Landessozialgericht NRW Urteil, 27. Aug. 2014 - L 11 SF 209/14 EK SO

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2014:0827.L11SF209.14EK.SO.00
bei uns veröffentlicht am27.08.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen.

Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, haftet das Land. Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Bundes eingetreten sind, haftet der Bund. Für Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden in Fällen des § 386 Absatz 2 der Abgabenordnung gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin macht einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nach dem Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) bezüglich der Dauer eines Eilverfahrens geltend.
I.
In dem dem hier maßgeblichen Eilverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG), das in der Zeit vom 16. Januar 2012 bis zum 26. Februar 2013 anhängig war, war zwischen den Beteiligten des Verfahrens, der Klägerin und dem beklagten Landkreis Böblingen (beigeladen war das Altenpflegeheim „H P.“) über die Kostenübernahme für eine 1:1-Betreuung der Klägerin nachts (19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens) gestritten worden; die Hauptsache ist derzeit noch in der Berufung anhängig.
In einem ersten Eilverfahren (Beschluss vom 15. Dezember 2011 - S 9 SO 5771/11 ER -) hatte das SG den Landkreis Böblingen verpflichtet, die Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung darlehensweise bis zum 30. Juni 2012 zu übernehmen. Die Beschwerde des Landkreises wurde mit Beschluss des LSG vom 19. März 2012 (L 2 SO 72/12 ER-B) zurückgewiesen. Der 2. Senat des LSG hatte in den Gründen u.a. ausgeführt, dass das Vorbringen des Landkreises, dass die Klägerin in einem ungeeigneten Heim untergebracht sei, zutreffend und ein zeitnaher Wechsel in ein geeignetes Heim erforderlich sei, jedoch habe die Klägerin glaubhaft gemacht, dass ein solcher Wechsel derzeit mangels Kapazitäten bzw. Geeignetheit nicht möglich sei.
Im Rahmen eines zweiten Eilverfahrens (S 4 SO 3134/12 ER) hatte das SG mit Beschluss vom 30. Juli 2012 den Landkreis verpflichtet, die Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin darlehensweise weiterhin bis zum 30. September 2012 zu übernehmen. Der 7. Senat des LSG hat mit Beschluss vom 26. September 2012 (L 7 SO 3498/12 ER-B) den Zeitraum der vorläufigen Kostenübernahme bis auf den 31. Dezember 2012 erstreckt, den weitergehenden Antrag der Klägerseite auf Erstreckung des Zeitraumes bis zum 30. Juni 2013 jedoch als nicht sachdienlich zurückgewiesen. Der 7. Senat hatte ausgeführt, die für die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz maßgebliche Interessen- und Folgenabwägung könne sich aufgrund zu erwartender Änderungen (Klärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit eines Umzuges sowie des tatsächlichen Bedarfs) sowie zumindest möglicher Änderungen (Freiwerden eines angemessenen Platzes in einer anderen Einrichtung) im Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 gänzlich anders darstellen als zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung.
Im Hauptsacheverfahren S 4 SO 245/12 war zwischenzeitlich am 30. Oktober 2012 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 26. November 2012 bestimmt worden. In der mündlichen Verhandlung kam es jedoch zu keiner Endentscheidung, nachdem der Inhalt des Versorgungsvertrages zwischen dem Landkreis Böblingen und der Betreiberin des „H. P.“ nicht habe geklärt werden können und deshalb die Verhandlung vertagt worden war. In der sodann am 17. Januar 2013 für den 26. Februar 2013 terminierten mündlichen Verhandlung wurde die Hauptsache durch klagabweisendes Urteil entschieden (Berufung anhängig unter Az. L 2 SO 1431/13).
II.
Am 10. Dezember 2012 hatte die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, beim SG erneut den jetzt hier interessierenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht (S 4 SO 6098/12 ER). Beantragt worden war, die einstweilige Anordnung des LSG vom 26. September 2012 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verlängern. Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 hat das SG den Bevollmächtigten der Klägerin aufgefordert darzulegen, warum die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen einer Nachtwache nicht gegenüber dem Pflegeheim geltend gemacht habe. Ferner war der Bevollmächtigte aufgefordert worden, den Pflege-/Heimvertrag vorzulegen. Das SG hat parallel den Landkreis Böblingen aufgefordert, mit der Erwiderung den Versorgungsvertrag und sonstige Vertragsabreden mit dem Pflegeheim sowie die Verwaltungsakten vorzulegen. Den Beteiligten war jeweils eine Wochenfrist gesetzt worden.
Der Klägerbevollmächtigte übersandte am 17. Dezember 2012 eine Mehrfertigung des Schriftsatzes vom gleichen Tag samt Unterlagen aus dem Hauptsacheverfahren. Die Antragserwiderung des Landkreises ging vorab per Fax am 18. Dezember 2012 beim SG ein, das Original samt Verwaltungsakten am 21. Dezember 2012. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 hat das SG die Betreiberin des „H. P.“ zum Verfahren beigeladen.
Mit Telefax vom 2. Januar 2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerin dem SG mitgeteilt, dass die Pflegekräfte der Klägerin zum 31. Dezember 2012 entlassen worden seien. Am 31. Dezember 2012 sei die Klägerin in das Zentrum für Psychiatrie in E. (ZfP) eingewiesen worden. Sie halte sich seither dort auf. Eine kurzfristige Wiederbeschäftigung der Pflegekräfte sei möglich. Es sei damit zu rechnen, dass das ZfP die Klägerin kurzfristig wieder entlassen werde, da voraussichtlich therapeutische Möglichkeiten als nicht gegeben angesehen würden. Die Klägerin habe, nachdem ihr durch das LSG bereits zweimal einstweiliger Rechtsschutz zugesprochen worden sei, damit rechnen dürfen, dass über den Antrag vom 10. Dezember 2012 kurzfristig entschieden werden würde. Die nun eingetretene Verzögerung habe zu der Krankenhauseinweisung geführt. Das Verfahren habe bereits jetzt unangemessen lange gedauert, weshalb Verzögerungsrüge erhoben werde.
Am 4. Januar 2013 (zwei Werktage später) hat das SG über den Eilantrag abschlägig entschieden. Der Beschluss ist am 4. Januar 2013 zur Post gelangt und am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis dem Klägerbevollmächtigten zugestellt worden. Der Klägerbevollmächtigte hat am 4. Februar 2013 Beschwerde gegen den Beschluss beim LSG eingelegt (L 2 SO 498/13 ER-B). Die Beschwerdebegründung wurde eine Woche später am 11. Februar 2013 (vorab per Fax) vorgelegt.
10 
Aus einer für die Kanzlei des Bevollmächtigten der Klägerin erstatteten Stellungnahme des ZfP (Schreiben von Dr. N. vom 18. Januar 2013 - Bl. 31/33 der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B) geht hervor, dass im ZfP als Facheinrichtung trotz höherem Personalschlüssel als im Pflegeheim eine kontinuierliche 1:1-Betreuung der Klägerin habe nicht gewährleistet werden können, weshalb eine zeitweise Fixierung der Klägerin mittels eines Tischbretts zur Abwendung von Gefahren unumgänglich gewesen sei. Dr. N. hatte mit Schreiben vom 23. Januar 2013 den Betreuer der Klägerin zur Einleitung eines Verfahrens beim Betreuungsgericht über eine solche freiheitsentziehende Maßregel aufgefordert. Der entsprechende Antrag wurde am 28. Januar 2013 vom Betreuer gestellt und noch am selben Tag genehmigt (Bl. 35/36 der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B). Der Betreuer der Klägerin hat mit Telefax vom 13. Februar 2013 dem LSG mitgeteilt, die Behandlung der Klägerin sei gemäß Rücksprache vom selben Tag mit Dr. N. abgeschlossen worden. Sofern die Versorgung der Klägerin sichergestellt sei, könne sie jederzeit entlassen werden. Eine Rücksprache mit dem „H. P.“ habe ergeben, dass die Personalkapazitäten für eine Betreuung im bisherigen Umfang zum 18. Februar 2013 geschaffen werden könnte.
11 
Mit Beschluss vom 18. Februar 2013 hat das LSG dem Eilantrag bis zum 30. Juni 2013 stattgegeben. Am 20. Februar 2013 ist die Klägerin aus der Klinik zurück ins „H. P.“ entlassen worden.
III.
12 
Am 7. August 2013 hat die Klägerin vertreten durch ihren Betreuer und ihren Bevollmächtigten Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung macht die Klägerseite geltend, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG hätte innerhalb einer Woche zum Abschluss gebracht werden können und auch müssen. Der Klägerin sei durch die verzögerte Bearbeitung des SG ein immaterieller Schaden entstanden. Sie sei nämlich am 31. Dezember 2012 in das Zentrum für Psychiatrie eingewiesen und dort stationär behandelt worden. Dort sei es zu freiheitsentziehenden Maßnahmen gekommen, die durch das zuständige Betreuungsgericht hätte genehmigt werden müssen und auch genehmigt worden seien. In der Psychiatrischen Klinik sei ein Behandlungsversuch unternommen worden, der sich jedoch als fruchtlos erwiesen habe. Die Klägerin habe sich damit in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 in einer psychiatrischen Klinik aufhalten müssen, ohne dass dies notwendig gewesen wäre. Dies sei nur notwendig gewesen, weil das erstinstanzliche Gericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verzögert bearbeitet habe. Zwar müsse das erstinstanzliche Gericht nicht dem LSG folgen. Der 4. Kammer des SG sei aber der Fall aus dem vorangegangenen Verfahren im Detail bekannt gewesen. An der Situation habe sich innerhalb des halben Jahres zwischen den beiden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nichts geändert. Es wäre deshalb ohne Weiteres möglich gewesen, innerhalb kürzester Zeit zu entscheiden. Dies gelte erst recht, da die 4. Kammer mit der Sache auch in der Hauptsache befasst gewesen sei, sodass keinerlei Einarbeitung mehr nötig gewesen sei, vielmehr der Sachverhalt ermittelt gewesen sei. Wenn das SG von der Entscheidung des LSG im Verfahren L 7 SO 3498/12 ER-B habe abweichen wollen, dann hätte es dafür nicht des Zuwartens bis zum 4. Januar 2013 bedurft. Es bestehe vielmehr der Eindruck, dass das SG nicht zuletzt deshalb zugewartet habe, um einen Zustand ohne die streitgegenständliche Leistung eintreten zu lassen. Über den Antrag vom 10. Dezember 2012, eingegangen beim SG am 10. Dezember 2012, hätte damit spätestens am 17. Dezember 2012 entschieden werden können und müssen. Die Verzögerung bis zum 4. Januar 2013 bedeute eine unangemessene Dauer des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
13 
Die Klägerin habe auch einen Nachteil aus der unangemessenen Dauer erlitten, nämlich eine an und für sich nicht erforderliche Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik für den Zeitraum vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013. Dieser Nachteil wiege im Falle der Klägerin besonders schwer, weil sie infolge der Klinikaufnahme eine Dekompensation ihrer psychischen Erkrankung erlitten habe.
14 
Da die Klägerin immaterielle Nachteile geltend mache, sei ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig.
15 
Die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz2 GVG zur Erhebung der Klage (sechs Monate) sei auch gewahrt, denn diese habe am 20. Februar 2013 (Zugang des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 18. Februar 2013) begonnen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 2 GVG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, für die Verzögerung im erstinstanzlichen Verfahren S 4 SO 6098/12 ER zu zahlen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht vorliegen. Zwar seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) grundsätzlich die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens im Lichte der Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens der Beteiligten und der Auswirkungen der Verfahrensdauer auf den Betroffenen zu berücksichtigen. Der Komplexität des Falles dürfte allerdings im Eilverfahren nicht dasselbe Gewicht beizumessen sein wie im Hauptsacheverfahren. Hier sei vielmehr auch die Befugnis des Gerichts zu berücksichtigen, auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden.
21 
Einem Entschädigungsanspruch stehe nach Auffassung des Beklagten zum einen schon entgegen, dass bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 der im gesamten Verfahren mitwirkende Bevollmächtigte der Klägerin gewusst habe, dass mit einer Hauptsacheentscheidung vor dem 31. Dezember 2012 nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Gleichwohl habe er noch zwei Wochen zugewartet, bis er beim SG einen erneuten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt habe.
22 
Weder aus der Antragsschrift vom 10. Dezember noch aus dem Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17. Dezember 2012 gehe explizit hervor, dass, falls bis zum 31. Dezember 2012 keine weitere Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Erst nach dem Jahreswechsel - gleichzeitig mit der Erhebung der Verzögerungsrüge am 2. Januar 2013 - sei dieser Hinweis erfolgt; allerdings erst, nachdem die Entlassung der Pflegekräfte zum 31. Dezember 2012 vollzogen gewesen sei.
23 
Zwar seien auch vor dem erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 10. Dezember 2012 bereits zwei für die Klägerin günstige Entscheidungen ergangen. Jedoch hätten diese ihr keinerlei „gesicherte Rechtsposition“ der Gestalt vermittelt, dass sie kurzfristig mit einer weiteren für sie günstigen Entscheidung hätte rechnen können. Dies habe auch der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 als Begründung für die Erhebung der Verzögerungsrüge (und sinngemäß auch in der Klageschrift) ausdrücklich vorgetragen. Die zwei vorbefassten Senate des LSG hätten in ihren Beschlüssen explizit darauf hingewiesen, dass sich die den Entscheidungen zugrunde liegende Situation ändern könne. Der 7. Senat des LSG habe eine Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und mit dieser Begründung die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. Das SG ist aufgrund dessen gehalten gewesen, vor einer erneuten Entscheidung den Sachverhalt neu zu ermitteln.
24 
Bereits zwei Werktage nach Erhalt des Telefaxschreibens vom 2. Januar 2013 und der darin erhobenen Verzögerungsrüge habe das SG über den Eilantrag entschieden.
25 
Die Einweisung der Klägerin zur vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 andauernden Akutbehandlung im ZfP sei auch nicht auf das Ausbleiben der beim SG beantragten einstweiligen Anordnung zurückzuführen. Vielmehr sei die Klägerin wegen der Verschlechterung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes in das ZfP eingewiesen worden (lebensbedrohliche Schluckstörungen sowie erhöhte Sturzgefahr). Diese Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin habe bei ihr eine akute Behandlungsbedürftigkeit ausgelöst. Hierauf habe der Betreuer der Klägerin selbst schriftlich gegenüber dem Betreuungsgericht mit Schreiben vom 28. Januar 2013 (Bl. 35 Rückseite der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B) und nochmals persönlich gegenüber dem SG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 im Hauptsacheverfahren S 4 SO 245/12 hingewiesen. Bei dieser Sachlage sei aus Sicht des Beklagten nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin sich im ZfP aufgehalten habe, „ohne dass dies notwendig gewesen wäre“. Dies sei vom Bevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift hier zur vorliegenden Entschädigungsklage aber behauptet worden. Entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten der Klägerin wäre deren Einweisung in eine Klinik aber aus gesundheitlichen Gründen auch dann erfolgt, wenn der klägerische Eilrechtsschutzantrag vom SG bereits vor dem 31. Dezember 2012 abgelehnt worden wäre.
26 
Im ZfP habe mit dem dort vorhandenen Fachpersonal eine kontinuierliche 1:1-Betreuung der Klägerin nicht gewährleistet werden können (vgl. Schreiben von Dr. N. vom 18. Januar 2013). Für die Dauer des dortigen Aufenthalts zur Behandlung akuter Gesundheitsstörungen (lebensbedrohliche Schluckstörungen und erhöhte Sturzgefahr) habe die Klägerin keinen Nachteil erlitten. Auch bei einer früheren Entscheidung über den Antrag der Klägerin durch das SG hätte diese während ihres Aufenthalts im ZfP dieselben Bedingungen vorgefunden, wie dies tatsächlich der Fall gewesen sei.
27 
Die in der Klageschrift behauptete „Dekompensation“ der Klägerin „infolge der Klinikaufnahme“ lasse sich aus den im Verfahren L 2 SO 498/13 ER-B zu den Akten gereichten medizinischen Bericht nicht ableiten. Im ärztlichen Attest von Dr. N. vom 23. Januar 2013 zur Vorlage beim Betreuungsgericht heiße es vielmehr:
28 
„Bei ihr bestehen seit Jahren unverändert schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. ...“
29 
Irgendwelche Anhaltspunkte, die entgegen dieser Einschätzung auf dem behaupteten Eintritt einer Exazerbation des Gesundheitszustands der Klägerin während ihres Aufenthalts im ZfP hindeuten würden, seien vom Bevollmächtigten der Klägerin auch nicht dargelegt worden.
30 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akten betreffend das hier maßgebliche Eilverfahren sowie die Vorverfahren und die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
31 
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.
32 
Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch den Beschluss des LSG vom 18. Februar 2013 über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben worden. Es war auch zuvor eine Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden.
33 
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
34 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
35 
Nach § 198 Abs. 1 GVG in der seit 3. Dezember 2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I, 2302) wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
36 
Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
37 
Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
38 
Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
39 
Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG).
40 
Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift
41 
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
42 
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
43 
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage Seite 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
44 
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1.
45 
Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
46 
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-), wie hier in den vorangegangenen Eilverfahren auch bereits geschehen.
47 
Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 2.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 3.) maßgebliches Gewicht.
2.
48 
Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 ; EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris ; anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris ; s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
49 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist durchaus von einem entsprechenden Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung und damit weiteren Sicherstellung der 1:1-Betreuung auszugehen. Hier macht die Klägerseite konkret geltend, dass aufgrund des Wegfalles der 1:1-Betreuung der Klägerin eine Verlegung ins ZfP für die Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 notwendig geworden sei - mit der Folge einer Dekompensation bzw. freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Klägerin - und damit schwere Nachteile für sie eingetreten seien.
50 
Es bestehen aber auch aus Sicht des Senates Zweifel, ob die Einweisung ins ZfP tatsächlich ihre Ursache im Wegfall der 1:1-Betreuung hat oder nicht vielmehr andere unabhängig davon eingetretene Umstände maßgeblich waren. So führt Dr. N. vom ZfP in ihrem Schreiben vom 18. Januar 2013 unter „Aufnahmeanlass“ aus: „Unverändert bestehen seit Jahren schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. Mehrere medikamentöse Therapieversuche im stationären sowie ambulanten Rahmen waren ohne positives Ergebnis.“ Im Weiteren verweist sie noch auch darauf, dass die aus den Verhaltensauffälligkeiten resultierende Eigen- und Fremdgefährdung im H. P. in L., in dem die Klägerin bis zur Aufnahme gelebt habe, nur durch eine 1:1-Betreung habe abgewendet werden können. Diese werde jedoch ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr finanziert. Die Klägerin sei auf diese Weise im Heimatpflegeheim nicht mehr führbar. Weiter teilt Dr. N. mit, dass es sich seit 2008 um den dritten Aufenthalt der Klägerin im ZfP handele und zur Aufnahme die oben genannten Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten. Darüber hinaus ist der ärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 18. Januar 2013 nicht zu entnehmen, dass es im Zusammenhang mit der Einweisung der Klägerin zum 31. Dezember 2012 ins ZfP zu einer Dekompensation der Klägerin gekommen ist.
51 
Der Betreuer hat des Weiteren vor dem Betreuungsgericht einerseits darauf verwiesen, dass im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin eine ständige 1:1-Betreung erforderlich sei, diese aber seit dem 31. Dezember 2012 nicht mehr sichergestellt sei. Darüber hinaus führte der Betreuer allerdings auch aus, weiterhin habe sich Ende Dezember der allgemeine Gesundheitszustand der Klägerin in Form von erheblichen Schluckstörungen sowie erhöhter Sturzgefahr verschlechtert. Damit habe nur die Möglichkeit bestanden die Klägerin im ZfP unterzubringen, wozu sie auch freiwillig bereit gewesen sei. In gleicher Weise äußerte er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Februar 2013, wo er angab, die Klägerin sei ins ZfP gekommen, weil sie unter Schluckstörungen gelitten habe, die zu behandeln gewesen seien. Außerdem sei die nächtliche Betreuung nicht mehr sichergestellt gewesen.
52 
Damit aber kann der Senat schon nicht feststellen, dass die hier geltend gemachte Verzögerung ursächlich für den behaupteten schweren Nachteil geworden ist, nämlich die Aufnahme ins ZfP mit einer damit einhergehenden Dekompensation bei der Klägerin.
3.
53 
Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12).
54 
Hier ist nun hinsichtlich des Verfahrensablaufes folgendes zu berücksichtigen:
55 
Der die Klägerin im gesamten Verfahren vertretende Bevollmächtigte wusste bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 (Montag), dass mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem 31. Dezember 2012 (Ablauf der vom LSG getroffenen vorläufigen Bewilligung der 1:1-Betreuung) nicht mehr zu rechnen war. Dennoch hat der Klägerbevollmächtigte erst zwei Wochen später, nämlich am 10. Dezember 2012 (Montag) den Eilantrag auf Verlängerung der vorläufigen Weitergewährung der 1:1-Betreuung gestellt. Weder aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10. Dezember 2012 noch aus dem weiteren Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 geht ausdrücklich hervor, dass, sofern nicht bis zum 31. Dezember 2012 eine weitere Verpflichtung des Landkreises Böblingen zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Dieser Hinweis erfolgte erst nach dem Jahreswechsel nämlich mit dem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch), mit dem gleichzeitig die Verzögerungsrüge erhoben worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Pflegekräfte bereits entlassen.
56 
Soweit die Klägerseite geltend macht, man habe im Hinblick auf die vorangegangenen Eilverfahren und dort ergangenen Beschlüsse des SG bzw. des LSG davon ausgehen können, dass auch in diesem Verfahren vom SG eine weitere Verlängerung der vorläufigen 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, greift dies nicht durch. Keinesfalls ist den vorangegangenen Eilverfahren eine "gesicherte Rechtsposition" zu entnehmen. Vielmehr ist sogar den Beschlüssen des LSG, und zwar beider Senate, ausdrücklich zu entnehmen, dass diese jeweils davon ausgegangen sind, dass sich die Situation der Klägerin durchaus ändern könne. Der 7. Senat des LSG hat eine solche Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und gerade im Hinblick darauf die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. D.h. mit anderen Worten, schon im Hinblick darauf hätte der Klägerbevollmächtigte gewarnt sein müssen, dass das SG vor einer erneuten "Verlängerung" der 1:1-Betreuung den Sachverhalt neu zu ermitteln und zu überprüfen habe, was naturgemäß zumindest eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auch vor diesem Hintergrund wäre vom Klägerbevollmächtigten daher zu erwarten gewesen, dass er nach der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2012 nicht noch 14 Tage zuwartet bevor er einen Eilantrag auf "Verlängerung" der vorläufigen 1:1-Betreuung stellt. Dies umso weniger vor dem Hintergrund, dass der Klägerbevollmächtigte auch gerade im Hinblick auf die vom SG in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 geäußerten rechtlichen Überlegungen (nämlich dahingehend, dass möglicherweise ein Anspruch der Klägerin unmittelbar aus dem Heimvertrag gegen das H. "P." auf 1:1-Betreuung besteht) nicht mehr davon ausgehen konnte, dass das SG dem Eilantrag der Klägerin auch problemlos stattgeben werde.
57 
Darüber hinaus hat das SG unverzüglich nach dem per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch) und der darin erhobenen Verzögerungsrüge am 4. Januar 2013 (Freitag) bereits über den Eilantrag entschieden.
58 
Damit ist zwar zu diesem Zeitpunkt (4. Januar 2013) das hier allein interessierende Eilverfahren vor dem SG abgeschlossen. Da als schwerer Nachteil der Aufenthalt der Klägerin im ZfP in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 (insgesamt 51 Tage) geltend gemacht wird, ist durchaus zu berücksichtigen, dass der Klägerbevollmächtigte die gegen den ablehnenden Beschluss des SG vom 4. Januar 2013 (dem Klägerbevollmächtigten am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis zugegangen) gesetzlich bestehende Beschwerdefrist von einem Monat fast vollständig ausschöpfte und erst am 4. Februar 2013 (Montag) Beschwerde beim LSG einlegte und nochmals erst eine Woche später am 11. Februar 2013 (Montag) die Beschwerdebegründung vorlegte. Hier hätte es vor dem Hintergrund der von Klägerseite geltend gemachten schweren Nachteile für die Klägerin im Hinblick auf den Aufenthalt im ZfP eigentlich nahe gelegen, auf die fast vollständige Ausschöpfung der Beschwerdefrist und eine nochmalige zusätzliche Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verzichten und vielmehr im Interesse der Klägerin möglichst umgehend die Beschwerde samt Begründung beim LSG zu erheben, umso eine zeitnahe Entscheidung, wie sie dann binnen einer Woche nach Vorlage der Beschwerdebegründung durch den erkennenden Senat am Montag, den 18. Februar 2013 auch erfolgte, herbeizuführen.
59 
Das Verfahren vor dem SG hat insgesamt 26 Tage gedauert, wobei elf Tage auf gesetzliche Feiertage, Sonntage und sonstige dienstfreie Tage entfielen (also 15 Werk-/Arbeitstage). Das LSG hat anschließend über die Beschwerde nach Vorlage der Beschwerdebegründung binnen sechs Werktagen entschieden, das gesamte gerichtliche Verfahren in zwei Rechtszügen dauerte nur 26 Werktage (SG: 15 Werktage, LSG: 11 Werktage), wobei hier noch sechs Werktage vom Bevollmächtigten der Klägerin für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verantworten sind. D.h. mit anderen Worten, hätte der Klägerbevollmächtigte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 gestellt, sofort bei Antragstellung bzw. zumindest noch vor dem 31. Dezember 2012 auf die besondere Dringlichkeit (Wegfall der 1:1-Betreuung, sofern nicht vorher Finanzierung sichergestellt) hingewiesen, auf die Ausschöpfung der Beschwerdefrist plus zusätzlicher Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung verzichtet und vielmehr der von ihm selbst aufgestellten Anforderung an das SG mit einer unverzüglichen Bearbeitungszeit binnen einer Woche zunächst in eigener Sache selbst genügt, hätte aller Voraussicht nach spätestens Anfang Januar die abschließende Entscheidung des LSG vorliegen können. Das heißt aber, sofern nicht andere Gründe eine Verlegung der Klägerin ins ZfP ohnehin notwendig gemacht hatten, hätte dies möglicherweise zur Folge gehabt, dass die 1:1-Betreuung der Klägerin noch - gegebenenfalls durch einen „Hängebeschluss“ des LSG (siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl. § 86b Rn. 14), nämlich die vorläufige Weitergewährung bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde - kurzfristig überbrückt und letztlich durchgehend hätte gewährt werden können.
60 
In der Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG in keiner Weise unangemessen lange gedauert hat, vielmehr alleine die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache in den von Seiten des Bevollmächtigten trotz der behaupteten besonderen Eilbedürftigkeit selbst verursachten Verzögerungen haben.
61 
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen.
III.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
63 
Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen, nachdem die Klägerin keinen bezifferten Leistungsantrag gestellt hat (§ 52 Abs. 2 GKG).
64 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
I.
31 
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.
32 
Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch den Beschluss des LSG vom 18. Februar 2013 über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben worden. Es war auch zuvor eine Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden.
33 
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
34 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
35 
Nach § 198 Abs. 1 GVG in der seit 3. Dezember 2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I, 2302) wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
36 
Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
37 
Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
38 
Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
39 
Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG).
40 
Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift
41 
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
42 
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
43 
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage Seite 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
44 
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1.
45 
Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
46 
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-), wie hier in den vorangegangenen Eilverfahren auch bereits geschehen.
47 
Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 2.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 3.) maßgebliches Gewicht.
2.
48 
Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 ; EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris ; anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris ; s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
49 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist durchaus von einem entsprechenden Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung und damit weiteren Sicherstellung der 1:1-Betreuung auszugehen. Hier macht die Klägerseite konkret geltend, dass aufgrund des Wegfalles der 1:1-Betreuung der Klägerin eine Verlegung ins ZfP für die Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 notwendig geworden sei - mit der Folge einer Dekompensation bzw. freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Klägerin - und damit schwere Nachteile für sie eingetreten seien.
50 
Es bestehen aber auch aus Sicht des Senates Zweifel, ob die Einweisung ins ZfP tatsächlich ihre Ursache im Wegfall der 1:1-Betreuung hat oder nicht vielmehr andere unabhängig davon eingetretene Umstände maßgeblich waren. So führt Dr. N. vom ZfP in ihrem Schreiben vom 18. Januar 2013 unter „Aufnahmeanlass“ aus: „Unverändert bestehen seit Jahren schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. Mehrere medikamentöse Therapieversuche im stationären sowie ambulanten Rahmen waren ohne positives Ergebnis.“ Im Weiteren verweist sie noch auch darauf, dass die aus den Verhaltensauffälligkeiten resultierende Eigen- und Fremdgefährdung im H. P. in L., in dem die Klägerin bis zur Aufnahme gelebt habe, nur durch eine 1:1-Betreung habe abgewendet werden können. Diese werde jedoch ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr finanziert. Die Klägerin sei auf diese Weise im Heimatpflegeheim nicht mehr führbar. Weiter teilt Dr. N. mit, dass es sich seit 2008 um den dritten Aufenthalt der Klägerin im ZfP handele und zur Aufnahme die oben genannten Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten. Darüber hinaus ist der ärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 18. Januar 2013 nicht zu entnehmen, dass es im Zusammenhang mit der Einweisung der Klägerin zum 31. Dezember 2012 ins ZfP zu einer Dekompensation der Klägerin gekommen ist.
51 
Der Betreuer hat des Weiteren vor dem Betreuungsgericht einerseits darauf verwiesen, dass im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin eine ständige 1:1-Betreung erforderlich sei, diese aber seit dem 31. Dezember 2012 nicht mehr sichergestellt sei. Darüber hinaus führte der Betreuer allerdings auch aus, weiterhin habe sich Ende Dezember der allgemeine Gesundheitszustand der Klägerin in Form von erheblichen Schluckstörungen sowie erhöhter Sturzgefahr verschlechtert. Damit habe nur die Möglichkeit bestanden die Klägerin im ZfP unterzubringen, wozu sie auch freiwillig bereit gewesen sei. In gleicher Weise äußerte er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Februar 2013, wo er angab, die Klägerin sei ins ZfP gekommen, weil sie unter Schluckstörungen gelitten habe, die zu behandeln gewesen seien. Außerdem sei die nächtliche Betreuung nicht mehr sichergestellt gewesen.
52 
Damit aber kann der Senat schon nicht feststellen, dass die hier geltend gemachte Verzögerung ursächlich für den behaupteten schweren Nachteil geworden ist, nämlich die Aufnahme ins ZfP mit einer damit einhergehenden Dekompensation bei der Klägerin.
3.
53 
Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12).
54 
Hier ist nun hinsichtlich des Verfahrensablaufes folgendes zu berücksichtigen:
55 
Der die Klägerin im gesamten Verfahren vertretende Bevollmächtigte wusste bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 (Montag), dass mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem 31. Dezember 2012 (Ablauf der vom LSG getroffenen vorläufigen Bewilligung der 1:1-Betreuung) nicht mehr zu rechnen war. Dennoch hat der Klägerbevollmächtigte erst zwei Wochen später, nämlich am 10. Dezember 2012 (Montag) den Eilantrag auf Verlängerung der vorläufigen Weitergewährung der 1:1-Betreuung gestellt. Weder aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10. Dezember 2012 noch aus dem weiteren Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 geht ausdrücklich hervor, dass, sofern nicht bis zum 31. Dezember 2012 eine weitere Verpflichtung des Landkreises Böblingen zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Dieser Hinweis erfolgte erst nach dem Jahreswechsel nämlich mit dem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch), mit dem gleichzeitig die Verzögerungsrüge erhoben worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Pflegekräfte bereits entlassen.
56 
Soweit die Klägerseite geltend macht, man habe im Hinblick auf die vorangegangenen Eilverfahren und dort ergangenen Beschlüsse des SG bzw. des LSG davon ausgehen können, dass auch in diesem Verfahren vom SG eine weitere Verlängerung der vorläufigen 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, greift dies nicht durch. Keinesfalls ist den vorangegangenen Eilverfahren eine "gesicherte Rechtsposition" zu entnehmen. Vielmehr ist sogar den Beschlüssen des LSG, und zwar beider Senate, ausdrücklich zu entnehmen, dass diese jeweils davon ausgegangen sind, dass sich die Situation der Klägerin durchaus ändern könne. Der 7. Senat des LSG hat eine solche Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und gerade im Hinblick darauf die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. D.h. mit anderen Worten, schon im Hinblick darauf hätte der Klägerbevollmächtigte gewarnt sein müssen, dass das SG vor einer erneuten "Verlängerung" der 1:1-Betreuung den Sachverhalt neu zu ermitteln und zu überprüfen habe, was naturgemäß zumindest eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auch vor diesem Hintergrund wäre vom Klägerbevollmächtigten daher zu erwarten gewesen, dass er nach der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2012 nicht noch 14 Tage zuwartet bevor er einen Eilantrag auf "Verlängerung" der vorläufigen 1:1-Betreuung stellt. Dies umso weniger vor dem Hintergrund, dass der Klägerbevollmächtigte auch gerade im Hinblick auf die vom SG in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 geäußerten rechtlichen Überlegungen (nämlich dahingehend, dass möglicherweise ein Anspruch der Klägerin unmittelbar aus dem Heimvertrag gegen das H. "P." auf 1:1-Betreuung besteht) nicht mehr davon ausgehen konnte, dass das SG dem Eilantrag der Klägerin auch problemlos stattgeben werde.
57 
Darüber hinaus hat das SG unverzüglich nach dem per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch) und der darin erhobenen Verzögerungsrüge am 4. Januar 2013 (Freitag) bereits über den Eilantrag entschieden.
58 
Damit ist zwar zu diesem Zeitpunkt (4. Januar 2013) das hier allein interessierende Eilverfahren vor dem SG abgeschlossen. Da als schwerer Nachteil der Aufenthalt der Klägerin im ZfP in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 (insgesamt 51 Tage) geltend gemacht wird, ist durchaus zu berücksichtigen, dass der Klägerbevollmächtigte die gegen den ablehnenden Beschluss des SG vom 4. Januar 2013 (dem Klägerbevollmächtigten am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis zugegangen) gesetzlich bestehende Beschwerdefrist von einem Monat fast vollständig ausschöpfte und erst am 4. Februar 2013 (Montag) Beschwerde beim LSG einlegte und nochmals erst eine Woche später am 11. Februar 2013 (Montag) die Beschwerdebegründung vorlegte. Hier hätte es vor dem Hintergrund der von Klägerseite geltend gemachten schweren Nachteile für die Klägerin im Hinblick auf den Aufenthalt im ZfP eigentlich nahe gelegen, auf die fast vollständige Ausschöpfung der Beschwerdefrist und eine nochmalige zusätzliche Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verzichten und vielmehr im Interesse der Klägerin möglichst umgehend die Beschwerde samt Begründung beim LSG zu erheben, umso eine zeitnahe Entscheidung, wie sie dann binnen einer Woche nach Vorlage der Beschwerdebegründung durch den erkennenden Senat am Montag, den 18. Februar 2013 auch erfolgte, herbeizuführen.
59 
Das Verfahren vor dem SG hat insgesamt 26 Tage gedauert, wobei elf Tage auf gesetzliche Feiertage, Sonntage und sonstige dienstfreie Tage entfielen (also 15 Werk-/Arbeitstage). Das LSG hat anschließend über die Beschwerde nach Vorlage der Beschwerdebegründung binnen sechs Werktagen entschieden, das gesamte gerichtliche Verfahren in zwei Rechtszügen dauerte nur 26 Werktage (SG: 15 Werktage, LSG: 11 Werktage), wobei hier noch sechs Werktage vom Bevollmächtigten der Klägerin für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verantworten sind. D.h. mit anderen Worten, hätte der Klägerbevollmächtigte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 gestellt, sofort bei Antragstellung bzw. zumindest noch vor dem 31. Dezember 2012 auf die besondere Dringlichkeit (Wegfall der 1:1-Betreuung, sofern nicht vorher Finanzierung sichergestellt) hingewiesen, auf die Ausschöpfung der Beschwerdefrist plus zusätzlicher Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung verzichtet und vielmehr der von ihm selbst aufgestellten Anforderung an das SG mit einer unverzüglichen Bearbeitungszeit binnen einer Woche zunächst in eigener Sache selbst genügt, hätte aller Voraussicht nach spätestens Anfang Januar die abschließende Entscheidung des LSG vorliegen können. Das heißt aber, sofern nicht andere Gründe eine Verlegung der Klägerin ins ZfP ohnehin notwendig gemacht hatten, hätte dies möglicherweise zur Folge gehabt, dass die 1:1-Betreuung der Klägerin noch - gegebenenfalls durch einen „Hängebeschluss“ des LSG (siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl. § 86b Rn. 14), nämlich die vorläufige Weitergewährung bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde - kurzfristig überbrückt und letztlich durchgehend hätte gewährt werden können.
60 
In der Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG in keiner Weise unangemessen lange gedauert hat, vielmehr alleine die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache in den von Seiten des Bevollmächtigten trotz der behaupteten besonderen Eilbedürftigkeit selbst verursachten Verzögerungen haben.
61 
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen.
III.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
63 
Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen, nachdem die Klägerin keinen bezifferten Leistungsantrag gestellt hat (§ 52 Abs. 2 GKG).
64 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 91/13
Verkündet am:
13. März 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist nicht jeder einzelne
Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren.

b) Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren)
vorliegt, führt nicht "automatisch" dazu, dass die Entschädigungspauschale (§
198 Abs. 2 Satz 3 GVG) nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu erhöhen ist. Vielmehr
ist es auch in diesem Fall erforderlich, dass die "Umstände des Einzelfalls"
den Pauschalsatz als unbillig erscheinen lassen.
BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens zur Regelung des Umgangs mit seinem am 29. November 1994 außerhalb einer Ehe geborenen Sohn C. in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.
2
Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Familiengericht dauerte nahezu zwei Jahre und acht Monate, während das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht nach acht Monaten beendet war.
3
Bereits vor Einleitung des streitgegenständlichen Umgangsrechtsverfahrens herrschte zwischen den Kindeseltern ein jahrelanger, in mehreren Gerichtsverfahren ausgetragener Streit über die Besuchskontakte des Klägers zu seinem Sohn.
4
Auf Anregung des Jugendamts entzog das Familiengericht dem Kläger durch einstweilige Anordnung vom 14. September 2007 vorläufig das Umgangsrecht , da unbelastete Umgangskontakte auf Grund der ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern nicht möglich waren, das Kind Verhaltensweisen mit Krankheitswert zeigte und sogar Suizidabsichten äußerte. Die am 31. Oktober 2007 durchgeführte Anhörung der Kindeseltern und des Amtsarztes führte dazu, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn "vorerst bis längstens 31. März 2008" ausgesetzt wurde, um die Begutachtung des Kindes durch eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu ermöglichen. Der Kläger war mit dieser Verfahrensweise einverstanden. Der bereits am 23. Januar 2008 erstellte Klinikbericht wurde im Mai 2008 dem Familiengericht zugeleitet. Dieses ordnete sodann am 17. Juli 2008 an, dass der Umgang im Interesse des Kindeswohls weiter ausgesetzt werde und eine (abschließende) gutachterliche Stellungnahme des Gesundheitsamts einzuholen sei. Nach Richterwechsel fand am 29. Oktober 2008 ein weiterer Anhörungstermin statt, in dem sich der als Sachverständiger befragte Amtsarzt im Interesse des Kindeswohls gegen Besuchskontakte des Klägers aussprach. Vor diesem Hintergrund schlug das Familiengericht unter anderem vor, der Kläger solle künftige Besuche behutsam durch Briefkontakte vorbereiten. Darauf ging der Kläger jedoch nicht ein. Mit Beschluss vom 28. November 2008 bestellte das Gericht eine berufsmäßige Verfahrenspflegerin für das Kind. Diese erstellte in der Folgezeit einen umfangreichen Bericht, den sie am 6. Februar 2009 zu den Akten reichte und in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein erzwungener Umgang eine Kin- deswohlgefährdung darstelle. Nachdem ein auf den 6. Mai 2009 bestimmter Anhörungstermin auf Antrag des Klägers verlegt werden musste und er zudem mit Schreiben vom 5. Mai 2009 mitgeteilt hatte, dass er einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe, verfügte die zuständige Richterin am 5. Juni 2009, ihr die Akte nach vier Wochen wieder vorzulegen. Im Hinblick auf ein Schreiben des Klägers vom 15. Juni 2009 notierte die Richterin am 22. Juni 2009 eine neue Wiedervorlagefrist von vier Wochen ("Stellungnahme RA R. ?"). Mit Verfügung vom 30. September 2009 setzte sie, nachdem bis dahin eine anwaltliche Stellungnahme nicht eingegangen war, den Kläger hiervon in Kenntnis und bestimmte eine weitere Wiedervorlagefrist von zwei Wochen. Am 2. Dezember 2009 fand sodann ein "Abschlusstermin" statt. Wenige Tage zuvor hatte sich der vom Kläger angekündigte Verfahrensbevollmächtigte erstmals gemeldet und schriftlich mehrere Anträge zum Umgangsrecht gestellt. Außerdem machte er einen Anspruch auf vierteljährliche Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des Kindes geltend. Am 3. Dezember 2009 hörte die Familienrichterin das Kind persönlich an und fertigte darüber ein ausführliches Protokoll. Mit Beschluss vom 28. April 2010 entschied das Familiengericht in der Hauptsache, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn bis auf weiteres ausgesetzt werde. Eine Entscheidung über den Auskunftsanspruch unterblieb versehentlich und wurde mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 nachgeholt.
5
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2010 legte der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. April 2010 ein und begründete diese unter dem 5. Juli 2010. Nach Gewährung von Stellungnahmefristen für die übrigen Beteiligten hörte das Oberlandesgericht am 17. November 2010 das Kind an und verhandelte am 23. November 2010 abschließend. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010, der an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Dezember 2010 zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Anhörungsrü- ge und Gegenvorstellung des Klägers vom 10. Januar 2011 blieben erfolglos. Sie wurden mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der das Verfahren beendende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 wurde ihm am 27. Dezember 2011 zugestellt.
6
Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 4. November 2010 und 13. Oktober 2011 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben und die überlange Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens gerügt.
7
Die vorliegende Entschädigungsklage, die dem Beklagten am 25. Juni 2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 11. Mai 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht.
8
Er hat geltend gemacht, das erstinstanzliche Verfahren sei um etwa 25 Monate, das Auskunftsverfahren um neun Monate und das Beschwerdeverfahren um vier Monate verzögert. Die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsrechtsverfahrens betrage lediglich 6,8 Monate. Da sein Umgangsrecht durch die überlange Verfahrensdauer faktisch entwertet worden sei, entspreche eine Entschädigung in Höhe von 13.400 € der Billigkeit (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG).
9
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädi- gung für immaterielle Nachteile von 1.500 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
10
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe


11
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


12
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
13
Dem Kläger stehe gegen das beklagte Land gemäß § 198 Abs. 1, 2 GVG ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Umgangs- rechtsverfahrens in Höhe von 1.500 € zu. Die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG sei nach Art 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anwendbar , da das innerstaatliche Ausgangsverfahren erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 27. Dezember 2011 beendet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Beschwerdeverfahren beim EGMR bereits eingeleitet gewesen.
14
Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich von der Einleitung des Umgangsrechtsverfahrens am 14. September 2007 bis zur Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010.
15
Für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sei nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Annahme fester Zeitgrenzen komme ebenso wenig in Betracht wie die Heranziehung der durchschnittlichen Dauer von Verfahren einer bestimmten Art. Es sei dem Kläger deshalb verwehrt, für die Berechnung seines Entschädigungsanspruchs lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer bei Umgangssachen abzustellen.
16
Eine unangemessene Verfahrensdauer liege regelmäßig dann vor, wenn sachlich nicht begründete Lücken in der Verfahrensförderung vorlägen. Im Streitfall habe es sich um ein komplexes Verfahren gehandelt, bei dem das Zeitmoment wegen der Gefahr der Entfremdung zwischen dem Kläger und seinem Sohn wesentlich sei. Unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Klägers, der zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen zu den Akten gereicht habe, und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommendem Freiraums könne eine sachwidrige Verzögerung des Beschwerdeverfahrens nicht festgestellt werden. Allein die Verfahrensführung durch das Amtsgericht habe zu einer entschädigungspflichtigen Gesamtverzögerung des Verfahrens im Umfang von acht Monaten geführt, insbesondere durch die unzureichende Verfahrensförderung in Bezug auf den Bericht der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 23. Januar 2008, die verspätete Bestellung der Verfahrenspflegerin und die zwischen den Verfügungen vom 22. Juni und 30. September 2009 liegende, sachlich nicht gerechtfertigte "Lücke".

17
Die nach dem Pauschalsatz des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sich ergeben- de Entschädigung von 800 € sei unbillig im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG. Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine Kindschaftssache sei und das Familiengericht über den parallel geltend gemachten Auskunftsanspruch zunächst nicht entschieden habe, sei eine moderate Erhöhung des Entschädi- gungsbetrags auf 1.500 € geboten. Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG liege nicht vor. Die zusätzliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer könne der Kläger deshalb nicht verlangen.

II.


18
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
19
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits abgeschlossen waren, wenn deren Dauer zu einer nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässigen Beschwerde vor dem EGMR geführt hat (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 9, 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
20
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene familiengerichtliche Verfahren wurde durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010 und 17. Februar 2011, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet. Damit war der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft (Art. 35 Abs. 1 EMRK). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auf die Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 nicht an. Wird die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht, stellt die Verfassungsbeschwerde keinen effektiven Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar. Ein Beschwerdeführer ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen (EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 105 ff und NVwZ 2008, 289 Rn. 64 ff; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn. 34, 57; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 13 Rn. 38, Art. 35 Rn. 19). Da der Kläger die Verfahrensdauer bereits mit Individualbeschwerde vom 4. November 2010 gerügt hatte, wurde die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt. Dem steht nicht entgegen, dass der innerstaatliche Rechtsweg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschöpft war (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 3, 35, 52 ff). Die nach Fristablauf eingelegte (erneute) Beschwerde vom 13. Oktober 2011 ist lediglich als jederzeit mögliche Ergänzung der bereits zulässig erhobenen Beschwerde anzusehen (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 17). Dementsprechend wurde sie beim EGMR unter demselben Aktenzeichen geführt.
21
Durch die am 11. Mai 2012 eingereichte und am 25. Juni 2012 zugestellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 ÜGRG eingehalten (§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 167 ZPO).
22
2. Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht hätte die nachgeholte Entscheidung des Familiengerichts über den zunächst übersehenen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 1686 BGB als gesondert zu entschädigendes Verfahren behandeln müssen, bleibt ohne Erfolg.

23
§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im Sinne der Entschädigungsregelung. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren. Vielmehr geht das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 20). Lediglich für den Bereich des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens fingiert § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 3 GVG, dass jeder Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren , § 198 GVG Rn. 49). In zeitlicher Hinsicht ist der gesamte Zeitraum von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren zu behandeln (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 21).
24
Nach diesem Maßstab ist der Antrag auf Auskunftserteilung (§ 1686 BGB), den der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 30. November 2009 kumulativ neben weiteren Anträgen in dem familiengerichtlichen Umgangsrechtsverfahren gestellt hat (dazu Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1686 Rn. 1), nicht als Einleitung eines getrennt zu betrachtenden Gerichtsverfahrens anzusehen. Vielmehr sollte darüber in dem bereits anhängigen Umgangsrechtsverfahren entschieden werden. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Familiengericht erstmals in dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 sachlich mit dem Auskunftsantrag befasst hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet. Das Oberlandesgericht hatte zwischenzeitlich die Akten zur Entscheidung über das Auskunftsbegehren an das Familiengericht zurückgesandt. Das Umgangsrechtsverfahren wurde parallel in der zweiten Instanz fortgeführt und im Dezember 2010 durch Zurückweisung der Beschwerde des Klägers abgeschlossen.

