdarmsyndrom oder
n)
Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern sowie
3.
hochspezialisierte Leistungen wie
a)
CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder
b)
Brachytherapie.
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.

(2) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1, deren Behandlungsumfang der Gemeinsame Bundesausschuss nach den Absätzen 4 und 5 bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Soweit der Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 9 und 10 zwischen den in Satz 1 genannten Leistungserbringern erforderlich ist, sind diese im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Satz 1 ebenfalls vorzulegen. Dies gilt nicht, wenn der Leistungserbringer glaubhaft versichert, dass ihm die Vorlage aus den in Absatz 4 Satz 11 zweiter Halbsatz genannten Gründen nicht möglich ist. Der Leistungserbringer ist nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, es sei denn, der Landesausschuss nach Satz 1 teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann von dem anzeigenden Leistungserbringer zusätzlich erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 4 unterbrochen. Danach läuft die Frist weiter; der Zeitraum der Unterbrechung wird in die Frist nicht eingerechnet. Nach Satz 4 berechtigte Leistungserbringer haben ihre Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu melden und dabei den Erkrankungs- und Leistungsbereich anzugeben, auf den sich die Berechtigung erstreckt. Erfüllt der Leistungserbringer die für ihn nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nicht mehr, hat er dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts ihres Wegfalls gegenüber dem Landesausschuss nach Satz 1 anzuzeigen sowie den in Satz 7 genannten Stellen zu melden. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann einen an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer aus gegebenem Anlass sowie unabhängig davon nach Ablauf von mindestens fünf Jahren seit seiner erstmaligen Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung seiner Teilnahmeberechtigung auffordern, ihm gegenüber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzuweisen, dass er die Voraussetzungen für seine Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin erfüllt. Die Sätze 4, 5 und 8 gelten entsprechend.

(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 wird der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert, wie sie nach § 90 Absatz 2 jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Die Vertreter der Krankenhäuser werden von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt. Über den Vorsitzenden des erweiterten Landesausschusses und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Landeskrankenhausgesellschaft einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes im Benehmen mit den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaft berufen. Die dem Landesausschuss durch die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 entstehenden Kosten werden zur Hälfte von den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie zu je einem Viertel von den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaft getragen. Der erweiterte Landesausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit; bei der Gewichtung der Stimmen zählen die Stimmen der Vertreter der Krankenkassen doppelt. Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Absatz 2 in seiner Geschäftsordnung abweichend von Satz 1 die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen; die Mitberatungsrechte nach § 90 Absatz 4 Satz 2 sowie § 140f Absatz 3 bleiben unberührt. Er ist befugt, geeignete Dritte ganz oder teilweise mit der Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 zu beauftragen und kann hierfür nähere Vorgaben beschließen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie bis zum 31. Dezember 2012 das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1. Er konkretisiert die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 2 nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung oder nach weiteren von ihm festzulegenden Merkmalen und bestimmt den Behandlungsumfang. In Bezug auf Krankenhäuser, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss für Leistungen, die sowohl ambulant spezialfachärztlich als auch teilstationär oder stationär erbracht werden können, allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung ausnahmsweise nicht ausreichend ist und eine teilstationäre oder stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Er regelt die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung sowie sonstige Anforderungen an die Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen setzt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Überweisung durch einen Vertragsarzt voraus; das Nähere hierzu regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach Satz 1. Satz 5 gilt nicht bei Zuweisung von Versicherten aus dem stationären Bereich. Für seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, in welchen Fällen die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung die Überweisung durch den behandelnden Arzt voraussetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, bei denen es sich nicht zugleich um seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen handelt, kann er Empfehlungen als Entscheidungshilfe für den behandelnden Arzt abgeben, in welchen medizinischen Fallkonstellationen bei der jeweiligen Krankheit von einem besonderen Krankheitsverlauf auszugehen ist. Zudem kann er für die Versorgung bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Regelungen zu Vereinbarungen treffen, die eine Kooperation zwischen den beteiligten Leistungserbringern nach Absatz 2 Satz 1 in diesem Versorgungsbereich fördern. Für die Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen hat er Regelungen für solche Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen nach den Sätzen 9 und 10 sind Voraussetzung für die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, es sei denn, dass ein Leistungserbringer eine Vereinbarung nach den Sätzen 9 oder 10 nicht abschließen kann, weil in seinem für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung relevanten Einzugsbereich

