Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Apr. 2016 - L 5 KR 29/13

bei uns veröffentlicht am28.04.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 21. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 6. Januar 2012 in Höhe von 1.045,47 EUR sowie die Frage, ob die Beklagte dem Kläger sämtliche dadurch entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen sowie alle daraus entstandenen Kosten zu tragen habe.

2

Der 1952 geborene Kläger war im streitigen Zeitraum bei der Beklagten als Rentner gesetzlich krankenversichert und erzielte daneben Einkommen aus einer freiberuflichen Tätigkeit, das die Beklagte verbeitragte. Aus den Leistungsbescheiden vom 17. Dezember 2010, 19. Januar 2011, 17. Februar 2011, 23. Mai 2011, 17. Juni 2011, 18. Juli 2011, 17. August 2011, 17. September 2011, 19. Januar 2011, 16. November 2011 und 16. Dezember 2011, mit denen sie Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Juni 2010 bis November 2011 in Höhe von 955,95 EUR, Säumniszuschläge gemäß § 24 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Höhe von 80,50 EUR sowie Mahn- und Portokosten in Höhe von 9,02 EUR geltend machte, betrieb sie im Januar 2012 die Zwangsvollstreckung, übersandte dem Obergerichtsvollzieher K... mit Vollstreckungsauftrag vom 5. Januar 2012 vollstreckbare Ausfertigungen der Bescheide und machte einen Gesamtrückstand in Höhe von 1.045,47 EUR geltend zuzüglich Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB IV ab 16. Januar 2012 aus 950,00 EUR. Mit seiner Klage vom 19. Januar 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Lübeck begehrt, der Beklagten die Zwangsvollstreckung aus den Beitragsbescheiden zu untersagen. Diese seien zu hoch festgestellt worden, denn die Beklagte habe ein fehlerhaftes Einkommen zugrunde gelegt. Außerdem werde das Einkommen aus einer geringfügigen und damit sozialversicherungsfreien Tätigkeit erzielt, so dass er hierfür weder Krankenversicherungs- noch Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen habe.

3

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

4

der Beklagten die Zwangsvollstreckung aus den Bescheiden vom 17. Dezember 2010, 19. Januar 2011, 17. Februar 2011, 23. Mai 2011, 17. Juni 2011, 18. Juli 2011, 17. August 2011, 17. September 2011, 19. Oktober 2011, 16. November 2011 und 16. Dezember 2011 zu untersagen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Sie hat geltend gemacht, die Zwangsvollstreckung sei rechtmäßig, da Widersprüche und Klagen gegen Beitragsbescheide nach dem Gesetz keine aufschiebende Wirkung entfalten würden. Dies gelte, bis die aufschiebende Wirkung durch das zuständige Gericht angeordnet werde, was aber in diesem Fall nicht erfolgt sei.

8

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9

„Die Vollstreckungsabwehrklage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagten die Betreibung der Zwangsvollstreckung aus den im Antrag benannten Bescheiden untersagt wird.

10

Insoweit wird in analoger Anwendung des § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen der erkennenden Kammer im Beschluss vom 23.02.2012 (Az. S 33 KR 50/12 ER, S 33 KR 50/12 ER PKH) im vorangegangenen Eilverfahren, im Beschluss vom 28.02.2012 (Az. S 33 KR 50/12 PKH) sowie die Ausführungen des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in dessen Beschlüssen vom 28.06.2012 (Az. L 5 KR 49/12 B ER, L 5 KR 54/12 B PKH und L 5 KR 61/12 B PKH) in den jeweiligen Beschwerdeverfahren verwiesen, an denen das Gericht nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage ausdrücklich festhält. Der analogen Anwendung des § 136 Abs. 3 SGG begegnen keine Bedenken, da die Vorschrift ohnehin weit auszulegen ist. Der Zweck der Vorschrift ist es nämlich, unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Daher ist die Bezugnahme auf Schriftstücke, die den Beteiligten bekannt sind regelmäßig auch in den Entscheidungsgründen zulässig, sofern die Verständlichkeit darunter nicht leidet (vgl. Keller in Mayer-Ladewig SGG, 10. Aufl. 2012, § 136 Rn. 7c). Dies ist hier nicht der Fall, so dass einer Verweisung auf die genannten Entscheidungen nichts im Wege steht.“

11

Gegen den ihm am 27. März 2013 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 2. April 2013 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Berufung. Er macht geltend, die Zwangsvollstreckung sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe zumindest überhöhte Forderungen aufgrund eines tatsächlich nicht erzielten Verdienstes im Jahre 2011 gestellt. Das belege der Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2012, mit dem die Beitragsforderung für 2011 reduziert worden sei. Zudem behaupte die Beklagte im Vollstreckungsbescheid Säumniszuschläge in Höhe von 80,50 EUR sowie Mahn- und Portokosten in Höhe von 9,02 EUR, die sich jedoch nicht aus den Einzelbescheiden, aus denen vollstreckt worden sei, ergäben.