25
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht über die festgestellte Verzögerung von acht Monaten hinaus eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die diesbezügliche Verfahrensförderung durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens weist keine entschädigungsrechtlich relevanten Lücken auf. Durch die zunächst unterbliebene Entscheidung über den Auskunftsanspruch wurde die Gesamtverfahrensdauer - wie unter 2. dargelegt - nicht verlängert.
26
a) Die Rüge, das Oberlandesgericht hätte bei der Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht auf die konkreten Fallumstände, sondern auf die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsverfahrens , die bei 6,8 Monaten liege, abstellen müssen, greift nicht durch.
27
aa) Für die Feststellung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände , die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BTDrucks. 17/3702 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung, die nicht zum Selbstzweck werden darf, gegenläufigen Rechtsgüter, wobei vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters in den Blick zu nehmen sind. Erforder- lich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
28
bb) Eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern.
29
Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Ein nach Verfahrensarten oder -gegenständen, nach Schwierigkeitsgraden oder in ähnlicher Weise ausdifferenziertes System fester "Normwerte" scheidet deshalb aus (vgl. Maidowski, JM 2014, 81, 82). Die Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt (dazu Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 236 ff) und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Feste Zeitvorgaben können auch der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei Meyer-Ladewig aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls keine festen Zeitgrenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Um- ständen des einzelnen Falls (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2013, 3630 Rn. 30, 32 mwN).
30
Der Verzicht auf allgemeingültige Zeitvorgaben schließt es auch regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer Durchschnittswerte zu ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kommt es auf die "angemessene" und nicht auf die "durchschnittliche" Verfahrensdauer an. Daneben ist zu bedenken, dass § 198 GVG nicht nur einzelfallbezogene "Ausreißer" erfasst, sondern auch dann eingreift, wenn die Verzögerung auf strukturellen Problemen (zum Beispiel unzureichende Personalausstattung der Justiz) beruht. Die Ermittlung aussagekräftiger Vergleichswerte , die keine solchen "Systemfehler" enthalten, stellt sich als schwierig dar, zumal die Verschiedenartigkeit der einzelnen Verfahrensarten eine einheitliche Betrachtung verbietet. Selbst brauchbare statistische Durchschnittswerte sind nur bedingt taugliche Parameter und können ohne eine Einzelfallbetrachtung nicht zur Grundlage einer Entschädigungsentscheidung gemacht werden. Deshalb reicht es - entgegen der Revision - für die Berechnung eines Entschädigungsanspruchs nicht aus, lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer hinzuweisen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 26; Heine MDR 2013 1081, 1085; Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 554; siehe auch BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 28 ff und BSG, NJW 2014, 248 Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem SGG: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").
31
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN).
32
Dies bedeutet, dass die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten muss, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG aaO Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
33
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, können innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert werden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f).
34
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar2014 - III ZR 311/13, juris Rn. 30). Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Im Entschädigungsprozess dürfen diejenigen rechtlichen Überlegungen, die der erkennende Richter bei der Entscheidungsfindung im Ausgangsprozess angestellt hat, grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden (Schlick aaO S. 555). Stets muss jedoch in den Blick genommen werden, dass die Gerichte sich mit zunehmender Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 11, 14; BVerfG, NJW 2013, 3630 Rn. 32, 37, 44).
35
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 31; BVerwG aaO Rn. 42).
36
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, durch die Verfahrensführung des Familiengerichts sei das erstinstanzliche Verfahren lediglich im Umfang von acht Monaten ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
37
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. nur Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47).
38
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gesamtabwägung anhand der nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien belegt, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind.

39
aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Ausgangsverfahren vor allem wegen des angespannten Verhältnisses der Eltern und der notwendigen Beteiligung weiterer Stellen (Jugendamt, Verfahrenspfleger, medizinischer Sachverständiger ) von einer "gewissen Komplexität" war (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 47). Dies rechtfertigt die Annahme, dass von vornherein mit zeitaufwändigen zusätzlichen Verfahrensschritten und einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen war.
40
bb) Das Oberlandesgericht hat ferner zutreffend erkannt, dass die zeitnahe Entscheidung des Umgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war.
41
In Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem Kind betreffen, obliegt den Gerichten eine besondere Förderungspflicht, weil die Gefahr besteht , dass allein der fortschreitende Zeitablauf zu einer faktischen Entscheidung der Sache führt. Verfahren, die das Sorge- oder Umgangsrecht betreffen, sind deshalb besonders bedeutsam (vgl. EGMR, NJW 2006, 2241 Rn. 100; FamRZ 2011, 1283 Rn. 45 und Urteil vom 10. Mai 2007, Beschwerde Nr. 76680/01, juris Rn. 93, 99, 104). Bei der Festlegung des konkreten Beschleunigungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht das Alter des Kindes zu Recht in seine Überlegungen einbezogen. Denn eine Verpflichtung zur "größtmöglichen Beschleunigung" des Verfahrens besteht vor allem bei sehr kleinen Kindern (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 45). Kleinere Kinder empfinden, bezogen auf objektive Zeitspannen, den Verlust einer Bezugsperson - anders als ältere Kinder oder gar Erwachsene - schneller als endgültig (Ott aaO § 198 GVG Rn. 111). In diesen Fällen ist die Gefahr der Entfremdung zwischen Eltern und Kind, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, besonders groß, so dass eine besondere Sensibilität für die Verfahrensdauer erforderlich ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2001, 961, 962). Im vorliegenden Fall war das Kind allerdings zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bereits knapp 13 Jahre alt und lehnte - zermürbt durch die früheren gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht des Klägers - weitere "erzwungene" Besuchskontakte ab. Den Vorschlag des Familiengerichts, etwaige künftige Besuchsregelungen durch einen Briefkontakt vorzubereiten, hat der Kläger nicht aufgegriffen. Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass keine Situation vorlag, in der allein durch Zeitablauf die Sachentscheidung faktisch präjudiziert wurde. Im konkreten Fall erschien ein Zuwarten mit dem Verfahrensabschluss schon deshalb sinnvoll, um gerade durch Zeitablauf Klärungsprozesse sowohl bei dem älter werdenden Kind als auch bei den Kindeseltern zu ermöglichen und auf diese Weise die innerfamiliären "Selbstheilungskräfte" zu mobilisieren (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 155 Rn. 5).
42
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, das Oberlandesgericht habe die zahlreichen und zum Teil umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen und Anfragen des Klägers sowie den Umstand, dass er von den ihm durch das Prozessrecht eingeräumten Verfahrenshandlungen Gebrauch gemacht habe, bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigen dürfen, da das Vorgehen des Klägers weder sachwidrig noch missbräuchlich gewesen sei.
43
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 42 mwN).
44
Das Oberlandesgericht durfte deshalb bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen, dass der Kläger insbesondere durch zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen, einen Terminsaufhebungsantrag sowie die späte Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten beträchtliche Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Familiengerichts fielen. Dazu zählt auch, dass er zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 29. Oktober 2008, der ihm begleitete Umgänge in Aussicht stellte, erst mit Schreiben vom 25. November 2008 (ablehnend) Stellung nahm.
45
dd) Die Beurteilung der Verfahrensführung der Ausgangsgerichte durch das Oberlandesgericht lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
46
Das Entschädigungsgericht hat den zutreffenden Beurteilungsmaßstab (nur Vertretbarkeitskontrolle) zugrunde gelegt. Es ist unter Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt, dass sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verzögerungen im Umfang von acht Monaten vorhanden sind. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
47
Soweit die Revision darüber hinaus geltend macht, das Oberlandesgericht habe das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) außer Acht gelassen und insbesondere übersehen , dass ein Erörterungstermin bereits binnen eines Monats nach Verfahrenseinleitung hätte stattfinden müssen (§ 50e Abs. 2 FGG aF), geht die Rüge ins Leere.
48
Wie bereits ausgeführt, hat das Oberlandesgericht das spezifische Vorrang - und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zutreffend erkannt und gewichtet. Mit den Einzelheiten der von der Revision angeführten gesetzlichen Bestimmungen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) musste es sich nicht näher auseinandersetzen. Nach Art. 111 Abs. 1 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) ist § 155 FamFG auf Verfahren, die - wie hier - vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, nicht anwendbar (Keidel/Engelhardt aaO Art. 111 FGG-RG Rn. 2). § 50e FGG aF wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl. I S. 1188) eingeführt. Demgemäß konnte das Gebot aus § 50e Abs. 2 FGG aF (Sollvorschrift), spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchzuführen , im Streitfall noch keine Wirkung entfalten. Unabhängig davon hat das Familiengericht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits am 31. Oktober 2007, also nur sechs Wochen nach Verfahrensbeginn , einen Anhörungstermin durchgeführt. Nach allem ist eine (weitere) sachwidrige Verfahrensverzögerung nicht ersichtlich.
49
4. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Klägers, im vorliegenden Fall sei eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG geboten, da die Dauer des Ausgangsverfahrens sein Umgangsrecht faktisch entwertet habe und nach den vom EGMR entwickelten Grundsätzen (dazu EGMR, FamRZ 2012, 1123) eine Entschädigung von 13.400 € gerechtfertigt sei.
50
§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädi- gung für immaterielle Nachteile einen Pauschalsatz in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46; vgl. auch BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Die Entschädigung wird dabei nur für den konkreten Verzögerungszeitraum geleistet, so dass verzögerte Verfahrensabschnitte, die die Gesamtverfahrensdauer nicht verlängert haben, außer Betracht bleiben müssen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 225). Insoweit hat das Oberlandesgericht, was den Kläger jedoch nicht beschwert, bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags die nachgeholte Entscheidung über den Auskunftsantrag, die sich auf die Gesamtverfahrensdauer in keiner Weise ausgewirkt hat, zu Unrecht zur Begründung einer Erhöhung des Pauschalsatzes herangezogen.
51
Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz aus Billigkeitserwägungen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) abzuweichen. Dabei ist für eine Abweichung nach oben insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Freiheitsentziehung oder zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46 mwN). Derartige Ausnahmefälle macht die Revision nicht geltend. Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren) vorliegt, rechtfertigt noch keine Erhöhung des Regelsatzes. Denn entscheidend ist, dass die "Umstände des Einzelfalls", das heißt die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer, die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich, da das knapp 13-jährige Kind nach seinem klar geäußerten Willen gerichtlich erzwungene Umgangskontakte von Anfang an abgelehnt hat und die einstweiligen Anordnungen des Familiengerichts, mit denen der Umgang vorläufig ausgesetzt wurde, durch die in der Hauptsache ergangenen Entscheidungen bestätigt wurden. Eine faktische Entwertung des Umgangsrechts durch bloßen Zeitablauf hat gerade nicht stattgefunden.
52
Der Hinweis der Revision auf die in dem Urteil des EGMR vom 27. Oktober 2011 (Beschwerde Nr. 8857/08, FamRZ 2012, 1123) zugesprochene Ent- schädigung von 10.000 € ist verfehlt. Der Entscheidung lag ein Fall aus Tsche- chien zugrunde lag, in dem die Mutter eines Kleinkindes über einen Zeitraum von vier Jahren das Umgangsrecht verweigert hatte, ohne dass die nationalen Behörden einschritten. Dadurch wurde eine de-facto-Situation geschaffen, die schließlich zu einem Verlust der emotionalen Bindung des Kindes zum Vater führte. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 08.02.2013 - 4 SchH 1/12 -

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Die Klägerin ist Polizeiobermeisterin und leistete ihren Dienst in der Revierstation B. S. Wegen des Vorwurfs der unrichtigen Abrechnung privater Telefonate wurde sie an die Revierstation G. umgesetzt. Ein erster Verwaltungsprozess wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin Ende 2008 wieder in ihre frühere Revierstation umzusetzen, für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte entgegen dieser Ankündigung die Umsetzung aus dienstlichen Gründen verlängerte, erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 8. Juni 2009 erneut Klage. Dieses zweite Klageverfahren endete etwa zwei Jahre später am 22. Juni 2011 damit, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die streitgegenständlichen Bescheide aufhob.

3

Am 22. Dezember 2011 hat die Klägerin Entschädigung wegen unangemessener Dauer des zweiten Klageverfahrens begehrt. Das Oberwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2012 teilweise stattgegeben. Die Klägerin habe infolge unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens materielle und immaterielle Nachteile erlitten, die zu entschädigen seien. Ein Gerichtsverfahren sei als unangemessen lang anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergebe, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abzuschließen, verletzt sei. Im vorliegenden Fall ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass das Verfahren in zwölf Monaten erledigt werden konnte. Der Fall sei nicht sonderlich komplex gewesen und als eher einfach einzustufen. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Arbeitnehmerin ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Sie habe den Rechtsstreit in keiner Weise verzögert. Das Verfahren habe in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden können. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als grober Anhaltspunkt, dass eine Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei. Das am 8. Juni 2009 eingeleitete Verfahren sei nach drei Monaten "ausgeschrieben" gewesen. Spätestens am 25. Oktober 2009 hätte Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern. Der nächste Bearbeitungsgang sei aber erst am 16. September 2010 erfolgt. Der Umstand, dass der Verhandlungstermin am 24. November 2010 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden sei, sei zwar nicht zu beanstanden. Dass nach der Rückkehr des Vorsitzenden die Akte erneut auf Abruf gelegt worden sei, habe indes wiederum zu einer vermeidbaren Verzögerung vom 16. Februar bis 12. April 2011 geführt. Mithin sei das Verfahren für etwas mehr als 12 Monate nicht ausreichend gefördert worden. Für diesen Zeitraum stehe der Klägerin wegen der zusätzlichen Fahrt- und Wartungskosten ein Betrag von 1 864,87 € sowie wegen der immateriellen Nachteile ein Ausgleich in Höhe von 1 200 € zu.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einjährige Bearbeitungsdauer als im Allgemeinen ausreichend angesehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Faustregel von einem Jahr pro Instanz nur vereinzelt und eher beiläufig ins Spiel gebracht. Dies spiegele dessen sonstige Rechtsprechung nicht zutreffend wider. Eine Verfahrensdauer von zwei Jahren pro Instanz käme der Lösung näher. Außerdem habe der Gesetzgeber bewusst auf feste Richtwerte für die Fallerledigung verzichtet. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei im konkreten Einzelfall der Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 nicht unangemessen gewesen. Die Verfügung "Wiedervorlage 3 Monate" sei am 10. September 2009 vertretbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe für die Klägerin nicht bestanden. Sie sei auch nicht im Hinblick auf eine Beschleunigung aktiv geworden. Für den Zeitraum nach der Erkrankung des Vorsitzenden sei ebenfalls keine unangemessene Verzögerung erkennbar. Die Annahme sei unrealistisch, dass nach der Rückkehr aus dem Krankenstand alle Prozessakten gleichzeitig bearbeitet werden könnten. Daher sei die angeordnete "Wiedervorlage auf Abruf" ebenfalls nicht zu beanstanden. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass ein immaterieller Schadensausgleich durch eine reine Feststellungsentscheidung ausreichend sei und dass die Schätzung der Fahrtkosten auf einer unrichtigen Ermittlung der Diensttage und Kraftstoffpreise beruhe.

5

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Beklagten bei, dass der Gesetzgeber keinen Richtwert für die Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz vorgegeben habe.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 3 064,87 € hat. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

7

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 1 200 €.

8

Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil wird nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG entschädigt.

9

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat sie einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihr geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).

10

a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer das Widerspruchsverfahren nicht einzubeziehen ist.

11

Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

12

Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.

13

Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).

14

Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.

15

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C 78/31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 m.w.N.).

16

Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜblVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47 ). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).

17

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).

19

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Recht weder von festen Zeitvorgaben ((1)) noch von Orientierungs- oder Anhaltswerten ((2)) leiten lassen.

20

(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemeingültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).

21

(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).

22

Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160 und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).

23

Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.

24

Gemessen daran ist das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das Oberverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der "Faustformel", nach der eine Verfahrenslaufzeit von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei, in Bezug. Es stützt hingegen seine Annahme, die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht erweise sich als unangemessen, nicht tragend auf eine Überschreitung jenes Jahreszeitraumes.

25

Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die statistischen Durchschnittslaufzeiten für amtsgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Sachsen-Anhalt nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden können (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.

26

Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.

27

Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt würde (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).

28

Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.

29

bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

30

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

31

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

32

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

33

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

34

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrenrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

35

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kud³a/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

36

cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.

37

(1) Mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen handelte es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr einfach gelagerten Fall.

38

Streitgegenstand war der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, im Einklang mit einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost der Revierstation B. S. zugewiesen zu werden. Die damit einhergehenden rechtlichen Fragen waren bereits für sich genommen nicht besonders komplex. Sie erwiesen sich hier insbesondere deshalb als einfach, weil die dem Rechtsstreit vorgelagerte Frage, ob die Umsetzung von der Revierstation B. S. nach derjenigen in G. rechtswidrig war, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 in dem Verfahren 1 L 165/07 bejaht worden war. Dem hier im Streit stehenden Folgeverfahren lag eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht war keine Beweisaufnahme, sondern nur eine Würdigung der vorhandenen Akten und der im vorangegangenen Verfahren von Seiten der Beklagten abgegebenen Zusage, die Umsetzung zu beenden, erforderlich. Dass der Rechtsstreit nicht durch Urteil entschieden und in einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zur Erledigung gebracht wurde, bestätigt den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Prozesses.

39

(2) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Klägerin ein berechtigtes erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte.

40

Zwar ist zweifelhaft, ob dies - wie das Oberverwaltungsgericht meint - bereits aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur besonders hohen subjektiven Bedeutung bei Streitigkeiten über ein Dienstverhältnis folgt (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - Nr. 30979/96, Frydlender/Frankreich - Rn. 45 und vom 23. April 2009 - Nr. 1479/08, Ballhausen/ Deutschland - Rn. 65). Diese Rechtsprechung dürfte sich auf Fallgestaltungen beschränken, bei denen - wie bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses - die wirtschaftliche Grundlage des Betroffenen berührt ist. Im vorliegenden Fall muss ein hohes Interesse der Klägerin an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits insbesondere deswegen angenommen werden, weil sie sich bereits in einem vorangegangenen Prozess gegen die Umsetzung erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte und im vorliegenden Prozess letztlich nur die Einlösung der gegebenen Zusage einer Rückgängigmachung der Umsetzung begehrte. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass die zusätzliche Wegstrecke zum Dienstort und zurück für die Klägerin eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung darstellte. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Klägerin aufgrund eines angenommenen dienstlichen Fehlverhaltens nach den tatrichterlichen Feststellungen eine belastende Wirkung hatte.

41

(3) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hat. Vielmehr hat sie sich zu Beginn des Rechtsstreits zur Beschleunigung des Verfahrens mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte im weiteren Verlauf des Prozesses nachdrücklicher auf eine Beschleunigung hinarbeiten müssen, kann dies ihr aus Rechtsgründen nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich - wie aufgezeigt - unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Daher bedarf es grundsätzlich keines entsprechenden Hinweises der Prozessbeteiligten. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung einer Verzögerungsrüge bestand bei Abschluss des Verfahrens im Juni 2011 nicht. Nach Art. 23 Satz 5 ÜblVfRSchG gilt bei abgeschlossenen Verfahren das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG nicht.

42

(4) Das Oberwaltungsgericht hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass das Verfahren im Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 und vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 - zusammengerechnet mehr als 12 Monate - ohne rechtfertigenden Grund nicht gefördert worden ist.

43

Die Revision stellt hinsichtlich des ersten Zeitraums nicht infrage, dass die am 8. Juni 2009 eingegangene Klage am 18. September 2009 "ausgeschrieben" war. Klagebegründung, Klageerwiderung und Replik der Klägerin lagen vor. Die Revision meint jedoch, dass der Vorsitzende weitere drei Monate auf den Eingang einer Duplik der Beklagten habe warten dürfen. Eine solche Entscheidung sei vertretbar gewesen. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zutreffend ausgeführt, dass der Vorsitzende auf die ungewisse und tatsächlich auch nicht eingegangene weitere Erwiderung des Beklagten zwar einen Monat habe warten dürfen. Insbesondere mit Blick auf den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin war ein weiteres Zuwarten hingegen nicht gerechtfertigt. Eine Förderung im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses ist nach Ablauf dieses Monats nicht mehr erkennbar. Da die Akte vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unbearbeitet blieb, muss für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden.

44

Das Gleiche gilt für den rund zweimonatigen Zeitraum nach Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Krankenstand. Zwar ist eine unvorhersehbare Erkrankung des berichterstattenden Vorsitzenden als ein Fall höherer Gewalt anzusehen, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 53). Das Oberverwaltungsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung eines Richters im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen könne. Erkrankt ein Richter, sind grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat das Verfahren in den drei Monaten, in denen der Vorsitzende krankheitsbedingt abwesend gewesen ist, keine Förderung erfahren. Selbst wenn dies nicht als unangemessene Verzögerung angesehen wird, war es nicht angemessen, dass der Vorsitzende nach seiner Rückkehr am 16. Februar 2011 die Akte erneut auf Abruf gelegt und bis zum 12. April 2011 nicht bearbeitet hat. Hierfür sind vom Tatsachengericht keine rechtfertigenden Gründe festgestellt worden. Solche sind auch nicht erkennbar. Auch in diesem Zusammenhang ist von Gewicht, dass das Verfahren einfach gelagert war und Bedeutung für die Klägerin hatte. Deshalb ist dem Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass dem Vorsitzenden nach der Rückkehr aus dem Krankenstand eine mehrwöchige Übergangsfrist für die Dezernatsaufarbeitung nach Prioritätsgesichtspunkten eingeräumt werden müsse. Mithin kann auch bei Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 kein Rechtfertigungsgrund für die erneute Zurückstellung des bereits vor der Erkrankung geladenen und damit priorisierten Verfahrens festgestellt werden.

45

Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, die hohe subjektive Bedeutung, das zu keiner Verzögerung führende Verhalten der Klägerin und die gerichtliche Prozessleitung, dann erweist sich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts als überzeugend, dass der Rechtsstreit in einem Jahr hätte erledigt werden müssen und die zweijährige Prozessdauer nicht angemessen war.

46

c) Die Klägerin hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.

47

Dass die Klägerin Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

48

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregel gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57). Unabhängig von einer Vermutungs- oder Vorrangregel ergibt hier eine Einzelabwägung, dass eine bloße Feststellung der unangemessenen Dauer nicht ausreicht.

49

Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass ihr durch die Hintergründe der Umsetzung und durch den höheren Zeitaufwand für die Fahrten von und zum Dienstort (täglich eine Stunde) eine zusätzliche immaterielle Belastung entstanden ist. Diese weiteren und spürbaren immateriellen Nachteile werden durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht aufgewogen.

50

Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils unabhängig davon, ob die Klägerin auch Entschädigung für einen materiellen Nachteil beanspruchen kann. Die Entschädigung für materielle und diejenige für immaterielle Nachteile stehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19) und können nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung gleichsam gegeneinander aufgerechnet werden.

51

d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 200 €.

52

Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung etwa ein Jahr betrug, steht der Klägerin ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 1 200 € zu.

53

2. Die Klägerin hat für den ihr durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil einen Entschädigungsanspruch in der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Höhe.

54

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen - wie hier - gebietet, (auch) für einen vermögensrechtlichen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Mit dieser Entschädigung wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewährt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen geleistet (BTDrucks 17/3802 S. 34). Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - BGHZ 147, 45 <53> und vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 - BGHZ 157, 33 <47>).

55

Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat der Klägerin für die mit den zusätzlichen Wegekosten konkret verbundenen Vermögenseinbußen (zusätzlicher Kraftstoff, erhöhte Wartungskosten und wegebedingter Wertverlust) einen Nachteilsausgleich gewährt. Ferner hat es entsprechend dem in der Enteignungsentschädigung anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs den im Wege der Einkommensteuerrückerstattung für die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) erlangten Vorteil abgezogen. Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Soweit der Beklagte einwendet, dass für die Entschädigung der Fahrtkosten die im Sozialhilferecht oder im Zeugenentschädigungsrecht maßgeblichen Bestimmungen entsprechend heranzuziehen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze.