a)
kein geeigneter Kooperationspartner vorhanden ist oder
b)
er dort trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten keinen zur Kooperation mit ihm bereiten geeigneten Leistungserbringer finden konnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spätestens jeweils zwei Jahre nach dem Inkrafttreten eines Richtlinienbeschlusses, der für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b getroffen wurde, die Auswirkungen dieses Beschlusses hinsichtlich Qualität, Inanspruchnahme und Wirtschaftlichkeit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung dieses Beschlusses zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss ergänzt den Katalog nach Absatz 1 Satz 2 auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, einer Trägerorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses oder der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet; Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beauftragen. Für die Vergütung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für die Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der vom Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a bestimmten abrechnungsfähigen ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen mit dem Preis der jeweiligen regionalen Euro-Gebührenordnung. Der Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 und jeweils bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5 insbesondere so anzupassen, dass die Leistungen nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben nach den Absätzen 4 und 5 angemessen bewertet sind und nur von den an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern abgerechnet werden können. Die Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit sowie der Qualität, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu in der Richtlinie nach Absatz 4 keine abweichende Regelung getroffen hat, erfolgt durch die Krankenkassen, die hiermit eine Arbeitsgemeinschaft oder den Medizinischen Dienst beauftragen können; ihnen sind die für die Prüfungen erforderlichen Belege und Berechtigungsdaten nach Absatz 2 auf Verlangen vorzulegen. Für die Abrechnung gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke wird von den Vertragsparteien nach Satz 2 vereinbart; Satz 7 gilt entsprechend. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7 in den Vereinbarungen nach § 87a Absatz 3 um die Leistungen zu bereinigen, die Bestandteil der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind. Die Bereinigung darf nicht zulasten des hausärztlichen Vergütungsanteils und der fachärztlichen Grundversorgung gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden.

(7) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach Absatz 1 schließt die Verordnung von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 ein, soweit diese zur Erfüllung des Behandlungsauftrags nach Absatz 2 erforderlich sind; § 73 Absatz 2 Nummer 9 gilt entsprechend. Die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Die Vereinbarungen über Vordrucke und Nachweise nach § 87 Absatz 1 Satz 2 sowie die Richtlinien nach § 75 Absatz 7 gelten entsprechend, soweit sie Regelungen zur Verordnung von Leistungen nach Satz 1 betreffen. Verordnungen im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 sind auf den Vordrucken gesondert zu kennzeichnen. Leistungserbringer nach Absatz 2 erhalten ein Kennzeichen nach § 293 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, das eine eindeutige Zuordnung im Rahmen der Abrechnung nach den §§ 300 und 302 ermöglicht, und tragen dieses auf die Vordrucke auf. Das Nähere zu Form und Zuweisung der Kennzeichen nach den Sätzen 4 und 5, zur Bereitstellung der Vordrucke sowie zur Auftragung der Kennzeichen auf die Vordrucke ist in der Vereinbarung nach Absatz 6 Satz 12 zu regeln. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen nach Satz 1 gilt § 113 Absatz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Prüfung durch die Prüfungsstellen gegen Kostenersatz durchgeführt wird, soweit die Krankenkasse mit dem Leistungserbringer nach Absatz 2 nichts anderes vereinbart hat.

(8) Bestimmungen, die von einem Land nach § 116b Absatz 2 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung getroffen wurden, gelten weiter. Bestimmungen nach Satz 1 für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 oder eine hochspezialisierte Leistung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3, für die der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung in der Richtlinie nach Absatz 4 Satz 1 geregelt hat, werden unwirksam, wenn das Krankenhaus zu dieser Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens jedoch drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die von zugelassenen Krankenhäusern aufgrund von Bestimmungen nach Satz 1 erbrachten Leistungen werden nach § 116b Absatz 5 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vergütet.

