Landessozialgericht NRW Urteil, 27. Aug. 2015 - L 7 AS 806/15

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2015:0827.L7AS806.15.00
bei uns veröffentlicht am27.08.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 27.04.2015 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 24 Abweichende Erbringung von Leistungen


(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 123


Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 41 Berechnung der Leistungen und Bewilligungszeitraum


(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht. (2) Berechnungen werd

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 158


Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 112


(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. (2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Be

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige für die Zeit vom 1.1

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.

(2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, daß sie sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären sowie angemessene und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder im Rahmen des § 99 geändert werden.

(4) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. Wird eine Frage von einem Beteiligten beanstandet, so entscheidet das Gericht endgültig.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. März 2008 als endgültige Leistungen begehrt. Im Übrigen wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die endgültige, hilfsweise vorläufige Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs an Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) und ohne die Berücksichtigung von Einkommen.

2

Die 1947 geborene Klägerin bezieht seit 1.1.2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnte bis Mai 2008 alleine eine 81,83 qm große Dreizimmerwohnung in Berlin. Für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.11.2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen (monatliche Bruttowarmmiete 663,53 Euro, ab 1.4.2005 684,78 Euro).

3

Mit dem Antrag vom 24.4.2007 auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1.5.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H eV (wieder) aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen von monatlich 500 Euro im Zeitraum 1.9.2007 bis 31.3.2008 würden 100 Euro Betriebsausgaben gegenüberstehen. Für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 387 Euro einschließlich eines Betrags von 360 Euro für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 5.10.2007) und eines monatlichen Regelbedarfs von 347 Euro, dem er monatliches Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 320 Euro gegenüberstellte. Auf Seite 2 des Bescheides heißt es ua: "Die Bewilligung ist nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III nur vorläufig aufgrund des unterschiedlichen Einkommens Ihrer Honorartätigkeit." Dem Bescheid war zudem ein Erläuterungsschreiben vom selben Tag zur vorläufigen Leistungsgewährung beigefügt, in dem ua ausgeführt wird, dass auf den Antrag der Klägerin vom 5.10.2007 die Leistung wegen der Unklarheit der Einkommenshöhe nur vorläufig in Bezug auf die Leistungshöhe bewilligt werde und eine abschließende Entscheidung zur Höhe des Leistungsanspruches erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids erfolgen könne.

4

Gegen den Bescheid vom 5.10.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie Leistungen für KdU in Höhe von 513,59 Euro, den Abzug von Betriebsausgaben vom Einkommen und die Nichtanrechnung von Einkommen für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 begehrte, da ihre berufliche Tätigkeit zum 31.3.2008 ende. Von Januar bis Oktober 2007 habe sie monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro gehabt.

5

Auf den Antrag der Klägerin verpflichtete das SG den Beklagten durch Beschluss vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Monat Oktober 2007 unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen insgesamt 707 Euro zu zahlen und für den Zeitraum vom 1.11. bis zum 31.12.2007 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 504,78 Euro zu gewähren. Dies führte der Beklagte durch Bescheid vom 9.11.2007 aus.

6

Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2008 gewährte der Beklagte der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5.10.2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für
den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2007 in Höhe von 740,44 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 504,78 Euro für KdU,
für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2008 in Höhe von 595,66 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU und
für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 in Höhe von 707 Euro, hiervon ebenfalls einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU.
Dabei berücksichtigte der Beklagte im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 als Betriebsausgaben 260,83 Euro und ging von einem laufenden Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 239,17 Euro aus, von dem ein Betrag in Höhe von 111,34 Euro als Einnahme iS des § 11 SGB II zu berücksichtigen sei. Zudem berücksichtigte er das Auslaufen des Honorarvertrages der Klägerin zum 31.3.2008 mit der Folge, dass für April 2008 kein Einkommen berücksichtigt wurde. Auch in diesem Bescheid hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Bewilligung vorläufig erfolge, weil die Höhe des Einkommens nicht hinreichend bekannt sei. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.2008 unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung und der Entscheidung des SG vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - sowie seiner bisherigen Berechnungen zum Einkommen zurück.

7

Hiergegen hat die Klägerin am 21.2.2008 Klage zum SG Berlin "wegen Kosten der Unterkunft" erhoben und ausgeführt, ihr würden höhere Leistungen für KdU zustehen. Mit am 16.5.2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat sie zudem die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Kosten ihres Arbeitszimmers als Betriebsausgabe geltend gemacht. Durch Gerichtsbescheid vom 6.8.2008 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit die Klägerin die Gewährung höherer Regelleistungen geltend gemacht habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien.

8

Auf die Berufung der Klägerin hiergegen hat das LSG Berlin-Brandenburg in der mündlichen Verhandlung vom 22.4.2010 darauf hingewiesen, dass Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Bescheide eine vorläufige Leistungsbewilligung sei, woraufhin die Klägerin erklärt hat, eine endgültige, hilfsweise vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II zu erstreben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22.4.2010). Im Hinblick auf die Gewährung höherer Regelleistungen hat es die Klage als unzulässig angesehen, weil sie nicht fristgerecht erhoben sei. Das auf die Gewährung höherer Regelleistungen gerichtete Begehren sei nicht bereits Gegenstand der Klageschrift vom 21.2.2008 gewesen. Die Klägerin habe den Streitgegenstand auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzt. Auch die endgültige Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat es als unzulässig - in Ermangelung einer Klagebefugnis der Klägerin - bewertet. Es fehle insoweit an einem Verwaltungsakt, der über die von ihr begehrten endgültigen Leistungen entschieden habe. Der Beklagte habe durch die streitgegenständlichen Bescheide nur vorläufige Leistungen bewilligt. Die auf vorläufige Leistungen gerichtete Klage sei jedoch ebenfalls unzulässig. Insoweit sei der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden, denn dieses Begehren sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG gewesen. Die Klage sei von Anfang an eindeutig auf eine endgültige Leistungsgewährung gerichtet gewesen. Hierin sei nicht (als Minus) ein auf die vorläufige Bewilligung von Leistungen gerichtetes Begehren enthalten. Die erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) begehrte vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III sei ihrer Rechtsnatur nach etwas anderes als eine endgültige Leistungsbewilligung, ein so genanntes aliud.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III, § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, §§ 95, 123 SGG und Art 19 Abs 4 GG. Die Klagebefugnis könne nicht verneint werden. Außerdem sei der Vorläufigkeitsvorbehalt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, weshalb von einer endgültigen Bewilligung auszugehen sei. Eine nur vorläufige Bewilligung unterstellt, hätten die Klaganträge, ausgehend vom Klagebegehren, gemäß § 123 SGG von Anfang an dahingehend ausgelegt werden müssen, dass die Klage auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen gerichtet gewesen sei. Eine Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen der KdU sei nicht erfolgt. In der Sache bestehe ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit von April 2007 bis Januar 2008 sei ihr zudem aus familiären Gründen eine gesteigerte Wohnungssuche nicht zumutbar gewesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung sei nicht erfolgt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen und unter Berücksichtigung eines Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 675,78 Euro zu gewähren,

11

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehrt. Der Beklagte hat insoweit zu Recht zwischen dem 1.11.2007 und dem 31.3.2008 die Leistungen vorläufig bewilligt (2.). Im Hinblick auf die vorläufige Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG)(3.). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG erstreckt sich die Klage insoweit nicht alleine auf die Gewährung endgültiger Leistungen. Auch im Hinblick auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet. Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob in diesem Monat - trotz der Beendigung des Honorarvertrags der Klägerin zum 31.3.2008 - die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung noch rechtmäßig war (4.).

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1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

15

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

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2. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 keinen Anspruch auf endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin ab dem 1.11.2007 nur vorläufige Leistungen bewilligt (a). Ihre gleichwohl auf endgültige Leistungen gerichtete Klage ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht unzulässig (b). Die angefochtenen Bescheide sind jedoch im Hinblick auf die Bewilligung vorläufiger Leistungen rechtmäßig (c).

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a) Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.10.2007 idF des Änderungsbescheides vom 2.1.2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2008, mit welchem der Beklagte eine vorläufige Entscheidung iS des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III getroffen hat. Die Auslegung des Bescheides vom 5.10.2007 durch das LSG insoweit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

18

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass bei der Auslegung eines Bescheids maßgebend ist, wie der Empfänger ihn verstehen durfte (§ 133 BGB). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (zur Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswertes vgl BSG Urteil vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 = BSGE 48, 56 <58 f> = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Die Regelung der Vorläufigkeit für sich hat Verfügungscharakter (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 30; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301, vgl auch BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr 1 S 5). Es ist deshalb erforderlich, dass sich aus dem Verwaltungsakt eindeutig ergibt, ob und inwieweit die Verwaltung eine vorläufige Bewilligung verfügt hat (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 46). Die "Typus prägenden Merkmale" der vorläufigen Entscheidung müssen unzweifelhaft erkennbar sein (vgl BSG Urteil vom 29.4.1997 - 4 RA 46/96 - SozR 3-1200 § 42 Nr 9 S 37 mwN; Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 20, 30; Gagel/Pilz, SGB III, § 328 RdNr 34 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301). Das ist hier der Fall.

19

Selbst wenn man annehmen wollte, die Verfügung der Vorläufigkeit der Bewilligung in dem Bescheid vom 5.10.2007 sei nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weil der Beklagte den Verfügungssatz insoweit nicht dem Bescheidtext voran-, sondern an das Ende des Verwaltungsaktes gestellt hat, konnte die Klägerin durch das dem Bescheid beigefügte Erläuterungsschreiben die Vorläufigkeit der Leistungsgewährung erkennen. Das Erläuterungsschreiben des Beklagten und der Bewilligungsbescheid vom 5.10.2007 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (vgl BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 19/09 R, zur Erläuterung der Vorläufigkeit einer Entscheidung auf einem Anlagenblatt zum Bescheid; s auch BSG Urteile vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 2; 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95, 191 <193> = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 S 3; 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 6 S 20). In dem Schreiben des Beklagten vom 5.10.2007 ist unter Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom selben Tag klar und eindeutig ausgeführt, dass und warum und in Bezug auf welchen Inhalt der Leistungsbewilligung eine Vorläufigkeitsregelung getroffen wird. In der Gesamtschau der im Bescheid vom 5.10.2007 enthaltenen Verfügungen und den darauf bezogenen Ausführungen im Erläuterungsschreiben vom 5.10.2007 sind die "Typus prägenden Merkmale der vorläufigen Entscheidung" für den an Treu und Glauben orientierten Adressaten unzweifelhaft erkennbar.

20

b) Die Klage auf endgültige Leistungen ist im Gegensatz zur Auffassung des LSG gleichwohl nicht unzulässig. Zwar ist die vorläufige Leistung - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (stRspr, vgl BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 = SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <109 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 = SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R = SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 56). Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche. Soweit das LSG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine die vorläufige Bewilligung von Leistungen verfügende Entscheidung der Verwaltung jedoch in Ermangelung einer Klagebefugnis für unzulässig hält, verkennt es die Grenzen der Rechtsschutzgewährung gegen vorläufige Entscheidungen. Unabhängig von der jeweils zutreffenden Klageart ist auch gegen vorläufige Entscheidungen grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren. Im Falle einer den Kläger im Verhältnis zur vorläufigen Bewilligung belastenden endgültigen Entscheidung kann er im Klageverfahren gegen die endgültige Entscheidung nicht mehr damit gehört werden, die Verwaltung habe nicht vorläufig bewilligen dürfen. Ist die vorläufige Bewilligung bestandskräftig geworden, ist sie auch im Rahmen eines Erstattungsbescheides nach § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Vorläufigkeit nicht mehr überprüfbar(BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R, SozR 3-4100 § 147 Nr 1). Der eine vorläufige Leistung bewilligende Bescheid ist mithin ebenso wie ein solcher über die Bewilligung von endgültigen Leistungen mit der Begründung anfechtbar, die Verwaltung habe rechtswidrig gehandelt, hier zu Unrecht vorläufige Leistungen anstatt endgültige bewilligt. Die zutreffende Klageart ist dann zu förderst die Anfechtungsklage (vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92).

21

Gleichwohl ist ein auf endgültige Leistungen gerichtetes Begehren in Gestalt der Leistungsklage nicht grundsätzlich unzulässig ( § 54 Abs 2 SGG - vgl BSG Urteil vom 21.7.2009 - B 7 AL 49/07 R, BSGE 104, 76 = SozR 4-4300 § 22 Nr 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315; aA Düe in Niesel/Brand, SGB III, 6. Aufl 2010, § 328 RdNr 30 f, der nur die Anfechtung für rechtlich zulässig hält ) - ein Kläger ist wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung ist nach § 328 Abs 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und Auswahlermessen hat(vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42). Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b; so auch Eicher in Eicher/Schlegel, § 328 SGB III, RdNr 92 im Hinblick auf vorläufige Leistungen wegen der Entscheidungsfreiräume der Verwaltung). Sie hält auch der erkennende Senat für die zutreffende Klageart im Falle der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach § 328 Abs 1 SGB III, um der Einebnung der Verschiedenartigkeit der Ansprüche auf endgültige und vorläufige Leistungen entgegenzuwirken. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst, als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist die Beantragung der Leistung selbst (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315 - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage)und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die Verpflichtungsklage ist dann jedoch ggf als ein Minus (Hilfsantrag) in der Leistungsklage enthalten (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IV, RdNr 18). Im Hinblick auf die Verpflichtung des Richters nach § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG, den erhobenen Anspruch festzustellen und auf eine entsprechende Antragstellung hinzuwirken(BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1), hätte sich das LSG in dieser Hinsicht mit dem klägerischen Vortrag auseinandersetzen und seinen prozessualen Hinweispflichten nachkommen oder die Klage insoweit ggf als unbegründet behandeln müssen.

22

c) Gleichwohl vermag die Klägerin mit ihrem Begehren auf endgültige Leistungen nicht durchzudringen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Klägerin die Leistungen als vorläufige und nicht in Gestalt endgültiger Leistungen erbracht hat.

23

Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III kann der Leistungsträger über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches eines Hilfebedürftigen auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

24

Die Klägerin hat bereits bei Antragstellung am 24.4.2007 mitgeteilt, dass sie ab dem 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojekts beim Förderverein H eV aufnehmen und voraussichtliche Betriebseinnahmen von 500 Euro haben werde, denen vom 1.9.2007 bis 31.3.2008 voraussichtlich Betriebsausgaben von 100 Euro monatlich entgegenstehen würden. Da somit zum Entscheidungszeitpunkt nicht eindeutig festzustellen war, in welcher Höhe Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen sein werde, was nach § 9 SGB II wiederum Einfluss sowohl auf das "Ob" des Bestehens eines Leistungsanspruchs, als auch auf die endgültige Leistungshöhe hat, entspricht die Ausfüllung des Ermessensfreiraums durch Bewilligung vorläufiger Leistungen pflichtgemäßer Ermessensbetätigung(vgl zum grundsätzlichen Verbot, einen Geldleistungsanspruch durch "endgültigen" Verwaltungsakt - von Sonderfällen und speziellen gesetzlichen Regelungen abgesehen - anzuerkennen, bevor die Sach- und Rechtslage vollständig geklärt ist: BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 126/95 R, BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2; BSGE 62, 32 , 39 = SozR 4100 § 71 Nr 2; BSGE 67, 104 , 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; SozR 3-1300 § 32 Nr 4).

25

Mit Rücksicht auf den hier vorliegenden Streitgegenstand brauchte sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, inwieweit die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 Alg II-V idF vom 17.12.2007 (BGBl I 2942), der hier nach § 9 Satz 3 Alg II-V für den Zeitraum ab dem 1.1.2008 zur Anwendung gelangen könnte, gegeben sind.

26

3. Im Hinblick auf die Höhe der vorläufigen Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vermochte der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung zu treffen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG ist die Klage auf höhere vorläufige Regelleistungen und Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ebenfalls nicht bereits unzulässig.

27

a) Die Klage ist im Hinblick auf die Gewährung vorläufig höherer Leistungen nicht verfristet. Wenn auch die Klägerin erst auf die Hinweise des LSG hilfsweise ausdrücklich vorläufige Leistungen beantragt hat, war die Bewilligung vorläufiger Leistungen gleichwohl von Anfang an Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens.

28

Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie (vgl BSG Urteil vom 25.10.1995 - 5 RJ 40/93 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7) der prozessuale Anspruch, nämlich das von der Klägerin aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl hierzu nur BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B = SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18 f und Urteil vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 2 S 20; ebenso BVerwG vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 = BVerwGE 96, 24, 25).