56

Die Entschädigungssumme beläuft sich auf 1 864,87 €. Der vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Mehraufwandes für Fahrtkosten angesetzte Betrag hält einer revisionsgerichtlichen Kontrolle Stand. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Grundlagen der Berechnung, insbesondere die Anzahl der bei der Fahrtkostenberechnung zugrunde gelegten Diensttage und die Höhe des angesetzten Kraftstoffpreises angreift, sind diese Tatsachenfeststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend.

57

Soweit das Oberverwaltungsgericht den für die Wertminderung des Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag im Wege der Schätzung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt hat, erweist sich dies als fehlerfrei. Gegen die Anwendung dieser Vorschriften bei der Ermittlung der Höhe der nach § 198 Abs. 1 GVG geschuldeten Entschädigung bestehen keine Bedenken, weil die Schätzvorschriften auch ansonsten bei Entschädigungsansprüchen Anwendung finden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10). Auch hinsichtlich der Höhe der geschätzten wegebedingten Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestehen keine begründeten Zweifel. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Grundlagen seiner Schätzung nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist das Revisionsgericht regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob die vorinstanzliche Schätzung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Rechtsvorschriften oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind (Urteile vom 1. März 1995 - BVerwG 8 C 36.92 - Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3 S. 11 und vom 20. Januar 2005 a.a.O.). Solche Mängel liegen nicht vor.

58

Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Höhe der Wartungskosten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.

59

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens und darüber, ob der Kläger daneben beanspruchen kann, die unangemessene Dauer feststellen zu lassen.

2

Im Ausgangsverfahren, dessen Überlänge der Kläger rügt, stand die Rückerstattung von Ausbildungsförderung im Streit, die der Kläger für sein Studium der Geowissenschaften von Oktober 2000 bis März 2003 erhalten hatte. Ein erster Rückforderungsbescheid erging im Februar 2003 und belief sich über 13 600 €. Das Studentenwerk P. verlangte die Förderung mit der Begründung zurück, der Kläger habe nicht angegeben, dass er über umfangreiches Vermögen auf einem Bankkonto verfüge. Nach der Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Kläger Ende Juni 2003 Klage vor dem Verwaltungsgericht.

3

Im September 2003 begründete er seine Klage damit, dass das festgestellte Vermögen nicht ihm gehöre, sondern seinem Bruder, für den er es treuhänderisch verwalte. Zudem erweiterte der Kläger seine Klage auf einen zwischenzeitlich ergangenen zweiten Rückforderungsbescheid über 3 500 €. Mitte Januar 2004 nahm das beklagte Studentenwerk schriftlich zu der Klage Stellung. Mit Schreiben vom 3. März 2004 fragte die Berichterstatterin bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sowie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

4

Mit am 11. und 12. März 2004 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsätzen erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise. Der Kläger trug zudem weiter zur Sache vor und kündigte für den Fall, dass das Gericht Zweifel an dem Wahrheitsgehalt seines Tatsachenvortrags haben sollte, mehrere Beweisanträge an. Mit Schreiben vom 17. März 2004 übersandte das Verwaltungsgericht dem Studentenwerk eine Abschrift des Schriftsatzes des Klägers und gab Gelegenheit, innerhalb von sechs Wochen Stellung zu nehmen. Das beklagte Studentenwerk äußerte sich hierauf nicht. Mit am 10. November 2004 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Beteiligten Anfang März des Jahres "wohl auch aus Beschleunigungszwecken" übereinstimmend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hätten. Das Gericht teilte ihm mit, dass nicht absehbar sei, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Gleiches gilt für die weiteren Anfragen des Klägers vom 16. Mai 2006 und vom 16. Juli 2007.

5

Mit Beschluss vom 5. Januar 2010 übertrug die Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit auf den Einzelrichter. Auf die Anfrage, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe, stimmten die Beteiligten bis Ende Januar 2010 zu. Mit Urteil vom 2. Februar 2010 wies der Einzelrichter die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Sie sei teilweise wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig und teilweise unbegründet. Das vom Kläger behauptete Treuhandverhältnis habe nach Überzeugung des Gerichts nicht bestanden.

6

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Februar 2010 zugegangene Urteil beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Diese ließ das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2011 zu. In der mündlichen Verhandlung am 30. November 2011 wurde der Kläger befragt und sein Bruder als Zeuge vernommen. Mit Urteil vom selben Tag änderte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts und gab der Klage statt. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Januar 2012 und dem Beklagten am 19. Januar 2012 zugestellt. Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Revision wurden nicht eingelegt.

7

Mit der am 4. Januar 2012 zunächst beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen und von diesem an das Oberverwaltungsgericht weitergeleiteten Klage hat der Kläger die Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 6 000 € und die Feststellung begehrt, dass die Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Verwaltungsgericht unangemessen war. Er habe über lange Zeit mit der erheblichen Unsicherheit leben müssen, einer für seine Verhältnisse existenzbedrohlichen Forderung von über 17 000 € ausgesetzt zu sein. Das Verwaltungsgericht habe den Rechtsstreit ohne Weiteres innerhalb von ungefähr 20 Monaten und damit bis Februar 2005 entscheiden können. Es habe selbst bereits mit seiner Verfügung vom 3. März 2004 zum Ausdruck gebracht, dass die Sache aus seiner Sicht keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe. Dennoch habe es ab März 2004 keine aktenkundige Tätigkeit entfaltet, um die aus seiner Sicht entscheidungsreife Sache zu fördern. Insgesamt ergebe sich eine nicht zu rechtfertigende Verzögerung von fünf Jahren.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil vom 27. März 2012 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4 000 € zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Verfahren des Klägers habe zwar keine neuen oder komplexen Rechtsfragen aufgeworfen. Auch die Klärung der Tatsachengrundlage sei nicht überdurchschnittlich aufwändig gewesen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens aber bis einschließlich September 2006 noch als angemessen anzusehen. Zwar sei die Streitsache jedenfalls im September 2004 erkennbar entscheidungsreif gewesen. Bei Hinzurechnung einer aus Sicht des Klägers unerfreulichen, jedoch noch nicht gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten Maßstäbe verstoßenden Verfahrensdauer von weiteren zwei Jahren erschließe sich, dass die Verfahrensdauer bis September 2006 angemessen und von Oktober 2006 bis Januar 2010 (weitere drei Jahre und vier Monate) unangemessen gewesen sei. Die Verfahrensdauer in der zweiten Rechtsstufe vor dem Oberverwaltungsgericht sei mit ca. zwei Jahren noch angemessen. Das dortige Verfahren sei aber auch nicht so zügig durchgeführt worden, dass damit die Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise hätte kompensiert werden können. Der Kläger habe neben der Entschädigung keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung der Unangemessenheit. Ein schwerwiegender Fall im Sinne des Gesetzes sei schon deswegen nicht gegeben, weil die Klage aufschiebende Wirkung gehabt habe. Zudem habe der Kläger die ihn treffenden Folgen der Verfahrensdauer mildern können, wenn er die Treuhandabrede mit seinem Bruder aufgehoben und einen weiteren Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt hätte.

9

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG sowie des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG. Er begehrt eine um 2 000 € höhere Entschädigung sowie die Feststellung, dass die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht unangemessen war.

10

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Er sei mit dem Bundesjustizministerium der Auffassung, dass das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts - jedenfalls in seiner Begründung - keinen Bestand haben könne. Nach der Gesetzesfassung komme es auf die Umstände des Einzelfalles und nicht auf eine Durchschnittsdauer an. "Angemessen" sei etwas anderes als "durchschnittlich". Im Extremfall könne auch eine durchschnittliche Dauer unangemessen sein.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Kläger steht die von ihm geltend gemachte weitere Entschädigung zu (1.). Ebenso ist seinem Begehren zu entsprechen, die unangemessene Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festzustellen (2.).

13

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausgleich seines immateriellen Nachteils in Höhe von weiteren 2 000 €.

14

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

15

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat er einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihm geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).

16

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung. Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht (aa), nicht aber das dem Verwaltungsprozess vorausgegangene behördliche Vorverfahren (bb).

17

aa) Bezugsrahmen für die materiell-rechtliche Frage, ob sich die Verfahrensdauer als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder bei verschiedenen Gerichten geführt worden ist. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ("Gerichtsverfahren"). Hinweise für eine Trennung zwischen verschiedenen Instanzen oder Gerichten finden sich dort nicht. Gleiches gilt für die Legaldefinition des Gerichtsverfahrens in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, die auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens und damit auf die Anhängigkeit des Rechtsstreits bei Gericht abstellt. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Bezugspunkt für die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer grundsätzlich das Gesamtverfahren ist, soweit es - je nach geltend gemachtem Anspruch - in die Haftungsverantwortung des in Anspruch genommenen Rechtsträgers fällt (BTDrucks 17/3802 S. 18 f.). In systematischer Hinsicht wird die Bezugnahme auf das Gesamtverfahren durch den Rückschluss aus § 198 Abs. 3 Satz 5 GVG bestätigt. Danach ist die Erhebung einer erneuten Verzögerungsrüge erforderlich, wenn sich das Verfahren "bei einem anderen Gericht" weiter verzögert. Schließlich wird das vorgenannte Auslegungsergebnis durch die systematische Einbeziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Beide Gerichte gehen im Hinblick auf das Recht auf ein Gerichtsverfahren in angemessener Dauer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass grundsätzlich auf die Gesamtdauer des Verfahrens abzustellen ist (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 und vom 30. März 2010 - Nr. 46682/07 - juris Rn. 36; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214 und vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 m.w.N.). Gegen die Möglichkeit, die materiell-rechtliche Prüfung auf eine Verfahrensstufe zu begrenzen, spricht vor allem der Umstand, dass eine lange Verfahrensdauer innerhalb einer Stufe gegebenenfalls durch eine zügige Verfahrensführung in einer anderen (höheren) Stufe ausgeglichen werden kann (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 7. Januar 2010 - Nr. 40009/04 - juris Rn. 151 und vom 22. März 2012 - Nr. 23338/09, Kautzor/Deutschland - NJW 2013, 1937 ; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juli 2000 a.a.O. und vom 14. Dezember 2010 a.a.O.).

18

Von der Frage des materiell-rechtlichen Bezugsrahmens zu trennen ist die vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob sich ein Verfahrensbeteiligter darauf beschränken kann, ein über mehrere Instanzen hinweg geführtes Gerichtsverfahren allein bezüglich der Dauer in einer bestimmten Rechtsstufe als überlang anzugreifen und nur hierfür Entschädigung zu verlangen. Diese Frage, die vor dem Hintergrund der Dispositionsmaxime im Ausgangspunkt prozessualer Natur ist, stellt sich hier nicht. Der Kläger hat im Hinblick auf sein Entschädigungsverlangen - anders als hinsichtlich seines Feststellungsbegehrens (siehe dazu unten 2 a) - eine solche Beschränkung nicht vorgenommen.

19

Soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, dass in die Dauer eines Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einzubeziehen ist, trifft dies zwar zu. Denn unter rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens im Sinne dieser Vorschrift ist der Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Allerdings kann danach die Dauer des Gerichtsverfahrens über den Zeitpunkt der Zustellung hinausgehen. So liegt es hier. Ein Urteil erwächst nur dann mit der Zustellung in Rechtskraft, wenn es nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar ist. Kann die Entscheidung dagegen - wie hier das im Ausgangsrechtsstreit ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts - noch angefochten werden (vgl. § 132 VwGO), wird sie erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig, so dass auch dieser Zeitraum noch zur Dauer des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG zählt.

20

bb) Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.

21

Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).

22

Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.

23

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C (78) 31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 a.a.O. m.w.N.).

24

Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47 ). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).

25

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

26

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).

27

aa) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang, soweit es sinngemäß den Rechtssatz aufstellt, dass eine Verfahrensdauer von zwei weiteren Jahren ab Entscheidungsreife noch angemessen sei und nicht gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten Maßstäbe verstoße (UA S. 16 Rn. 50). Ein entsprechender Rechtssatz lässt sich aus § 198 Abs. 1 GVG nicht ableiten. Mit dieser Bestimmung ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar ((1)), noch lässt es die Vorschrift grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungswerten oder Regelfristen für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen ((2)). Dies gilt gerade auch für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Zwei-Jahresfrist ab Entscheidungsreife ((3)).

28

(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).

29

(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).

30

Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160 und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).

31

Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.

32

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers können auch die statistischen Durchschnittslaufzeiten für verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Brandenburg nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.

33

Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.

34

Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt wird (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).

35

Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.

36

(3) Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die vom Oberverwaltungsgericht angenommene - eher gegriffene - Frist von zwei Jahren ab Entscheidungsreife kein zulässiger Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG ist. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass der Aspekt der Entscheidungsreife oder des "Ausgeschriebenseins" einer Sache für die Bewertung der Verzögerung ohnehin kein Fixpunkt sein, sondern allenfalls relative Bedeutung haben kann. Mit der Entscheidungsreife muss weder sogleich eine dem Staat zuzurechnende Verzögerung eintreten noch werden mit ihr bestimmte Fristen in Lauf gesetzt, innerhalb derer die Verfahrensdauer noch angemessen ist, wenn das Verfahren gefördert wird. Der Begriff der Entscheidungsreife kennzeichnet lediglich den Zeitpunkt, in welchem der für die Entscheidung des Rechtsstreits notwendige Tatsachenstoff aufgeklärt und den Beteiligten in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden ist. Ebenso wenig wie es allgemeine Orientierungswerte für die angemessene Verfahrensdauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren gibt, gibt es solche darüber, bis wann ein Verfahren nach Entscheidungsreife abzuschließen ist.

37

bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

38

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

39

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

40

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

41

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

42

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

43

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kudla/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

44

Sind in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten Verzögerungen eingetreten, bewirkt dies nicht zwingend die Unangemessenheit der Gesamtverfahrensdauer. Es ist vielmehr - wie aufgezeigt - im Rahmen einer Gesamtabwägung zu untersuchen, ob die Verzögerung innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens ausgeglichen wurde.

45

cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für den Kläger ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.

46

(1) Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich nicht um einen tatsächlich und rechtlich schwierigen Fall handelte, ist unter Berücksichtigung seiner hierzu getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Als Indiz für den eher durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad kann unter anderem der Umstand herangezogen werden, dass die Sache vom Verwaltungsgericht auf den Einzelrichter übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und auch von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts, der im Ausgangsverfahren zu entscheiden hatte, nicht als besonders schwierig gewertet worden ist.

47

(2) Anders verhält es sich hinsichtlich der Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Verfahren habe für den Kläger letztlich keine besondere Bedeutung aufgewiesen, so dass ein besonderes Interesse an einem beschleunigten Abschluss nicht gegeben gewesen sei. Zwar wird die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger dadurch relativiert, dass er durch die aufschiebende Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens vor einer Vollstreckung durch die öffentliche Hand geschützt war. Auch liegt keine Fallgruppe vor, für welche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte regelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffenen annimmt, wie etwa bei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit; Rechtsstreitigkeiten um die finanzielle Versorgung (Renten- oder Arbeitssachen) oder Statussachen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 133 sowie den Überblick und die Nachweise bei Wittling-Vogel/Ulick, DRiZ 2008, 87 <88>). Allerdings ist - wie die Revision zu Recht einwendet - auch zu berücksichtigen, dass der Kläger einer für einen jungen Menschen (Studenten) erheblichen Geldforderung in Höhe von über 17 000 € ausgesetzt war. Die damit verbundene Unsicherheit, ob die Forderung zu Recht erhoben worden ist und er diese Summe tatsächlich zu begleichen hatte - das "Damoklesschwert" der drohenden Geltendmachung durch die Behörde -, ist entgegen der Wertung des Oberverwaltungsgerichts als erheblich für die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger anzusehen. Wegen der mit dieser Verunsicherung verbundenen Einschränkung, weitere Dispositionen zu treffen, ist ihm ein besonderes Interesse an einer Erledigung des Rechtsstreits zuzubilligen, das mit zunehmender Verfahrensdauer wuchs.

48

(3) Im Hinblick auf das prozessuale Verhalten des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass er durch sein Verhalten keine relevante Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt habe. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht über den Zeitraum, für den der Kläger nach Klageerhebung um die Verlängerung der Begründungsfrist nachgesucht und damit eine ihm zuzurechnende Verzögerung von etwa zwei Monaten herbeigeführt hat. Im Hinblick auf sein prozessuales Verhalten ist allerdings ergänzend zu berücksichtigen, dass er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bereits im März 2004 sein Einverständnis mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt hat. Damit hat er frühzeitig einen Beitrag zu einer möglichen Verfahrensbeschleunigung geleistet.

49

(4) Unter Gewichtung und Abwägung der zuvor erörterten Kriterien ergibt sich hier - auch unter Berücksichtigung des gerichtlichen Spielraums bei der Verfahrensgestaltung - eine maßgebliche, weil sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Gerichtsverfahrens von etwa fünf Jahren.

50

Im Hinblick auf den Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht neben der Chronologie des Verfahrens festgestellt, dass die Streitsache jedenfalls im September 2004 erkennbar entscheidungsreif gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hatte bereits durch die Anfrage an die Beteiligten vom 3. März 2004, ob sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien, zu erkennen gegeben, dass es die Sache für "ausgeschrieben" hielt. Auf der Grundlage dieser Feststellung ist die Wertung des Oberverwaltungsgerichts fehlerhaft, dass eine nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung von drei Jahren und vier Monaten vorgelegen habe. Hierzu ist das Oberverwaltungsgericht aufgrund seiner rechtlich fehlerhaften Annahme gelangt, dass nach Entscheidungsreife noch eine weitere Verfahrensdauer von zwei Jahren (bis September 2006) angemessen gewesen sei. Diese "Zwei-Jahres-Pauschale" steht - wie dargelegt - weder als allgemeine Formel mit Bundesrecht in Einklang noch trägt sie durch eine Würdigung der konkreten Umstände dem vorliegenden Einzelfall Rechnung.

51

Was den Zeitpunkt der Entscheidungsreife - verstanden als Zeitpunkt der hinreichenden tatsächlichen Aufbereitung wie auch der Gewährung rechtlichen Gehörs - betrifft, so ist auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Verfahrensablauf vielmehr wertend zu folgern, dass diese bereits vor September 2004 gegeben war. Denn das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Verwaltungsgericht den letzten Schriftsatz des Klägers vom 12. März 2004 am 17. März 2004 an den Beklagten übersandt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von sechs Wochen gegeben hat. Nachdem der Beklagte sich hierzu nachweislich nicht mehr geäußert hatte, stand einer weiteren Verfahrensförderung durch das Verwaltungsgericht (etwa einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter) schon Ende April 2004 nichts mehr im Wege.

52

Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat, die insbesondere für Zeiträume in Betracht kommt, in denen das Gericht das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 a.a.O. Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 a.a.O. Rn. 41), ist hier für den Zeitraum von Ende April 2004 bis Januar 2010 anzunehmen. In diesem Zeitraum hat das Verwaltungsgericht das aus seiner Sicht entscheidungsreife Verfahren nicht mehr gefördert; vielmehr hat es sich mit der Verfügung von Wiedervorlagen der Sache nach auf ein "Liegenlassen" der Akte beschränkt. Die nächste, der Verfahrensförderung dienende Prozesshandlung hat es erst im Januar 2010 mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter vorgenommen.

53

Auch wenn dem Verwaltungsgericht ab Entscheidungsreife Ende April 2004 ein mehrmonatiger Gestaltungszeitraum zugestanden wird, um fördernde Verfahrenshandlungen vorzubereiten und abzustimmen, war seine Untätigkeit angesichts der eher durchschnittlichen Schwierigkeit des Verfahrens einerseits und seiner nicht unerheblichen Bedeutung für den Kläger wie auch seines prozessualen Verhaltens andererseits jedenfalls ab Ende 2004 nicht mehr sachlich zu rechtfertigen. Dies entspricht in etwa der Würdigung des Klägers, der davon ausgeht, dass aufgrund der genannten Umstände des Einzelfalles jedenfalls ab Februar 2005 - also 20 Monate nach Klageeinreichung und knapp ein Jahr nach dem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - die Verfahrensdauer als nicht mehr angemessenen zu betrachten war. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass sich der Beklagte - was die Bemessung des Gestaltungszeitraums für eine gerichtliche Entscheidung betrifft - nicht auf die allgemeine Belastungssituation bei den Verwaltungsgerichten im Land Brandenburg berufen kann. Eine solche Überlastung der Gerichte gehört zu den strukturellen Mängeln, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind und die er zu beseitigen hat.

54

Ist mithin jedenfalls ab Ende 2004 eine Untätigkeit des Verwaltungsgerichts nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, so sind bis zur nächsten Verfahrensförderung im Januar 2010 mehr als fünf Jahre verstrichen, die als relevante Verzögerung und damit als unangemessene Verfahrensdauer im Sinne von § 198 GVG zugrunde zu legen sind. Dabei hat der Kläger im Ergebnis zu Recht nicht geltend gemacht, dass darüber hinaus auch im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch eine Verzögerung eingetreten ist. Ebenso ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass das zweitinstanzliche Verfahren auch nicht so zügig durchgeführt worden ist, dass es die Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens (teilweise) hätte kompensieren können.

55

c) Der Kläger hat einen immateriellen Nachteil in der von ihm geltend gemachten Höhe erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.

56

Dass der Kläger, der keine materiellen, sondern nur Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art geltend macht, solche erlitten hat, ergibt sich aus der gesetzlichen Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt.

57

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese wird regelmäßig einzustellen sein, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Hier gehen die Verfahrensbeteiligten mit dem Oberverwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass als Ergebnis einer umfassenden Einzelabwägung eine Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere wegen der erheblichen Verfahrensverzögerung nicht ausreichend ist. Deshalb kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregelung gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57).

58

d) Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung jedenfalls fünf Jahre betrug, steht dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf 6 000 € Entschädigung zu, so dass über den Ausspruch des Oberverwaltungsgerichts hinaus weitere 2 000 € an ihn zu zahlen sind.

59

2. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Feststellung der unangemessenen Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

60

a) Die Begrenzung des Feststellungsantrags auf die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht ist zulässig. Sie entspricht der Dispositionsbefugnis des Klägers als Rechtsmittelführer (vgl. § 88 VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass er sich insoweit allein durch die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beschwert sieht. Allgemein kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren selbstständigen Streitgegenständen einer Klage oder auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, wenn dieser Teil vom Gesamtstreitstoff abteilbar ist und materiell-rechtliche Gründe einer gesonderten Entscheidung darüber nicht entgegenstehen (vgl. Beschluss vom 5. Juli 2011 - BVerwG 5 B 35.11 - juris Rn. 1, Urteile vom 1. März 2012 - BVerwG 5 C 11.11 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 10 Rn. 15 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 5 C 8.12 - zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Das ist hier der Fall.

61

Die Beschränkung auf einen Verfahrenszug - hier auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren - ist vom Gesamtstreitstoff abtrennbar. Bezugsrahmen für die materiell-rechtliche Frage, ob sich die Verfahrensdauer als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist zwar - wie oben dargelegt - auch dann die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens, wenn dieses wie hier über zwei Instanzen geführt worden ist. Dennoch steht das materielle Recht einem gesonderten Ausspruch darüber, dass (nur) die Verfahrensdauer in einer Instanz unangemessen war, nicht entgegen. Denn auch um dies feststellen zu können, ist grundsätzlich die materiell-rechtliche Voraussetzung zu prüfen, ob - mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer - durch die zügige Behandlung der Sache in einer höheren Instanz eine etwaige Überlänge in der Vorinstanz ganz oder teilweise kompensiert werden kann. Für die Zulässigkeit, den (Feststellungs-)Antrag auf eine Instanz beschränken zu können, spricht überdies, dass es das Gesetz ermöglicht, eine Entschädigungsklage bereits vor Beendigung des Ausgangsverfahrens zu erheben (vgl. § 198 Abs. 5 GVG, § 201 Abs. 3 GVG). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch Konstellationen denkbar sind, in denen eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über die Kompensation für schon eingetretene Nachteile entschieden werden kann (BTDrucks 17/3802 S. 22). Dass es das Gesetz zulässt, verschiedene Verfahrensstufen unterschiedlich in den Blick zu nehmen, zeigt sich schließlich auch daran, dass bei einem bis zum Bundesverwaltungsgericht geführten Verwaltungsrechtsstreit verschiedene Rechtsträger - nämlich zum einen das jeweilige Land und zum anderen der Bund (§ 201 Abs. 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO) - für die in ihrem Bereich zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen in Anspruch genommen werden können.