(9) Die Auswirkungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung sind fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu bewerten. Gegenstand der Bewertung sind insbesondere der Stand der Versorgungsstruktur, der Qualität sowie der Abrechnung der Leistungen in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auch im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Versorgungsbereichen. Die Ergebnisse der Bewertung sind dem Bundesministerium für Gesundheit zum 31. März 2017 zuzuleiten. Die Bewertung und die Berichtspflicht obliegen dem Spitzenverband Bund, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemeinsam.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer bei ihm durchgeführten ambulanten Brachytherapie mit permanenter Seeds-Implantation bei Prostatakrebs in Höhe von 8.275,00 EUR hat.

2

Der 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihm wurde ein Prostatakarzinom im Anfangsstadium diagnostiziert. Der ihn behandelnde Urologe Dr. L. teilte daraufhin der Beklagten die Bitte um Kostenübernahme für die Implantation von permanenten Seeds in die Prostata mit. In seinem Schreiben vom 17. Dezember 2003 erläuterte er die möglichen Therapien und wies in diesem Zusammenhang auf die Vorteile der streitgegenständlichen Behandlung und die Heilungschance bei früher Diagnosestellung hin. Bei Betrachtung der PSA von 7,2 mg/ml maximal und der Histologie (Gleason 6-Tumor) sollte man im Einklang mit den Empfehlungen der amerikanischen Urologen- und Strahlentherapeutengesellschaft eine Monotherapie mit 145 Gy Brachytherapie durchführen, um optimale Heilungschancen zu gewährleisten. Demgemäß sei diese Therapie zwingend die Therapie der Wahl für den Kläger. Es entstünden Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 8.275,00 EUR.

3

Unter Hinweis darauf, dass es sich hierbei um eine neue Untersuchungsmethode handele, die noch keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2004 eine Kostenübernahme ab. Es lägen noch keine verwertbaren Studien vor, die den Nutzen der Methode und eine Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Behandlungen eindeutig belegten. Vom Arbeitskreis Urologische Onkologie der Deutschen Urologischen Gesellschaft sei eine Studie zur Brachytherapie geplant. Sobald positive Studienergebnisse vorlägen, werde sich die Beklagte für eine Aufnahme der Brachytherapie als Vertragsleistung einsetzen.

4

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die beantragte Therapie erfolge ambulant. Ansonsten müsse seine Frau ins Pflegeheim. Daneben erhielt die Beklagte von Dr. L. ein weiteres Schreiben, in dem dieser bat, die Entscheidung nochmals zu überdenken. Es handele sich um keine neue Methode, vielmehr lägen bereits Langzeitergebnisse über 5, 10 und 12 Jahre vor. Die Nebenwirkungen der Seed-Implantation seien deutlich geringer als die der Operation. Mit dem VdAK liefen derzeit Verhandlungen zum Vertragsabschluss zwischen diesem und dem Ambulanten Brachytherapiezentrum Schleswig-Holstein, dessen Mitglied er, Dr. L., sei.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

6

Der Kläger hat am 9. April 2004 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu überprüfende Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der streitigen Therapie sei bereits erwiesen. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass die Brachytherapie auf Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bereits in den Katalog der erstattungsfähigen „hochspezialisierten Leistungen“ des § 116b Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) aufgenommen worden sei. Dies wäre kaum geschehen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Therapie für unwirksam und unwirtschaftlich hielte. Außerdem habe jedenfalls die stationäre Durchführung einer Brachytherapie mit Wirkung zum 1. Januar 2004 Eingang in die Verordnung zum Fallpauschalensystem der Krankenhäuser und damit in den Abrechnungskatalog der Krankenkassen gefunden. Vor diesem Hintergrund übernehme beispielsweise die AOK Bayern auch schon jetzt die Kosten für ambulante Brachytherapien.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 8.275,00 EUR zu erstatten.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat eine Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Überprüfung der Brachytherapie in einem anderen Streitverfahren und die Entscheidung des Sozialgerichts München vom 17. März 2004 vorgelegt.