12

Der Kläger beantragt sinngemäß,

13

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 21. März 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 6. Januar 2012 in Höhe von 1.045,47 EUR rechtswidrig war und die Beklagte ihm sämtliche dadurch entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen sowie alle daraus entstandenen Kosten zu tragen hat.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

18

Zum Zeitpunkt des angefochtenen Gerichtsbescheides des Sozialgerichts war in jedem Fall das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 Zivilprozessordnung (ZPO) entfallen, weil die Zwangsvollstreckung als Ganzes beendet war. Insoweit verweist der erkennende Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 28. April 2016 im Verfahren L 5 KR 11/13, die auch hier Geltung entfalten. Ebenso wie im Verfahren L 5 KR 11/13 hat der Kläger auch hier seine Anträge wegen der Beendigung der Zwangsvollstreckung erst im Berufungsverfahren korrigiert. Daraus folgt, dass die Klageänderung erst zu einem Zeitpunkt geschah, als der geänderte Streitgegenstand bereits im Verfahren S 3 KR 1112/10/L 5 KR 62/11 rechtshängig war. Bei einer Klageänderung beginnt für neue Anträge eine neue Rechtshängigkeit, und zwar gemäß § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 261 Abs. 2 ZPO bei erst im Laufe des Prozesses erhobenen Ansprüchen mit Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder Einreichung eines Schriftsatzes (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 94 Rn. 3a). Deshalb war die Klageänderung hier unzulässig, weil bereits anderweitige Rechtshängigkeit bestand. Vor diesem Hintergrund war die Berufung mangels Rechtsschutzbedürfnis infolge beendeter Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

20

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

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(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgeru

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bei uns veröffentlicht am 28.04.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Januar 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen

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(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Eine jeweils gesonderte Abrundung rückständiger Beiträge und Beitragsvorschüsse unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition ist zulässig. Bei einem rückständigen Betrag unter 150 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert anzufordern wäre. Für die Erhebung von Säumniszuschlägen in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt § 169 des Siebten Buches.

(1a) (weggefallen)

(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

(3) Hat der Zahlungspflichtige ein Lastschriftmandat zum Einzug der Beiträge erteilt, so sind Säumniszuschläge zu erheben, wenn der Beitragseinzug aus Gründen, die vom Zahlungspflichtigen zu vertreten sind, nicht ausgeführt werden kann oder zurückgerufen wird. Zusätzlich zum Säumniszuschlag soll der Gläubiger vom Zahlungspflichtigen den Ersatz der von einem Geldinstitut erhobenen Entgelte für Rücklastschriften verlangen; dieser Kostenersatz ist wie die Gebühren, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Beitragsansprüchen erhoben werden, zu behandeln.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger hat sich erstinstanzlich mit seiner Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 Zivilprozessordnung (ZPO) vom 29. April 2011 gegen die vermeintliche Zwangsvollstreckung der Beklagten aus den Beschlüssen des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2011 (S 3 KR 226/11 ER), vom 23. September 2011 (S 3 KR 489/11 ER) und vom 10. November 2011 (S 33 KR 778/11 ER) gewandt, mit denen die zuvor vom Kläger begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Beitragsbescheiden versagt worden war.

2

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Vollstreckungsgrundlage bilde der jeweilige von der Beklagten erlassene Verwaltungsakt und nicht der Beschluss, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung versagt worden sei. Da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung versagt worden sei, könne die Beklagte unmittelbar aus den Beitragsbescheiden vollstrecken. Für die Anwendung des § 769 ZPO bestehe bereits nach seinem Wortlaut kein Raum. Wegen der weiteren Begründung werde auf den im Verfahren L 5 KR 12/12 B ER ergangenen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 2012 Bezug genommen.

3

Gegen den ihm am 11. Januar 2013 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 14. Januar 2013 beim Sozialgericht Lübeck eingegangen ist. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht habe wesentlichen Streitstoff übersehen. Mit Bescheid vom 17. Februar 2012 habe die Beklagte rückwirkend ab 1. Januar 2011 die monatliche Beitragsforderung zu seinen Gunsten korrigiert. Das habe zur Folge, dass die Zwangsvollstreckung rechtswidrig gewesen sei und die Beklagte die ihm entstandenen Kosten nebst der üblichen Zinsen aus §§ 247, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die gesamten Prozesskosten zu tragen habe. Allerdings habe sich „die Sache L 5 KR 11/13 = S 5 KR 1287/11 (Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die rechtswidrige Willkür-Vollstreckung der Beklagten) … zudem längst von selbst erledigt“ denn es sei ja am 19. Januar 2012 vollstreckt worden.