62

b) Der Anspruch des Klägers auf Feststellung der unangemessenen Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgt aus § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 GVG.

63

Nach dieser Bestimmung kann das Entschädigungsgericht in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Weil es hierfür nicht notwendig eines Antrags bedarf (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG), hat das Entschädigungsgericht grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, ob es diese Feststellung trifft. Bei diesem Ausspruch handelt es sich, wie systematisch aus § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu folgern ist, um eine Form der "Wiedergutmachung auf andere Weise", die "neben die Entschädigung" treten kann. Ob das Entschädigungsgericht diese Feststellung zusätzlich zur Entschädigung (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22) trifft, ist in sein Ermessen ("kann") gestellt.

64

aa) Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 GVG liegt hier vor.

65

Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung des schwerwiegenden Falles rechtsfehlerhaft verneint. Es hat sich zur Begründung darauf gestützt, dass ein solcher Fall hier schon deshalb ausscheide, weil die Klage aufschiebende Wirkung gehabt habe und der Kläger die ihn treffenden Folgen der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht hätte mildern können, indem er einen weiteren Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung hätte stellen und die Treuhandabrede hätte aufheben können. Dem folgt der Senat nicht.

66

Ob ein schwerwiegender Fall vorliegt, ist anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Insofern gilt nichts anderes als für die Entscheidung nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 GVG, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ebenfalls "unter Würdigung der Gesamtumstände" zu treffen ist (BTDrucks 17/3802 S. 22). Neben der Bedeutung des Rechtsstreits für den Verfahrensbeteiligten und seinen damit korrespondierenden Interessen an einer zügigen Entscheidung ist im Rahmen der Abwägung, ob der Fall schwerwiegend ist, insbesondere in Ansatz zu bringen, wie lange das Verfahren insgesamt gedauert hat und wie groß der Zeitraum ist, in dem eine nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung vorlag. Der Begriff "schwerwiegend" bezieht sich - worauf schon der Wortlaut hindeutet - auf das Gewicht der Beeinträchtigung, die mit einer unangemessen langen Dauer verbunden ist. Dieses Gewicht nimmt zu, je länger die den Betroffenen belastende Phase der Untätigkeit anhält. Dementsprechend haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - VZ 1/12 - NVwZ 2013, 789 <790> m.w.N.).

67

Den vorgenannten Aspekt hat das Oberverwaltungsgericht hier nicht gesetzeskonform gewichtet. Es hätte die erhebliche Überlänge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit einer dem Gericht zuzurechnenden Verfahrensverzögerung von etwa fünf Jahren sowie die Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von über acht Jahren als Umstand in die Abwägung einstellen müssen, der in bedeutsamer Weise für die Annahme eines schwerwiegenden Falles spricht. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger zu gering gewichtet. Denn diese ist - wie oben dargelegt - wegen der Höhe des Rückforderungsbetrages und der damit verbundenen Unsicherheit als erheblich anzusehen. Eine gesetzeskonforme Gesamtabwägung ergibt daher, dass gerade im Hinblick auf die erhebliche Überlänge des für den Kläger bedeutsamen Verfahrens die Voraussetzungen für die Annahme eines schwerwiegenden Falles erfüllt sind. Dies kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch das Revisionsgericht feststellen.

68

bb) Sofern - wie hier - ein schwerwiegender Fall im Sinne des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG vorliegt, ist die Entscheidung über eine Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer in das Ermessen des Entschädigungsgerichts gestellt.

69

Die Frage, ob in "schwerwiegenden Fällen" noch neben der Entschädigung ein gesonderter Feststellungsausspruch geboten ist, um dem Wiedergutmachungsanspruch des Betroffenen hinreichend Rechnung zu tragen, ist systematisch der Ermessensausübung zuzuordnen. Insoweit ist eine weitere Abwägungsentscheidung darüber zu treffen, ob es im konkreten Fall des Feststellungsausspruchs bedarf, um dem Betroffenen eine zusätzliche Form der Wiedergutmachung zu verschaffen. Als ein Abwägungskriterium ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, wenn der Kläger dies - wie hier - ausdrücklich beantragt. Damit gibt er zu erkennen, dass er auf diese zusätzliche Form der Wiedergutmachung gerade Wert legt und sie als Form der Genugtuung für die Verletzung seiner Rechte begreift. Ob die Beantragung der Feststellung in "schwerwiegenden Fällen" grundsätzlich zu einer Reduzierung des Ermessens führen kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn tatsächliche Umstände, die trotz der mit der Antragstellung verbundenen Geltendmachung eines entsprechenden Genugtuungs- bzw. Rehabilitationsbegehrens dafür sprechen, von dem begehrten Ausspruch abzusehen, sind hier nicht festgestellt.

70

3. Da der Beklagte aufgrund des revisionsgerichtlichen Urteils in beiden Instanzen in vollem Umfang unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO die Kosten zu tragen. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen, weil dem Kläger keine geringere Entschädigung zugesprochen wird.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in ihrem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren gegen die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09 HAL) in Anspruch.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle war folgender:

3

Die Klägerin steht als Polizeiobermeisterin im Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt. Bis zum (…) März 2007 wurde sie in der Revierstation A. des Polizeireviers W. verwendet. Mit Verfügung vom 21. März 2007 setzte die zuständige Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit Wirkung vom (..) März 2007 zum Revierkommissariat G. um. Hintergrund dieser Entscheidung war ein angeblich gestörtes Vertrauensverhältnis aufgrund von der Klägerin im Dienst vermeintlich geführter Privattelefonate.

4

Der von der Klägerin gegen die Umsetzungsverfügung vom 21. März 2007 zunächst vor dem Verwaltungsgericht Dessau-Rosslau (1 A 158/07 DE) geführte Rechtsstreit wurde nach beidseitiger Erledigungserklärung aufgrund einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) durch Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) beendet. Darin wurden die Kosten des gesamten Verfahrens der Polizeidirektion mit der Begründung auferlegt, ein sachlicher Grund für deren Umsetzungsverfügung dürfte nicht vorgelegen haben. Denn allein der Vorwurf, die Klägerin habe private Telefongespräche unrichtig abgerechnet, dürfte die Annahme einer erheblichen Störung des Dienstbetriebes nicht rechtfertigen. Bereits mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) der Klägerin mit, dass ihr Einsatz im Revierkommissariat G. nunmehr bis zum 31. Dezember 2008 befristet und sie zum 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. eingesetzt werde. Demgegenüber beschied die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2008, dass sie „entgegen meines Schreibens vom 22.07.2008 aus dienstlichen Gründen“ ab dem 1. Januar 2009 weiter im Revierkommissariat G. eingesetzt werde. Der dagegen gerichtete Widerspruch vom 13. Februar 2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 zurückgewiesen.

5

Mit ihrer bei dem Verwaltungsgericht Halle am 8. Juni 2009 eingegangenen Klage (5 A 221/09 HAL) begehrte die Klägerin die Verpflichtung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...), sie wieder in den Dienstposten einer Sachbearbeiterin Einsatz in der Revierstation A. einzuweisen. Bereits in der Klageschrift erklärte sich die Klägerin mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ einverstanden. Am 9. Juni 2009 verfügte der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle die Zustellung der Klage an die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...); zugleich hörte er die Polizeidirektion wegen einer evtl. Übertragung auf den Einzelrichter gem. § 6 VwGO an. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2009 erwiderte die Polizeidirektion auf die Klage und beantragte Klageabweisung; Bedenken gegen eine Einzelrichter-Übertragung wurden nicht erhoben. Mit Schriftsatz vom 12. August 2009 nahm die Klägerin zur Klageerwiderung Stellung; auf jenen Schriftsatz replizierte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) mit Schriftsatz vom 24. August 2009. Dem folgte der - abschließende - Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009, welcher dem Vorsitzenden am 25. September 2009 vorgelegt wurde. Dieser verfügte (lediglich) die Weiterleitung des Schriftsatzes an die Gegenseite.

6

Bereits am 10. September 2009 hatte der Vorsitzende verfügt: „Wiedervorlage 3 Monate“; bei dieser Verfügung blieb es, so dass ihm die Gerichtsakte am 10. Dezember 2009 wieder vorgelegt wurde. Am 11. Dezember 2009 verfügte der Vorsitzende sodann: „Wiedervorlage auf Abruf“. Aus den Gerichtsakten ergibt sich nicht, wann diese dem Vorsitzenden wieder vorgelegt worden sind; jedenfalls verfügte er am 16. September 2010 die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 24. November 2010.

7

Am 12. November 2010 hob die stellvertretende Kammervorsitzende den Verhandlungstermin „wegen Erkrankung des Berichterstatters“ auf und bestimmte einen neuen Termin von Amts wegen. Als ihr die Gerichtsakten am 13. Dezember 2010 wieder vorgelegt wurden, verfügte sie am 13. Dezember 2010 sowie erneut am 12. Januar 2011 jeweils: „Wiedervorlage 1 Monat“. Am 14. Februar 2011 wurde die Gerichtsakte dem Vorsitzenden vorgelegt, der am 16. Februar 2011 verfügte: „Wiedervorlage auf Abruf“. Am 12. April 2011 schließlich veranlasste der Vorsitzende die (erneute) Ladung des Verfahrens zur mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2011.

8

In der mündlichen Verhandlung vor der 5. Kammer am 22. Juni 2011 gab das Gericht zu verstehen, dass sich die angefochtenen Bescheide voraussichtlich als rechtswidrig erwiesen, denn es fehle an dem für eine Um-/Versetzung erforderlichen Vorliegen von Tatsachen zu etwaigen dienstlichen Spannungen. Auf diesen Hinweis des Gerichts hob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) sogleich die streitgegenständlichen Bescheide auf. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten wurde das Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss eingestellt; die Kosten des Verfahrens wurden in dem Beschluss der Polizeidirektion auferlegt.

9

Mit ihrer am 22. Dezember 2011 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Bewilligung einer Entschädigung gemäß §§ 198 ff. GVG wegen der ihrer Ansicht nach unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle, und zwar sowohl für den von ihr geltend gemachten materiellen Schaden als auch unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für den von ihr zugleich geltend gemachten Nichtvermögensnachteil. Zur Begründung der Entschädigungsklage trägt die Klägerin - zusammengefasst - wie folgt vor:

10

Die Verfahrensdauer in dem Hauptsacheverfahren 5 A 221/09 HAL sei unangemessen lang gewesen. Hinsichtlich einer Definition der angemessenen Verfahrensdauer sei dabei nicht von der für das Jahr 2010 maßgeblichen durchschnittlichen Verfahrensdauer eines Hauptsacheverfahrens vor den Verwaltungsgerichten mit 11,1 Monaten auszugehen, wie sich diese aus den Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes ergebe. Es erscheine vielmehr gerechtfertigt, die Verfahrensdauer „offenbar hinlänglich ausgestatteter Zivilgerichte“ zum Maßstab zu nehmen und die durchschnittliche Verfahrensdauer vor den Amtsgerichten zugrunde zu legen, welche im Jahr 2010 5,9 Monate betragen habe.

11

Die fachliche Spezialisierung der Verwaltungsrichter auf bestimmte Rechtsgebiete, die Prüfung eines „regelmäßig feststehenden und weitgehend unstreitigen Sachverhalts“ sowie der sich aus § 86 VwGO ergebende Untersuchungsgrundsatz mit dem Verbot der „ungefragten Fehlersuche“ spreche dafür, dass die Verwaltungsgerichte einen deutlich geringeren rechtlichen Prüfungsrahmen zu absolvieren hätten als die Zivilgerichte. Es scheine daher angemessen, die regelmäßige Dauer eines Verwaltungsverfahrens, entsprechende personelle und sachliche Ausstattung unterstellt, mit 5 bis 6 Monaten zu veranschlagen. Bei einer Verfahrensdauer von 12 Monaten liege demzufolge angesichts einer gebotenen Regelbearbeitungszeit von 6 Monaten bereits eine Verdoppelung der Verfahrensdauer vor, ab deren Überschreitung eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens angenommen werden könne. Die Klägerin gehe danach von einer unangemessenen Verfahrensdauer ab einem Jahr seit Klageerhebung, mithin seit dem 9. Juni 2010 aus.

12

Zur Begründung des geltend gemachten Vermögensschadens macht die Klägerin den durch die „Fahrtmehraufwendung“ entstandenen Abnutzungsschaden an ihrem privaten Pkw sowie die Aufwendungen für die zurückgelegte Wegstrecke von ihrem Wohnort A-Stadt und dem Dienstort in G. geltend. Für die Klägerin ergibt sich danach folgende Rechnung:

13

Der einfache Fahrtweg zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort A. betrage 6 km, derjenige zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort G. 36 km; demzufolge ergebe sich pro Arbeitstag ein Fahrtmehraufwand von 60 km. Auf der Basis der Rechtsprechung des OLG Celle sei für ihren Privat-Pkw Peugeot „Bipper“ ein Wertminderungsschaden von 0,15 € je gefahrenen Mehrkilometer anzusetzen. Ausgehend von dem Zeitraum einer Verfahrensverzögerung vom 9. Juni 2010 bis zur Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 28. Juni 2011 ergebe sich eine - durch Monatsnachweise belegte - Summe von 178 Arbeitstagen in G., welche zu einem Kilometermehraufwand von insgesamt 10.680 km und demzufolge zu einem Wertminderungsschaden von 1.602,00 € geführt hätten.

14

Daneben macht die Klägerin für den vorgenannten Zeitraum für jeden der von ihr geltend gemachten Mehrkilometer einen pauschalierten Betrag von 0,21 €/km für anteilig aufgewendete Kosten für Versicherung, Dieselverbrauch, Kfz-Steuer und Wartung in einer Gesamthöhe von 2.242,80 € geltend. Insoweit bringt sie indes - aufgrund des Hinweises des Senats - einen Betrag in Höhe von 403,13 € in Abzug, welcher ihr im Wege der Steuerrückerstattung unter dem Gesichtspunkt der Werbungskosten zufließe.

15

Zudem erhebt die Klägerin wegen eines Nachteils, welcher nicht Vermögensnachteil sei, einen zusätzlichen Entschädigungsanspruch, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt. Zur Begründung führt sie aus, sie habe an jedem Arbeitstag 60 km mehr Wegstrecke zurücklegen müssen, was nicht nur zu einem Verschleiß an ihrem Pkw, sondern auch zu einer erheblichen Freizeiteinbuße geführt habe, die für die einfache Wegstrecke zwischen 30 und 45 Minuten in Ansatz zu bringen sein dürfte. Diese Freizeiteinbuße stelle einen Nachteil dar, welcher nicht als Vermögensnachteil zu klassifizieren sei.

16

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 403,13 € zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr:

17

1.Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 3.441,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

2.Der Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung - deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welche jedoch 1.200,00 € nicht unterschreiten sollte - zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

3.Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, auf die von der klägerischen Partei gezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Klage insgesamt abzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsansprüche seien von vornherein nicht gegeben, denn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle - 5 A 221/09 HAL - habe nicht ungemessen lang i. S. d. §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG gedauert. Jedenfalls rechtfertige die angeblich unangemessene Verfahrensdauer keinen Ausgleich der behaupteten materiellen und immateriellen Nachteile.

23

Die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens sei zentrale Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten sowie Dritter. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff sei inhaltlich mit der Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. derjenigen des Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Dementsprechend knüpfe der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG an die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR an.

24

Die formelhafte Feststellung durch die Klägerin, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer überschritten worden sei, könne nicht überzeugen. Die insgesamt zweijährige Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht Halle sei nicht erkennbar zu lang und deshalb hinnehmbar. Der Prozess sei nicht verzögert worden; aus der Verfahrensakte ergebe sich ein normaler Geschäftsgang. Die Absage der ersten mündlichen Verhandlung aufgrund der Erkrankung des Berichterstatters habe zu einer kurzfristigen, unvorhersehbaren Verzögerung geführt, welche nicht zu Lasten des Staates gehen könne, da eine solch kurzfristige, unvorhersehbare Erkrankung nicht auf strukturelle Fehler und Mängel innerhalb organisatorischer Einheiten zurückzuführen sei. Dem Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG sei dadurch Rechnung getragen worden, dass eine Vertreterin tätig geworden sei. Krankheit sei im Übrigen durch den EGMR (Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 -) als „force majeur“ anerkannt worden, wenn der Fall nicht zu lange liegen bleibe; so sei es hier.

25

Dem Gericht müsse ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um sich über die Sach- und Rechtslage ein Bild machen zu können, Literatur und Rechtsprechung zu studieren und sich eine Meinung darüber zu bilden, ob weitere Anordnungen erforderlich seien. Zudem sei zu bedenken, dass Richter eine Vielzahl von Verfahren zu bearbeiten hätten; im Übrigen gebe es in der Regel ältere Verfahren, die schon aus diesem Grund vorrangig zu terminieren seien. Es sei kein Grund vorgetragen worden, warum das Verfahren der Klägerin hätte vorgezogen werden müssen. Aus der Verfahrensakte ergebe sich auch nicht, dass sie sich um eine Beschleunigung des Verfahrens bemüht oder sich nach dem Sachstand erkundigt hätte.

26

Die Erkrankung eines Richters stelle einen sachlichen Grund dar, welcher eine Verzögerung rechtfertige. Es handele sich um einen Umstand des Einzelfalls i. S. d. § 198 Abs. 1 GVG. Zwar folge aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass organisatorische Maßnahmen ergriffen werden müssten, um im Krankheitsfall eines Richters den Rechtschutzanspruch des Bürgers sicher zu stellen. Dies bedeute aber nicht, dass ein Richter zur Verfügung stehen müsste, um den Ausfall von Kollegen vollständig, vor allem ohne Zeitverlust kompensieren zu können. Erkrankungen könnten also nicht ausnahmslos ohne Verzögerung der Verfahrensdauer aufgefangen werden. Dies sei hinzunehmen und begründe noch keine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz.

27

Dem zuständigen Richter habe die Verfahrensakte nach seiner Rückkehr am 14. Februar 2011 wieder vorgelegen; er habe einen neuen freien Termin für die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2011 finden müssen. Eine unangemessene Verzögerung begründe dies nicht.

28

Weil das Verfahren danach nicht unangemessen lang gedauert habe, bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG. Lediglich hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Klägerin keinen materiellen oder immateriellen Nachteil vorgetragen habe, für welchen ihr ein Ausgleich gemäß § 198 Abs. 1 GVG gezahlt werden müsse.

29

Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG sei nicht auf eine vollständige Kompensation aller materiellen Nachteile nach der Differenzhypothese des allgemeinen verschuldensabhängigen Schadenersatzrechtes gerichtet. Der Gesetzgeber habe es als ausreichend erachtet, für immaterielle und materielle Nachteile lediglich einen angemessenen Ausgleich zu gewähren; damit werde dieser Anspruch im Vergleich zum Ersatzumfang bei Amtspflichtverletzungen sachgerecht abgestuft. Der Ausgleichsanspruch sei in der Regel niedriger als ein Schadenersatzanspruch und als Billigkeitsentschädigung grundsätzlich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen. Ein eingetretener Substanzverlust könne nur ausgeglichen, aber nicht vollständig ersetzt werden; ein entgangener Gewinn sei überhaupt nicht ausgleichsfähig. Bei der Bemessung einer Entschädigung müsse daher - ähnlich wie in den Fällen des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung - neben der Höhe des entstandenen Schadens berücksichtigt werden, wie schwerwiegend die Verzögerung war und ob die Schäden unmittelbar oder lediglich mittelbar durch die Verzögerung verursacht worden sind.

30

Hiernach könne der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht im Rahmen des begehrten angemessenen Ausgleichs berücksichtigt werden. Die Wertminderung am Fahrzeug sowie die anteiligen Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff usw. seien schon nicht unmittelbar durch die vermeintliche Verzögerung des Rechtsstreits verursacht. Überdies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, dass sie sowohl nach dem letzten Parteivortrag als auch nach der Aufhebung der ersten Terminierung nichts für eine Beschleunigung des Verfahrens unternommen habe. Diese Untätigkeit deute zumindest darauf hin, dass die scheinbare Verzögerung für die Klägerin nicht sehr schwerwiegend gewesen sei; dies sei bei der Bemessung der Ausgleichshöhe zu berücksichtigen.

31

Im Übrigen begegneten die als materielle Nachteile dargestellten Aufwendungen der Klägerin erheblichen Zweifeln. Die Annahme einer pauschalen Wertminderung von 15 Cent/km ohne Rücksicht auf Fahrzeugart, Alter des Kfz, bereits vorhandene Abnutzung, Wiederverkaufswert und ähnliche Aspekte sei nicht nachvollziehbar. Einen ausgleichsfähigen Substanzverlust habe die Klägerin damit nicht dargelegt. Auch die weiteren 21 Cent/km wegen anteiliger Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff, Kfz-Steuer und Wartung seien nicht nachvollziehbar dargestellt. Die von der Klägerin vorgelegte Berechnung lasse nicht erkennen, auf welchem Berechnungsmodus und auf welcher Datenbasis sie die Unterhaltskosten eines Fahrzeugs berechne. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für Kfz-Steuer, Versicherung und Wartung ohnehin anfielen; es handele sich also nicht um einen Substanzverlust aufgrund der vorgeblich unangemessenen Verfahrensdauer.

32

Ein immaterieller Ersatzanspruch bestehe schon von vornherein nicht. Zwar werde ein immaterieller Schaden gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG grundsätzlich vermutet; diese Vermutung könne hier aber als widerlegt angesehen werden. Eine etwaige psychische Belastung der Klägerin aufgrund der überlangen Verfahrensdauer sei nicht erkennbar.

33

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die gemäß Art. 23 Satz 1 2. Alt. i. V. m. Satz 5 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. S. 2302 ff.) auch ohne vorherige Erhebung einer Verzögerungsrüge statthafte Entschädigungsklage, über welche der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist auch hinsichtlich der Klageerweiterung sowie der Klageänderung zulässig, indes nur teilweise begründet:

35

1. Zunächst ist unproblematisch, dass es sich bei dem hier zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09) um ein Gerichtsverfahren gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG handelt und die Klägerin als Verfahrensbeteiligte anzusehen ist.

36

2. Es ist davon auszugehen, dass das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle insgesamt unangemessen lang angedauert hat i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG.

37

Nach der Legaldefinition des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG, welche wiederum auf den Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts beruht (vgl. hierzu etwa die Darstellungen von Althammer/Schäuble, NJW 2012, S. 1 ff., von Schenke, NVwZ 2012, S. S. 257 ff. sowie von Guckelberger, DÖV 2012, S. 279 ff.), gibt es keine gesetzlich definierte Grenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer; vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit ausdrücklich von einer „Fristenlösung“ abgesehen, weil sie der Vielfältigkeit prozessualer Situationen nicht gerecht würde (vgl. Steinbeiß-Winkelmann, ZRP 2010, S. 205 ff.).

38

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG „nach den Umständen des Einzelfalls“ (so auch der wörtlich oder sinngemäß immer wieder verwendete Einführungssatz des EGMR, etwa in seiner für den deutschen Gesetzgeber maßgeblichen Pilotentscheidung vom 2. September 2010 in dem Verfahren Rumpf/Bundesrepublik Deutschland, Nr. 46344/06). Dabei ist insbesondere auf die Schwierigkeit und die Bedeutung des Verfahrens sowie auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter abzustellen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens“ ist inhaltlich mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. dem Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Die Verfahrensdauer ist als unangemessen anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergibt, dass die aus den genannten Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. hierzu etwa Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 2).