12

Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses eingeholt. Mit Urteil vom 25. April 2005 hat es der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Bei der Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation zur Behandlung des bei dem Kläger diagnostizierten lokal begrenzten Prostatakarzinoms handele es sich um eine wissenschaftlich anerkannte und effektive Methode, die - soweit bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien - von ihrer Wirksamkeit her der radikalen Prostatektomie und der externen Bestrahlung gleichkomme. Diese Behandlungsmethode sei darüber hinaus relativ komplikationsarm und für den Patienten mit geringeren Belastungen verbunden. Zwar handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten sei. Sie sei jedoch in den Katalog der erstattungsfähigen hochspezialisierten Leistungen des § 116b Abs. 3 SGB V aufgenommen worden. Es sei festzustellen, dass sich die begehrte Behandlung in der Praxis durchgesetzt und unter bestimmten Voraussetzungen bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gegenüber der radikalen Prostatektomie und der externen Bestrahlung als die deutlich schonendere Behandlungsmethode etabliert habe. Dem Bundesausschuss liege der Überprüfungsantrag bereits seit April 2002 - mithin seit mehr als drei Jahren - vor. Da Anhaltspunkte für sachliche Gründe fehlten, die die nicht absehbare Dauer des Verfahrens rechtfertigten oder nachvollziehbar erscheinen ließen, müsse von einer willkürlichen oder gegebenenfalls auf sachfremden Erwägungen beruhenden Blockierung und Verzögerung des Überprüfungsverfahrens ausgegangen werden.

13

Gegen das ihr am 22. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 18. Juli 2005. Zur Begründung trägt sie vor: Unzutreffend sei bereits die Auffassung des Sozialgerichts, bei der Bewertung des Systemmangels komme es auf den Zeitpunkt der Entscheidung an. Entscheidend sei vielmehr, wann die Therapie durchgeführt worden sei. Außerdem müsse für einen Kostenanspruch das Gericht von der Wirksamkeit der neuen Methode überzeugt sein. Dies könne die Beklagte nicht nachvollziehen. Allein der Hinweis auf § 116b SGB V reiche nicht aus. Diese Regelung beziehe sich auf die ambulante Behandlung im Krankenhaus, die in der Regel von Krankenhausärzten erbracht werde. Zudem sei in dieser Vorschrift nicht festgelegt, um welche Brachytherapie es gehe; insbesondere könne es sich dabei auch um die interstitielle Brachytherapie als Afterloading-Verfahren handeln. Diese sei bereits Bestandteil des EBM. Hinzuweisen sei auch auf die Entscheidung des BSG vom 4. April 2006. In dieser Entscheidung werde die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds sei im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung nach der Fallpauschale „M O7 Z“ abrechenbar.

14

Die Beklagte beantragt,

15

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Die seit Jahren ausstehende Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses sei Ausdruck eines Systemversagens, welches nicht zu Lasten der Versicherten gehen könne. Die streitgegenständliche Behandlung sei am 12. März 2004 durchgeführt worden. Auf die Rechnung des Urologen Dr. L. in Höhe von 8.275,00 EUR werde verwiesen.

19

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 8.275,00 EUR zu erstatten. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat dieser nämlich einen Anspruch auf Kostenübernahme für die streitgegenständliche Brachytherapie.

21

Grundlage des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Voraussetzung ist danach, dass ein zur Leistung verpflichteter Träger entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Da ein Notfall im Sinne der ersten Alternative hier nicht vorlag - eine rechtzeitige Antragstellung war dem Kläger möglich - kann sein Anspruch sich lediglich auf die zweite Alternative stützen, nämlich die unrechtmäßige Ablehnung der Leistung. Dieser Fall liegt hier vor. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger die streitgegenständliche Brachytherapie als stationäre Behandlung zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund steht ihm der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zu.