29

Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl hierzu nur: BSG Urteil vom 4.2.1999 - B 7 AL 120/97 R = SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93, BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f, jeweils mwN; s auch BVerfG vom 29.10.1975 - 2 BvR 630/73 = BVerfGE 40, 272 <275>, das auf eine "dem Beschwerdeführer günstige Auslegung" abstellt) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§ 123 SGG), dass das Begehren der Klägerin möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 3 S 17; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 123 RdNr 8). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden(BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94> = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94 f> = SozR 2200 § 205 Nr 65; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 92 RdNr 12).

30

Die Klägerin hat, wie oben dargelegt, den Bescheid vom 5.10.2007, mit dem Leistungen vorläufig bewilligt worden sind, angefochten und höhere Leistungen begehrt. Damit ist die Gewährung höherer vorläufiger Leistungen zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, unabhängig von der konkreten Formulierung ihres Antrags. Die Neufassung des Antrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG stellte mithin keine Klageänderung iS des § 99 SGG dar. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufgrund des rechtlichen Hinweises der Vorsitzenden gemäß § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG erfolgte Konkretisierung des Klageantrags und die Differenzierung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten(vgl BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 1 S 3 f).

31

b) Ebenso wenig ist die Klage im Hinblick auf die Gewährung auch einer höheren Regelleistung verfristet. Die Klägerin hat den Streitgegenstand nicht auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Die Regelleistung ist von Anfang an im Streit gewesen. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Bescheid nicht nur teilweise angefochten und auch die Klage zu keinem Zeitpunkt teilweise zurückgenommen.

32

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R = BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 S 10 mwN; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 S 37). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X) enthält (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 mwN). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich zwar bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes insoweit zulässig ist(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 9 S 74). Es bedarf aber hierfür einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <224> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93 = BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 f; BVerwG vom 9.7.1997 - 1 B 209/96; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr 27a; Jansen/Humpert, SGG, § 123 RdNr 4a), an der es vorliegend fehlt. Allein aus fehlenden Äußerungen zu abtrennbaren Teilen eines Verwaltungsakts kann nicht geschlossen werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sei, sondern in Bestandskraft erwachsen solle.

33

c) Statthafte Klageart betreffend den Hilfsantrag der Klägerin auf Gewährung höherer vorläufiger Leistungen ist - wie oben bereits dargelegt - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistung grundsätzlich ein - wenn auch eng begrenzter - Ermessensspielraum verbleibt (Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 109; LSG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2008 - L 28 B 1869/07 AS PKH). Ob der Beklagte die vorläufige Leistung hier in zutreffender Höhe bewilligt hat, vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es mangelt an Feststellungen des LSG zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, sodass bereits aus diesem Grunde die Rechtmäßigkeit der Höhe der vorläufigen Leistungen nicht überprüft werden konnte. Nicht zu beanstanden ist hingegen die prognostische Entscheidung des Beklagten im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens.

34

§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 SGB III räumt der Verwaltung zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen ein, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Allerdings verbleibt dem Beklagten im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. So ist zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln, hier Regelleistung und Leistung für Unterkunft und Heizung. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar (vgl dazu Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42 ff), der gerichtlich gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden kann. Zu beachten ist jedoch auch dabei, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird. Ein "vorsorglicher" Abschlag aufgrund der Vorläufigkeit scheidet im Regelungskreis des SGB II wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen regelmäßig aus (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 18; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <246>; Leopold, info also 2008, 104 <106>; im Ergebnis ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 189; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 44; vgl auch BT-Drucks 13/2440, S 32 zu Art 4 Nr 3 , wonach die vorläufige Bewilligung gerade den Zweck habe, den Bezug von Sozialhilfe zu vermeiden).

35

Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu bemessen, also festzustellen, ob und in welcher Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 <238> = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 S 23; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 <258 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 S 30 f). Diese wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren unter Beachtung der nachfolgenden Erwägungen vorzunehmen haben:

36

Die Angemessenheit von Unterkunfts- und Heizkosten ist (getrennt voneinander vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der so genannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (vgl grundsätzlich zum schlüssigen Konzept: BSG Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Insoweit wird auf die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG zu den angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Berlin verwiesen, der sich der erkennende Senat anschließt (Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Kosten für ein Arbeitszimmer, welches die Klägerin als Betriebsausgabe in Abzug bringen will, sind nicht als Kosten der Unterkunft anzusehen, da § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur Leistungen für privaten Wohnraum umfasst(BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1 Satz 3 mwN).

37

Sollten sich die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung dessen als unangemessen erweisen, könnten ihr gleichwohl höhere Leistungen zustehen, wenn ihr die nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vorzunehmende Kostensenkung nicht zumutbar sein sollte. Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, die den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung durchzuführen haben.

38

Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 19.2.2009 (B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 27) beispielhaft Umstände aufgeführt, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegenstehen können. Ob vorliegend ein Fall subjektiver Unzumutbarkeit vorliegt, kann der erkennende Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.

39

Einer Aufforderung zur Kostensenkung bedurfte es jedenfalls ab November 2006 nicht mehr, weil der Klägerin hinreichend verdeutlicht war, dass der Beklagte ihre Aufwendungen für KdU für unangemessen hält. Offen bleiben kann insoweit, ob das Schreiben des Beklagten vom 2.5.2006 mit der darin enthaltenen Kostensenkungsaufforderung der Klägerin zuging und ob sie vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis erlangte. Denn jedenfalls mit dem Bewilligungsbescheid vom 7.11.2006 und in der Folge im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem SG um die Angemessenheit der Kaltmiete brachte der Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck, welche Kaltmiete er für angemessen erachtete. Einer weiteren Kostensenkungsaufforderung bedurfte es nicht mehr, da deren Zweck der Aufklärung und Warnung erreicht war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Der Klägerin war der von dem Beklagten zugrunde gelegte angemessene Mietpreis bekannt.

40

Hinsichtlich der Höhe des zugrunde gelegten Regelleistungsbedarfs ergeben sich keine Beanstandungen. Auf Basis dessen sowie der zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist alsdann die vorläufige Höhe des Alg II unter Berücksichtigung der prognostischen Höhe des Einkommens, das die Gesamtleistung durch Anrechnung senkt, zu bestimmen.

41

Die prognostische Ermittlung des anzurechnenden Einkommens durch den Beklagten ist hier nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prognose sind die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und die Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 Reg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hat zunächst im Antrag vom 24.4.2007 angegeben, sie erwarte monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 100 Euro ab dem 1.9.2007 bis zum 31.3.2008. Sie hat sodann in der Begründung ihres Widerspruchs mitgeteilt, sie habe seit dem 1.1.2007 durchschnittliche monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro verzeichnet. Der Beklagte hat dies im Änderungsbescheid vom 2.1.2008 der Berechnung zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die erst im Klageverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen, nach denen nach Auffassung der Klägerin überhaupt kein Einkommen anzurechnen ist, können die Prognose des Beklagten nicht erschüttern, da sie die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose nicht widerlegten (vgl zur Prognose bei beruflichen Bildungsmaßnahmen: BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1).

42

4. Ob die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung auch für den Monat April 2008 rechtmäßig war, vermochte der Senat ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Der vorläufige Verwaltungsakt ergeht auf Grundlage eines nicht vollständig ermittelbaren Sachverhalts und einer hierauf beruhenden Prognose (Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, 1989, S 106; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <242>). Die Verwaltung muss die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände fehlerfrei ermitteln (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 REg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hatte zwar bereits im Antrag vom 24.4.2007 erklärt, dass der Honorarvertrag nur bis 31.3.2008 laufe. Ob hieraus jedoch folgt, dass sie ab dem 1.4.2008 auch keinen Einkommenszufluss aus dieser Beschäftigung mehr haben würde, ist offen. Es mangelt an Tatsachenfeststellungen des LSG hierzu. Der Beklagte hat im Hinblick auf die Beendigung der Beschäftigung zwar bereits kein Einkommen mehr bei der Berechnung der vorläufigen Leistungen berücksichtigt, ob insoweit allerdings bereits die Grundlage für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen und der Beklagte eine endgültige Entscheidung hätte treffen müssen, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren ebenso aufzuklären haben, wie es unter den oben dargelegten Gesichtspunkten auch die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2008 wird überprüfen müssen.

43

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Rechtsstreit den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 umfasst.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von der Beklagten als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) laufend eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro ua für die Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 (Bescheid vom 3.5.2006), vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007 (Bescheid vom 28.11.2006) und vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 (Bescheid vom 25.4.2007), daneben bezog sie von dem Rhein-Neckar-Kreis Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 befand sie sich in Haft, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 13.9.2007 aufhob (Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.1.2008; hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mannheim anhängig ). Außerdem hob die Beklagte die Entscheidung vom 25.4.2007 über die Bewilligung von Leistungen im September 2007 wegen der Inhaftierung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch in Höhe von 208,20 Euro auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück(Bescheid vom 11.1.2008). Mit Bescheid vom 20.12.2007 bewilligte die Beklagte erneut Leistungen in Höhe von 347 Euro monatlich vom 17.12.2007 bis zum 31.5.2008 (für Dezember 2007 anteilig für die Zeit ab 17.12.2007).

3

Am 30.5.2006 legte die Klägerin bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von Dr. W/Dr. B vor, wonach sie wegen einer Allergie gegen Konservierungsstoffe ausschließlich biologische Kost von Biobauern benötige. Nach Einholung einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 13.11.2006, wonach ein Mehrbedarf für Ernährung wegen der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht erforderlich sei, lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ab (Bescheid vom 21.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 8.1.2007). Die Klage zum SG Mannheim, mit der die Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von mindestens 200 Euro monatlich geltend gemacht hatte, blieb ohne Erfolg (Urteil vom 28.11.2007). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer durch zwei Allergiepässe nachgewiesenen Allergie zwar in ihrer Lebensführung eingeschränkt und müsse ihre Ernährungsgewohnheiten entsprechend anpassen. Für die Stoffe, auf die die Klägerin allergisch reagiere, bestehe aber eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht, sodass sie sich ohne Zusatzkosten geeignete Lebensmittel aus dem Warenangebot heraussuchen könne. Dass die Klägerin bei unbehandelten Produkten, die überhaupt nicht durch Zusatzstoffe verändert seien, auf besondere Kost angewiesen sei, habe sie weder dargetan noch sei dies ersichtlich. Mangelerscheinungen seien offenbar nicht aufgetreten, wie sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergebe. Das vorgelegte Attest, wonach "biologische Kost vom Biobauern ausschließlich" angezeigt sei, sei nicht nachvollziehbar, denn nicht konservierte Lebensmittel könnten nicht nur beim Biobauern, sondern in jedem Supermarkt erworben werden.

4

Mit ihrer Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg trug die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens vor, die bisherigen ärztlichen Gutachten seien unzureichend, da sie alle keine Angaben über ihr Untergewicht enthielten. Es bedeute einen erhöhten Kostenaufwand, wenn sie auf nicht konservierte Lebensmittel zurückgreifen müsse. Hierzu sei ein Gutachten einzuholen, wenn nötig mithilfe eines Ernährungsberaters.

5

Mit Urteil vom 9.5.2008 änderte das LSG das Urteil des SG und verurteilte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 zur Zahlung von weiteren 2 Euro monatlich und für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 12.9.2007 zur Zahlung von 1 Euro. Den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 und des Bescheides vom 11.1.2008 hob es auf, soweit der Erstattungsbetrag auf mehr als 207 Euro festgesetzt worden sei. Die weitergehende Berufung und die Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Streitgegenstand sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 30.5.2006 bis zum 31.5.2008. Die Beklagte habe über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht isoliert mit Bescheid vom 21.12.2006 entscheiden dürfen, da eine Beschränkung des Streitgegenstands auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht zulässig sei. Gegenstand des Verfahrens seien vielmehr sämtliche Bescheide, die die dem Antrag folgenden Bewilligungszeiträume beträfen (Bescheide vom 3.5.2006, vom 28.11.2006, vom 25.4.2007 und vom 20.12.2007). Gegenstand nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien ebenfalls die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28.9.2007 und vom 11.1.2008, mit denen die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 im Hinblick auf die Inhaftierung der Klägerin vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 die ihr gewährten Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft aufgehoben habe. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe sich nur in geringfügiger Höhe, weil der Klägerin für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 eine Regelleistung in Höhe von 347 Euro statt lediglich 345 Euro zustehe. Ein Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf ergebe sich aus den vom SG ausgeführten Gründen nicht. Im Übrigen werde die Auffassung des SG durch eine von ihm eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T bestätigt, über die der Senat die Klägerin zuvor schriftlich in Kenntnis gesetzt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Auskunft halte der Senat den maßgeblichen Sachverhalt für geklärt, weshalb kein Anlass zu weiteren Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei unbegründet, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit vorlägen, was das LSG unter Bezugnahme auf den Inhalt beigezogener Akten im Einzelnen ausgeführt hat.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe in unzulässiger Weise unter dem Gesichtspunkt des "Heraufholens von Prozessresten" den Streitstoff erweitert. Ihr sei so eine Tatsacheninstanz abgeschnitten worden. Es habe ferner mit der Bezugnahme auf eine vom SG eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T gegen das Verbot der antizipierten Beweiswürdigung verstoßen. Die Verwertung einer telefonischen Auskunft verstoße gegen das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Indem das LSG unter Hinweis auf diese, vom SG eingeholte Auskunft den Beweisantrag der Klägerin abgelehnt habe, habe es gegen § 103 SGG verstoßen. Sie habe wegen der verspäteten Zusendung einer Fahrkarte an dem Termin vor dem Berufungsgericht nicht teilnehmen können. Insoweit habe das Berufungsgericht auch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 3. Mai 2006 und vom 28. November 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 200 Euro zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe nur, wenn wegen einer Erkrankung aus medizinischen Gründen zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten sei und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost. Bei einer Allergie gegen Stoffe aus der Gruppe der "paraben mix" würden keine besonderen Lebensmittel erforderlich, sondern lediglich eine Vollkost. Das Allergen könne durch gezielten Einkauf gut vermieden werden. Dies habe auch die Untersuchung durch ihren ärztlichen Dienst ergeben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG, soweit er den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 betrifft, Erfolg. Bei Auslegung des klägerischen Vorbringens vor dem SG richtet sich das im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren allein auf höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in diesem Zeitraum. Soweit das LSG dennoch über Ansprüche für folgende Bewilligungsabschnitte entschieden hat, hat es den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt. Sein Urteil war schon deshalb insoweit aufzuheben (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG; hierzu unter 1). Die Feststellungen des LSG lassen im Übrigen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht und ihr im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht(vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG; hierzu unter 2).

11

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens waren bei zutreffender Auslegung des klägerischen Vortrags von Klageerhebung an ausschließlich Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 30.5.2006 (Einreichung des Attests bei der Beklagten) bis zum 31.5.2007, soweit sie von der Beklagten erbracht werden (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II), wobei die Klägerin Ansprüche für den 30. und 31.5.2006 im Revisionsverfahren zuletzt nicht mehr geltend gemacht hat.

12

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften; die Auslegung von Anträgen richtet sich vielmehr danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (stRspr, zuletzt etwa BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 3).

13

a) Auf dieser Grundlage ist das LSG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, über die vorliegend vom zuständigen Landkreis in getrennter Trägerschaft entschieden worden ist) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11).

14

b) Unzutreffend ist allerdings die weitergehende Auslegung durch das LSG, damit habe die Klägerin (in zulässiger Weise) einerseits den gesamten Zeitraum vom 30.5.2006 bis zur Entscheidung des SG am 28.11.2007 und andererseits auch den anschließenden Zeitraum bis zum 31.5.2008, über den das LSG kraft Klage zu entscheiden gehabt habe, zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Lediglich sofern der Träger der Grundsicherung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, kann zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Ist dagegen - wie hier - lediglich die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11) -nicht den Schluss zu, die Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in diesem Fall vielmehr die Auslegung, die rechtlich die einzig zulässige ist, mithin eine (ablehnende) Regelung der Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw der Gegenwart lagen. Nur auf diesen Zeitraum bezieht sich damit der im Wege der Auslegung gewonnene Klageantrag.

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 der Bescheid vom 3.5.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 und der Bescheid vom 28.11.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007. Diese Bescheide regeln für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt die laufenden, von der Beklagten zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und bilden deshalb mit dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid eine Einheit.

16

Die übrigen Bescheide, die die anschließenden Bewilligungszeiträume ab dem 1.6.2007 regeln, sind entgegen der Annahme des LSG aus den dargestellten Gründen nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(vgl bereits BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Dem Vorbringen der Klägerin in den Instanzen lässt sich auch nicht entnehmen, sie hätte wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 im Wege der Klageerweiterung eine Klage gegen Folgebescheide erheben wollen unabhängig davon, ob insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klageänderung und die dann geänderte Klage vorgelegen hätten (dazu BSG aaO). Sie hat insbesondere den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 gesondert mit einer Klage zum SG Mannheim (Az S 8 AS 90/08) angefochten. Im Revisionsverfahren hat sie schließlich - nunmehr rechtskundig vertreten - den Leistungsantrag ausdrücklich begrenzt und wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 lediglich die Aufhebung des Urteils des LSG beantragt, soweit ihr nicht weitergehende Leistungen zugesprochen worden sind.