39

Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in folgender Abstufung:

40

1. nicht sonderlich bzw. besonders komplex („not particularly complex“)

41

(EGMR, Entscheidung vom 30. Juni 2011, Nr. 11811/10, Rdnr. 28; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 7369/04, Rdnr. 31)

42

2. gewisse sachliche und/oder rechtliche Komplexität („certain … complexity“)

43

(EGMR, Entscheidung vom 10. Februar 2011, Nr. 1521/06, Rdnr. 65)

44

3. ziemlich komplexe Sach- und Rechtsfragen bzw. erhebliche Komplexität („considerable complexity“)

45

(EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2010, Nr. 29035/06, Rdnr. 56; Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 76; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 20271/05, Rdnr. 64)

46

4. sehr komplex („very complex“)

47

(EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172:

48

Sorgerechtsverfahren)

49

5. sehr große Komplexität der Sache („great complexity of the case“)

50

(EGMR, Entscheidung vom 2. März 2005, Nr. 71916/01 u. a., Rdnr. 131: Bodenreformgesetz).

51

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Abstufung ist der hier maßgebliche Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle ohne weiteres der erstgenannten Kategorie „nicht sonderlich bzw. nicht besonders komplex“ zuzuordnen. Es ging ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die beklagte Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) verpflichtet war, der Klägerin wieder einen Dienstposten in der Revierstation A. zuzuweisen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die zunächst streitige Ausgangsfrage, ob die Polizeidirektion die Klägerin überhaupt zum Revierkommissariat G. hatte umsetzen dürfen, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) in dem Sinne beantwortet worden war, dass sich die Umsetzung der Klägerin - jedenfalls mit der hierfür gegebenen Begründung der Annahme einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens - als rechtswidrig erweisen dürfte.

52

Der Streitgegenstand des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens bezog sich (ausschließlich) darauf, ob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage, die Klägerin ab dem 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. zu beschäftigen - diese weiterhin dem Revierkommissariat G. zuweisen durfte. Offensichtlich hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle bei Klageeingang den Rechtsstreit seinerseits nicht als besonders schwierig angesehen, denn er hat bereits mit seiner Eingangsverfügung das Einverständnis der Polizeidirektion mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO erfragt und dieses für den Fall einer Nichtäußerung unterstellt. Die Polizeidirektion hat sich zur Frage der Einzelrichter-Übertragung nicht geäußert; gleichwohl ist eine solche nicht erfolgt.

53

Dass sich die Schwierigkeit bzw. Komplexität des Verfahrens im unteren Bereich der oben genannten Skala bewegte, zeigt schließlich auch der Gang der mündlichen Verhandlung in der - einzigen und abschließenden - Sitzung vom 22. Juni 2011. Der Sach- und Streitgegenstand ergab sich unschwer aus den Gerichtsakten; die Sache war seit dem letzten Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2010 „ausgeschrieben“, die Positionen der Beteiligten klar und unverändert. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, die angefochtenen Bescheide erwiesen sich voraussichtlich deswegen als rechtswidrig, weil sich das von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) über die Umsetzung der Klägerin herangezogene Spannungsverhältnis nicht durch Tatsachen belegen lasse, hob die Polizeidirektion sogleich in der mündlichen Verhandlung die streitgegenständlichen Bescheide auf. Der Rechtsstreit fand sodann durch die unmittelbar abgegebenen Erledigungserklärungen beider Beteiligten und den noch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Einstellungsbeschluss mit Kostenentscheidung zum Nachteil der Polizeidirektion seinen Abschluss.

54

Hinsichtlich des Kriteriums der Bedeutung des Verfahrens ist vor allem darauf abzustellen, welche Bedeutung der Rechtsstreit für den Beschwerdeführer bzw. Kläger hat, mithin darauf, ob aus seiner Sicht ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens besteht bzw. bestanden hat. Nach der auch insoweit zugrunde zu legenden Rechtsprechung des EGMR (etwa Entscheidung vom 23. April 2009, Nr. 1479/08, Rdnr. 65) ist besondere Eile „naturgemäß geboten“ bei sog. Arbeitsstreitigkeiten („employment disputes“). Zu diesen Streitigkeiten gehören nicht nur Arbeitssachen im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern dazu zählen auch Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht bzw. dem Beamtenrecht, welche die Verwendung von Beamtinnen und Beamten betreffen, sich mithin sich auf deren persönliche Arbeits- und Lebensumstände auswirken.

55

Ist unter Zugrundelegung dieses Kriteriums schon grundsätzlich davon auszugehen, dass ein erhebliches Interesse der Klägerin an einem schnellen Abschluss des Verfahrens bestand, so war dieses für das Verwaltungsgericht auch deswegen ohne weiteres erkennbar, weil sich die Klägerin schon in ihrer Klageschrift ausdrücklich „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt hatte.

56

Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Klägerin durch ein ihr zurechenbares Verhalten die Erledigung des Rechtsstreits in irgendeiner Weise verzögert hat. Die Klägerin war - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - auch nicht gehalten, ihrerseits (nochmals) ausdrücklich auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens hinzuweisen oder sonst aktiv auf eine zügige Erledigung hinzuwirken. Erst recht war die Klägerin nicht gehalten, zu dem hier maßgeblichen Sachverhalt ein (gesondertes) gerichtliches Eilverfahren nur zu dem Zweck zu betreiben, auf eine schnellere Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinzuwirken oder sonst - etwa im Wege von Sachstandsanfragen - dem Verwaltungsgericht eine baldige Entscheidung des Verfahrens nahezulegen. Die Verpflichtung des Gerichts dazu, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 EMRK obliegenden Justizgewährleistungspflicht (vgl. etwa Guckelberger, a. a. O., S. 290 m .w. N.).

57

Hinsichtlich der Prüfung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens dem Erfordernis der gerichtlichen Entscheidung innerhalb einer „angemessenen Frist“ im Sinne Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen hat, gibt es zwar keine konkreten zeitlichen Vorgaben, und zwar weder durch den deutschen Gesetzgeber (§ 198 Abs. 1 GVG) noch durch die Rechtsprechung des EGMR. Als grober Anhaltspunkt kann die Rechtsprechung des EGMR insoweit gelten, als dort in mehreren Entscheidungen eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als angemessen angesehen worden ist („one year per instance may be a rough rule of thumb in Article 6 § 1 cases“ - so etwa EGMR, Entscheidung vom 26. November 2009, Nr. 13591/05, Rdnr. 126).

58

Dementsprechend vermag sich der Senat - jedenfalls hinsichtlich einfach gelagerter Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden - nicht der vom OVG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 27. März 2012 (3 A 1.12. - juris) vertretenen - pauschalen - Auffassung dahingehend anzuschließen, eine Verfahrensdauer von zwei Jahren verstoße „noch nicht gegen die vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK entwickelten Maßstäbe“.

59

Soweit der Beklagte aus dem Urteil des EGMR vom 16. Juli 2009 (Nr. 8453/04) die Bestätigung seiner Rechtsauffassung herzuleiten sucht, die Krankheit eines Richters sei quasi als „force majeur“ anzusehen und führe nicht zu Entschädigungsansprüchen, wenn „der Fall nicht zu lange liegen bleibe“, vermag der Senat dem - jedenfalls in dieser Verallgemeinerung - nicht zu folgen: abgesehen davon, dass der EGMR die v. g. Formulierung selbst nicht verwendet hat und die vom Beklagten in Bezug genommene Textstelle des Urteils (Nr. 53) das Verhalten der Staatsanwaltschaft, nicht des Gerichts oder einzelner Richter betrifft, hat der EGMR lediglich ausgeführt, er „akzeptiere, dass eine Verzögerung der Erstellung der Anschuldigungsschrift durch die Krankheit des Vertreters der Einleitungsbehörde verursacht wurde ..“, andererseits aber zugleich bemerkt, dass die damit verbundene Verzögerung von fast zwei Jahren zu lang war. Wenn der Beklagte hieraus - lediglich abstellend auf die dreimonatige Erkrankung des Kammervorsitzenden - den Schluss zieht, dass danach die (auch nach der Genesung des Richters) weiter verzögerte Erledigung des Verfahrens hingenommen werden müsse, so liegt dieser Auffassung ein Fehlverständnis der Rechtsprechung des EGMR zugrunde.

60

Nicht zu folgen ist allerdings auch dem von der Klägerin gewählten Ansatz dahingehend, hier sei die statistisch erhobene durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Zivilrechtsstreits vor den Amtsgerichten (etwa 5 bis 6 Monate) zugrunde zu legen und ab einer nach Verdoppelung dieses Durchschnittswertes liegenden Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits ohne weiteres eine überlange, d. h. „unangemessene“ Dauer des Gerichtsverfahrens zu unterstellen. Eine solche pauschalierte Betrachtungsweise ist schon per se unzulässig und verkennt im Übrigen den grundlegend unterschiedlichen Bearbeitungsaufwand eines durchschnittlichen Zivilrechtsstreits vor dem Einzelrichter eines Amtsgerichts und einer Verwaltungsrechtssache vor der Kammer eines Verwaltungsgerichts.

61

Ebenso wenig vermag der Senat pauschal die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits in Sachsen-Anhalt (ca. 12 Monate) zugrunde zu legen und allein hierauf abzustellen. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer „nach den Umständen des Einzelfalls“ widersprechen. Vielmehr ist in jedem Fall eine konkrete Betrachtung der Aktivitäten des Gerichts zur Förderung bzw. Erledigung des konkreten Rechtsstreits geboten, wobei eine Verzögerung in gewissen Verfahrensstadien vertretbar ist, sofern die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl. EGMR, Entscheidung vom 2. Juni 2009, Nr. 36853/05, Rdnr. 45).

62

Allerdings setzt der Anspruch gemäß § 198 Abs. 1 GVG keine Pflichtwidrigkeit bzw. Verschulden des für das Verfahren zuständigen Gerichts oder des einzelnen Richters voraus. So können auch ein häufiger bzw. kurzfristiger Richterwechsel, eine ungleichmäßige Geschäftsverteilung oder eine mangelhafte Personalausstattung des Gerichts zu Entschädigungsansprüchen führen (vgl. die Nachweise bei Schenke, a. a. O., S. 4). Dementsprechend trifft die Entscheidung über das Bestehen etwaiger Ansprüche gem. §§ 198 ff. GVG auch von vornherein keine Aussage darüber, ob einzelnen Richterinnern oder Richtern ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

63

3. Die vorgenannten Kriterien zugrunde legend, stellt sich sowohl die Gesamtbearbeitungsdauer des Ausgangsrechtsstreits mit über zwei Jahren als auch dessen Bearbeitung in einzelnen Verfahrensstadien als unangemessen lang i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar:

64

Angemessen lang und demzufolge nicht zu beanstanden ist die richterliche Bearbeitung des Verfahrens vom Zeitraum des Klageeingangs am 9. Juni 2009 bis zum 25. Oktober 2009. Zwar war dem Vorsitzenden durchaus erkennbar, dass das Verfahren bereits mit Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009 „ausgeschrieben“ war, mithin weitere Schriftsätze - vor allem neuer Sachvortrag - nicht zu erwarten waren. Gleichwohl billigt der Senat dem Verwaltungsgericht zu, dass der Vorsitzende im Zusammenhang mit seiner Übersendungsverfügung vom 25. September 2009 noch eine (abschließende) Frist von einem Monat hätte verfügen können, um - vor einer prozessleitenden Verfügung - noch eine evtl. abschließende Stellungnahme der beklagten Polizeidirektion abzuwarten.

65

Ausgehend von der Verpflichtung des Gerichts, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, hätte daher bereits am 25. Oktober 2009 Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern, mithin entweder die von der Klägerin angeregte und vom Vorsitzenden selbst in Aussicht gestellte Übertragung auf den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO vorzunehmen bzw. das Verfahren zu einer der nächsten Kammersitzungen zu laden oder das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 VwGO zu erfragen. Auch hätte es nahegelegen, die Beteiligten über die - später in der mündlichen Verhandlung sogleich zum Ausdruck gebrachte - Rechtsauffassung zu unterrichten und so auf eine evtl. unstreitige Erledigung hinzuwirken.

66

Der Umstand, dass der Vorsitzende - offensichtlich ohne weitere rechtliche Prüfung - das Verfahren lediglich zur „Wiedervorlage auf Abruf“ verfügt hat und sich der nächste Bearbeitungsgang erst aus der am 16. September 2010, mithin mehr als neun Monate später verfügten Terminierung ergibt, stellt - auch unter Zugrundelegung der erkennbar geringen Komplexität des Verfahrens und angesichts des dokumentierten Interesse der Klägerin an einem zügigen Fortgang des Rechtsstreits - eine Nichtbearbeitung des Verfahrens dar, die für den vorgenannten Zeitraum, mithin für eine Dauer von mehr als zehn Monaten als unangemessene Verzögerung des Verfahrens anzusehen ist.

67

Der Umstand, dass sodann der Verhandlungstermin vom 24. November 2010 wegen Erkrankung des Berichterstatters (und Vorsitzenden) aufgehoben worden ist, bietet als solcher keinen (weiteren) Grund zur Annahme einer unangemessen langen Bearbeitungsdauer. Die Verzögerung infolge einer kurzfristigen Erkrankung des zuständigen Richters ist hinzunehmen; allerdings bleibt es bei der Verpflichtung des Rechtsstaates, für eine möglichst baldige weitere Terminierung zu sorgen.

68

Danach waren die mehrfachen Verfristungen durch die stellvertretende Kammervorsitzende am 13. Dezember 2010 sowie am 12. Januar 2011 sowie vor allem die erneute Verfügung des Vorsitzenden vom 16. Februar 2011: „Wiedervorlage auf Abruf“ nicht geeignet, das Verfahren in angemessener Weise weiter zu fördern. Vielmehr führten die mehrfachen Verfristungen dazu, dass erst am 12. April 2011 die abschließende Ladung des Verfahrens zum 22. Juni 2011 erfolgt ist, wodurch sich die Erledigung des Rechtsstreits schließlich weiter verzögert hat. Der Senat geht davon aus, dass eine erneute Terminierung des Verfahrens, wenn nicht schon durch die stellvertretende Kammervorsitzende, so aber spätestens nach Rückkehr des Vorsitzenden am 16. Februar 2011, mithin etwa 3 Monate nach der veranlassten Terminsaufhebung hätte erfolgen können und auch müssen.

69

Dazu ist zu bemerken, dass es hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens gemäß § 198 ff. GVG nicht darauf ankommt, ob der einzelne Richter pflichtwidrig gehandelt hat oder ob ihn persönlich ein Verschulden trifft; auch die chronische Überlastung des Gerichts oder des mit der Sache befassten Spruchkörpers, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation sind unerheblich (vgl. dazu auch die amtliche Begründung zu § 198 GVG, BT-Drs. 17/3802 S. 19, Schenke, a. a. O., S. 3 m. w. N.).

70

Es ist danach davon auszugehen, dass das Ausgangsverfahren auch in dem Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 nicht hinreichend gefördert worden ist, obwohl sich das besondere Beschleunigungsgebot ohne weiteres aus dem Streitgegenstand ergeben hat.

71

Insgesamt hat sowohl für den Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 als auch für denjenigen vom 16. Februar 2011 bis 12. April 2011 eine Phase der nach den Umständen nicht gerechtfertigten mangelnden Förderung des Verfahrens vorgelegen, mithin für eine Gesamtdauer von etwas mehr als 12 Monaten.

72

4. Danach steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf „angemessene Entschädigung“ für den infolge der eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Gerichtsverfahrens von 12 Monaten eingetretenen Vermögensnachteil gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu. Dieser Anspruch ist allerdings - worauf der Beklagte mit Recht hinweist - nicht einem Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 249 BGB gleichzustellen. Vielmehr kann - in Anlehnung an die sich aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergebenden Grundsätze - lediglich eine Ausgleichszahlung zur Ersetzung des eingetretenen Substanzverlustes beansprucht werden (vgl. hierzu die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Dr 17/3802 S. 34 und diejenige des BT-Rechtsausschusses, BT-Dr 17/7217).

73

Grundsätzlich ist der von der Klägerin für den Zeitraum der Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits geltend gemachte Fahrtmehraufwand von 60 km je Arbeitstag für die Zurücklegung der Strecke zwischen ihrem Wohnort und dem Dienstort G. (an unstreitig 178 Tagen) berücksichtigungsfähig, denn insoweit sind der Klägerin tatsächlich - kausal bedingt durch die Verzögerung in der Erledigung des Gerichtsverfahrens - Mehrkosten entstanden, die sie ansonsten nicht zu tragen gehabt hätte. In Ansatz zu bringen sind dabei indes nicht die ohnehin anfallenden Kosten für Versicherung und Kfz-Steuer (Sowieso-Kosten) sowie hinsichtlich der ohnehin eintretenden Wertminderung, sondern lediglich die Ausgaben für den konkret zu berechnenden Mehrverbrauch an Diesel-Kraftstoff. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch für die Wertminderung des Fahrzeugs besteht nur insoweit, als er unmittelbar auf die zusätzlich gefahrenen Kilometer zurückzuführen ist.

74

Unter Zugrundelegung eines verzögerungsbedingten Kilometermehraufwandes für den gesamten Zeitraum über eine zusätzliche Strecke von 10.680 km und einem - durchaus realistischen - Verbrauch von 6,2 l Diesel pro 100 km ergibt sich danach ein Mehrverbrauch von 700 l, mithin bei einem durchschnittlichen Dieselpreis von 1,50 € je Liter ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.050,00 €. Die anteiligen Wartungskosten schätzt der Senat gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 150,00 €, so dass der Klägerin insoweit unter dem Gesichtspunkt tatsächlich entstandener Zusatzaufwendungen ein Entschädigungsanspruch von 1.200,00 € zusteht. Die Wertminderung bemisst der Senat im Hinblick darauf, dass der Neupreis des Fahrzeugs nach den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen (Anlage K 2) bei lediglich etwa 9.000,00 € liegt, und unter weiterer Berücksichtigung, dass die Klägerin dieses nicht als Neufahrzeug erworben hatte, ebenfalls im Wege der Schätzung gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 0,10 € je km, mithin auf 1.068,00 €.

75

Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der verzögerungsbedingten Mehrkosten bedurfte es ebenso wenig wie der ausdrücklichen Bescheidung des von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 gestellten Beweisantrags. Die Klägerin hat insoweit selbst angeregt, der Senat möge „gegebenenfalls unter Verwendung der vorgelegten Daten“ im Wege der Schadensschätzung vorgehen und für diesen Fall offensichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für geboten angesehen.

76

Von den sich danach errechnenden 2.268,00 € ist indes der Betrag in Abzug zu bringen, welcher der Klägerin im Wege der Steuerrückerstattung für die ihre entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) für den hier maßgeblichen Zeitraum erstattet wird und den die Klägerin selbst ihrer teilweisen Klagerücknahme zugrunde gelegt hat. Mithin bleibt ein Entschädigungsbetrag von 1.864,87 € für den entstandenen Vermögensnachteil.

77

5. Neben der Entschädigung für den eingetretenen Vermögensnachteil kann auch eine Entschädigung für einen Nachteil bewilligt werden, welcher nicht Vermögensnachteil ist. Da der Nachweis einen immateriellen Nachteils schwierig ist, wird ein solcher vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lang gedauert hat (vgl. dazu Schenke, a. a. O.; IV. Nr. 3). Zwar kann die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerlegt werden. Für eine solche Widerlegung genügt die pauschale Einlassung des Beklagten, es fehle an „nachprüfbaren Hinweisen“, allerdings nicht. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine überlange Verfahrensdauer eine psychische Belastung zur Folge haben könne. Eine derartige Belastung hat die Klägerin mit ihrem Hinweis auf den mehrmonatigen zusätzlichen Zeitaufwand für die Fahrten nach G. nachvollziehbar dargelegt, ohne dass der Beklagte dem weiter entgegengetreten ist.

78

Allerdings kann eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist. Eine derartige Feststellung ohne Zuerkennung eines materiellen Entschädigungsanspruches kommt nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 90; Entscheidung vom 7. Januar 2010, Nr. 40009/04, Rdnr. 177; Entscheidung vom 13. Juli 2006, Nr. 38033/02, Rdnr. 51) vor allem dann in Betracht, wenn die Feststellung einer Verletzung allein eine hinreichend gerechte Entschädigung von erlittenem Schaden darstellt. Dies gilt etwa in den Fällen, in welchen das Verfahren keine besondere Bedeutung für die Beteiligten hat oder dann, wenn ein Beteiligter keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten hat und die Überlänge des Verfahrens den einzigen für ihn entstandenen Nachteil darstellt (vgl. hierzu Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 3 ff.).

79

Der Senat vermag nach den Umständen des Einzelfalles nicht davon auszugehen, dass die bloße Feststellung der unangemessen langen Verfahrensdauer eine angemessene Entschädigung der Klägerin darstellt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf die gerichtliche Klärung einer Situation wartete, welche sie persönlich beeinträchtigte und deren Rechtmäßigkeit sich durch einen zügig angesetzten Verhandlungstermin ohne weiteres hätte klären lassen können. Zudem hatte die Klägerin - wie sich schon aus den Ausführungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung zeigt - offensichtlich selbst keine Veranlassung für ihre von der Beklagten mit Nachdruck betriebene Umsetzung von ihrem bisherigen Dienstort nach G. gegeben und auch das gerichtliche Verfahren in keiner Weise verzögert. Angesichts dieser Umstände des Einzelfalls hält es der Senat für angemessen, der gesetzlichen Regelvorgabe des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zu entsprechen und der Klägerin somit einen Betrag von 1.200,00 € für das Jahr der insgesamt eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Rechtstreits zuzusprechen.

80

6. Der Zinsanspruch - soweit der Senat diesen im Tenor festgestellt hat - beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Demgegenüber ist der mit dem Klageantrag zu Ziff. 3 geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung eingezahlter Gerichtskosten nicht begründet. Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass ein derartiger Zinsanspruch einen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch voraussetzt, an welchem es hier hingegen fehlt. Wie bereits ausgeführt, regelt § 198 Abs. 1 GVG einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch, welcher allerdings nicht auf einen vollständigen Schadenausgleich gerichtet ist; jener umfasst weder einen entgangenen Gewinn noch einen entgangenen Zinsvorteil.

81

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, 2 VwGO; unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme und des beiderseitigen Obsiegens/Unterliegens waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis 40: 60 zu teilen.

82

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 173 S. 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.