22

Der von seinem behandelnden Arzt Dr. L. der Beklagten vorgelegte Kostenübernahmeantrag vom 17. Dezember 2003/ 6. Januar 2004 war in sinngemäßer Auslegung darauf gerichtet, die streitgegenständliche Brachytherapie mittels permanenter Seed-Implantation zu erhalten. Ausdrücklich abgelehnt hatte der Kläger darin die radikale Prostatektomie. Auch die externe Bestrahlung lehnte er auf Grund der seiner Auffassung nach besseren Überlebensrate bei der interstitiellen Brachytherapie ab. Gleiches gilt für die komplette Androgenblockade, die nach der Stellungnahme nicht effizient sei und zwangsläufig zum tumorbedingten Ableben führe. Die hier streitige Monotherapie mit Seeds sah der Kläger hingegen als die zwingende „Therapie der Wahl“ an, ohne zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu differenzieren. Vielmehr enthielt die Erläuterung der interstitiellen Brachytherapie mittels permanenter Seed-Implantation den Hinweis, dass diese im Normalfall ambulant durchgeführt werde. Das schließt die stationäre Behandlung nicht aus. Wenngleich der Antrag offensichtlich auf die ambulante Therapie gerichtet war, ist aus dem Kostenübernahmeantrag nicht ersichtlich, dass der Kläger, anders als in der Entscheidung des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R Rz. 26), von Anfang an auf bestimmte Leistungserbringer oder eine bestimmte Art und Weise der Leistungserbringung (ambulant oder stationäre) festgelegt war. Ihm ging es offensichtlich darum, eine Behandlung mit den seiner Meinung nach geringsten Nebenwirkungen bei zumindest gleichen Heilungschancen durchzuführen. Zwar hob der Kläger in seinem Widerspruch den Umstand hervor, dass die beantragte Therapie ambulant erbracht werde, andernfalls seine Frau in ein Pflegeheim müsse. Dies schloss jedoch eine stationäre Behandlung nicht von vornherein aus, wenn nämlich diese sich hinsichtlich des Zeitfaktors nicht wesentlich von der einer ambulanten unterschied.

23

Die Auslegung eines Antrags - ob als Verfahrenshandlung oder als materiell-rechtliche Voraussetzung - hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Regelmäßig ist ein Antrag damit vom Verwaltungsträger so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Behörde hat alle auf Grund des Sachverhalts zu seinen Gunsten in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten zu erwägen und notfalls auf eine Klärung des Verfahrensgegenstandes durch den Antragsteller hinzuwirken (BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - Rz. 14 m. w. N.).

24

Eine solche notwendige Beratungssituation lag hier vor. Durch seinen Kostenübernahmeantrag machte der Kläger deutlich, dass er die hier streitige Behandlung wünschte. Allein insoweit legte er sich fest. Zwar hob er den Umstand hervor, dass die Behandlung ambulant erfolge, dies jedoch erkennbar ausschließlich im Hinblick auf die Pflegesituation seiner Frau. Damit schloss der Antrag eine zeitlich nicht wesentlich über eine ambulante Behandlung hinausgehende stationäre nicht von vornherein aus und erfasste damit auch die streitige Therapie als stationäre Leistung, bei der nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog der Mindestaufenthalt 1 Tag und die mittlere Verweildauer 3,6 Tage beträgt und damit erheblich unter dem Aufenthalt bei der radikalen Entfernung von Prostata und Samenblasen liegt. Gleichwohl hat die Beklagte in ihrem Ablehnungsbescheid vom 14. Januar 2004 und in dem Widerspruchsbescheid vom 11. März 2004 umfassend eine Kostenübernahme der Brachytherapie abgelehnt, ohne zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu differenzieren.

