Landessozialgericht NRW Beschluss, 08. Juni 2015 - L 11 KR 202/15 B ER
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.03.2015 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine Sitzwache jeweils von 22.00 Uhr bis 08.00 Uhr zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 31.12.2015, zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungssicherungspflege) für eine Sitzwache an sieben Nächten pro Woche.
4Der am 00.00.1923 geborene Antragsteller leidet unter diversen Erkrankungen. Zufolge des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 20.04.2010 liegen die Voraussetzungen für die Pflegestufe III mit einem grundpflegerischen Hilfebedarf von 259 Minuten aufgrund eines schwergradigen Schlafapnoe-Syndroms, Erstdiagnose 11/2009, nächtlicher Apnoe-Phasen, von Tagesmüdigkeit und pulmonaler Minderbelastbarkeit, nächtlicher nicht-invasiver Beatmung, eines Parkinsonsyndroms mit allgemeiner Bewegungseinschränkung, von Tremor der Hände sowie fortschreitender Demenz mit aufgehobener Alltagskompetenz, Stuhl- und Harnteilinkontinenz, Zustand nach Apoplex, Zustand nach Prostata-Operation, Arrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern und Diabetes mellitus Typ 2 vor. Der Antragsteller wird beatmet mit "Biphasic Positive Airway Pressure" (BIPAP), einem Verfahren der druckkontrollierten Beatmung - kombiniert mit Spontanatmung - durch ein Beatmungsgerät.
5Der Antragsteller ist seither vielfach in Krankenhausbehandlung gewesen, teils wurde er wegen nächtlicher Luftnot mit einem Notfallrettungswagen eingeliefert. Vom 09.08. bis 13.08.2014 befand er sich stationär im Knappschaftskrankenhaus C wegen Zustand nach Lungenarterien-Embolie, chronischer Herzinsuffizienz, NYHA Heart Association Grad III, kombiniertem Aortenklappenvitium, absoluter Arrhythmie bei chronischem Vorhofflimmern, art. Hypertonus, Diabetes mellitus, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung Stadium II nach GOLD mit Langzeit-Sauerstoff-Therapie, obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom mit BIPAP-Therapie sowie nächtlichem Cheyne-Stokes-Atemmuster ohne Sättigungsabfälle. Eine nächtliche BIPAP-Betreuung wurde als notwendig gesehen.
6Im Jahr 2014 hat der Antragsteller über seine bevollmächtigte Tochter beantragt, die Kosten für eine Sitzwache pro Nacht zur Überwachung der BIPAP-Atmung zu übernehmen. Er sei nicht in der Lage, in irgendeiner Weise einzugreifen, z.B. die Maske zu richten oder auf Meldungen des Geräts zu reagieren. Auch seine Tochter kenne sich mit dem Gerät nicht aus. Sie pflege ihn den ganzen Tag, sei daher körperlich nicht mehr in der Lage, auch noch Nachtwachen zu übernehmen.
7Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 11.09.2014). Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 05.02.2015). Hiergegen richtet sich die zum Az. S 49 KN 172/15 KR vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund anhängig gemachte Klage. Mit weiterem Bescheid vom 05.01.2015 wurde die beantragte Sitzwache neuerlich abgelehnt. Der Widerspruch vom 13.01.2015 blieb wiederum erfolglos (Bescheid vom 19.02.2015). Die Klage ist zum Az. S 49 KN 267/15 KR vor dem SG Dortmund anhängig.
8Die behandelnde Ärztin verordnete eine Sitzwache zur Überwachung der BIPA-Beatmung für die Zeit vom zunächst 02.12.2014 bis 16.12.2014 und seither fortlaufend.
9Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des Knappschaftskrankenhauses C vom 01.10.2014 ein. Danach war eine betreute BILEVEL-Beatmungstherapie (Synonym für eine Beatmung mittels BIPAP) indiziert.
10Der Antragsteller hat am 20.01.2015 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat darauf verwiesen, neuerlich vom 29.01.2015 bis 30.01.2015 stationär im St. K-Hospital C-M behandelt worden zu sein. Ausweislich des Arztbriefs vom 02.02.2015 sei ein konsequenter und regelmäßiger Einsatz der BIPAP-Therapie auch nachts notwendig. Eine weitere stationäre Behandlung habe sich vom 04.02. bis 10.02.2015 im Knappschaftskrankenhaus C angeschlossen. Wiederum habe man eine kontinuierliche BIPAP-Heimbeatmung als indiziert angesehen. Seine Ärztin habe erklärt, auch über den 06.06.2015 hinaus Folgeverordnungen auszustellen. Die zuvor zuständige Techniker Krankenkasse habe die Kosten für eine nächtliche Sitzwache bis zum 28.09.2013 übernommen.