17

Da bei verständiger Würdigung des klägerischen Vortrags Ansprüche für Zeiträume nach dem 31.5.2007 nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem SG waren und das SG zutreffend nur für Zeiträume davor eine Entscheidung getroffen hat, ist unerheblich, in welchem Umfang ein so genanntes "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann. Das Berufungsurteil war für Zeiträume nach dem 31.5.2007 schon deshalb aufzuheben, weil das LSG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Entscheidung über Folgebescheide befugt war (vgl etwa BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

18

2. Die Revision im Übrigen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht.

19

a) Die Beklagte ist nach den zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Änderungen des SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) weiterhin passiv legitimiert. Im Rhein-Neckar-Kreis, in dem die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, werden die Aufgaben nach dem SGB II nach wie vor in getrennter Trägerschaft wahrgenommen; eine gemeinsame Einrichtung zur Aufgabenwahrnehmung (vgl § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II in der seither geltenden Fassung) ist bislang noch nicht gebildet. Dies ist übergangsweise noch bis Ende des Jahres 2011 zulässig (vgl § 76 Abs 1 SGB II).

20

b) Ein Anspruch insbesondere für den zweiten streitigen Bewilligungsabschnitt scheitert nicht daran, dass die Klägerin lediglich am 30.5.2006 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf den geltend gemachten Mehrbedarf hingewiesen hat. Ausreichend ist, dass sie wegen der Folgezeiträume, für die ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist (dazu BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), angegeben hat, maßgebliche Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich nicht ergeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN).

21

c) Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 21 SGB II RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 34 f; Münder in ders, SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25). Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (zum Ganzen bereits BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils RdNr 39 und BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24).

22

Das LSG hat sich zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung im Hinblick auf den begehrten Mehrbedarf unter Hinweis auf § 153 Abs 2 SGG "voll umfänglich" den Entscheidungsgründen des SG im angefochtenen Urteil angeschlossen. Damit ist dem Erfordernis an eine Begründung des Urteils aus § 136 Abs 1 Nr 6 SGG(dazu zuletzt Urteil des Senats vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07AS 3/07 R - Juris RdNr 13) noch Genüge getan. Ein Berufungsgericht kann dann pauschal auf die Begründung des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG verweisen, wenn es dem Urteil des SG nichts hinzuzufügen hat und es keinen neuen Vortrag tatsächlicher oder rechtlicher Art gibt(BSGE 87, 95, 99 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 mwN). So liegt der Fall hier. Der klägerische Vortrag im Berufungsverfahren ist gegenüber dem Vortrag im Klageverfahren unverändert. Dies schließt insbesondere die Beweisanträge ein, die die Klägerin bereits in der ersten Instanz hinreichend zum Ausdruck gebracht hat.

23

Die damit in Bezug genommenen Feststellungen des SG genügen jedoch zur abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das SG davon aus, dass bei der Klägerin als gesundheitliche Beeinträchtigung, die Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise hat, eine Allergie gegen Paraben besteht. Es handelt sich nach den Feststellungen des SG insoweit um eine Allergie gegen para-Hydroxybenzoesäure (kurz PHB-Ester; auch Parahydroxybenzoat), die insbesondere in Kosmetika und bestimmten Lebensmitteln häufig als Konservierungsmittel eingesetzt werden. Zutreffend hat das SG schließlich unter Bezugnahme auf die Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (vom 29.1.1998 , zuletzt geändert mit Verordnung vom 11.6.2009 ) dargelegt, dass die entsprechenden Konservierungsstoffe (also die Verbindungen, die Parahydroxybenzoat enthalten) bei ihrer Verwendung in der Lebensmittelverarbeitung eine Kennzeichnungspflicht auslösen.

24

Die dargestellten Ausgangsannahmen konnte das SG allesamt als allgemeinkundige Tatsachen bei seiner Entscheidung zugrunde legen. Allgemeinkundige Tatsachen sind solche, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen unschwer überzeugen können oder auch solche, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge bekannt sind oder wahrnehmbar waren und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann (vgl BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - ZfS 2002, 237). Die Klassifizierung von Parahydroxybenzoat als Konservierungsmittel, das in den Zusatzstoffen E 214 bis E 219 nach der Anlage Liste B Teil I zur Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke enthalten ist, ist eine solche allgemeinkundige Tatsache. Entsprechende Informationen sind etwa über die Internetpräsenz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz allgemein verfügbar (http://www.aktionsplan-allergien.de; Suchbegriff "Parabene"). Über besondere Sachkunde musste das Gericht insoweit nicht verfügen.

25

Die auf Grundlage dieser Ausgangsannahmen getroffene abschließende Würdigung des SG, die Klägerin könne durch aufmerksames und lediglich zeitaufwändiges, aber nicht kostenintensives Verbraucherverhalten das Allergen gut vermeiden, sodass die erforderliche Ernährungsweise sich nicht als kostenaufwändig darstelle, ist dagegen weder eine allgemeinkundige Tatsache im dargestellte Sinne noch wird aus dem Urteil sonst erkennbar, worauf das SG diese Schlussfolgerung stützt. Die Annahme, auch bei strikter Vermeidung von Lebensmitteln, die Parahydroxybenzoat enthielten, würden keine weitergehenden Kosten im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung entstehen, kann nicht als allgemeines Erfahrungswissen des Gerichts unterstellt werden. Es ist durchaus denkbar, dass eine so große Anzahl von Lebensmitteln vermieden bzw ersetzt werden muss, dass dies nicht kostenneutral erfolgen kann. Auch aus der ärztlichen Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten wird nicht erkennbar, auf welchen ernährungswissenschaftlichen Erfahrungen und Grundannahmen sie beruht. Dies gilt schließlich auch für die vom LSG ergänzend in Bezug genommene telefonische Auskunft eines Dr. T Ohnehin kann nach der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine sachkundige Einschätzung zum streitigen Sachverhalt im sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig nur durch Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 106 Abs 3 Nr 5 SGG) oder seine Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung bzw - in eng begrenzten, geeigneten Fällen - im Wege der Vernehmung durch den Kammervorsitzenden erfolgen (vgl § 106 Abs 3 Nr 4 SGG; dazu bereits BSGE 2, 197, 199). Ob daneben die Verwertung einer telefonisch von einem Arzt eingeholten Auskunft iS des § 106 Abs 3 Nr 3 SGG in jedem Fall ausscheidet(so ausdrücklich BSG, aaO und im Anschluss Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 106 RdNr 11), kann offen bleiben. Entscheidend ist vorliegend auch insoweit, dass unklar geblieben ist, über welche Sachkunde Dr. T verfügte und auf welche medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Grundlagen er seine Aussagen stützt.

26

Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits eine gutachterliche Stellungnahme (ggf nach Aktenlage) einholen müssen, wobei der Sachverständige in erster Linie über besondere Kenntnisse auf ernährungswissenschaftlichem Gebiet verfügen sollte. Erst wenn geklärt ist, wie konsequent die Klägerin die fraglichen Konservierungsstoffe vermeiden muss, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen, wie häufig die fraglichen, von der Klägerin ggf strikt zu vermeidenden Konservierungsmittel eingesetzt werden, welche Möglichkeiten bestehen, auf andere Lebensmittel auszuweichen bzw auf welche Lebensmittel bei einer ausgewogenen Ernährung verzichtet werden kann, kann entschieden werden, ob und ggf welche Mehrkosten für eine solche Ernährungsweise entstehen.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 6. November 2013 und des Sozialgerichts Würzburg vom 30. Juni 2011 aufgehoben
sowie die Klage gegen den Beklagten abgewiesen.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Kläger gegenüber dem Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII begehrt.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 22.10.2010 bis 11.4.2011.

2

Der im streitbefangenen Zeitraum 22 Jahre alte Kläger bezog zunächst bis Oktober 2009 Arbeitslosengeld II (Alg II) von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden: Beklagter). Nach Untersuchungshaft ab 28.10.2009 wurde er durch Urteil vom 13.4.2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er anschließend zunächst verbüßte. Mit Wirkung vom 11.10.2010 wurde die Vollstreckung der Strafe nach § 35 Betäubungsmittelgesetz auf die Dauer von längstens zwei Jahren zurückgestellt und die Verbringung des Klägers zur Rehabilitationsbehandlung in die Klinik N. verfügt. Die Zurückstellung werde widerrufen, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt werde. Darauf begab sich der Kläger am 11.10.2010 zur stationären Langzeitbehandlung in die Klinik N., wofür die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund eine Kostenzusage über 26 Wochen bis zum 11.4.2011 erteilte. Seit dem 12.4.2011 befand sich der Kläger zur Anschlussbehandlung in Bad N., worauf das örtlich zuständige Jobcenter ihm Alg II ab 12.4.2011 bewilligte.

3

Den während der stationären Langzeitbehandlung gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Alg II bereits ab dem 22.10.2010 lehnte der Beklagte unter Verweis auf § 7 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab(Bescheid vom 3.11.2010; Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010). Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) erkannten dem Kläger dagegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.10.2010 bis 11.4.2011 zu (Urteil des SG vom 30.6.2011; Urteil des LSG vom 6.11.2013): Der Anspruch sei nicht nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Zu Krankenhäusern im Sinne dieser Vorschrift rechneten zwar auch Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation. Ab Antragstellung am 22.10.2010 sei jedoch mit einer Unterbringung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten zu rechnen gewesen.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 7 Abs 4 SGB II. Die Vorschrift schließe den Kläger im streitbefangenen Zeitraum von Leistungen nach dem SGB II aus. Maßgebend für den Sechsmonatszeitraum des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II sei nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Beginn der stationären Unterbringung. Zudem habe der Wechsel in die Klinik N. keine Zäsur bewirkt, sondern nur einen anderen Aufenthaltsort begründet, an dem mit der Resozialisierung die im Wesentlichen gleiche Zielrichtung verfolgt worden sei. Das Urteil sei zudem verfahrensfehlerhaft, weil sich das LSG nicht ausführlich mit der Zusammenrechnung der Aufenthaltsorte und Aufenthaltszeiten in Justizvollzugsanstalt (im Folgenden: JVA) und Rehabilitationseinrichtung auseinandergesetzt habe.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. November 2013 und des Sozialgerichts Würzburg vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise, den Beigeladenen zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 22. Oktober 2010 bis 11. April 2011 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu zahlen.

7

Der beigeladene überörtliche Träger der Sozialhilfe hat sich den Ausführungen des LSG angeschlossen ohne einen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Der Kläger war durch die Unterbringung in der Klinik N. von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und hiervon nicht deshalb ausgenommen, weil er dort voraussichtlich für weniger als sechs Monate untergebracht war. In Betracht kommt aber ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen den zuständigen Träger der Sozialhilfe, weshalb die Sache nach § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 3.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010, mit dem er auf den Antrag vom 22.10.2010 die Gewährung von Alg II vollständig abgelehnt hat. Zeitlich umfasst der Streitgegenstand damit den Zeitraum vom 22.10.2010 (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) bis zum 11.4.2011, dem Tag vor der Bewilligung von Alg II durch das für den Ort der Anschlussbehandlung örtlich zuständige Jobcenter am 12.4.2011.

10

2. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere war eine notwendige Beiladung der DRV Bund nicht erforderlich, weil mit Blick auf das Alg II-Leistungsbegehren des Klägers keiner der Beiladungsgründe des § 75 Abs 2 SGG vorliegt. Der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist vom LSG nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG beigeladen worden, weil er (vorbehaltlich der Klärung seiner Zuständigkeit nach Landesrecht im Einzelnen) als leistungspflichtig für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen in Betracht kommt, sofern der Kläger von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war(zu dieser sog unechten notwendigen Beiladung vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 12). Sollte dagegen ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen bestehen (dazu unter 8.), wird zu prüfen sein, ob für diese Leistung ein anderer Träger zuständig und deshalb nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG im wieder eröffneten Verfahren beizuladen ist.

11

3. Der Beklagte ist im streitbefangenen Zeitraum für das Alg II-Leistungsbegehren der örtlich zuständige Leistungsträger und damit richtiger Beklagter. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hatte der Kläger vor seiner Inhaftierung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Beklagten. An dieser hierdurch nach § 36 SGB II begründeten örtlichen Zuständigkeit hat sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG durch die Aufenthalte des Klägers zunächst in der JVA und sodann in der Klinik Neumühle nichts geändert, weil dadurch kein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden ist(vgl zum gewöhnlichen Aufenthalt während Haftstrafen und Unterbringung in stationären Einrichtungen Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 36 RdNr 39 - 40).

12

4. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Kläger während des Aufenthalts in der Klinik N. nach § 7 Abs 4 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.8.2006 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war, sofern nicht eine der Rückausnahmen nach § 7 Abs 4 Satz 3 SGB II vorlag(dazu nachfolgend 5. und 6.).

13

a) Nach § 7 Abs 4 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht(Satz 1). Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt (Satz 2). In Ausnahme von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II gleichwohl, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus(§ 107 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) untergebracht ist (Satz 3 Nr 1) oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 Nr 2).

14

b) Im Sinne dessen ist der Aufenthalt des Klägers in der Klinik N. vom 22.10.2010 bis zum 11.4.2011 ungeachtet der zuletzt vom BSG aufgestellten Anforderungen an den Unterbringungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II(vgl BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 36 vorgesehen, RdNr 24 ff; ebenso nunmehr Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tag - B 14 AS 35/13 R -) nach der Regelungssystematik als Unterbringung schon deshalb anzusehen, weil die Klinik ein Krankenhaus iS von § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II darstellt, und ein Krankenhaus die Anforderungen an den Begriff der stationären Einrichtung notwendig erfüllt, weil sonst die Rückausnahme zu § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II ins Leere liefe. Zu diesen Krankenhäusern, auf die § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II Bezug nimmt, zählen nicht nur die Krankenhäuser iS des § 107 Abs 1 SGB V, sondern wegen des unbeschränkten Klammerzusatzes "§ 107 des Fünften Buches" auch die dort in Abs 2 aufgeführten Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen(BT-Drucks 16/1410 S 20; vgl auch Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 7 RdNr 129; Thie in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 7 RdNr 88).

15

c) Dem steht nicht entgegen, dass mit der DRV Bund ein Rentenversicherungsträger und nicht eine Krankenkasse als Leistungsträger nach dem SGB V die Kosten der Drogentherapie des Klägers getragen hat. Denn die Bezugnahme in § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II auf § 107 SGB V dient allein der Übernahme der dort konstituierten Anforderungen an Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen(vgl dazu BSG Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 39 Nr 14 RdNr 16 ff) für den Einrichtungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II, nicht aber begrenzt sie den Anwendungsbereich des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II auf Leistungen, für die die Krankenversicherung Kostenträger ist(vgl Hackethal in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 7 RdNr 63).

16

5. Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II deshalb nicht greift, weil die Unterbringung eine Krankenhausversorgung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten Dauer betrifft - für eine Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II spricht vorliegend nichts -, beurteilt sich entgegen der Auffassung des LSG nach den Umständen bei Aufnahme in die Klinik und nicht nach denen zum Zeitpunkt der möglicherweise späteren Beantragung von Alg II.

17

a) Für dieses Verständnis spricht schon der Wortlaut des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II, soweit danach Leistungen abweichend vom Regelfall des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II erhält, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus "untergebracht ist", was auf die Unterbringung als solche und damit auf deren Gesamtdauer abstellt. In diese Richtung weist ebenfalls das Regel-Ausnahme-Verhältnis der beiden Normen. Grundlage des Leistungsausschlusses auch bei Unterbringungen im Krankenhaus ist nicht § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II, sondern § 7 Abs 4 Satz 1 Alt 1 SGB II. Maßgebend für den Leistungsausschluss kann danach auch insoweit grundsätzlich nur die Lage bei deren Beginn sein, ohne dass es auf ihre Dauer zunächst ankommt (so ausdrücklich zur Konzeption der Neufassung BT-Drucks 16/1410 S 20). Bedeutung hat die Unterbringungsdauer nur für die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II und damit für die Frage, ob der Leistungsausschluss ausnahmsweise deshalb nicht greift, weil die Versorgung im Krankenhaus voraussichtlich weniger als sechs Monate andauern wird. Möchte man nicht annehmen, dass ein ursprünglich wegen eines voraussichtlich länger andauernden Krankenhausaufenthaltes ausgeschlossener Leistungsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt trotz weiteren Verbleibs im Krankenhaus wieder aufleben kann, so kann diese Rückausnahme nur einheitlich und demgemäß allein aus der Perspektive bei Aufnahme in das Krankenhaus zu beurteilen sein.