25

Jedenfalls handelte die Beklagte insoweit rechtswidrig, als sie damit den Antrag auf Gewährung einer stationären interstitiellen Brachytherapie ablehnte, obwohl diese zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung der Beklagten als stationäre Leistung nach dem DRG-Fallpauschalensystem bzw. der hierzu ergangenen Verordnung vom 13. Oktober 2003 (BGBl. I S. 1995) unter der DRG-Ziffer „M 07 Z“ vorgesehen war. Der Senat kann es in diesem Zusammenhang offen lassen, ob die Entscheidung, die Brachytherapie als ambulante Leistung nicht zu gewähren bzw. eine Kostenübernahme abzulehnen, rechtmäßig war - zwar fehlt es an einer positiven Empfehlung des Bundesausschusses, gleichwohl wurde und wird diese Therapie in Krankenhäusern bereits angewendet und die Kosten dafür auch von den Krankenkassen übernommen, wobei der Mindestaufenthalt in dem DRG Fallpauschalen-Katalog mit einem Tag angegeben wird und damit insoweit nicht wesentlich von der ambulanten Behandlung abweicht.

26

Durch diese Ablehnung sind dem Kläger, wie es § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V voraussetzt, Kosten entstanden, weil er sich die begehrte Leistung - als ambulante Behandlung - selbst beschafft hat. Dabei schließt sich der Senat der bereits zitierten Rechtsprechung in dem Urteil des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 5/05 R) an, wonach der Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB V einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verdrängt. Dies folgt aus der Vorrangigkeit des § 13 Abs. 3 SGB V gegenüber dem gesetzlich nicht geregelten Herstellungsanspruch und, worauf das BSG zutreffend hinweist, aus dem Ausnahmecharakter der Kostenerstattung gegenüber dem grundsätzlich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sachleistungsprinzip.

27

Die bei dem Kläger entstandenen und von ihm geltend gemachten Kosten in Höhe von 8.275,00 EUR beruhen auf der Inanspruchnahme der streitigen Therapie als ambulante Leistung und damit auf der rechtswidrigen Entscheidung der Beklagten, eine Kostenübernahme umfassend abzulehnen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger sich nicht einer stationären anstelle der ambulanten Operation unterzogen hätte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine solche stationäre Behandlung voraussichtlich nur zu einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus und zu keiner Kostenbelastung geführt hätte (s. o.).

28

Die Kosten in Höhe von insgesamt 8.275,00 EUR sind nach Auffassung des Senats auch nicht zu hoch gegriffen. So ist der gleiche Betrag Gegenstand der vom Senat am gleichen Tag entschiedenen Kostenerstattung ebenfalls einer ambulanten Brachytherapie mit permanenter Seeds-Implantation bei Prostatakrebs (L 5 KR 66/05). In der Entscheidung des BSG vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R) ging es um Kosten in Höhe von 9.064,94 EUR. Kostenermittlungen der vom BSG im Urteil vom 4. April 2006 (B 1 KR 12/05 R, Rz. 35) zitierten HTA Studie der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29. Oktober 2005 ergaben Behandlungskosten von bis zu 26.320 US-Dollar. Fiktiv errechnete die Studie eine Vergütung nach dem DRG-System in Höhe von 6.090 EUR. Im Übrigen hat die Beklagte gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten Einwände nicht erhoben.

29

Eine Verletzung der Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes im Hinblick auf eine mögliche stationäre Behandlung liegt nicht vor. Eine solche Verletzung der Aufklärungspflicht könnte allerdings zur Folge haben, dass der Vergütungsanspruch des Behandlers ausgeschlossen ist (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Von einer solchen Aufklärungspflicht ist dann auszugehen, wenn Behandlungsverfahren regelmäßig auch im stationären Bereich erfolgen. Das war indes bei der hier streitigen Brachytherapie nicht der Fall. Vielmehr war diese gerade durch die Verordnung vom 13. Oktober 2003 in das System der stationären Behandlung aufgenommen worden. Von dem behandelnden Arzt kann, anders als von dem Versicherungsträger, nicht erwartet werden, dass er über solche Umstände außerhalb des Therapiebereiches umfassend Kenntnis hat.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

31

Der Senat lässt im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Revision zu.


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.