4

Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,

5

die Beklagte zu verurteilen, ihm den durch Zwangsvollstreckung im Februar 2012 beigetriebenen Betrag von 1.111,52 EUR nebst Zinsen aus §§ 247, 288 BGB zu erstatten und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung entstandenen Kosten zuzüglich Zinsen aus §§ 247, 288 BGB zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

7

die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

9

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Sie ist mangels Rechtsschutzbedürfnis infolge beendeter Zwangsvollstreckung zurückzuweisen

11

Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Februar 2015 weder eine einseitige Erledigungserklärung abgeben noch die Klagerücknahme erklären wollte, indem er ausführte, dass sich die Sache L 5 KR 11/13 längst von selbst erledigt habe, da bereits am 19. Januar 2012 vollstreckt worden sei. Vielmehr hat er wegen der Beendigung der Zwangsvollstreckung seine Anträge im Berufungsverfahren korrigiert und macht nunmehr die Erstattung des durch die Zwangsvollstreckung beigetriebenen Betrages geltend. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte zum Schadenersatz verpflichtet sei.

12

Zu Recht ist das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid davon ausgegangen, dass für eine Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 ZPO gegen die vom Kläger angeführten Beschlüsse des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2011 (S 3 KR 226/11 ER), vom 23. September 2011 (S 3 KR 489/11 ER) und vom 10. November 2011 (S 33 KR 778/11 ER) keine gesetzliche Grundlage gegeben war, denn die Beklagte hat die Zwangsvollstreckung nicht aus den Beschlüssen, sondern aus den von ihr selbst erlassenen Verwaltungsentscheidungen betrieben, und zwar aus den Leistungsbescheiden vom 17. Dezember 2010, 19. Januar 2011, 17. Februar 2011, 23. Mai 2011, 17. Juni 2011, 18. Juli 2011, 17. August 2011, 17. September 2011, 19. Oktober 2011, 16. November 2011 und 16. Dezember 2011. Diese betrafen Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit von Juni 2010 bis November 2011. Insoweit hat die Beklagte dem Obergerichtsvollzieher K... am 5. Januar 2012 vollstreckbare Ausfertigungen der Bescheide mit dem Auftrag der Zwangsvollstreckung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 955,95 EUR und Säumniszuschlägen gemäß § 24 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Höhe von 80,50 EUR sowie Mahn- und Portokosten in Höhe von 9,02 EUR (Gesamtrückstand 1.045,47 EUR) zuzüglich Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB IV ab 16. Januar 2012 aus 950,00 EUR erteilt. In diesem Zusammenhang kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Beitragsbescheide nicht ebenfalls als Vollstreckungstitel von der Vorschrift des § 767 ZPO umfasst sind und das Sozialgericht den Antrag des Klägers dahingehend hätte auslegen können bzw. zeitnah auf eine entsprechende Antragstellung hinwirken müssen, denn zum Zeitpunkt des angefochtenen Gerichtsbescheides war in jedem Fall ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage entfallen, weil die Zwangsvollstreckung als Ganzes beendet war.

13

Vor diesem Hintergrund hat der Kläger auch seine Anträge im Berufungsverfahren korrigiert. Er macht nunmehr die Erstattung des durch die Zwangsvollstreckung beigetriebenen Betrages geltend und begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung ist jedoch bereits Streitgegenstand des Verfahrens S 3 KR 1112/10 / L 5 KR 62/11 geworden, welches der Senat mit Urteil vom gleichen Tag entschieden hat. In diesem Verfahren hatte der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 3. März 2012 gerügt, dass die Beklagte die Zwangsvollstreckung zumindest in ungerechtfertigter Höhe betrieben habe und insbesondere auch gefordert, dass die Beklagte ihm den Schaden zu ersetzen habe, der durch die Zwangsvollstreckung vor dem Hintergrund überhöhter Forderungen entstanden sei. Deshalb ist das Erstattungs- und Feststellungsbegehren bereits im Verfahren S 3 KR 1112/10 / L 5 KR 62/11 zu einem Zeitpunkt rechtshängig geworden, als die hier zu entscheidende Berufung, in der die spätere Antragskorrektur erfolgte, noch nicht eingelegt war. Bei einer Klageänderung beginnt für neue Anträge eine neue Rechtshängigkeit, und zwar gemäß § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 261 Abs. 2 ZPO bei erst im Laufe des Prozesses erhobenen Ansprüchen mit Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder Einreichung eines Schriftsatzes (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 94 Rn. 3a). Daraus folgt, dass die Klageänderung hier unzulässig war, weil bereits anderweitige Rechtshängigkeit bestand. Deshalb war die Berufung mangels Rechtsschutzbedürfnis infolge beendeter Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

15

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.