18

b) Für eine solche gespaltene Beurteilung der leistungsrechtlichen Wirkungen eines Krankenhausaufenthaltes spricht auch nach dem Regelungszweck nichts. Sinn und Zweck der Vorschrift richten sich darauf, die für die Existenzsicherung zuständigen Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII aufgrund objektiver Kriterien klar voneinander abzugrenzen (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 36 vorgesehen, RdNr 33; vgl auch Harich in ders, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Einrichtung, stationäre" RdNr 3: § 7 Abs 4 Satz 1 Alt 1 SGB II als "Weiche" in die verschiedenen Leistungssysteme). Im Rahmen dessen sollen im Grundsatz diejenigen Personen, die für ihre Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, dem SGB II, und diejenigen, die hierfür nicht zur Verfügung stehen, dem SGB XII zugeordnet werden. Vor diesem Hintergrund bezweckt § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II, Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II davor zu bewahren, deshalb aus dem Leistungsbezug zu fallen, weil sie auf absehbare Zeit in einem Krankenhaus iS des § 107 SGB V untergebracht sind; wird die Krankenhausunterbringung voraussichtlich weniger als sechs Monate dauern, soll sie bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen an der Leistungsberechtigung nichts ändern. Nur bei einer Unterbringung von voraussichtlich mindestens sechs Monaten Dauer soll der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II greifen und damit verbunden ein Wechsel in das Leistungssystem des SGB XII stattfinden. Ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II eingreift oder ausnahmsweise nicht besteht, kann nach diesem Regelungszweck für die gesamte Dauer der Unterbringung nur einheitlich und deshalb nur aus der Perspektive bei Aufnahme in das Krankenhaus zu beurteilen sein; ein Wiederaufleben eines zunächst ausgeschlossenen Anspruchs bei einem Krankenhausaufenthalt von voraussichtlich nicht unter sechs Monaten durch eine spätere Antragstellung wäre hiermit nicht zu vereinbaren. Auch das spricht dafür, die Prognose über die Dauer der voraussichtlichen Krankenhausunterbringung allein am Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus auszurichten und nicht am Leistungsantrag (ebenso Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 7 SGB II RdNr 78, Stand Januar 2009; Harich in ders, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Einrichtung, stationäre" RdNr 7; Thie in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 7 RdNr 89, 94; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 RdNr 244 f, Stand X/13).

19

c) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG auch bei der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach dem SGB II während eines Krankenhausaufenthaltes iS von § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II (für ein alternatives Abstellen auf den Beginn des Aufenthalts im Krankenhaus oder die Antragstellung aber Hackethal in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 7 RdNr 63; S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 7 SGB II RdNr 25; Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 7 RdNr 130). Zunächst bestehen insoweit schon die vom LSG erwogenen Nachteile nicht. Insbesondere sind die Leistungsberechtigten bezogen auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nicht schlechter gestellt, denn die Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII umfasst über die Verweisung in § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII auf § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch das gesamte Leistungsspektrum der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben(ebenso BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 36 vorgesehen, RdNr 34; vgl im Einzelnen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 54 RdNr 16 ff, Stand V/13). Vor allem aber wäre nicht zu rechtfertigen, warum bei gleicher Ausgangslage - Unterbringung in einem Krankenhaus von voraussichtlich nicht weniger als sechs Monaten - bereits vor der Krankenhausaufnahme im Bezug von Leistungen nach dem SGB II stehende Hilfebedürftige während der gesamten Unterbringungszeit auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII verwiesen und Erstantragsteller dagegen von Anfang an in das System des SGB II einbezogen sind.

20

6. a) Nicht zu beanstanden ist nach diesem Maßstab die Einschätzung, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Aufnahme in der Klinik N. nicht für voraussichtlich weniger als sechs Monate untergebracht sein würde. Der Aufnahme am 11.10.2010 lag die Kostenzusage der DRV Bund für 26 Wochen bis 11.4.2011 zugrunde, die ihrerseits an den Klinikkonzepten der Rehabilitationseinrichtungen für Patienten mit Drogenabhängigkeit anknüpfte, in denen meist 26 Wochen - also ein Zeitraum von sechs Monaten - als durchschnittlich zu erwartende Rehabilitationsdauer zugrunde gelegt werden. Dementsprechend ging auch die Klinik N. bei Aufnahme des Klägers aus ärztlicher Sicht von einer Behandlungsdauer vom 11.10.2010 bis 11.4.2011 aus. Diese Einschätzung wurde nicht dadurch unzutreffend, dass der Kläger (erst) am 22.10.2010 Alg II beantragt hat. Anhaltspunkte, die im Zeitpunkt seiner Aufnahme dafür hätten sprechen können, dass die Unterbringung voraussichtlich vor Ablauf von 26 Wochen enden werde, hat das LSG ebenfalls nicht festgestellt.

21

b) Darauf, ob der Entlassungstag aus der Klinik, vorliegend der 11.4.2011, noch zur Unterbringung zählt oder nicht, kommt es für die im Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik anzustellende Prognose über die Dauer der Unterbringung nicht an. Eine Aufnahme für eine Unterbringung von voraussichtlich 26 Wochen würde sich nicht dadurch verkürzen, wenn der Entlassungstag nicht mehr zur Unterbringung gezählt werden würde. Die rechtliche Einordnung dieses Tages berührt nicht die Prognose über die voraussichtliche Unterbringung am Tag der Aufnahme.

22

7. Ob darüber hinaus der Kläger von Leistungen nach dem SGB II auch deshalb weiter ausgeschlossen war, weil der Wechsel in die Klinik N. keine Zäsur bewirkt, sondern nur einen anderen Aufenthaltsort begründet hat, an dem mit der Resozialisierung die im Wesentlichen gleiche Zielrichtung verfolgt worden sei, wie der Beklagte meint, ist hiernach ohne Bedeutung. Nicht zu befinden ist deshalb ebenfalls über die Rüge, das LSG habe sich nicht hinreichend mit der Zusammenrechnung der Aufenthaltsorte und Aufenthaltszeiten in der JVA und der Rehabilitationseinrichtung auseinandergesetzt.

23

8. In Betracht kommt aber, dass dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum Leistungen nach dem SGB XII zustehen. Eine abschließende Entscheidung hierüber ist dem Senat indes verwehrt, weil insoweit tatsächliche (§ 163 SGG) sowie Feststellungen zum Landesrecht (§ 162 SGG) des LSG, das von seinem Standpunkt aus Leistungsansprüche nach dem SGB XII zu Recht nicht geprüft hat, fehlen.

24

a) Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII kommen in Betracht, weil der Kläger iS des § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Er war auch nicht iS des § 21 Satz 1 SGB XII als Erwerbsfähiger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 Alt 1 SGB II schließt in diesem Sinne die Leistungsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach aus(vgl Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 21 RdNr 5; Harich in ders, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Einrichtung, stationäre" RdNr 9). Für Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII besteht ohnehin keine Sperrwirkung des SGB II.

25

b) Die nach § 18 Abs 1 SGB XII(in der seither unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022) erforderliche Kenntnis des beigeladenen Trägers der Sozialhilfe setzte hier mit der Antragstellung des Klägers beim Beklagten am 22.10.2010 ein. Denn nach der Rechtsprechung des für das Sozialhilferecht zuständigen 8. Senats des BSG, der sich der 14. Senat anschließt, gilt § 16 SGB I, der Regelungen zur Antragstellung auf Sozialleistungen trifft, auch für die Sozialhilfe, obwohl diese nicht im eigentlichen Sinne antragsabhängig ist, und vermittelt die Antragstellung beim unzuständigen Leistungsträger die nach § 18 SGB XII erforderliche Kenntnis(vgl BSG Beschluss vom 13.2.2014 - B 8 SO 58/13 B - SozR 4-3500 § 25 Nr 4 RdNr 8; BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R - SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22 ff). Im Zweifel ist danach davon auszugehen, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II wegen der gleichen Ausgangslage (Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem SGB XII zu werten ist. Dass der Kläger die Bedarfslage nach dem SGB XII überstanden hat - auch durch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochene SGB II-Leistungen -, steht dem Anspruch aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes ebenfalls nicht entgegen (vgl BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 14 mwN).

26

c) In Betracht kommen Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 35 SGB XII(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2670, im Folgenden § 35 SGB XII aF) bzw nach § 27b SGB XII(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden § 27b SGB XII nF). Soweit es sich bei der Klinik um eine Einrichtung im sozialhilferechtlichen Sinne handelt (vgl § 13 SGB XII; zu den Voraussetzungen BSG Urteil vom 13.7.2010 - B 8 SO 13/09 R - BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13; BSG Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 14/12 R - SozR 4-5910 § 97 Nr 1 RdNr 14 ff; Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 13 RdNr 17 ff; zur Harmonisierung des Einrichtungsbegriffs in SGB II und SGB XII auch BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 36 vorgesehen, RdNr 33) wird zu prüfen sein, ob dem Kläger insoweit - da die übrigen Bedarfe durch die Einrichtung bereits gedeckt sein dürften - als Leistung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts nach § 35 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB XII aF bzw § 27b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB XII nF ein Barbetrag zur persönlichen Verfügung zustand(dazu näher BSG Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 17/12 R - BSGE 114, 147 = SozR 4-3500 § 92a Nr 1 RdNr 36 ff und Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 27b RdNr 53 ff). Zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen und zur Bestimmung des nach Landesrecht zuständigen Leistungsträgers bedarf es noch Feststellungen des LSG.

27

Liegen die Voraussetzungen für Leistungen in einer stationären Einrichtung dagegen nicht vor, bestimmt sich ein möglicher Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27, 28 SGB XII(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022; im Folgenden §§ 27, 28 SGB XII aF) bzw § 27a SGB XII(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden § 27a SGB XII nF). Ob im vorliegenden Einzelfall, der durch die weitgehende Bedarfsdeckung durch die Unterbringung in der Rehabilitationsklinik gekennzeichnet ist, weitergehende Bedarfe zu decken sind, beurteilt sich dann nach § 28 Abs 1 Satz 4 SGB XII aF bzw § 27a Abs 4 Satz 1 SGB XII nF (vgl dazu Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 27a RdNr 27 ff; Gutzler in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 27a RdNr 86 ff; Roscher in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Aufl 2012, § 27a RdNr 22 ff). Auch hierzu und zum nach Landesrecht dann zuständigen und ggf noch beizuladenden Leistungsträger bedürfte es - liegen die Voraussetzungen für eine stationäre Einrichtung nicht vor - Feststellungen des LSG.

28

9. Das LSG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007.

2

Die 1951 und 1952 geborenen Kläger sind verheiratet und leben zusammen mit ihrem volljährigen Sohn in einem insgesamt 126 qm großen Eigenheim. Die Kläger haben angegeben, sich gegenüber der Bausparkasse verpflichtet zu haben, freiwerdende Beträge aus einer von ihnen gehaltenen Lebensversicherung bei der B (im Weiteren LV 1) zur Tilgung der auf diesem Haus ruhenden Restschuld zu verwenden. Die LV 1 hatte am 1.12.2003 einen Rückkaufswert, einschließlich Überschussanteilen, von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro. Bis 1.2.2005 hatten die Kläger 18 460,55 Euro an Beiträgen für diese Versicherung aufgewandt. Ferner hatten die Kläger eine zweite Lebensversicherung bei dem D (im Weiteren LV 2) abgeschlossen, deren Rückkaufswert am 31.12.2004 1133,50 Euro betrug. Dem standen bis Juni 2006 eingezahlte Beiträge in Höhe von 2811,71 Euro gegenüber.

3

Der Kläger bezog zunächst Alhi und die Klägerin war selbstständig erwerbstätig. Im Dezember 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Alg II für die Klägerin und sich. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005 mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig, denn sie verfügten über verwertbares Vermögen, das die Freibetragsgrenzen überschreite. Am 4.10.2007 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschied. Diesbezüglich ist ein weiteres Klageverfahren bei dem SG Dortmund anhängig. Bis zum 3.10.2007 erhielten die Kläger ein Darlehen von ihrem Freund A. in Höhe von 7500 Euro und Geldzahlungen von ihrem Sohn in Höhe von rund 3000 Euro, die sie nach ihrem eigenen Vortrag durch Abtretungen der LV1 gesichert haben. Ferner bedienten sie sich aus einem Überziehungskredit bei ihrer Hausbank. Zur Sicherung der Forderungen der Bausparkasse wegen der Finanzierung des Hauses haben sie die LV 1 in Höhe eines Betrags von höchstens 11 992,81 Euro abgetreten.

4

Mit ihrer Klage gegen die Ablehnung der Leistungsgewährung sind die Kläger vor dem SG Dortmund erfolglos gewesen (Urteil vom 12.4.2010). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte zutreffend davon ausgegangen sei, die Kläger seien im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in der Gestalt der LV 1. Dieses übersteige die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II, selbst wenn man die Verpflichtung der Kläger gegenüber der Bausparkasse im Hinblick auf die Finanzierung der Restschuld für das Haus in Abzug bringe. Es handele sich bei der LV 1 nicht um gefördertes Altersvorsorgevermögen und ein Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG sei nicht vereinbart worden. Soweit für den Bezug der Alhi eine Erklärung gegenüber der BA, die Lebensversicherung werde nur zur Altersvorsorge verwendet, genügt habe, um sie von der Berücksichtigung bei der Prüfung der Bedürftigkeit auszunehmen, genüge dies nach der Einfügung des § 165 Abs 3 VVG den Anforderungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht mehr. Die Rechtsprechung des BSG zur AlhiV 2002 beruhe darauf, dass es dort an einer Härteklausel gemangelt habe, die sich im SGB II nunmehr in § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II finde. Die LV 1 sei zwar unzweifelhaft von den Klägern zur Alterssicherung gedacht gewesen. Deren Verwertung stelle jedoch gleichwohl keine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II dar, denn die Kläger hätten mit 811,56 (Kläger zu 1) und 298,77 Euro (Klägerin zu 2) eine Altersrente deutlich über dem Grundsicherungsniveau zu erwarten. Zudem verfügten sie über ein belastungsfreies Eigenheim und könnten Mieteinnahmen aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung erwarten. Die Verwertung der LV 1 sei anders als die der LV 2 auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Bei der LV 1 sei die Verwertung ohne Verlust möglich. Die Darlehen und der Überziehungskredit seien auch nicht von dem Rückkaufswert der LV 1 in Abzug zu bringen, denn hierbei handele es sich um Schulden, die nicht unmittelbar auf der LV 1 lasteten. Eine wiederholte Berücksichtigung des Vermögensgegenstandes, solange er nicht verwertet sei, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 und § 12 SGB II sowie § 165 Abs 3 VVG. Es sei den Klägern nicht zuzumuten die LV 1 zu verwerten, denn es handele sich insoweit um ihre Alterssicherung. Eine Verwertung stelle eine besondere Härte dar. Sie unterfalle nur deswegen der Verwertung, weil sie kurz vor dem Erreichen der Grenze von 60 Jahren zur Auszahlung gelange. Wäre der Lebensversicherungsvertrag nur wenige Monate später abgeschlossen worden, wäre er ohne Weiteres als Altersvorsorge anerkannt worden. Die Problematik der "Nichtverlängerbarkeit" von "Altversicherungsverträgen" sei bei der Schaffung des § 165 Abs 3 VVG offensichtlich unberücksichtigt geblieben, sodass eine Regelungslücke gegeben und eine analoge Anwendung der Vorschrift gerechtfertigt sei. So müsse sich der Kläger privatrechtlich verpflichten können, den Betrag aus der LV 1 nicht vor Vollendung des 60. bzw 65. Lebensjahres zu verwerten und diese rechtsverbindliche Regelung gegenüber dem Beklagten nachzuweisen. Mit der LV 1 habe der Lebensstandard gesichert werden sollen, sodass ein Zurückfallen auf die während des Erwerbslebens erworbenen Renteneinkünfte und der zu erwartende weitere Bezug von steuerfinanzierten Transferleistungen eine unzumutbare Härte darstelle. Die Erzielung von zukünftigen Mieteinnahmen sei spekulativ und als Argument gegen eine besondere Härte nicht geeignet.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 und des Sozialgerichts Dortmund vom 12. April 2010 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern ab dem 1. Januar 2005 bis zum 3. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus, dass eine nachträgliche Versicherung der Kläger, die LV 1 nur zur Alterssicherung zu verwenden, nicht ausreiche, um für den streitigen Zeitraum einen Verwertungsschutz zu gewähren. Den Klägern habe das Vermögen der LV 1 tatsächlich zur Abtretung und Beleihung zur Verfügung gestanden. Allein die Tatsache, dass Vermögen zur Alterssicherung eingesetzt werden solle, reiche nicht aus, um eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II annehmen zu können. Insoweit komme es nur auf Umstände an, die nicht schon als Freistellungstatbestände ausdrücklich im Gesetz geregelt seien.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007. Sie waren im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in Gestalt der LV 1.

