Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 24. Okt. 2017 - L 3 AS 140/17

bei uns veröffentlicht am24.10.2017

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen die Mitteilung des Sozialgerichts Schleswig vom 4. September 2017, dass die Klage nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz als zurückgenommen gelte und das Verfahren damit beendet sei, wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit am 27.01.2017 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenem Schreiben vom 25.01.2017, bezeichnet als „Eilantrag, Klage, Einstweilige Verfügung, Widerspruch 1 - 7 vom 20.01.2017 + 28.12.2017“ haben die Kläger sich unter Nennung von 7 Aktenzeichen auf 7 Widersprüche bezogen und wörtlich ausgeführt: „Es wird kein Bescheid richtig beschieden. Es wird einer Direktzahlung und Einbehaltung der Heizkosten, der Kürzung, der Einkommensanrechnung widersprochen im gesamten Umfang“.

2

Das Sozialgericht hat die Eingabe unter dem Aktenzeichen S 16 AS 68/17 als Klage eingetragen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.02.2017 mitgeteilt, dass es um fünf im Einzelnen beschriebene Bescheide gehen dürfte; zu zwei der von den Klägern mitgeteilten Aktenzeichen gebe es allerdings keine Bescheide. Eine Nachfrage hierzu an die Kläger vom 02.03.2017 blieb unbeantwortet. Mit gerichtlicher Verfügung vom 04.05.2017, den Klägern zugestellt am 05.05.2017, wurden die Kläger aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und binnen drei Wochen anzugeben, gegen welchen Bescheid und Widerspruchsbescheid sich die Klage vom 25.01.2017 richte, welches konkrete Ziel mit der Klage erreicht werden solle und aus welchem Grund die hier konkret angegriffenen Verwaltungsentscheidungen des Beklagten aus Sicht der Kläger rechtswidrig seien. Die Kläger wurden darauf hingewiesen, dass die Klage nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren seitens der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht länger als drei Monate nicht betrieben werden. Die Kläger würden hiermit zur Betreibung des Klageverfahrens im Sinne dieser Vorschrift aufgefordert.

3

Nachdem die Kläger hierauf nicht reagiert haben, teilte das Sozialgericht ihnen mit Schreiben vom 04.09.2017 mit, dass die Klage nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen gelte, nachdem das Verfahren trotz entsprechender gerichtlicher Betreibensaufforderung durch das Gericht mehr als drei Monate nicht betrieben worden sei. Das Verfahren sei damit beendet und werde ausgetragen.

4

Mit am 11.09.2017 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenem Schreiben vom 06.09.2017 haben die Kläger unter anderem wörtlich „Berufung gegen sämtliche Niederlegungen, Rücknahmen § 102 Abs. 2 und Satz 1 Sozialsetzbuch S 16 AS 68/17“ erhoben. Mit Schreiben vom 02.10.2017 hat das Sozialgericht mitgeteilt, dass weitere Eingaben der Kläger dort als Antrag auf Fortführung des Klageverfahrens S 16 AS 68/17 gewertet worden seien. Das Verfahren wird dort unter dem Az. S 16 AS 508/17 geführt; eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.

5

Mit gerichtlicher Verfügung des Landessozialgerichts vom 09.10.2017 sind die Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, weil ein anfechtbares Urteil bisher nicht vorliege. Es wurde angeregt, die hier eingelegte Berufung zurückzunehmen; anderenfalls werde der Senat die Berufung voraussichtlich im schriftlichen Verfahren (§ 158 SGG) als unzulässig verwerfen. Hierauf haben die Kläger wiederum nicht reagiert.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

7

Die zu dem erstinstanzlichen Verfahren S 16 AS 68/17 eingelegte Berufung der Kläger ist offensichtlich unzulässig, weil Berufungen nur gegen Urteile der Sozialgerichte statthaft sind (§ 143 SGG), ein erstinstanzliches Urteil hier jedoch bisher gar nicht ergangen ist. Das Sozialgericht hat die Klage infolge der Fiktion des § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen angesehen, nachdem die Kläger auf die Betreibensaufforderung vom 04.05.2017 nicht reagiert haben. Entsteht – wie hier – Streit über die Wirksamkeit der Klagrücknahme, wird das Verfahren fortgesetzt; bejaht das Sozialgericht eine Klagrücknahme, erlässt es sodann ein Urteil mit der Feststellung, dass die Klage zurückgenommen ist. Verneint das Sozialgericht nach erneuter Überprüfung das Vorliegen einer Klagrücknahme oder hält es sie für unwirksam, wird hingegen in der Sache entschieden (vgl. allg. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 102 Rz 12 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist eine Berufung hier bisher nicht statthaft.

8

Der Senat entscheidet über die unzulässige Berufung in Ausübung des ihm insoweit eröffneten Ermessens durch Beschluss nach § 158 SGG, weil er eine mündliche Verhandlung – zumal unter Berücksichtigung der in einer Vielzahl von Verfahren deutlich gewordenen Uneinsichtigkeit der Kläger – nicht für erforderlich hält.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

10

Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.


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Referenzen - Gesetze

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102


(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. (2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 158


Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

Referenzen

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.