83

9. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der mit den Grundlagen und dem Umfang von Entschädigungsansprüchen gemäß §§ 198 ff. GVG verbundenen Fragen gemäß §§ 173 Satz 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 91/13
Verkündet am:
13. März 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist nicht jeder einzelne
Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren.

b) Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren)
vorliegt, führt nicht "automatisch" dazu, dass die Entschädigungspauschale (§
198 Abs. 2 Satz 3 GVG) nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu erhöhen ist. Vielmehr
ist es auch in diesem Fall erforderlich, dass die "Umstände des Einzelfalls"
den Pauschalsatz als unbillig erscheinen lassen.
BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens zur Regelung des Umgangs mit seinem am 29. November 1994 außerhalb einer Ehe geborenen Sohn C. in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.
2
Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Familiengericht dauerte nahezu zwei Jahre und acht Monate, während das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht nach acht Monaten beendet war.
3
Bereits vor Einleitung des streitgegenständlichen Umgangsrechtsverfahrens herrschte zwischen den Kindeseltern ein jahrelanger, in mehreren Gerichtsverfahren ausgetragener Streit über die Besuchskontakte des Klägers zu seinem Sohn.
4
Auf Anregung des Jugendamts entzog das Familiengericht dem Kläger durch einstweilige Anordnung vom 14. September 2007 vorläufig das Umgangsrecht , da unbelastete Umgangskontakte auf Grund der ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern nicht möglich waren, das Kind Verhaltensweisen mit Krankheitswert zeigte und sogar Suizidabsichten äußerte. Die am 31. Oktober 2007 durchgeführte Anhörung der Kindeseltern und des Amtsarztes führte dazu, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn "vorerst bis längstens 31. März 2008" ausgesetzt wurde, um die Begutachtung des Kindes durch eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu ermöglichen. Der Kläger war mit dieser Verfahrensweise einverstanden. Der bereits am 23. Januar 2008 erstellte Klinikbericht wurde im Mai 2008 dem Familiengericht zugeleitet. Dieses ordnete sodann am 17. Juli 2008 an, dass der Umgang im Interesse des Kindeswohls weiter ausgesetzt werde und eine (abschließende) gutachterliche Stellungnahme des Gesundheitsamts einzuholen sei. Nach Richterwechsel fand am 29. Oktober 2008 ein weiterer Anhörungstermin statt, in dem sich der als Sachverständiger befragte Amtsarzt im Interesse des Kindeswohls gegen Besuchskontakte des Klägers aussprach. Vor diesem Hintergrund schlug das Familiengericht unter anderem vor, der Kläger solle künftige Besuche behutsam durch Briefkontakte vorbereiten. Darauf ging der Kläger jedoch nicht ein. Mit Beschluss vom 28. November 2008 bestellte das Gericht eine berufsmäßige Verfahrenspflegerin für das Kind. Diese erstellte in der Folgezeit einen umfangreichen Bericht, den sie am 6. Februar 2009 zu den Akten reichte und in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein erzwungener Umgang eine Kin- deswohlgefährdung darstelle. Nachdem ein auf den 6. Mai 2009 bestimmter Anhörungstermin auf Antrag des Klägers verlegt werden musste und er zudem mit Schreiben vom 5. Mai 2009 mitgeteilt hatte, dass er einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe, verfügte die zuständige Richterin am 5. Juni 2009, ihr die Akte nach vier Wochen wieder vorzulegen. Im Hinblick auf ein Schreiben des Klägers vom 15. Juni 2009 notierte die Richterin am 22. Juni 2009 eine neue Wiedervorlagefrist von vier Wochen ("Stellungnahme RA R. ?"). Mit Verfügung vom 30. September 2009 setzte sie, nachdem bis dahin eine anwaltliche Stellungnahme nicht eingegangen war, den Kläger hiervon in Kenntnis und bestimmte eine weitere Wiedervorlagefrist von zwei Wochen. Am 2. Dezember 2009 fand sodann ein "Abschlusstermin" statt. Wenige Tage zuvor hatte sich der vom Kläger angekündigte Verfahrensbevollmächtigte erstmals gemeldet und schriftlich mehrere Anträge zum Umgangsrecht gestellt. Außerdem machte er einen Anspruch auf vierteljährliche Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des Kindes geltend. Am 3. Dezember 2009 hörte die Familienrichterin das Kind persönlich an und fertigte darüber ein ausführliches Protokoll. Mit Beschluss vom 28. April 2010 entschied das Familiengericht in der Hauptsache, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn bis auf weiteres ausgesetzt werde. Eine Entscheidung über den Auskunftsanspruch unterblieb versehentlich und wurde mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 nachgeholt.
5
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2010 legte der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. April 2010 ein und begründete diese unter dem 5. Juli 2010. Nach Gewährung von Stellungnahmefristen für die übrigen Beteiligten hörte das Oberlandesgericht am 17. November 2010 das Kind an und verhandelte am 23. November 2010 abschließend. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010, der an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Dezember 2010 zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Anhörungsrü- ge und Gegenvorstellung des Klägers vom 10. Januar 2011 blieben erfolglos. Sie wurden mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der das Verfahren beendende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 wurde ihm am 27. Dezember 2011 zugestellt.
6
Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 4. November 2010 und 13. Oktober 2011 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben und die überlange Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens gerügt.
7
Die vorliegende Entschädigungsklage, die dem Beklagten am 25. Juni 2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 11. Mai 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht.
8
Er hat geltend gemacht, das erstinstanzliche Verfahren sei um etwa 25 Monate, das Auskunftsverfahren um neun Monate und das Beschwerdeverfahren um vier Monate verzögert. Die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsrechtsverfahrens betrage lediglich 6,8 Monate. Da sein Umgangsrecht durch die überlange Verfahrensdauer faktisch entwertet worden sei, entspreche eine Entschädigung in Höhe von 13.400 € der Billigkeit (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG).
9
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädi- gung für immaterielle Nachteile von 1.500 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
10
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe


11
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


12
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
13
Dem Kläger stehe gegen das beklagte Land gemäß § 198 Abs. 1, 2 GVG ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Umgangs- rechtsverfahrens in Höhe von 1.500 € zu. Die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG sei nach Art 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anwendbar , da das innerstaatliche Ausgangsverfahren erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 27. Dezember 2011 beendet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Beschwerdeverfahren beim EGMR bereits eingeleitet gewesen.
14
Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich von der Einleitung des Umgangsrechtsverfahrens am 14. September 2007 bis zur Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010.
15
Für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sei nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Annahme fester Zeitgrenzen komme ebenso wenig in Betracht wie die Heranziehung der durchschnittlichen Dauer von Verfahren einer bestimmten Art. Es sei dem Kläger deshalb verwehrt, für die Berechnung seines Entschädigungsanspruchs lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer bei Umgangssachen abzustellen.
16
Eine unangemessene Verfahrensdauer liege regelmäßig dann vor, wenn sachlich nicht begründete Lücken in der Verfahrensförderung vorlägen. Im Streitfall habe es sich um ein komplexes Verfahren gehandelt, bei dem das Zeitmoment wegen der Gefahr der Entfremdung zwischen dem Kläger und seinem Sohn wesentlich sei. Unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Klägers, der zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen zu den Akten gereicht habe, und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommendem Freiraums könne eine sachwidrige Verzögerung des Beschwerdeverfahrens nicht festgestellt werden. Allein die Verfahrensführung durch das Amtsgericht habe zu einer entschädigungspflichtigen Gesamtverzögerung des Verfahrens im Umfang von acht Monaten geführt, insbesondere durch die unzureichende Verfahrensförderung in Bezug auf den Bericht der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 23. Januar 2008, die verspätete Bestellung der Verfahrenspflegerin und die zwischen den Verfügungen vom 22. Juni und 30. September 2009 liegende, sachlich nicht gerechtfertigte "Lücke".

17
Die nach dem Pauschalsatz des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sich ergeben- de Entschädigung von 800 € sei unbillig im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG. Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine Kindschaftssache sei und das Familiengericht über den parallel geltend gemachten Auskunftsanspruch zunächst nicht entschieden habe, sei eine moderate Erhöhung des Entschädi- gungsbetrags auf 1.500 € geboten. Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG liege nicht vor. Die zusätzliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer könne der Kläger deshalb nicht verlangen.

II.


18
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
19
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits abgeschlossen waren, wenn deren Dauer zu einer nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässigen Beschwerde vor dem EGMR geführt hat (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 9, 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
20
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene familiengerichtliche Verfahren wurde durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010 und 17. Februar 2011, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet. Damit war der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft (Art. 35 Abs. 1 EMRK). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auf die Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 nicht an. Wird die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht, stellt die Verfassungsbeschwerde keinen effektiven Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar. Ein Beschwerdeführer ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen (EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 105 ff und NVwZ 2008, 289 Rn. 64 ff; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn. 34, 57; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 13 Rn. 38, Art. 35 Rn. 19). Da der Kläger die Verfahrensdauer bereits mit Individualbeschwerde vom 4. November 2010 gerügt hatte, wurde die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt. Dem steht nicht entgegen, dass der innerstaatliche Rechtsweg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschöpft war (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 3, 35, 52 ff). Die nach Fristablauf eingelegte (erneute) Beschwerde vom 13. Oktober 2011 ist lediglich als jederzeit mögliche Ergänzung der bereits zulässig erhobenen Beschwerde anzusehen (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 17). Dementsprechend wurde sie beim EGMR unter demselben Aktenzeichen geführt.
21
Durch die am 11. Mai 2012 eingereichte und am 25. Juni 2012 zugestellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 ÜGRG eingehalten (§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 167 ZPO).
22
2. Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht hätte die nachgeholte Entscheidung des Familiengerichts über den zunächst übersehenen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 1686 BGB als gesondert zu entschädigendes Verfahren behandeln müssen, bleibt ohne Erfolg.

23
§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im Sinne der Entschädigungsregelung. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren. Vielmehr geht das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 20). Lediglich für den Bereich des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens fingiert § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 3 GVG, dass jeder Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren , § 198 GVG Rn. 49). In zeitlicher Hinsicht ist der gesamte Zeitraum von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren zu behandeln (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 21).
24
Nach diesem Maßstab ist der Antrag auf Auskunftserteilung (§ 1686 BGB), den der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 30. November 2009 kumulativ neben weiteren Anträgen in dem familiengerichtlichen Umgangsrechtsverfahren gestellt hat (dazu Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1686 Rn. 1), nicht als Einleitung eines getrennt zu betrachtenden Gerichtsverfahrens anzusehen. Vielmehr sollte darüber in dem bereits anhängigen Umgangsrechtsverfahren entschieden werden. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Familiengericht erstmals in dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 sachlich mit dem Auskunftsantrag befasst hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet. Das Oberlandesgericht hatte zwischenzeitlich die Akten zur Entscheidung über das Auskunftsbegehren an das Familiengericht zurückgesandt. Das Umgangsrechtsverfahren wurde parallel in der zweiten Instanz fortgeführt und im Dezember 2010 durch Zurückweisung der Beschwerde des Klägers abgeschlossen.

25
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht über die festgestellte Verzögerung von acht Monaten hinaus eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die diesbezügliche Verfahrensförderung durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens weist keine entschädigungsrechtlich relevanten Lücken auf. Durch die zunächst unterbliebene Entscheidung über den Auskunftsanspruch wurde die Gesamtverfahrensdauer - wie unter 2. dargelegt - nicht verlängert.
26
a) Die Rüge, das Oberlandesgericht hätte bei der Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht auf die konkreten Fallumstände, sondern auf die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsverfahrens , die bei 6,8 Monaten liege, abstellen müssen, greift nicht durch.
27
aa) Für die Feststellung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände , die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BTDrucks. 17/3702 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung, die nicht zum Selbstzweck werden darf, gegenläufigen Rechtsgüter, wobei vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters in den Blick zu nehmen sind. Erforder- lich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
28
bb) Eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern.
29
Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Ein nach Verfahrensarten oder -gegenständen, nach Schwierigkeitsgraden oder in ähnlicher Weise ausdifferenziertes System fester "Normwerte" scheidet deshalb aus (vgl. Maidowski, JM 2014, 81, 82). Die Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt (dazu Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 236 ff) und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Feste Zeitvorgaben können auch der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei Meyer-Ladewig aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls keine festen Zeitgrenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Um- ständen des einzelnen Falls (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2013, 3630 Rn. 30, 32 mwN).
30
Der Verzicht auf allgemeingültige Zeitvorgaben schließt es auch regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer Durchschnittswerte zu ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kommt es auf die "angemessene" und nicht auf die "durchschnittliche" Verfahrensdauer an. Daneben ist zu bedenken, dass § 198 GVG nicht nur einzelfallbezogene "Ausreißer" erfasst, sondern auch dann eingreift, wenn die Verzögerung auf strukturellen Problemen (zum Beispiel unzureichende Personalausstattung der Justiz) beruht. Die Ermittlung aussagekräftiger Vergleichswerte , die keine solchen "Systemfehler" enthalten, stellt sich als schwierig dar, zumal die Verschiedenartigkeit der einzelnen Verfahrensarten eine einheitliche Betrachtung verbietet. Selbst brauchbare statistische Durchschnittswerte sind nur bedingt taugliche Parameter und können ohne eine Einzelfallbetrachtung nicht zur Grundlage einer Entschädigungsentscheidung gemacht werden. Deshalb reicht es - entgegen der Revision - für die Berechnung eines Entschädigungsanspruchs nicht aus, lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer hinzuweisen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 26; Heine MDR 2013 1081, 1085; Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 554; siehe auch BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 28 ff und BSG, NJW 2014, 248 Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem SGG: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").
31
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN).
32
Dies bedeutet, dass die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten muss, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG aaO Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
33
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, können innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert werden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f).
34
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar2014 - III ZR 311/13, juris Rn. 30). Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Im Entschädigungsprozess dürfen diejenigen rechtlichen Überlegungen, die der erkennende Richter bei der Entscheidungsfindung im Ausgangsprozess angestellt hat, grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden (Schlick aaO S. 555). Stets muss jedoch in den Blick genommen werden, dass die Gerichte sich mit zunehmender Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 11, 14; BVerfG, NJW 2013, 3630 Rn. 32, 37, 44).
35
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 31; BVerwG aaO Rn. 42).
36
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, durch die Verfahrensführung des Familiengerichts sei das erstinstanzliche Verfahren lediglich im Umfang von acht Monaten ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
37
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. nur Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47).
38
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gesamtabwägung anhand der nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien belegt, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind.

39
aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Ausgangsverfahren vor allem wegen des angespannten Verhältnisses der Eltern und der notwendigen Beteiligung weiterer Stellen (Jugendamt, Verfahrenspfleger, medizinischer Sachverständiger ) von einer "gewissen Komplexität" war (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 47). Dies rechtfertigt die Annahme, dass von vornherein mit zeitaufwändigen zusätzlichen Verfahrensschritten und einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen war.
40
bb) Das Oberlandesgericht hat ferner zutreffend erkannt, dass die zeitnahe Entscheidung des Umgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war.
41
In Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem Kind betreffen, obliegt den Gerichten eine besondere Förderungspflicht, weil die Gefahr besteht , dass allein der fortschreitende Zeitablauf zu einer faktischen Entscheidung der Sache führt. Verfahren, die das Sorge- oder Umgangsrecht betreffen, sind deshalb besonders bedeutsam (vgl. EGMR, NJW 2006, 2241 Rn. 100; FamRZ 2011, 1283 Rn. 45 und Urteil vom 10. Mai 2007, Beschwerde Nr. 76680/01, juris Rn. 93, 99, 104). Bei der Festlegung des konkreten Beschleunigungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht das Alter des Kindes zu Recht in seine Überlegungen einbezogen. Denn eine Verpflichtung zur "größtmöglichen Beschleunigung" des Verfahrens besteht vor allem bei sehr kleinen Kindern (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 45). Kleinere Kinder empfinden, bezogen auf objektive Zeitspannen, den Verlust einer Bezugsperson - anders als ältere Kinder oder gar Erwachsene - schneller als endgültig (Ott aaO § 198 GVG Rn. 111). In diesen Fällen ist die Gefahr der Entfremdung zwischen Eltern und Kind, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, besonders groß, so dass eine besondere Sensibilität für die Verfahrensdauer erforderlich ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2001, 961, 962). Im vorliegenden Fall war das Kind allerdings zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bereits knapp 13 Jahre alt und lehnte - zermürbt durch die früheren gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht des Klägers - weitere "erzwungene" Besuchskontakte ab. Den Vorschlag des Familiengerichts, etwaige künftige Besuchsregelungen durch einen Briefkontakt vorzubereiten, hat der Kläger nicht aufgegriffen. Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass keine Situation vorlag, in der allein durch Zeitablauf die Sachentscheidung faktisch präjudiziert wurde. Im konkreten Fall erschien ein Zuwarten mit dem Verfahrensabschluss schon deshalb sinnvoll, um gerade durch Zeitablauf Klärungsprozesse sowohl bei dem älter werdenden Kind als auch bei den Kindeseltern zu ermöglichen und auf diese Weise die innerfamiliären "Selbstheilungskräfte" zu mobilisieren (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 155 Rn. 5).
42
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, das Oberlandesgericht habe die zahlreichen und zum Teil umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen und Anfragen des Klägers sowie den Umstand, dass er von den ihm durch das Prozessrecht eingeräumten Verfahrenshandlungen Gebrauch gemacht habe, bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigen dürfen, da das Vorgehen des Klägers weder sachwidrig noch missbräuchlich gewesen sei.
43
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 42 mwN).
44
Das Oberlandesgericht durfte deshalb bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen, dass der Kläger insbesondere durch zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen, einen Terminsaufhebungsantrag sowie die späte Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten beträchtliche Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Familiengerichts fielen. Dazu zählt auch, dass er zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 29. Oktober 2008, der ihm begleitete Umgänge in Aussicht stellte, erst mit Schreiben vom 25. November 2008 (ablehnend) Stellung nahm.
45
dd) Die Beurteilung der Verfahrensführung der Ausgangsgerichte durch das Oberlandesgericht lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
46
Das Entschädigungsgericht hat den zutreffenden Beurteilungsmaßstab (nur Vertretbarkeitskontrolle) zugrunde gelegt. Es ist unter Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt, dass sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verzögerungen im Umfang von acht Monaten vorhanden sind. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
47
Soweit die Revision darüber hinaus geltend macht, das Oberlandesgericht habe das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) außer Acht gelassen und insbesondere übersehen , dass ein Erörterungstermin bereits binnen eines Monats nach Verfahrenseinleitung hätte stattfinden müssen (§ 50e Abs. 2 FGG aF), geht die Rüge ins Leere.
48
Wie bereits ausgeführt, hat das Oberlandesgericht das spezifische Vorrang - und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zutreffend erkannt und gewichtet. Mit den Einzelheiten der von der Revision angeführten gesetzlichen Bestimmungen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) musste es sich nicht näher auseinandersetzen. Nach Art. 111 Abs. 1 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) ist § 155 FamFG auf Verfahren, die - wie hier - vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, nicht anwendbar (Keidel/Engelhardt aaO Art. 111 FGG-RG Rn. 2). § 50e FGG aF wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl. I S. 1188) eingeführt. Demgemäß konnte das Gebot aus § 50e Abs. 2 FGG aF (Sollvorschrift), spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchzuführen , im Streitfall noch keine Wirkung entfalten. Unabhängig davon hat das Familiengericht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits am 31. Oktober 2007, also nur sechs Wochen nach Verfahrensbeginn , einen Anhörungstermin durchgeführt. Nach allem ist eine (weitere) sachwidrige Verfahrensverzögerung nicht ersichtlich.
49
4. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Klägers, im vorliegenden Fall sei eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG geboten, da die Dauer des Ausgangsverfahrens sein Umgangsrecht faktisch entwertet habe und nach den vom EGMR entwickelten Grundsätzen (dazu EGMR, FamRZ 2012, 1123) eine Entschädigung von 13.400 € gerechtfertigt sei.
50
§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädi- gung für immaterielle Nachteile einen Pauschalsatz in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46; vgl. auch BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Die Entschädigung wird dabei nur für den konkreten Verzögerungszeitraum geleistet, so dass verzögerte Verfahrensabschnitte, die die Gesamtverfahrensdauer nicht verlängert haben, außer Betracht bleiben müssen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 225). Insoweit hat das Oberlandesgericht, was den Kläger jedoch nicht beschwert, bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags die nachgeholte Entscheidung über den Auskunftsantrag, die sich auf die Gesamtverfahrensdauer in keiner Weise ausgewirkt hat, zu Unrecht zur Begründung einer Erhöhung des Pauschalsatzes herangezogen.
51
Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz aus Billigkeitserwägungen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) abzuweichen. Dabei ist für eine Abweichung nach oben insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Freiheitsentziehung oder zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46 mwN). Derartige Ausnahmefälle macht die Revision nicht geltend. Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren) vorliegt, rechtfertigt noch keine Erhöhung des Regelsatzes. Denn entscheidend ist, dass die "Umstände des Einzelfalls", das heißt die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer, die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich, da das knapp 13-jährige Kind nach seinem klar geäußerten Willen gerichtlich erzwungene Umgangskontakte von Anfang an abgelehnt hat und die einstweiligen Anordnungen des Familiengerichts, mit denen der Umgang vorläufig ausgesetzt wurde, durch die in der Hauptsache ergangenen Entscheidungen bestätigt wurden. Eine faktische Entwertung des Umgangsrechts durch bloßen Zeitablauf hat gerade nicht stattgefunden.
52
Der Hinweis der Revision auf die in dem Urteil des EGMR vom 27. Oktober 2011 (Beschwerde Nr. 8857/08, FamRZ 2012, 1123) zugesprochene Ent- schädigung von 10.000 € ist verfehlt. Der Entscheidung lag ein Fall aus Tsche- chien zugrunde lag, in dem die Mutter eines Kleinkindes über einen Zeitraum von vier Jahren das Umgangsrecht verweigert hatte, ohne dass die nationalen Behörden einschritten. Dadurch wurde eine de-facto-Situation geschaffen, die schließlich zu einem Verlust der emotionalen Bindung des Kindes zum Vater führte. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 08.02.2013 - 4 SchH 1/12 -

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

14
Aber bb) auch im Übrigen - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB - erlangt der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit seine Bedeutung. Der gegenteiligen Meinung des Klägers , der in seiner Revisionserwiderung die Auffassung vertritt, aus der Verpflichtung zur Entscheidung in angemessener Zeit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK) folge, dass das Gericht die Prozessführung nach dem Zeitfaktor auszurichten, das heißt bei verschiedenen Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung zugunsten der das Verfahren schneller abschließenden Alternative zu entscheiden habe, wobei Art. 97 Abs. 1 GG insoweit ohne Bedeutung sei, folgt der Senat nicht. Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck. Vielmehr verlangt gerade das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitge- genstands durch das dazu berufene Gericht (BVerfGE 54, 277, 291; 85, 337, 345; BVerfG NJW 1997, 2811, 2812; NJW 1999, 2582, 2583). Insoweit ist die sachgerechte Führung eines Prozesses - abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben - in das Ermessen der verantwortlichen Richter gestellt (vgl. BVerfGE 55, 349, 369 zur Terminierung der mündlichen Verhandlung; siehe auch BVerfG EuGRZ 1982, 75). Hierbei kann die Verfahrensführung - im Ergebnis nicht anders als es der Senat in ständiger Rechtsprechung in anderem Zusammenhang bereits für bestimmte staatsanwaltschaftliche Handlungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht (vgl. Urteil vom 21. April 1988 - III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; Beschluss vom 27. September 1990 - III ZR 314/89, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Staatsanwalt 3; Urteile vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96, NJW 1998, 751, 752; und 18. Mai 2000 - III ZR 180/99, VersR 2001, 586, 587), aber auch für bestimmte richterliche Maßnahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 271; und 21. Juli 2005 - III ZR 21/05, BeckRS 2005, 09404; Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZA 5/05, juris Rn. 12) entschieden hat - im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senat, Urteil vom 21. April 1988, aaO; Beschluss vom 27. September 1990 aaO). Bei der insoweit anzustellenden Bewertung darf der Zeitfaktor - zumal sich bei zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (vgl. nur BVerfG NJW 2001, 214, 215; NJW 2004, 3320; NJW 2005, 739; NJW 2008, 503, 504) - selbstverständlich nicht ausgeblendet werden; er ist aber nicht der allein entscheidende Maßstab.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

Tatbestand

1

A. Die Klägerin begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihr als unangemessen angesehenen Dauer eines vom 10. November 2006 (Klageeingang beim Finanzamt --FA--) bis zum 26. März 2013 (Zustellung des Urteils) vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der im Klageverfahren verstorbene Ehemann (E) der Klägerin war als Bürgermeister einer Stadt im Jahre 1987 wegen versuchter umweltgefährdender Abfallbeseitigung angeklagt worden. Er wurde Ende 1996 durch ein Urteil des zuständigen Landgerichts verwarnt und mit einer Geldbuße in Höhe von 3.000 DM belegt. Nach seiner Verurteilung legte er wegen der langen Verfahrensdauer zunächst Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und anschließend Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Im Jahr 2001 entschied der EGMR, neun Verhandlungsjahre seien im Vergleich zum Strafmaß nicht zu rechtfertigen und stellten folglich einen Verstoß gegen Art. 6 § 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar. E wurde deshalb neben einem Betrag von 10.000 DM für immaterielle Schäden ein Betrag von weiteren 15.000 DM für Auslagen und Gerichtskosten zugesprochen.