11

(1.) Streitgegenstand sind der Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005, mit denen der Beklagte die Gewährung von Alg II ab dem 1.1.2005 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum ist hier bis zum 3.10.2007 begrenzt. Grundsätzlich gilt zwar bei einer Entscheidung, mit der die Verwaltung Leistungen für die Zukunft vollständig abgelehnt hat, dass sich der streitige Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erstreckt (s nur SozR 4-4200 § 12 Nr 4 RdNr 14). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Verwaltung zwischenzeitlich eine weitere Entscheidung trifft. Das ist hier der Fall. Die Kläger haben am 4.10.2007 einen erneuten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschieden hat. Der neue Bescheid wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in Grundsicherungsangelegenheiten nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens(stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Die Bedeutung des neuen Bescheides für das anhängige Verfahren erschöpft sich darin, dass sich der Ausgangsbescheid für die von dem Folgebescheid und dem Zeitraum, der von dem ihm zugrunde liegenden Antrag erfasst wird - hier ab dem 4.10.2007 - erledigt hat (vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R RdNr 27; s auch: BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8).

12

(2.) Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)erfüllten die Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954). Sie waren jedoch - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Kläger konnten hier ihren Lebensunterhalt durch Vermögen aus der LV 1 sichern.

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(3.) Sie verfügten über verwertbares Vermögen, das nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)zum 1.12.2003 einen Verkehrswert iS von § 12 Abs 4 S 1 SGB II iVm § 5 Alg II-V(in der hier bis zum Ablauf des streitigen Zeitraums unverändert anzuwendenden Fassung vom 20.10.2004, BGBl I 2622) von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro hatte. Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ist zur Bestimmung dessen, was als Verkehrswert der Lebensversicherung anzusehen ist, auch nicht nur deren reiner Rückkaufswert zu berücksichtigen. Der Verkehrswert von Vermögen ergibt sich vielmehr daraus, was am Markt für den Gegenstand erzielt werden kann (Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 04/2012, § 12 SGB II, RdNr 112). Das ist hier der Rückkaufswert der Versicherung zuzüglich der Überschussbeteiligung. Hierbei handelt es sich um denjenigen Wert, der dem Versicherungsnehmer tatsächlich als Geldbetrag bei der Verwertung der Versicherung "zufließt", der also für den Vermögensgegenstand "Versicherung" erlangt werden kann. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an (BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43; vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 20, 22). Hiervon in Abzug zu bringen sind lediglich die mit der Verwertung in Zusammenhang stehenden Kosten (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/2008, § 12 RdNr 296; s auch BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43). Dass derartige Kosten im vorliegenden Fall angefallen wären, ist vom LSG nicht festgestellt und auch nicht erkennbar.

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(4.) Der so bestimmte Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger überschritt die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II in den unterschiedlichen im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen um fast das Doppelte und war damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts(vgl hierzu BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 18 zur Berücksichtigung nur des die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Wertes eines Pkw als zumutbar verwertbares Vermögen).

15

Die Vermögensfreibeträge der Kläger waren nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Drittes Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl I 2902) mit Wirkung vom 1.1.2005 mit je 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners zu ermitteln und betrugen mindestens jeweils 4100 Euro, maximal für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13 000 Euro. Für die 1952 geborene Klägerin betrug der Vermögensfreibetrag damit am 1.1.2005 10 400 Euro und für den 1951 geborenen Kläger 10 600 Euro, zusammen 21 000 Euro. Hinzu kommt ein Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, mit Wirkung vom 1.1.2005), der während des gesamten streitigen Zeitraumes mit 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen unverändert geblieben ist. Hieraus ergibt sich vom 1.1.2005 bis zur Rechtsänderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (Fortentwicklungsgesetz, BGBl I 1706) am 1.8.2006 ein Gesamtvermögensfreibetrag von 22 500 Euro. Durch das Fortentwicklungsgesetz ist der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB II auf 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, maximal 9750 Euro pro Person(§ 12 Abs 2 S 2 SGB II) gesenkt worden. Damit ergibt sich für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis 3.10.2007 ein Vermögensgrundfreibetrag von 7950 Euro für den Kläger und 7800 Euro für die Klägerin, zuzüglich des Ansparbetrags von je 750 Euro, insgesamt 17 250 Euro.

16

(5.) Die Lebensversicherung des Klägers ist auch nicht mit dem diese Freibeträge überschießenden Anteil (vgl zur Kumulation der Freistellungen nach § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II: BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5; s auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 36) in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens oder diesem gleichzustellenden Vermögen vor der Verwertung geschützt iS des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II.

17

Nach § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwertet. Altersvorsorgevermögen in diesem Sinne ist in jedem Fall solches, das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des EStG gefördert wird. Erforderlich ist insoweit nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20) zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 AVmG(vom 26.6.2001, BGBl I 1310, 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt. Das ist hier nicht der Fall.

18

Wie das BSG bereits ausgeführt hat, erfolgt im Gegensatz zur üblichen Kapitallebensversicherung die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II nur dann, wenn sie grundsätzlich zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird(BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20). Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitallebensversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs herangezogen werden kann. Demselben Ziel dient auch das in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II geregelte Verbot der vorzeitigen Verwertung.

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(6.) Auf einen Verwertungsschutz in Höhe der in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902) festgelegten Beträge können sich die Kläger jedoch auch nicht berufen. Danach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jeweils 13 000 Euro bzw seit dem 1.8.2006 je vollendetem Lebensjahr 250 Euro, höchstens jeweils 16 250 Euro nicht übersteigt (Änderung zum 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Die Kläger haben nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)keinen entsprechenden Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 VVG(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 bzw idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 mit Wirkung vom 12.12.2006) vertraglich vereinbart.

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Die Kläger haben auch keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob sie bei der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen Verwertungsausschluss vereinbart gehabt hätten. Eine nachträgliche Herstellung des Verwertungsausschlusses für abgelaufene Zeiträume ist nicht möglich (s SozR 4-1200 § 14 Nr 10, RdNr 12). Ohne den vereinbarten Verwertungsausschluss konnten sie während des streitgegenständlichen Zeitraumes frei über das Kapital der Versicherung verfügen. Auch der Einwand, sie hätten keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können, weil der Versicherer dies abgelehnt und sie bereits die maximale Laufzeit für die Versicherung vereinbart hätten, vermag hieran nichts zu ändern.

21

Ebenso wenig können die Kläger den Zustand eines nach § 165 Abs 3 VVG vereinbarten Verwertungsausschlusses durch eine rückwirkende schriftliche Erklärung gegenüber dem Beklagten, das Kapital aus der Lebensversicherung vor dem Eintritt ins Rentenalter nicht verwerten zu wollen, bewirken. Ein Rückgriff auf die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage zum Recht der Arbeitslosenhilfe scheidet seit dem Inkrafttreten des SGB II aus.

22

Der 7. Senat des BSG hat im Hinblick auf die Änderungen der AlhiV 2002 gegenüber der vorherigen Fassung der AlhiV 1974 (vom 7.8.1974, BGBl I 1929, bzw vom 18.6.1999, BGBl I 1433), insbesondere wegen des Verzichts auf eine allgemeine Zumutbarkeitsprüfung in der AlhiV 2002 im Sinne einer allgemeinen Härteklausel, festgestellt, dass der Verordnungsgeber durch dieses Regelungskonzept die vom BSG in seiner Entscheidung vom 27.5.2003 (BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1) aufgezeigten Grenzen seines Handlungsspielraums im Rahmen des § 193 Abs 2 SGB III unterschritten habe. Die Verordnung lasse insgesamt keine Prüfung der Umstände des Einzelfalls in besonderen Ausnahmefällen mehr zu (Billigkeits- oder Härtefallprüfung). Mit Blick auf die Regelungen des SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), durch das beim Schonvermögen für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 iVm § 12 Abs 3 Nr 6 SGB II günstigere Regelungen gegenüber der AlhiV geschaffen worden seien, hat er es für zwingend befunden, auch im Rahmen der AlhiV die Anrechenbarkeit von Vermögen bei der Gewährung von Alhi unter Härtegesichtspunkten zu prüfen(BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3, RdNr 13). Auf dieser Grundlage basiert das Handeln der BA, die offensichtlich für Altfälle, also für solche der Bewilligung von Alhi nach dem 1.1.2005 für die Zeit vor dem 1.1.2005, an Stelle des mit dem Versicherer erst ab dem 1.1.2005 zu vereinbarenden Verwertungsausschlusses nach § 165 Abs 3 VVG, eine entsprechende Erklärung sich gegenüber hat ausreichen lassen, um das an sich verwertbare Vermögen zu verschonen. Ein rechtliches Bedürfnis dies auch auf die Rechtslage nach dem SGB II zu übertragen besteht nicht. Eine planwidrige Lücke, wie sie die Kläger annehmen, weil in bestimmten "Altfällen" die Vereinbarung eines Verwertungsausschluss nicht mehr vertraglich vereinbart werden könne, vermag der Senat nicht zu erkennen.

23

Der 7. Senat des BSG hat, wie oben bereits dargelegt, eine Verknüpfung zwischen der Regelung des Verwertungsausschlusses nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und der Härtefallregelung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II hergestellt. Diese Verknüpfung, die ihre Bestätigung im Gesetzestext, in der Gesetzesbegründung und systematischen Erwägungen findet, zeigt, dass die möglicherweise vorhandene Lücke im "Verwertungsschutz", weil die Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II nicht erfüllt sind, über die besondere Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II geschlossen werden kann. Im Gesetzestext kommt zwar ein Stufenverhältnis zwischen § 12 Abs 2 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II zum Ausdruck. Nach § 12 Abs 2 SGB II wird das Vermögen nur in Höhe von dort festgelegten Absetzbeträgen geschützt, während § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II das Vermögen bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls vollständig von der Berücksichtigung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausnimmt. Der Wortlaut des § 12 SGB II verbietet es jedoch nicht, einen Verwertungsschutz nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch dann anzunehmen, wenn die Schutzmechanismen durch Absetzungen nach § 12 Abs 2 SGB II nicht greifen. Dies folgt auch aus der Begründung des Gesetzes. Sowohl die Regelung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II, als auch die des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II haben beide erst auf Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit Eingang in den Gesetzentwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gefunden. Sie folgen beide letztlich der gleichen Idee und ergänzen einander, wie die Begründung des Ausschusses zeigt. Zu § 12 Abs 2 Nr 5 SGB II wird in der Empfehlung ausgeführt, die Ergänzung solle vermeiden helfen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige Vermögen, das sie für ihre Altersvorsorge bestimmt hätten, vorher zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs einsetzen müssten(BT-Drucks 15/1749, S 31). Dass gerade der Verbrauch von der Altersvorsorge dienendem Vermögen vor dem Eintritt in den Ruhestand zugleich als ein Härtefall angesehen worden ist und eben dann, wenn die anderen "Schutzmechanismen" für dieses Vermögen nicht mehr greifen, es über den "besonderen Härtefall" trotzdem noch vor der Verwertung geschützt werden können soll, zeigen die Ausführungen zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II. Dort heißt es, ein derartiger Härtefall könne zB vorliegen, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749, S 32). Systematisch schließt damit § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II also auch eine Lücke im Vermögensschutz, wenn ein Verwertungsausschluss nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II aus welchem Grund auch immer nicht vereinbart worden ist. Einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über den vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG, der in Ergänzung zu § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II auf die Empfehlung des Vermittlungsausschusses als Art 35c in das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgenommen worden ist(s BT-Drucks 15/2259 vom 16.12.2003), bedarf es daher, anders als bei der AlhiV 2002, nicht.

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(7.) Auch eine Verschonung der Lebensversicherung aus Gründen des § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II kommt nicht in Betracht. Nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Die Kläger unterfallen nicht dem Personenkreis derjenigen, die eine Privilegierung ihres Vermögens nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II in Anspruch nehmen können. Sie sind nicht nach §§ 6, 231(231a) SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen (vgl zum Verhältnis zur Versicherungsfreiheit von Selbstständigen ausführlich: BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 22 ff).

25

(8.) Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 45; vom 8.2.2007 - B 7a AL 34/06 R, SozR 4-5765 § 9 Nr 1 RdNr 13 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 4; vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45) richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 S 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45). § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II setzt daher voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45; vom selben Tag - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 32).

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer besonderen Härte ausgeschlossen. Eine Privilegierung der Lebensversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33). Das LSG hat insoweit zwar für den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Lebensversicherung als Vorsorge für das Alter bestimmt war. Allerdings weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass die vorzeitige Verwertung der Lebensversicherung allein keine besondere Härte darstellt. Dies gilt angesichts des oben dargelegten Verhältnisses von § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch für die Begründung der Kläger, sie hätten allein wegen eines "Altvertrages" keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können und nur weil es an dem vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss mangele, müssten sie nun die LV 1 zur Lebensunterhaltssicherung einsetzen, anstatt sie erst bei Eintritt in den Ruhestand zu dessen Finanzierung nutzen zu können. Wenn der fehlende Verwertungsausschluss dazu führt, dass kein Schutz des Altersvorsorgevermögens in Höhe der Absetzungen nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II erfolgt, kann das Vermögen gleichwohl vor der Verwertung geschützt sein, wenn eine besondere Härte vorliegt. Der mangelnde Verwertungsausschluss an sich ist jedoch keine besondere Härte; die Annahme einer besonderen Härte erfordert immer auch besondere Umstände, die hinzutreten müssen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

27

Besondere Umstände, wie oben dargelegt, hat das LSG nicht feststellt. So war der Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II erst 54 Jahre, die Klägerin 53 Jahre alt. Sie standen also noch nicht kurz vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und waren noch nicht ohne Chance auf weiteren Aufbau einer Alterssicherung durch Erwerbstätigkeit. Soweit die Kläger in ihrem Vorbringen auf Lücken im Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung hinweisen, machen sie keine atypische Erwerbsbiographie geltend. Wegen solcher Lücken wird der Versicherte auf die Rentenversicherungspflicht während des Leistungsbezugs bei Arbeitslosigkeit und den durch die gesetzlich vorgesehenen Freibeträge garantierten Mindestschutz verwiesen. Selbst wenn man die selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin in die Betrachtungen einbezieht, so sollte die LV 1 nach dem Vortrag der Kläger der gemeinsamen Alterssicherung dienen. Insoweit ist auch auf das gemeinsam erreichbare Rentenniveau abzustellen. Dieses hat das LSG zutreffend und von den Klägern nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, als nicht so niedrig festgestellt, dass allein hieraus eine besondere Härte resultieren könnte. Sie werden nach derzeitigen Berechnungen gemeinsam eine Rente von 1110,33 Euro erhalten. Dieser Betrag liegt ohne Einbeziehung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung deutlich über der Regelleistung nach SGB II und SGB XII. Unterkunftskosten werden bei den Klägern nur in geringem Umfang anfallen, da das LSG - ebenfalls nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen - festgestellt hat, das selbstbewohnte Haus werde bei Eintritt ins Rentenalter nahezu belastungsfrei sein. Daher kommt es im Rahmen der Prüfung der besonderen Härte nicht mehr darauf an, ob die Kläger aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung weitere Einkünfte werden erzielen können.

28

(9.) Die Verwertung der Lebensversicherung ist für die Kläger auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 1. Alt SGB II. Zwar fehlt es an hinreichenden Feststellungen des LSG zum Substanz- und Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes. Aus den vom LSG benannten Daten kann jedoch mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass weder zum Zeitpunkt der Antragstellung, noch im Entscheidungszeitpunkt das Tatbestandsmerkmal der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit erfüllt war.

29

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (zur Alhi: BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen. Der Substanzwert ergibt sich bei einem Lebensversicherungsvertrag aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert - wie bereits dargelegt - aus dem Rückkaufswert der Versicherung, einschließlich der Überschussanteile (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R, RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R, RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Welche Verlustgrenze im Einzelnen zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit führt, kann hier dahinstehen. Der Rückkaufswert der LV 1, einschließlich Überschussanteil lag nach den bindenden Feststellungen des LSG deutlich über den eingezahlten Beiträgen. Das LSG hat festgestellt, dass am 1.2.2005 18 460,55 Euro an Beiträgen in diese Versicherung von den Klägern eingezahlt worden waren. Dem stand am 14.4.2005 ein Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung von 41 523,87 Euro gegenüber. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG keine weiteren Feststellungen zu dem späteren Verhältnis von eingezahlten Beiträgen und Verkehrswert der Versicherung getroffen hat, denn angesichts dessen, dass der Verkehrswert der Versicherung zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes mehr als doppelt so hoch war wie die eingezahlten Beiträge, ist davon auszugehen, dass auch im Oktober 2007 der Verkehrswert die Summe der eingezahlten Beiträge weiterhin überschritten hat.

30

(10.) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das LSG seine Prüfung bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit auf die LV 1 beschränkt hat. Das Berufungsgericht hat die LV 2 wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit der Verwertung insoweit zutreffend außer Betracht gelassen. Auch konnte das LSG angesichts des die Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II deutlich überschreitenden Verkehrswertes der LV 1 von einer Einbeziehung des Hausgrundstücks der Kläger in die Betrachtungen absehen, selbst wenn die Wohnfläche mit 126 qm für zwei Personen als unangemessen angesehen werden könnte(vgl BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 17; BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 25 f)und bei nicht erfolgter baulicher und rechtlicher Abtrennung eines Teils des Wohneigentums nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats das gesamte Objekt als unangemessen bewertet und verwertet werden müsste (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R, SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 26 ff). Ferner hat das LSG zwar nicht in Erwägung gezogen, ob der von A. und dem Sohn zur Verfügung gestellte Geldbetrag als dauerhaft bei den Klägern verbleibende Zuwendung zu bewerten ist und damit als Einkommen bei der Berechnung des Alg II zu berücksichtigen gewesen wäre. Gleiches gilt für die nach Antragstellung nachgezahlte Arbeitslosenhilfe und die Frage, ob diese als Einkommen einer Bewilligung von Alg II entgegengestanden hätte. Feststellungen hierzu sowie zur Verwertbarkeit des Hausgrundstücks bedurfte es jedoch auch nicht, denn trotz der von den Klägern benannten Belastungen der LV 1 bleibt dieses Vermögen der Kläger, das bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu berücksichtigen war.

31

Grundsätzlich gilt, Vermögen iS von § 12 SGB II sind nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern die vorhandenen aktiven Vermögenswerte(vgl zuletzt BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R, RdNr 22 ff; s auch BSG BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8 und zu § 88 BSHG: BVerwG Buchholz 436.0 zu § 88 BSHG Nr 22). Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II ist allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (zB eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann(vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 44). Dies ist hier, wie das LSG zutreffend befunden hat, im Hinblick auf die Lasten durch Abtretung wegen der Forderungen des Sohnes und A. nicht der Fall.

32

Die Schulden der Kläger bei ihrem Sohn und A. sowie der Bank wegen des Überziehungskredits lasten nicht auf der Lebensversicherung. Nach den bindenden Feststellungen des LSG konnten die Kläger frei über die LV 1 verfügen und haben sich später auch einen Teil der Versicherungssumme auszahlen lassen. Zutreffend hat das LSG die Forderungen von A., dem Sohn und der Hausbank daher als private Schulden, deren Tilgung hinter der Existenzsicherung zurückzutreten hat, angesehen.

33

Soweit es die Abtretung der Ansprüche aus der LV 1 an die Bausparkasse zur Sicherung des Darlehens zur Finanzierung des Hauses der Kläger betrifft, mangelt es zwar an Feststellungen des LSG, ob der Versicherer von der Abtretung in Kenntnis gesetzt worden ist und die Kläger über die LV 1 in Höhe von höchstens 11 992,81 Euro nicht mehr verfügen konnten. Da jedoch selbst bei dem niedrigsten vom LSG festgestellten Rückkaufswert der LV 1 einschließlich einer Überschussbeteiligung von insgesamt 36 835,44 Euro ein die Freibeträge der Kläger - wie unter 4. festgestellt - überschreitendes Vermögen verbleibt und die Kläger selbst unter Berücksichtigung dieser für sie günstigsten Annahme keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatten, bedurfte es deswegen keiner Zurückverweisung an das LSG.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen

1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder
2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Wird mit dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch über die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 entschieden, ist die oder der Leistungsberechtigte in dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 gesondert erfolgt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Rechtsstreit den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 umfasst.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von der Beklagten als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) laufend eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro ua für die Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 (Bescheid vom 3.5.2006), vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007 (Bescheid vom 28.11.2006) und vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 (Bescheid vom 25.4.2007), daneben bezog sie von dem Rhein-Neckar-Kreis Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 befand sie sich in Haft, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 13.9.2007 aufhob (Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.1.2008; hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mannheim anhängig ). Außerdem hob die Beklagte die Entscheidung vom 25.4.2007 über die Bewilligung von Leistungen im September 2007 wegen der Inhaftierung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch in Höhe von 208,20 Euro auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück(Bescheid vom 11.1.2008). Mit Bescheid vom 20.12.2007 bewilligte die Beklagte erneut Leistungen in Höhe von 347 Euro monatlich vom 17.12.2007 bis zum 31.5.2008 (für Dezember 2007 anteilig für die Zeit ab 17.12.2007).

3

Am 30.5.2006 legte die Klägerin bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von Dr. W/Dr. B vor, wonach sie wegen einer Allergie gegen Konservierungsstoffe ausschließlich biologische Kost von Biobauern benötige. Nach Einholung einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 13.11.2006, wonach ein Mehrbedarf für Ernährung wegen der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht erforderlich sei, lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ab (Bescheid vom 21.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 8.1.2007). Die Klage zum SG Mannheim, mit der die Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von mindestens 200 Euro monatlich geltend gemacht hatte, blieb ohne Erfolg (Urteil vom 28.11.2007). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer durch zwei Allergiepässe nachgewiesenen Allergie zwar in ihrer Lebensführung eingeschränkt und müsse ihre Ernährungsgewohnheiten entsprechend anpassen. Für die Stoffe, auf die die Klägerin allergisch reagiere, bestehe aber eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht, sodass sie sich ohne Zusatzkosten geeignete Lebensmittel aus dem Warenangebot heraussuchen könne. Dass die Klägerin bei unbehandelten Produkten, die überhaupt nicht durch Zusatzstoffe verändert seien, auf besondere Kost angewiesen sei, habe sie weder dargetan noch sei dies ersichtlich. Mangelerscheinungen seien offenbar nicht aufgetreten, wie sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergebe. Das vorgelegte Attest, wonach "biologische Kost vom Biobauern ausschließlich" angezeigt sei, sei nicht nachvollziehbar, denn nicht konservierte Lebensmittel könnten nicht nur beim Biobauern, sondern in jedem Supermarkt erworben werden.

4

Mit ihrer Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg trug die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens vor, die bisherigen ärztlichen Gutachten seien unzureichend, da sie alle keine Angaben über ihr Untergewicht enthielten. Es bedeute einen erhöhten Kostenaufwand, wenn sie auf nicht konservierte Lebensmittel zurückgreifen müsse. Hierzu sei ein Gutachten einzuholen, wenn nötig mithilfe eines Ernährungsberaters.

5

Mit Urteil vom 9.5.2008 änderte das LSG das Urteil des SG und verurteilte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 zur Zahlung von weiteren 2 Euro monatlich und für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 12.9.2007 zur Zahlung von 1 Euro. Den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 und des Bescheides vom 11.1.2008 hob es auf, soweit der Erstattungsbetrag auf mehr als 207 Euro festgesetzt worden sei. Die weitergehende Berufung und die Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Streitgegenstand sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 30.5.2006 bis zum 31.5.2008. Die Beklagte habe über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht isoliert mit Bescheid vom 21.12.2006 entscheiden dürfen, da eine Beschränkung des Streitgegenstands auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht zulässig sei. Gegenstand des Verfahrens seien vielmehr sämtliche Bescheide, die die dem Antrag folgenden Bewilligungszeiträume beträfen (Bescheide vom 3.5.2006, vom 28.11.2006, vom 25.4.2007 und vom 20.12.2007). Gegenstand nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien ebenfalls die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28.9.2007 und vom 11.1.2008, mit denen die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 im Hinblick auf die Inhaftierung der Klägerin vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 die ihr gewährten Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft aufgehoben habe. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe sich nur in geringfügiger Höhe, weil der Klägerin für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 eine Regelleistung in Höhe von 347 Euro statt lediglich 345 Euro zustehe. Ein Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf ergebe sich aus den vom SG ausgeführten Gründen nicht. Im Übrigen werde die Auffassung des SG durch eine von ihm eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T bestätigt, über die der Senat die Klägerin zuvor schriftlich in Kenntnis gesetzt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Auskunft halte der Senat den maßgeblichen Sachverhalt für geklärt, weshalb kein Anlass zu weiteren Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei unbegründet, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit vorlägen, was das LSG unter Bezugnahme auf den Inhalt beigezogener Akten im Einzelnen ausgeführt hat.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe in unzulässiger Weise unter dem Gesichtspunkt des "Heraufholens von Prozessresten" den Streitstoff erweitert. Ihr sei so eine Tatsacheninstanz abgeschnitten worden. Es habe ferner mit der Bezugnahme auf eine vom SG eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T gegen das Verbot der antizipierten Beweiswürdigung verstoßen. Die Verwertung einer telefonischen Auskunft verstoße gegen das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Indem das LSG unter Hinweis auf diese, vom SG eingeholte Auskunft den Beweisantrag der Klägerin abgelehnt habe, habe es gegen § 103 SGG verstoßen. Sie habe wegen der verspäteten Zusendung einer Fahrkarte an dem Termin vor dem Berufungsgericht nicht teilnehmen können. Insoweit habe das Berufungsgericht auch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 3. Mai 2006 und vom 28. November 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 200 Euro zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe nur, wenn wegen einer Erkrankung aus medizinischen Gründen zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten sei und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost. Bei einer Allergie gegen Stoffe aus der Gruppe der "paraben mix" würden keine besonderen Lebensmittel erforderlich, sondern lediglich eine Vollkost. Das Allergen könne durch gezielten Einkauf gut vermieden werden. Dies habe auch die Untersuchung durch ihren ärztlichen Dienst ergeben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG, soweit er den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 betrifft, Erfolg. Bei Auslegung des klägerischen Vorbringens vor dem SG richtet sich das im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren allein auf höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in diesem Zeitraum. Soweit das LSG dennoch über Ansprüche für folgende Bewilligungsabschnitte entschieden hat, hat es den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt. Sein Urteil war schon deshalb insoweit aufzuheben (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG; hierzu unter 1). Die Feststellungen des LSG lassen im Übrigen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht und ihr im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht(vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG; hierzu unter 2).

11

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens waren bei zutreffender Auslegung des klägerischen Vortrags von Klageerhebung an ausschließlich Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 30.5.2006 (Einreichung des Attests bei der Beklagten) bis zum 31.5.2007, soweit sie von der Beklagten erbracht werden (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II), wobei die Klägerin Ansprüche für den 30. und 31.5.2006 im Revisionsverfahren zuletzt nicht mehr geltend gemacht hat.

12

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften; die Auslegung von Anträgen richtet sich vielmehr danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (stRspr, zuletzt etwa BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 3).

13

a) Auf dieser Grundlage ist das LSG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, über die vorliegend vom zuständigen Landkreis in getrennter Trägerschaft entschieden worden ist) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11).

14

b) Unzutreffend ist allerdings die weitergehende Auslegung durch das LSG, damit habe die Klägerin (in zulässiger Weise) einerseits den gesamten Zeitraum vom 30.5.2006 bis zur Entscheidung des SG am 28.11.2007 und andererseits auch den anschließenden Zeitraum bis zum 31.5.2008, über den das LSG kraft Klage zu entscheiden gehabt habe, zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Lediglich sofern der Träger der Grundsicherung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, kann zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Ist dagegen - wie hier - lediglich die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11) -nicht den Schluss zu, die Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in diesem Fall vielmehr die Auslegung, die rechtlich die einzig zulässige ist, mithin eine (ablehnende) Regelung der Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw der Gegenwart lagen. Nur auf diesen Zeitraum bezieht sich damit der im Wege der Auslegung gewonnene Klageantrag.

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 der Bescheid vom 3.5.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 und der Bescheid vom 28.11.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007. Diese Bescheide regeln für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt die laufenden, von der Beklagten zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und bilden deshalb mit dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid eine Einheit.

16

Die übrigen Bescheide, die die anschließenden Bewilligungszeiträume ab dem 1.6.2007 regeln, sind entgegen der Annahme des LSG aus den dargestellten Gründen nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(vgl bereits BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Dem Vorbringen der Klägerin in den Instanzen lässt sich auch nicht entnehmen, sie hätte wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 im Wege der Klageerweiterung eine Klage gegen Folgebescheide erheben wollen unabhängig davon, ob insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klageänderung und die dann geänderte Klage vorgelegen hätten (dazu BSG aaO). Sie hat insbesondere den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 gesondert mit einer Klage zum SG Mannheim (Az S 8 AS 90/08) angefochten. Im Revisionsverfahren hat sie schließlich - nunmehr rechtskundig vertreten - den Leistungsantrag ausdrücklich begrenzt und wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 lediglich die Aufhebung des Urteils des LSG beantragt, soweit ihr nicht weitergehende Leistungen zugesprochen worden sind.

17

Da bei verständiger Würdigung des klägerischen Vortrags Ansprüche für Zeiträume nach dem 31.5.2007 nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem SG waren und das SG zutreffend nur für Zeiträume davor eine Entscheidung getroffen hat, ist unerheblich, in welchem Umfang ein so genanntes "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann. Das Berufungsurteil war für Zeiträume nach dem 31.5.2007 schon deshalb aufzuheben, weil das LSG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Entscheidung über Folgebescheide befugt war (vgl etwa BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

18

2. Die Revision im Übrigen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht.

19

a) Die Beklagte ist nach den zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Änderungen des SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) weiterhin passiv legitimiert. Im Rhein-Neckar-Kreis, in dem die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, werden die Aufgaben nach dem SGB II nach wie vor in getrennter Trägerschaft wahrgenommen; eine gemeinsame Einrichtung zur Aufgabenwahrnehmung (vgl § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II in der seither geltenden Fassung) ist bislang noch nicht gebildet. Dies ist übergangsweise noch bis Ende des Jahres 2011 zulässig (vgl § 76 Abs 1 SGB II).

20

b) Ein Anspruch insbesondere für den zweiten streitigen Bewilligungsabschnitt scheitert nicht daran, dass die Klägerin lediglich am 30.5.2006 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf den geltend gemachten Mehrbedarf hingewiesen hat. Ausreichend ist, dass sie wegen der Folgezeiträume, für die ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist (dazu BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), angegeben hat, maßgebliche Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich nicht ergeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN).

21

c) Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 21 SGB II RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 34 f; Münder in ders, SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25). Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (zum Ganzen bereits BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils RdNr 39 und BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24).

22

Das LSG hat sich zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung im Hinblick auf den begehrten Mehrbedarf unter Hinweis auf § 153 Abs 2 SGG "voll umfänglich" den Entscheidungsgründen des SG im angefochtenen Urteil angeschlossen. Damit ist dem Erfordernis an eine Begründung des Urteils aus § 136 Abs 1 Nr 6 SGG(dazu zuletzt Urteil des Senats vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07AS 3/07 R - Juris RdNr 13) noch Genüge getan. Ein Berufungsgericht kann dann pauschal auf die Begründung des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG verweisen, wenn es dem Urteil des SG nichts hinzuzufügen hat und es keinen neuen Vortrag tatsächlicher oder rechtlicher Art gibt(BSGE 87, 95, 99 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 mwN). So liegt der Fall hier. Der klägerische Vortrag im Berufungsverfahren ist gegenüber dem Vortrag im Klageverfahren unverändert. Dies schließt insbesondere die Beweisanträge ein, die die Klägerin bereits in der ersten Instanz hinreichend zum Ausdruck gebracht hat.

23

Die damit in Bezug genommenen Feststellungen des SG genügen jedoch zur abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das SG davon aus, dass bei der Klägerin als gesundheitliche Beeinträchtigung, die Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise hat, eine Allergie gegen Paraben besteht. Es handelt sich nach den Feststellungen des SG insoweit um eine Allergie gegen para-Hydroxybenzoesäure (kurz PHB-Ester; auch Parahydroxybenzoat), die insbesondere in Kosmetika und bestimmten Lebensmitteln häufig als Konservierungsmittel eingesetzt werden. Zutreffend hat das SG schließlich unter Bezugnahme auf die Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (vom 29.1.1998 , zuletzt geändert mit Verordnung vom 11.6.2009 ) dargelegt, dass die entsprechenden Konservierungsstoffe (also die Verbindungen, die Parahydroxybenzoat enthalten) bei ihrer Verwendung in der Lebensmittelverarbeitung eine Kennzeichnungspflicht auslösen.