3

Für die Vertretung im Verfahren vor dem BVerfG entstanden Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 28.681 DM und im Verfahren vor dem EGMR solche in Höhe von 20.050,72 DM, wovon 12.518,72 DM im Jahr 2000 in Rechnung gestellt und bezahlt wurden.

4

Die Klägerin und der mit ihr zusammen zur Einkommensteuer veranlagte E machten unter Anrechnung des vom EGMR ausgeurteilten Betrages von 15.000 DM die Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 geltend. Das FA erkannte diese Aufwendungen weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des E an.

5

Nach erfolglosem Vorverfahren reichten die Klägerin und E die Klageschrift am 10. November 2006 beim FA ein, die an das FG weitergeleitet wurde. Bis zum 19. Februar 2008 wurden Schriftsätze der Beteiligten ausgetauscht.

6

Am 5. November 2008 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Mitteilung, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Der Berichterstatter verfügte unter Verwendung eines entsprechenden Formulars, dass aufgrund zahlreicher vorrangig zu bearbeitender anderer Streitsachen derzeit leider noch nicht absehbar sei, wann im Ausgangsverfahren eine Entscheidung anstehe. Eine erneute Sachstandsanfrage der Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2009 wurde entsprechend formularmäßig beantwortet.

7

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 verzichteten die Klägerin und E aufgrund eines Telefonats ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter des FG vom gleichen Tag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Am 12. Oktober 2010 ging die Verzichtserklärung des FA beim FG ein, die dem Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2010 übersandt wurde.

8

Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 wies das FG die Beteiligten auf die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen hin. Der sich hieran anschließende Schriftwechsel der Beteiligten endete mit Übersendung des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2011 an das FA am 8. November 2011.

9

Mit Schreiben vom 22. November 2011 erhoben die Klägerin und E "vorsorglich die Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG)". Gleichzeitig übersandten sie eine Kopie des Beschlusses des BVerfG vom 13. Februar 1997  2 BvR 135/97, den das FG bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 angefordert hatte. Am 6. Dezember 2011 ergänzten die Prozessbevollmächtigten ihre bisherigen Stellungnahmen.

10

Am 4. Juni 2012, beim FG eingegangen am 6. Juni 2012, wiederholten die Prozessbevollmächtigten ihre "bereits geltend gemachte Verzögerungsrüge" und erkundigten sich am 14. Dezember 2012 beim FG erneut nach dem Stand des Verfahrens.

11

Das FG teilte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 mit, mit einer Entscheidung sei voraussichtlich im 1. Quartal 2013 zu rechnen. Mit Urteil vom 19. März 2013, das den Prozessbevollmächtigten am 26. März 2013 zugestellt worden ist, wies das FG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2013 VI B 41/13, nicht veröffentlicht).

12

Am 3. Mai 2013 haben die Klägerin und E die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie weisen darauf hin, die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Finanzgerichtsverfahren betrage nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich 17,5 Monate. Im vorliegenden Verfahren hätten die Klägerin und E gerade unter dem Eindruck der zu Gunsten des E ergangenen Entscheidung des EGMR und des hohen Alters der Kläger eine zügige Entscheidung erwarten können.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihr, auch als Alleinerbin des verstorbenen E, wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Hessischen FG 12 K 3431/06 eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Das Verfahren habe zwar insgesamt fünf Jahre und vier Monate keine Förderung durch das Gericht erfahren. Allerdings sei die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) erhoben worden. Relevant sei allein die am 6. Juni 2012 beim FG eingegangene Verzögerungsrüge. Somit sei die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 ohne Belang. Ggf. könne eine Rückwirkung dieser Verzögerungsrüge bis zum Inkrafttreten angenommen werden. Deswegen komme allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € für die neun Monate ab Zugang der Verzögerungsrüge am 6. Juni 2012 und die Hälfte der sechs Monate bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG in Frage.

Entscheidungsgründe

16

B. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

17

Die Klage ist zulässig, da sie mehr als sechs Monate nach der (letzten) Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012, aber noch vor Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung (§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) erhoben worden ist. Das Urteil wurde mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 11. Oktober 2013 rechtskräftig.

II.

18

Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Soweit diese unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens den Zeitraum vor Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 betrifft, kann weder eine Entschädigung in Geld noch die Feststellung der Unangemessenheit ausgesprochen werden, da es an der nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nötigen unverzüglichen Rügeerhebung fehlt (dazu unter 1.). Für den Zeitraum ab der Rügeerhebung vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200 € zu (dazu unter 3.).

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin --auch als Alleinerbin des E-- weder ein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch eine Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu, da eine unverzüglich i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhobene Rüge nicht vorliegt. Diese Ansprüche sind deshalb präkludiert.

20

a) Gemäß der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist das genannte Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. Für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG bereits verzögert waren, gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge "unverzüglich" nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). Weder die Rüge vom 22. November 2011 (unter aa) noch die vom 4. Juni 2012 erhobene Rüge (unter bb) werden dieser Voraussetzung gerecht. Der Senat kann demzufolge eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG für den Zeitraum bis zum 6. Juni 2012 (unter cc) nicht aussprechen.

21

aa) Die am 22. November 2011 erhobene "vorsorgliche Verzögerungsrüge" kann nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt war das ÜberlVfRSchG --und damit die Vorschrift des § 198 Abs. 3 GVG-- noch nicht in Kraft getreten. Das genannte Gesetz ist am Tag nach seiner Verkündung --d.h. am 3. Dezember 2011-- in Kraft getreten. Eine bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge erfüllt diese Voraussetzung nicht (so auch Senatsurteil vom 7. November 2013 X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b).

22

bb) Die Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 wurde nicht mehr "unverzüglich nach Inkrafttreten" i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhoben.

23

Der Senat hat bereits entschieden, dass im Rahmen der gebotenen normspezifischen Auslegung des in Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG verwendeten Begriffs "unverzüglich" ein Zeitraum von drei Monaten als sachgerecht anzusehen ist (so schon Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d; insoweit folgend auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. April 2014 III ZR 335/13, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967; ebenso BGH-Urteil vom 17. Juli 2014 III ZR 228/13, NJW 2014, 2588). Dieser Zeitraum ist vorliegend überschritten.

24

b) Folge der nicht "unverzüglich nach Inkrafttreten erhobenen" Verzögerungsrüge ist nach Ansicht des Senats, dass zunächst die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG entfällt (vgl. Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b). Nach Ansicht des BGH in NJW 2014, 1967, unter II.1.d aa soll darüber hinaus ein solcher Anspruch nach § 198 GVG für den Zeitraum, der vom Inkrafttreten bis zur Erhebung einer solchen Verzögerungsrüge verstrichen ist, ausgeschlossen sein; dies ergebe sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der Senat dieser Rechtsansicht an und hält an seiner im Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547) geäußerten Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 ÜberlVfRSchG nicht weiter fest.

25

Folglich ist hier eine ggf. vorliegende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer für die Zeit vor der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 nicht möglich.

26

2. Bezogen auf den Zeitraum ab Erhebung der Verzögerungsrüge war die Dauer des Ausgangsverfahrens unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf sechs Monate.

27

a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG (vgl. hierzu und zum Begriff der Angemessenheit im Finanzgerichtsverfahren ausführlich Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.2.).

28

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Ausgangsverfahren für den Zeitraum nach Erhebung der Verzögerungsrüge um sechs Monate in unangemessener Weise verzögert worden.

29

aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.

30

Der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens war als eher überdurchschnittlich anzusehen. Einerseits waren Aufwendungen im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten bei einem Verfahren vor dem EGMR zu beurteilen, für die eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorlag. Zum anderen befand sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen, wenn auch den Zivilprozess betreffend, im Fluss.

31

Die Bedeutung des Ausgangsverfahrens war für die Klägerin und E erheblich. Zum einen waren beide Eheleute bei Klageerhebung im Ausgangsverfahren hoch betagt und zum anderen hatten sie bereits ein Verfahren vor dem EGMR wegen eines überlangen Strafverfahrens anstrengen müssen. Verständlicherweise war ihr Wunsch nach endgültiger Klärung der Streitigkeiten groß, zu denen aus ihrer Sicht auch der Finanzgerichtsprozess um die Anerkennung der Rechtsanwaltsgebühren als Annex zu dem vorangegangenen Strafverfahren und den Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR zu zählen ist.

32

bb) Die Würdigung, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 unangemessen ist, ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.

33

Im Juni 2012 hatte das Ausgangsverfahren bereits fünfeinhalb Jahre gedauert. Faktisch hat es bis zu diesem Zeitpunkt geruht und wurde --trotz der Verzögerungsrüge am 4. Juni 2012-- erst dadurch aufgenommen, dass das FG im Dezember 2012 eine Entscheidung im 1. Quartal 2013 in Aussicht stellte. Demgemäß ist im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2012 (insgesamt sechs Monate) eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens eingetreten.

34

3. Für die Verzögerung des Verfahrens von der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 bis zum November 2012 ist der Klägerin eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 1.200 € zuzusprechen.

35

a) Das Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.6.a).

36

b) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG wäre im Streitfall für die unangemessenen Verzögerungszeiträume ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreichend. Dafür spricht vor allem, dass das FG auf die zahlreichen Versuche der Klägerin und des E, es zu einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist zu bewegen, gar nicht reagiert und ihnen nicht einmal einen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, ab dem mit einer Verfahrensförderung zu rechnen sei. In diesem Fall ist offensichtlich, dass die Klägerin und E aus nachvollziehbaren Gründen an einer zügigen Entscheidung interessiert und infolgedessen von der Verfahrensverzögerung in stärkerem Maße betroffen waren.

37

c) Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus dem hohen Alter der Klägerin und des E noch daraus, dass dieses Ausgangsverfahren seinen Ursprung in einem erfolgreichen Verfahren vor dem EGMR hatte.

38

Auch wenn im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, kann dieser im konkreten Fall nach Monaten bemessen werden (ebenso bereits Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179).

39

d) Der Klägerin ist für den erlittenen immateriellen Nachteil für sich und E jeweils ein Entschädigungsbetrag von 600 € zu zahlen.

40

aa) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist (weiterführend: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014  5 C 1/13 D, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3). Verfahrensbeteiligt waren bei Klageerhebung die Klägerin und ihr während des Klageverfahrens verstorbener Ehemann, als dessen Alleinerbin die Klägerin das Klageverfahren fortführt.

41

bb) Der Entschädigungsanspruch des E ist vererblich, entspricht die Entschädigung doch einem Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden (zur Vererblichkeit eines solchen Anspruchs vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz 22, m.w.N.).

42

Diese Vererblichkeit wird auch nicht durch die Regelung in § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ausgeschlossen (so auch Zöller/ Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG, Rz 11, unter Hinweis auf Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rz 267). Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage (...) der Anspruch nicht übertragbar (ist)". Diese Vorschrift, die § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nachgebildet worden ist, soll jedoch allein die Pfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und damit den Handel mit dem Anspruch verhindern (vgl. BTDrucks 17/3802, 36).

43

4. Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

45

Die Klägerin und E haben eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € beantragt.

46

Der Klägerin ist --auch als Alleinerbin des E-- eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € zuzusprechen, so dass sie zu 1.200/8.400, also zu 1/7 obsiegt hat.

47

6. Mit Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 155 Satz 2 FGO) hat der erkennende Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 228/13
Verkündet am:
17. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 198 Abs. 3 Satz 1; ÜGRG Art. 23 Satz 2

a) Die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge
betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit einer
Entschädigungsklage nach § 198 GVG.

b) Eine Verzögerungsrüge ist noch "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2
ÜGRG erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des
Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht eingegangen
ist (Anschluss an Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW
2014, 1967).
BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - OLG Rostock
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land im Wege der Feststellungs- und Leistungsklage auf Entschädigung für materielle und immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Zivilrechtsstreits in Anspruch.
2
Das Ausgangsverfahren betrifft einen Zivilprozess, der im Januar 2001 vor dem Landgericht S. eingeleitet wurde und Schadensersatzansprüche des Klägers wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung eines Vertrags zur Jungviehaufzucht zum Gegenstand hat. Hinsichtlich eines Betrags von 30.000 € erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erle- digt. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und mehrerer ergänzender Stellungnahmen erging am 21. April 2009 ein Teilurteil. Soweit das Landgericht darin auf Zahlung eines Betrags von rund 44.000 € an den Kläger erkannte, wurde das Urteil rechtskräftig. Im Übrigen wurde es durch Berufungsurteil des Oberlandesgerichts R. vom 1. Oktober 2009 aufgehoben. Im weiteren Verfahrensgang holte das Landgericht ein Obergutachten ein und verkündete schließlich am 23. März 2012 ein Schlussurteil, in dem es dem Kläger weitere 116.700 € zusprach. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es befindet sich derzeit im Berufungsrechtszug.
3
Mit Anwaltsschriftsatz vom 28. Dezember 2011, der am 30. Dezember 2011 beim Landgericht einging, erhob der Kläger eine Verzögerungsrüge unter Hinweis auf § 198 GVG. Bereits zuvor hatte er am 8. April 2004 und 16. Januar 2009 förmliche Untätigkeitsbeschwerden erhoben, die das Oberlandesgericht als unzulässig verwarf. Einen mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 gegenüber der Justizverwaltung geltend gemachten Anspruch auf immateriellen Scha- densersatz in Höhe von 10.000 € lehnte der Präsident des Landgerichts mit Bescheid vom 11. Mai 2011 ab. Die dagegen an das Justizministerium des beklagten Landes gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
4
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. April 2012, der am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht R. einging, reichte der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage ein, die dem Beklagten - nach verzögerter Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses durch den Kläger - erst am 9. August 2012 zugestellt wurde.
5
Der Kläger hat geltend gemacht, die streitgegenständliche Verfahrensdauer von inzwischen mehr als elf Jahren sei schon dem ersten Anschein nach nicht mehr angemessen. Der derzeit noch nicht bezifferbare materielle Schaden resultiere daraus, dass ihm während der Prozessdauer ein Betrag von nahezu 200.000 € vorenthalten worden sei. Wegen der erlittenen Existenzängste und des offenkundigen Desinteresses der Justiz an der Bearbeitung seiner Ansprüche sei eine Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von mindestens 50.000 € gerechtfertigt. Da er die Verfahrensdauer kontinuierlich beanstandet habe, komme es auf die am 30. Dezember 2011 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr an.
6
Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


8
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Entschädigungsklage sei unzulässig. Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf das seit Januar 2001 anhängige Ausgangsverfahren anwendbar. Die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG habe der Kläger zwar nicht einhalten müssen, weil das verzögerte erstinstanzliche Verfahren bei Erhebung der Entschädigungsklage am 23. April 2012 bereits abgeschlossen gewesen sei und die Verzögerungsrüge deshalb die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Funktion nicht mehr habe entfalten können. Der Kläger habe jedoch die Vorgabe des Art. 23 Satz 2 ÜGRG, wonach die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (am 3. Dezember 2011) zu erheben sei, nicht erfüllt. Die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei mehr als drei Wochen und sechs Tage nach diesem Zeitpunkt erhoben worden. Sie sei daher verspätet, da "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeute. Die in der Regel als Obergrenze anzunehmende Frist von zwei Wochen gelte auch im Streitfall. Die neue Entschädigungsregelung sei frühzeitig Gegenstand von Fachpublikationen gewesen. Der eindeutige Gesetzeswortlaut habe dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt sein müssen. Der Kläger sei daher zur Wahrung seiner Rechte gehalten gewesen, eine Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GV binnen zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben. Er könne sich auch nicht darauf berufen, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung mehrfach gerügt zu haben. Frühere Beanstandungen der Verfahrensdauer stünden einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht gleich.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
11
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts betrifft die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Entschädigungsklage.
12
Die am 30. Dezember 2011 beim Landgericht eingegangene Verzögerungsrüge ist "unverzüglich" nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) erhoben worden. Sie hat damit gemäß Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG Entschädigungsansprüche auch für den der Rüge vorausgehenden Zeitraum gewahrt.
13
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das im Januar 2001 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.
14
2. Anders als das Oberlandesgericht meint, hat das Fehlen einer Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG) oder die nicht unverzügliche Erhebung einer solchen Rüge (Art. 23 Satz 2 ÜGRG) nicht die Unzulässigkeit der Ent- schädigungsklage zur Folge. Vielmehr ist die Verzögerungsrüge als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs konzipiert und nicht als Zulässigkeitskriterium für dessen prozessuale Geltendmachung (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG normiert als zwingende Entschädigungsvoraussetzung , dass der Betroffene in dem Verfahren, für dessen Dauer er entschädigt werden möchte, eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Dabei handelt es sich um eine haftungsbegründende Obliegenheit (Senatsurteile vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/14, NJW 2014, 1967 Rn. 21; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 24 und BSG, NJW 2014, 253 Rn. 27). Wird die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben, hat dies zur Folge, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer bis zum Rügezeitpunkt materiell-rechtlich präkludiert sind (grundlegend Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO Rn. 27 ff). Die Zulässigkeit der Klage bleibt davon unberührt (vgl. BFHE aaO; BSG aaO).
15
3. Entgegen der Auffassung der Revision haben die förmlichen Untätigkeitsbeschwerden des Klägers vom 8. April 2004 und 16. Januar 2009 sowie sein Schadensersatzverlangen vom 22. Januar 2009 die Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht entbehrlich gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss in anhängigen, bereits verzögerten Verfahren die Verzögerungsrüge "unverzüglich nach Inkrafttreten" des Gesetzes erhoben werden. Allein dadurch wird der Entschädigungsanspruch rückwirkend in vollem Umfang gewahrt (Art. 23 Satz 3 ÜGRG; BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrügen erfüllen diese Voraussetzung nicht. Da sie keine präventive Warnfunktion im Sinne der §§ 198 ff GVG entfalten konnten, sind sie nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch zu begründen (BFHE aaO Rn. 25; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2010). Dementsprechend bestimmt Art. 23 Satz 4 ÜGRG, dass es einer Verzögerungsrüge dann nicht bedarf, wenn bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer - bei Inkrafttreten des Gesetzes - schon abgeschlossenen Instanz erfolgt ist (siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S. 31).
16
4. Dem Oberlandesgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass die Einhaltung der Wartefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG im Streitfall entbehrlich war. Allerdings hat das Gericht zugleich verkannt, dass die Entschädigungsklage nicht schon am 23. April 2012 (Fertigung der am 26. April beim Oberlandesgericht eingegangenen Klageschrift), sondern erst am 9. August 2012 (Zustellung der Klageschrift an den Beklagten) - mithin nicht vorzeitig - erhoben worden ist.
17
a) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der Verzögerungsrüge gerichtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13, BeckRS 2014, 12289 Rn. 17). Zugleich sollen die Entschädigungsgerichte vor verfrühten Entschädigungsklagen geschützt werden (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 245). Die Einhaltung der Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig. Es liegt kein heilbarer Mangel vor. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für die Einhaltung der Wartefrist allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Zudem könnte andernfalls die vorgenannte Schutzfunktion der Frist für die Entschädigungsgerichte unterlau- fen werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 152, 154; Ott aaO § 198 GVG Rn. 247, 250; anders Loytved, SGb 2014, 293, 295 f für den Fall, dass bei Klageerhebung bereits mehrere Monate seit der Verzögerungsrüge vergangen sind).
18
b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Entschädigungsklage ausnahmsweise vorzeitig erhoben werden, wenn das betroffene Verfahren schon vor Fristablauf beendet wurde. Ein Abwarten der Frist würde insofern im Hinblick auf den Zweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG keinen Sinn mehr machen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG teleologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist abgeschlossen wurde, bereits vom Moment des Verfahrensabschlusses an eine Entschädigungsklage zulässig ist (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 aaO Rn. 17). So liegt der Fall hier aber nicht.
19
Das Ausgangsverfahren ist noch nicht beendet, da das am 23. März 2012 verkündete Schlussurteil des Landgerichts mit der Berufung angefochten wurde. Vor dem Hintergrund des Zwecks des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG - das Ausgangsgericht soll genügend Zeit haben, das Verfahren zu fördern und in angemessener Zeit abzuschließen oder jedenfalls eine weitere Verzögerung zu vermeiden - besteht keine Veranlassung, auf das Fristerfordernis bereits dann zu verzichten, wenn lediglich die Instanz, auf deren Dauer das Entschädigungsverlangen gestützt wird und in der die Verzögerungsrüge erhoben wurde, vor Ablauf von sechs Monaten nach Rügeerhebung abgeschlossen wurde (so aber Marx aaO § 198 GVG Rn. 150 f). Das zunächst verzögerte Verfahren kann in einer höheren Instanz besonders zügig geführt werden, so dass die Wahrung der Sechs-Monats-Frist auch nach Abschluss einer Instanz sinnvoll ist. Sie gibt nämlich dem Rechtsmittelgericht Gelegenheit, eine in der Vorinstanz eingetretene Verzögerung zu kompensieren. Demgemäß muss das Entschädigungsgericht bei der abschließenden Würdigung nach § 198 Abs. 1 GVG das gesamte Verfahren in den Blick nehmen und prüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses ausgeglichen wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37; vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW 2014, 1967 Rn. 39). Es ist zudem nicht erkennbar, dass ein Zuwarten von wenigen Wochen oder Monaten bis zum Ablauf der Frist eine nennenswerte Einschränkung des Rechtsschutzes für den Entschädigungskläger darstellen würde (vgl. Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 166).
20
c) Der Kläger hat die sechsmonatige Wartefrist eingehalten. Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 222 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB (Marx aaO § 198 GVG Rn. 153; Ott aaO § 198 GVG Rn. 249). Für den Beginn der Frist war der Eingang der Verzögerungsrüge am 30. Dezember 2011 als Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB maßgebend. Die Frist endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 30. Juni 2012. Der Umstand, dass die Entschädigungsklage bereits am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht wurde, ist unschädlich. Vielmehr ist entscheidend , dass die Klage, nachdem der Kläger den Gerichtskostenvorschuss gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. KV Nr. 1212 erst am 7. August 2012 eingezahlt hatte, an das beklagte Land am 9. August 2012 zugestellt worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Wartefrist ist nach dem klaren Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht die Einreichung, sondern die Erhebung der Entschädigungsklage (Marx aaO Rdnr. 154). Letztere erfolgt nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, sobald die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG eingezahlt ist.
21
Eine Rückwirkung der Zustellung der Klageschrift nach § 167 ZPO kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht. Die Vorschrift soll den Zustellungsveranlasser vor den Nachteilen aus Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahren (vgl. nur Senatsurteil vom 6. März 2008 - III ZR 206/07, NJW 2008, 1674 Rn. 12 mwN), ihm aber nicht - umgekehrt - einen Nachteil zufügen. Aus diesem Grund besteht vorliegend auch keine Veranlassung zu prüfen, ob der Kläger alles Erforderliche unternommen hat, um eine zügige Zustellung zu gewährleisten.
22
5. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei nicht "unverzüglich" im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden, wird von der Revision zu Recht beanstandet. Diese Frage hat der Senat - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - mit Urteil vom 10. April 2014 (III ZR 335/13, NJW 2014, 1967) grundlegend dahin entschieden, dass eine Verzögerungsrüge noch "unverzüglich" erhoben ist, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht einging. Da die neue Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten ist, lag die Verzögerungsrüge noch innerhalb der dem Kläger eingeräumten Zeitspanne.
23
Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig , aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge "unverzüglich" erhoben werden.
24
Da das Oberlandesgericht zu dem bestrittenen Vorbringen des Klägers, das Ausgangsverfahren hätte bei angemessener Verfahrensförderung innerhalb eines Jahres vollständig abgeschlossen werden können, keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass das Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§ 198 ff GVG bereits erheblich verzögert war.
25
"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).
26
Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können , ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO 25 mwN). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Der Senat hat deshalb eine Drei-Monats-Frist für erforderlich gehalten, um den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes zu entsprechen und den Betroffenen in allen Fällen ausreichend Zeit für die Prüfung zu geben, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist (Senatsurteil aaO; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 31 ff; Loytved, SGb 2014, 293, 295).

III.


27
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht wird nunmehr erstmals zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1, 2 GVG vorliegen.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Rostock, Entscheidung vom 22.05.2013 - 1 SchH 2/12 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.