24

Die dargestellten Ausgangsannahmen konnte das SG allesamt als allgemeinkundige Tatsachen bei seiner Entscheidung zugrunde legen. Allgemeinkundige Tatsachen sind solche, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen unschwer überzeugen können oder auch solche, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge bekannt sind oder wahrnehmbar waren und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann (vgl BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - ZfS 2002, 237). Die Klassifizierung von Parahydroxybenzoat als Konservierungsmittel, das in den Zusatzstoffen E 214 bis E 219 nach der Anlage Liste B Teil I zur Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke enthalten ist, ist eine solche allgemeinkundige Tatsache. Entsprechende Informationen sind etwa über die Internetpräsenz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz allgemein verfügbar (http://www.aktionsplan-allergien.de; Suchbegriff "Parabene"). Über besondere Sachkunde musste das Gericht insoweit nicht verfügen.

25

Die auf Grundlage dieser Ausgangsannahmen getroffene abschließende Würdigung des SG, die Klägerin könne durch aufmerksames und lediglich zeitaufwändiges, aber nicht kostenintensives Verbraucherverhalten das Allergen gut vermeiden, sodass die erforderliche Ernährungsweise sich nicht als kostenaufwändig darstelle, ist dagegen weder eine allgemeinkundige Tatsache im dargestellte Sinne noch wird aus dem Urteil sonst erkennbar, worauf das SG diese Schlussfolgerung stützt. Die Annahme, auch bei strikter Vermeidung von Lebensmitteln, die Parahydroxybenzoat enthielten, würden keine weitergehenden Kosten im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung entstehen, kann nicht als allgemeines Erfahrungswissen des Gerichts unterstellt werden. Es ist durchaus denkbar, dass eine so große Anzahl von Lebensmitteln vermieden bzw ersetzt werden muss, dass dies nicht kostenneutral erfolgen kann. Auch aus der ärztlichen Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten wird nicht erkennbar, auf welchen ernährungswissenschaftlichen Erfahrungen und Grundannahmen sie beruht. Dies gilt schließlich auch für die vom LSG ergänzend in Bezug genommene telefonische Auskunft eines Dr. T Ohnehin kann nach der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine sachkundige Einschätzung zum streitigen Sachverhalt im sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig nur durch Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 106 Abs 3 Nr 5 SGG) oder seine Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung bzw - in eng begrenzten, geeigneten Fällen - im Wege der Vernehmung durch den Kammervorsitzenden erfolgen (vgl § 106 Abs 3 Nr 4 SGG; dazu bereits BSGE 2, 197, 199). Ob daneben die Verwertung einer telefonisch von einem Arzt eingeholten Auskunft iS des § 106 Abs 3 Nr 3 SGG in jedem Fall ausscheidet(so ausdrücklich BSG, aaO und im Anschluss Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 106 RdNr 11), kann offen bleiben. Entscheidend ist vorliegend auch insoweit, dass unklar geblieben ist, über welche Sachkunde Dr. T verfügte und auf welche medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Grundlagen er seine Aussagen stützt.

26

Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits eine gutachterliche Stellungnahme (ggf nach Aktenlage) einholen müssen, wobei der Sachverständige in erster Linie über besondere Kenntnisse auf ernährungswissenschaftlichem Gebiet verfügen sollte. Erst wenn geklärt ist, wie konsequent die Klägerin die fraglichen Konservierungsstoffe vermeiden muss, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen, wie häufig die fraglichen, von der Klägerin ggf strikt zu vermeidenden Konservierungsmittel eingesetzt werden, welche Möglichkeiten bestehen, auf andere Lebensmittel auszuweichen bzw auf welche Lebensmittel bei einer ausgewogenen Ernährung verzichtet werden kann, kann entschieden werden, ob und ggf welche Mehrkosten für eine solche Ernährungsweise entstehen.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 beanspruchen kann.

2

Der 1960 geborene Kläger lebt mit seiner Ehefrau in einer Bedarfsgemeinschaft. Ihm ist rückwirkend ab dem 1.4.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden. Der Kläger ist schwerbehindert mit einen GdB von 90. Das Merkzeichen G ist nicht zuerkannt. Bei der Leistungsgewährung wurde dem Kläger bis zum 30.11.2006 ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II in Höhe von zuletzt 109 Euro gewährt.

3

Am 29.5.2006 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der sich die Beklagte zu "Übernahmekosten IFD (= Integrationsfachdienst) , ebenso Kostenübernahme bei möglichen Bildungsgutscheinen", der Kläger zu "Kontakt herstellen zu IFD bis 10.6.2006, Aufnahme in Betreuung nachweisen, Bereitschaft Fortbildungsmaßnahmen nach Vorschlag IFD oder ARGE Köln wahrnehmen" verpflichtete. Der Kläger wurde in der Zeit vom 1.7.2006 bis zum 30.6.2007 vom IFD betreut, wobei er nach Vereinbarung zweimal je Monat dort vorsprach.

4

Mit Bescheid vom 1.12.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 311 Euro sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 205,95 Euro. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit der Begründung zurückwies, es seien keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX erbracht worden. Lediglich die Beratung und Vermittlung iS des § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX reichten nicht aus.

5

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger einen Mehrbedarf in Höhe von 109 Euro monatlich für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2007 zu gewähren (Urteil vom 16.5.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger habe den Streitgegenstand in zulässiger Weise auf den Mehrbedarf wegen Behinderung beschränkt. Bei der einjährigen Betreuung durch den IFD handele es sich um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II. Nach § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX umfassten die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen. Für eine Ausnahme der Beratung und Vermittlung von den Leistungen des § 33 Abs 3 SGB IX bestehe entgegen der Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) in den Durchführungsanweisungen kein Raum. Zum einen verweise § 21 Abs 4 SGB II in seinem Wortlaut pauschal auf § 33 SGB IX. Zum anderen könnten auch durch Beratung und Vermittlung tatsächlich vermehrte Ausgaben entstehen, zB für Bewerbungen, Fahrkosten und andere Aktivitäten. Allerdings sei unerheblich, ob tatsächlich ein Mehrbedarf durch zusätzliche Kosten angefallen sei, denn § 21 Abs 4 SGB II gewähre pauschalierend eine Erhöhung der Regelleistung. Die Beratung und Vermittlung des Klägers durch den IFD sei auch tatsächlich auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes gerichtet gewesen. Sofern für das Tatbestandsmerkmal "erbracht werden" über den Wortlaut hinaus eine Leistungsbewilligung vorausgesetzt werde, könne auf die Eingliederungsvereinbarung zurückgegriffen werden. Der Kläger habe den IFD auch tatsächlich aufgesucht.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 21 Abs 4 SGB II. Das LSG habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den IFD nicht beauftragt habe. Die fehlende Beauftragung sei von entscheidender rechtlicher Bedeutung. Aus § 109 Abs 1 SGB IX in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung folge, dass der IFD nicht mehr von der BA bei ihrer Vermittlungsarbeit als Dritter nach § 37 SGB III eingeschaltet werden könne. Soweit die BA oder andere Rehabilitationsträger die Dienste des IFD in Anspruch nehmen würden, täten sie dies auf der Grundlage der "gemeinsamen Empfehlung" nach § 113 SGB IX. Eine Beauftragung sei nach Auskunft des IFD nicht erfolgt. Folglich sei auch nicht davon auszugehen, dass es sich hier um eine Maßnahme handeln könne, die sich im Bereich der Eingliederungsleistungen für erwerbsfähige Behinderte bewege.

7

Die Beklagte beantragt;

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16.7.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.5.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 1.12.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 20.6.2007 abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, das es sich bei den Beratungs- und Vermittlungsleistungen um eine Maßnahme der Wiedereingliederung iS des § 33 SGB IX gehandelt habe, sodass ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II gerechtfertigt sei.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung an das LSG begründet.

11

Der Streitgegenstand des Revisionsverfahrens wird durch den Bescheid vom 1.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.6.2007 begrenzt. Der genannte Bescheid trifft eine Regelung für die Leistungsbewilligung in der Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007. Der Kläger hat den Streitgegenstand zusätzlich insoweit in zulässiger Weise beschränkt, als Kosten der Unterkunft nicht in Streit stehen. Jedoch lassen sich darüber hinaus - entgegen der Auffassung des LSG - die weiteren Regelungen der Beklagten zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in rechtlich zulässiger Weise in unterschiedliche Streitgegenstände aufspalten (vgl zuletzt BSG 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - RdNr 11 mwN) . Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist deshalb unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

12

Der Senat kann jedoch auch hinsichtlich der Voraussetzungen des vom Kläger beanspruchten Mehrbedarfs auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Der Kläger kann einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II in Höhe von 30 vH der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung nur beanspruchen, wenn er im streitigen Zeitraum an einer regelförmigen Maßnahme teilgenommen hat.

13

Nach § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Normen insofern, als er zum Kreis der erwerbsfähigen behinderten Hilfebedürftigen gehört. Ob das vom Kläger in Anspruch genommene Vermittlungs- und Beratungsangebot des IFD den im Rahmen des § 21 Abs 4 SGB II zu stellenden Anforderungen genügt, kann derzeit nicht beurteilt werden.

14

Unbeachtlich ist insoweit allerdings die von der Beklagten problematisierte Frage der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft für die hier fraglichen Leistungen der Vermittlung und Beratung. Denn den in § 21 SGB II geregelten Mehrbedarfen liegt übereinstimmend der Gedanke zu Grunde, dass bei bestimmten Gruppen von Hilfebedürftigen und besonderen Bedarfssituationen von vornherein feststeht, dass der in der Regelleistung pauschalierte Bedarf den besonderen Verhältnissen nicht gerecht wird (Behrend in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 15; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 4) . Trotz der pauschalierenden Betrachtungsweise der Norm setzen die Mehrbedarfe allein bei der Situation des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an, dem in Fällen bestimmter festgelegter Bedarfslagen zusätzliche Leistungen gewährt werden sollen. Dies schließt es aus, hinsichtlich des Anspruchs auf den Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II auf die Frage der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft abzustellen. Denn bei der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft handelt es sich um Umstände, die außerhalb der Sphäre des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen liegen und seine Bedarfslage nicht beeinflussen. Auch soweit die hier fraglichen Vermittlungs- und Beratungsleistungen aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert worden sein sollten (vgl § 113 SGB IX) , steht allein dies einer Leistungsgewährung nicht entgegen.

15

Ausgehend vom genannten Zweck der Mehrbedarfe ist ferner nicht zwingend erforderlich, dass die fragliche Leistungsgewährung auf Bewilligungsbescheiden des Grundsicherungsträger beruht. Der 11b. Senat hat zur Anwendung des § 21 Abs 4 SGB II bereits entschieden, dass für die Erfüllung des Merkmals "erbracht werden" zu fordern ist, dass eine in der Regelung bezeichnete Eingliederungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt wird (BSGE 101,79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1, jeweils RdNr 22) . Darüber hinaus ist unerheblich, ob die Leistung durch den Grundsicherungsträger durch Verwaltungsakt bewilligt worden ist (vgl aber auch Münder in LPK - SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 21) . Ausreichend ist vielmehr, dass die Leistungsgewährung auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers erfolgt. Letzteres ist der Fall, wenn - wie vorliegend - dem Hilfebedürftigen in einer Eingliederungsvereinbarung tatsächlich aufgegeben wird, an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

16

Andererseits kann der Kläger einen Anspruch auf den Mehrbedarf auch nicht daraus herleiten, dass ihm im vorangehenden Bewilligungsabschnitt ein derartiger Anspruch nach § 21 Abs 4 SGB II zugebilligt worden war. Bereits für die Arbeitslosenhilfe hatte das BSG mit Rücksicht auf den einjährigen Bewilligungszeitraum erkannt, dass für einen neuen Bewilligungsabschnitt alle Voraussetzungen der Leistung dem Grunde und der Höhe nach neu zu überprüfen waren (BSG SozR 4-4300 § 200 Nr 2; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 010 RdNr 65) . Für die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gilt angesichts des Bewilligungszeitraums nach § 41 Abs 1 Satz 4 und 5 SGB II nichts anderes, denn auch hier soll die zeitliche Beschränkung der Bewilligung eine regelmäßige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglichen (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 6; Hängelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 41 RdNr 11) .

17

Der Anspruch des Klägers setzt jedoch die Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme voraus, die grundsätzlich geeignet ist, einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen (so ausdrücklich bereits BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1, jeweils RdNr 22) . Diese einschränkende Auslegung folgt aus dem Wortlaut und dem aus der Entstehungsgeschichte der Norm herzuleitenden spezifischen Sinn und Zweck des Mehrbedarfs.

18

Allerdings ergibt sich noch kein Hinweis auf das Erfordernis einer regelförmigen Maßnahme aus dem Wortlaut des § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II, denn danach wird darauf abgestellt, dass "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden". Eine Begrenzung des aufgeführten Leistungsspektrums folgt jedoch aus Satz 2 der Vorschrift, denn danach wird eine weitere Gewährung dieses Mehrbedarfs während einer angemessenen Übergangszeit nach Beendigung der in Satz 1 "genannten Maßnahmen" eröffnet. Die Formulierung des Satzes 2 weist dementsprechend aus, dass sich die Leistungserbringung innerhalb eines organi-satorischen Rahmens vollziehen muss, der eine Bezeichnung als "Maßnahme" rechtfertigt.

19

Dieses Ergebnis wird durch den aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Regelung bestätigt. Vorgängervorschrift für § 21 Abs 4 SGB II war die in § 23 Abs 3 BSHG getroffene Regelung (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57), nach dessen Satz 1 für Behinderte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs 1 Nr 3 bis 5 BSHG gewährt wird, ein Mehrbedarf von 40 vH des maßgebenden Regelsatzes anerkannt wurde, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf bestand. Durch den Verweis auf § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 3 (idF durch Art 67 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) waren bereits die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erfasst. § 23 Abs 3 BSHG geht wiederum zurück auf das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981 ( 2. Haushaltsstrukturgesetz, BGBl I 1523 ) und schloss eine Lücke, die ansonsten durch die Aufhebung der Mehrbedarfsregelung im Rahmen der Eingliederungshilfe entstanden wäre (vgl Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 11. Aufl 1984, § 23 RdNr 15). Das zuvor geltende Recht der Eingliederungshilfe hatte in § 41 Abs 2 Satz 2 BSHG (idF des Bundessozialhilfegesetzes vom 30.6.1961, BGBl I 815) vorgesehen, dass für Behinderte, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein Mehrbedarf von mindestens 50 vH des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen war, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen zu bemessen war. Sie lehnte sich an die Regelungen über die Ausbildungsbeihilfe an ( vgl BT-Drucks 3/1799 S 46 zu § 39) , die in der Parallelregelung des § 33 Abs 2 Satz 2 BSHG ebenfalls einen entsprechenden Mehrbedarf vorgesehen hatte. Diese enge Anlehnung der Sätze an die Ausbildungsbeihilfe belegt, dass der Mehrbedarf an strukturierte Maßnahmen geknüpft war, die über bloße Kontaktaufnahmen mit Beratung hinausgehen mussten und jedenfalls vom Grundsatz her geeignet waren, einen zusätzlichen Bedarf hervorzurufen.

20

Es kann nicht beurteilt werden, ob die danach zu stellenden erforderlichen Anforderungen an den organisatorischen Mindestrahmen der Eingliederungsmaßnahme durch die dem Kläger gewährten Beratungs- und Vermittlungsleistungen ausgefüllt werden. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass der Kläger vom IFD bei der Arbeitssuche unterstützt wurde und ihm auch tatsächlich Angebote vermittelt worden sind. Ferner habe der Kläger den IFD zweimal monatlich aufgesucht. Ob es sich ausschließlich um Vermittlungsleistungen handelte und ob sich diese Leistungen innerhalb der Spannbreite dessen hielten, was auch nicht behinderten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Rahmen der Vermittlung und Beratung durch den Grundsicherungsträger abverlangt wird, kann anhand dieser Feststellungen nicht beurteilt werden.

21

Das LSG wird dementsprechend aufzuklären haben, ob sich die Vermittlungs- und Beratungstätigkeit in einem organisatorischen Mindestrahmen vollzogen hat, der die Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen der Teilnahme an einer Maßnahme rechtfertigt. Es kann hierbei auf die Grundsätze zurückgreifen, die vom BSG zum Begriff der förderungsfähigen Maßnahme im Recht der Weiterbildungsförderung entwickelt worden sind (vgl etwa BSG SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 4) . Die Anforderungen würden danach nicht erfüllt, wenn lediglich kurze Gespräche durchgeführt worden sein sollten, wie sie auch im Rahmen der "regulären" Arbeitsvermittlung durch den Grundsicherungsträger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen geführt werden. Eine Mehrheit von Teilnehmern ist demgegenüber nicht erforderlich (BSG SozR 4100 § 41 Nr 34) . Unerheblich ist mit Rücksicht auf die dem Mehrbedarf zugrunde liegende Betrachtungsweise schließlich auch, ob die Leistung im konkreten Einzelfall geeignet war, zusätzliche Aufwendungen beim Kläger auszulösen.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Rechtsstreit den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 umfasst.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von der Beklagten als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) laufend eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro ua für die Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 (Bescheid vom 3.5.2006), vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007 (Bescheid vom 28.11.2006) und vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 (Bescheid vom 25.4.2007), daneben bezog sie von dem Rhein-Neckar-Kreis Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 befand sie sich in Haft, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 13.9.2007 aufhob (Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.1.2008; hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mannheim anhängig ). Außerdem hob die Beklagte die Entscheidung vom 25.4.2007 über die Bewilligung von Leistungen im September 2007 wegen der Inhaftierung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch in Höhe von 208,20 Euro auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück(Bescheid vom 11.1.2008). Mit Bescheid vom 20.12.2007 bewilligte die Beklagte erneut Leistungen in Höhe von 347 Euro monatlich vom 17.12.2007 bis zum 31.5.2008 (für Dezember 2007 anteilig für die Zeit ab 17.12.2007).

3

Am 30.5.2006 legte die Klägerin bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von Dr. W/Dr. B vor, wonach sie wegen einer Allergie gegen Konservierungsstoffe ausschließlich biologische Kost von Biobauern benötige. Nach Einholung einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 13.11.2006, wonach ein Mehrbedarf für Ernährung wegen der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht erforderlich sei, lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ab (Bescheid vom 21.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 8.1.2007). Die Klage zum SG Mannheim, mit der die Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von mindestens 200 Euro monatlich geltend gemacht hatte, blieb ohne Erfolg (Urteil vom 28.11.2007). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer durch zwei Allergiepässe nachgewiesenen Allergie zwar in ihrer Lebensführung eingeschränkt und müsse ihre Ernährungsgewohnheiten entsprechend anpassen. Für die Stoffe, auf die die Klägerin allergisch reagiere, bestehe aber eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht, sodass sie sich ohne Zusatzkosten geeignete Lebensmittel aus dem Warenangebot heraussuchen könne. Dass die Klägerin bei unbehandelten Produkten, die überhaupt nicht durch Zusatzstoffe verändert seien, auf besondere Kost angewiesen sei, habe sie weder dargetan noch sei dies ersichtlich. Mangelerscheinungen seien offenbar nicht aufgetreten, wie sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergebe. Das vorgelegte Attest, wonach "biologische Kost vom Biobauern ausschließlich" angezeigt sei, sei nicht nachvollziehbar, denn nicht konservierte Lebensmittel könnten nicht nur beim Biobauern, sondern in jedem Supermarkt erworben werden.

4

Mit ihrer Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg trug die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens vor, die bisherigen ärztlichen Gutachten seien unzureichend, da sie alle keine Angaben über ihr Untergewicht enthielten. Es bedeute einen erhöhten Kostenaufwand, wenn sie auf nicht konservierte Lebensmittel zurückgreifen müsse. Hierzu sei ein Gutachten einzuholen, wenn nötig mithilfe eines Ernährungsberaters.

5

Mit Urteil vom 9.5.2008 änderte das LSG das Urteil des SG und verurteilte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 zur Zahlung von weiteren 2 Euro monatlich und für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 12.9.2007 zur Zahlung von 1 Euro. Den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 und des Bescheides vom 11.1.2008 hob es auf, soweit der Erstattungsbetrag auf mehr als 207 Euro festgesetzt worden sei. Die weitergehende Berufung und die Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Streitgegenstand sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 30.5.2006 bis zum 31.5.2008. Die Beklagte habe über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht isoliert mit Bescheid vom 21.12.2006 entscheiden dürfen, da eine Beschränkung des Streitgegenstands auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht zulässig sei. Gegenstand des Verfahrens seien vielmehr sämtliche Bescheide, die die dem Antrag folgenden Bewilligungszeiträume beträfen (Bescheide vom 3.5.2006, vom 28.11.2006, vom 25.4.2007 und vom 20.12.2007). Gegenstand nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien ebenfalls die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28.9.2007 und vom 11.1.2008, mit denen die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 im Hinblick auf die Inhaftierung der Klägerin vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 die ihr gewährten Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft aufgehoben habe. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe sich nur in geringfügiger Höhe, weil der Klägerin für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 eine Regelleistung in Höhe von 347 Euro statt lediglich 345 Euro zustehe. Ein Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf ergebe sich aus den vom SG ausgeführten Gründen nicht. Im Übrigen werde die Auffassung des SG durch eine von ihm eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T bestätigt, über die der Senat die Klägerin zuvor schriftlich in Kenntnis gesetzt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Auskunft halte der Senat den maßgeblichen Sachverhalt für geklärt, weshalb kein Anlass zu weiteren Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei unbegründet, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit vorlägen, was das LSG unter Bezugnahme auf den Inhalt beigezogener Akten im Einzelnen ausgeführt hat.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe in unzulässiger Weise unter dem Gesichtspunkt des "Heraufholens von Prozessresten" den Streitstoff erweitert. Ihr sei so eine Tatsacheninstanz abgeschnitten worden. Es habe ferner mit der Bezugnahme auf eine vom SG eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T gegen das Verbot der antizipierten Beweiswürdigung verstoßen. Die Verwertung einer telefonischen Auskunft verstoße gegen das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Indem das LSG unter Hinweis auf diese, vom SG eingeholte Auskunft den Beweisantrag der Klägerin abgelehnt habe, habe es gegen § 103 SGG verstoßen. Sie habe wegen der verspäteten Zusendung einer Fahrkarte an dem Termin vor dem Berufungsgericht nicht teilnehmen können. Insoweit habe das Berufungsgericht auch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 3. Mai 2006 und vom 28. November 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 200 Euro zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe nur, wenn wegen einer Erkrankung aus medizinischen Gründen zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten sei und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost. Bei einer Allergie gegen Stoffe aus der Gruppe der "paraben mix" würden keine besonderen Lebensmittel erforderlich, sondern lediglich eine Vollkost. Das Allergen könne durch gezielten Einkauf gut vermieden werden. Dies habe auch die Untersuchung durch ihren ärztlichen Dienst ergeben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG, soweit er den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 betrifft, Erfolg. Bei Auslegung des klägerischen Vorbringens vor dem SG richtet sich das im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren allein auf höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in diesem Zeitraum. Soweit das LSG dennoch über Ansprüche für folgende Bewilligungsabschnitte entschieden hat, hat es den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt. Sein Urteil war schon deshalb insoweit aufzuheben (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG; hierzu unter 1). Die Feststellungen des LSG lassen im Übrigen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht und ihr im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht(vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG; hierzu unter 2).

11

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens waren bei zutreffender Auslegung des klägerischen Vortrags von Klageerhebung an ausschließlich Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 30.5.2006 (Einreichung des Attests bei der Beklagten) bis zum 31.5.2007, soweit sie von der Beklagten erbracht werden (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II), wobei die Klägerin Ansprüche für den 30. und 31.5.2006 im Revisionsverfahren zuletzt nicht mehr geltend gemacht hat.

12

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften; die Auslegung von Anträgen richtet sich vielmehr danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (stRspr, zuletzt etwa BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 3).

13

a) Auf dieser Grundlage ist das LSG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, über die vorliegend vom zuständigen Landkreis in getrennter Trägerschaft entschieden worden ist) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11).

14

b) Unzutreffend ist allerdings die weitergehende Auslegung durch das LSG, damit habe die Klägerin (in zulässiger Weise) einerseits den gesamten Zeitraum vom 30.5.2006 bis zur Entscheidung des SG am 28.11.2007 und andererseits auch den anschließenden Zeitraum bis zum 31.5.2008, über den das LSG kraft Klage zu entscheiden gehabt habe, zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Lediglich sofern der Träger der Grundsicherung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, kann zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Ist dagegen - wie hier - lediglich die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11) -nicht den Schluss zu, die Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in diesem Fall vielmehr die Auslegung, die rechtlich die einzig zulässige ist, mithin eine (ablehnende) Regelung der Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw der Gegenwart lagen. Nur auf diesen Zeitraum bezieht sich damit der im Wege der Auslegung gewonnene Klageantrag.

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 der Bescheid vom 3.5.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 und der Bescheid vom 28.11.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007. Diese Bescheide regeln für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt die laufenden, von der Beklagten zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und bilden deshalb mit dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid eine Einheit.

16

Die übrigen Bescheide, die die anschließenden Bewilligungszeiträume ab dem 1.6.2007 regeln, sind entgegen der Annahme des LSG aus den dargestellten Gründen nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(vgl bereits BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Dem Vorbringen der Klägerin in den Instanzen lässt sich auch nicht entnehmen, sie hätte wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 im Wege der Klageerweiterung eine Klage gegen Folgebescheide erheben wollen unabhängig davon, ob insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klageänderung und die dann geänderte Klage vorgelegen hätten (dazu BSG aaO). Sie hat insbesondere den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 gesondert mit einer Klage zum SG Mannheim (Az S 8 AS 90/08) angefochten. Im Revisionsverfahren hat sie schließlich - nunmehr rechtskundig vertreten - den Leistungsantrag ausdrücklich begrenzt und wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 lediglich die Aufhebung des Urteils des LSG beantragt, soweit ihr nicht weitergehende Leistungen zugesprochen worden sind.

17

Da bei verständiger Würdigung des klägerischen Vortrags Ansprüche für Zeiträume nach dem 31.5.2007 nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem SG waren und das SG zutreffend nur für Zeiträume davor eine Entscheidung getroffen hat, ist unerheblich, in welchem Umfang ein so genanntes "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann. Das Berufungsurteil war für Zeiträume nach dem 31.5.2007 schon deshalb aufzuheben, weil das LSG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Entscheidung über Folgebescheide befugt war (vgl etwa BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

18

2. Die Revision im Übrigen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht.

19

a) Die Beklagte ist nach den zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Änderungen des SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) weiterhin passiv legitimiert. Im Rhein-Neckar-Kreis, in dem die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, werden die Aufgaben nach dem SGB II nach wie vor in getrennter Trägerschaft wahrgenommen; eine gemeinsame Einrichtung zur Aufgabenwahrnehmung (vgl § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II in der seither geltenden Fassung) ist bislang noch nicht gebildet. Dies ist übergangsweise noch bis Ende des Jahres 2011 zulässig (vgl § 76 Abs 1 SGB II).

20

b) Ein Anspruch insbesondere für den zweiten streitigen Bewilligungsabschnitt scheitert nicht daran, dass die Klägerin lediglich am 30.5.2006 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf den geltend gemachten Mehrbedarf hingewiesen hat. Ausreichend ist, dass sie wegen der Folgezeiträume, für die ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist (dazu BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), angegeben hat, maßgebliche Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich nicht ergeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN).

21

c) Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 21 SGB II RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 34 f; Münder in ders, SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25). Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (zum Ganzen bereits BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils RdNr 39 und BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24).

22

Das LSG hat sich zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung im Hinblick auf den begehrten Mehrbedarf unter Hinweis auf § 153 Abs 2 SGG "voll umfänglich" den Entscheidungsgründen des SG im angefochtenen Urteil angeschlossen. Damit ist dem Erfordernis an eine Begründung des Urteils aus § 136 Abs 1 Nr 6 SGG(dazu zuletzt Urteil des Senats vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07AS 3/07 R - Juris RdNr 13) noch Genüge getan. Ein Berufungsgericht kann dann pauschal auf die Begründung des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG verweisen, wenn es dem Urteil des SG nichts hinzuzufügen hat und es keinen neuen Vortrag tatsächlicher oder rechtlicher Art gibt(BSGE 87, 95, 99 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 mwN). So liegt der Fall hier. Der klägerische Vortrag im Berufungsverfahren ist gegenüber dem Vortrag im Klageverfahren unverändert. Dies schließt insbesondere die Beweisanträge ein, die die Klägerin bereits in der ersten Instanz hinreichend zum Ausdruck gebracht hat.

23

Die damit in Bezug genommenen Feststellungen des SG genügen jedoch zur abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das SG davon aus, dass bei der Klägerin als gesundheitliche Beeinträchtigung, die Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise hat, eine Allergie gegen Paraben besteht. Es handelt sich nach den Feststellungen des SG insoweit um eine Allergie gegen para-Hydroxybenzoesäure (kurz PHB-Ester; auch Parahydroxybenzoat), die insbesondere in Kosmetika und bestimmten Lebensmitteln häufig als Konservierungsmittel eingesetzt werden. Zutreffend hat das SG schließlich unter Bezugnahme auf die Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (vom 29.1.1998 , zuletzt geändert mit Verordnung vom 11.6.2009 ) dargelegt, dass die entsprechenden Konservierungsstoffe (also die Verbindungen, die Parahydroxybenzoat enthalten) bei ihrer Verwendung in der Lebensmittelverarbeitung eine Kennzeichnungspflicht auslösen.

24

Die dargestellten Ausgangsannahmen konnte das SG allesamt als allgemeinkundige Tatsachen bei seiner Entscheidung zugrunde legen. Allgemeinkundige Tatsachen sind solche, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen unschwer überzeugen können oder auch solche, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge bekannt sind oder wahrnehmbar waren und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann (vgl BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - ZfS 2002, 237). Die Klassifizierung von Parahydroxybenzoat als Konservierungsmittel, das in den Zusatzstoffen E 214 bis E 219 nach der Anlage Liste B Teil I zur Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke enthalten ist, ist eine solche allgemeinkundige Tatsache. Entsprechende Informationen sind etwa über die Internetpräsenz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz allgemein verfügbar (http://www.aktionsplan-allergien.de; Suchbegriff "Parabene"). Über besondere Sachkunde musste das Gericht insoweit nicht verfügen.

25

Die auf Grundlage dieser Ausgangsannahmen getroffene abschließende Würdigung des SG, die Klägerin könne durch aufmerksames und lediglich zeitaufwändiges, aber nicht kostenintensives Verbraucherverhalten das Allergen gut vermeiden, sodass die erforderliche Ernährungsweise sich nicht als kostenaufwändig darstelle, ist dagegen weder eine allgemeinkundige Tatsache im dargestellte Sinne noch wird aus dem Urteil sonst erkennbar, worauf das SG diese Schlussfolgerung stützt. Die Annahme, auch bei strikter Vermeidung von Lebensmitteln, die Parahydroxybenzoat enthielten, würden keine weitergehenden Kosten im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung entstehen, kann nicht als allgemeines Erfahrungswissen des Gerichts unterstellt werden. Es ist durchaus denkbar, dass eine so große Anzahl von Lebensmitteln vermieden bzw ersetzt werden muss, dass dies nicht kostenneutral erfolgen kann. Auch aus der ärztlichen Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten wird nicht erkennbar, auf welchen ernährungswissenschaftlichen Erfahrungen und Grundannahmen sie beruht. Dies gilt schließlich auch für die vom LSG ergänzend in Bezug genommene telefonische Auskunft eines Dr. T Ohnehin kann nach der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine sachkundige Einschätzung zum streitigen Sachverhalt im sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig nur durch Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 106 Abs 3 Nr 5 SGG) oder seine Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung bzw - in eng begrenzten, geeigneten Fällen - im Wege der Vernehmung durch den Kammervorsitzenden erfolgen (vgl § 106 Abs 3 Nr 4 SGG; dazu bereits BSGE 2, 197, 199). Ob daneben die Verwertung einer telefonisch von einem Arzt eingeholten Auskunft iS des § 106 Abs 3 Nr 3 SGG in jedem Fall ausscheidet(so ausdrücklich BSG, aaO und im Anschluss Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 106 RdNr 11), kann offen bleiben. Entscheidend ist vorliegend auch insoweit, dass unklar geblieben ist, über welche Sachkunde Dr. T verfügte und auf welche medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Grundlagen er seine Aussagen stützt.

26

Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits eine gutachterliche Stellungnahme (ggf nach Aktenlage) einholen müssen, wobei der Sachverständige in erster Linie über besondere Kenntnisse auf ernährungswissenschaftlichem Gebiet verfügen sollte. Erst wenn geklärt ist, wie konsequent die Klägerin die fraglichen Konservierungsstoffe vermeiden muss, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen, wie häufig die fraglichen, von der Klägerin ggf strikt zu vermeidenden Konservierungsmittel eingesetzt werden, welche Möglichkeiten bestehen, auf andere Lebensmittel auszuweichen bzw auf welche Lebensmittel bei einer ausgewogenen Ernährung verzichtet werden kann, kann entschieden werden, ob und ggf welche Mehrkosten für eine solche Ernährungsweise entstehen.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.