11Der Antragsteller hat beantragt,
12die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ab sofort für die Dauer der ärztlichen Verordnung zu übernehmen.
13Die Antragsgegnerin hat beantragt,
14den Antrag zurückzuweisen.
15Eine Leistungsanordnung sei nur begründet, wenn ein wirksamer und effektiver Rechtsschutz wegen der langen Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht rechtzeitig erlangt werden könne und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führe, die bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. So sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" obsiegen werde. Streitgegenständlich sei die Übernahme der Kosten einer nächtlichen Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege. Ausweislich der Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 28.08.2014 sei eine qualifizierte nächtliche Behandlungspflege nicht erforderlich. Auch bei längerer Nichtnutzung der Überdruckatmung bestehe keine vitale Bedrohung.
16Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung eines Befundberichts der behandelnden Ärztin vom 22.01.2015. Nach deren Auffassung sei eine kontinuierliche Beatmungspflege notwendig, allerdings nicht sichergestellt und von der Tochter auch nicht zu gewährleisten.
17Mit Beschluss vom 10.03.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Klage sei offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Sitzwache zur Überwachung der Maskenbeatmung. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Es habe sich nicht feststellen lassen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Interventionen bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich seien und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. Schon lebensbedrohliche Situationen würde nicht auftreten. Auf die von der verordnenden Ärztin geäußerten Ansicht könne der Antragsteller sich nicht berufen. Die Ärztin verkenne, dass die vitale Bedrohung als Voraussetzung der Verordnungsfähigkeit der speziellen Krankenbeobachtung nicht nach längerer Nicht-Nutzung als eine Langzeitfolge eintrete, sondern täglich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ausbleiben der Beatmung entstehen müsse. Ungewiss müssten lediglich die genauen Zeitpunkte sowie das Ausmaß der lebensbedrohlichen Situationen sein. Derartiges lasse sich aus dem Krankenhausbericht vom 03.02.2015 nicht entnehmen, da dort ausgeführt werde, dass der Antragsteller unter einer schweren schlafbezogenen Atmungsstörung mit Cheyne-Stokes-Atmung leide, welche aktuell unter BIPAP-ST mit 8/14 mbar gut eingestellt sei. Die stationäre Behandlung sei zur elektiven polysomnographischen Kontrolluntersuchung der BIPAP-ST-Therapie erfolgt, wobei sich eine effiziente Therapieeinstellung gezeigt habe. Zahlreiche Phasen mit Cheyne-Stokes-Atmung seien durch die BIPAP-ST-Therapie effektiv kupiert worden. Aus dem Bericht folge entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, dass lebensbedrohliche Situationen drohten. Statt dessen werde ausgeführt, dass mit Blick auf die schwere Linksherzinsuffizienz ein konsequenter und regelmäßiger, d.h. jede Nacht erfolgter Einsatz der Therapie für dringend geboten gehalten werde, sofern hierzu Unterstützung durch eine Pflegekraft erforderlich sei, wäre dies zu befürworten. Der Krankenhausarzt stelle damit gerade nicht die Notwendigkeit einer nächtlichen Sitzwache fest, sondern lediglich eine Erforderlichkeit der konsequenten und regelmäßigen Nutzung der BIPAP-Beatmung. Eine medizinische Notwendigkeit lasse sich hieraus nicht herleiten. Die Feststellungen des SMD bestätigten dies. Der SMD habe nach einem Hausbesuch in seiner Stellungnahme vom 28.08.2014 ausgeführt, dass eine qualifizierte nächtliche Behandlungspflege nicht erforderlich sei, weil auch bei längerer Nicht-Nutzung der Überdruckbeatmung keine vitale Bedrohung entstehe. Die weitere Stellungnahme vom 17.12.2014 stimme damit überein: Die aktuelle Therapieform mit BIPAP-ST erfülle zwar die formalen Definitionskriterien einer Beatmung in Anlehnung an die Definition der Deutschen Kodier-Richtlinien, allerdings keinesfalls im Sinne einer unmittelbar lebenserhaltenden "Heimbeatmung". Vielmehr werde eine schlafbezogene Atmungsstörung behandelt und somit allein eine Therapie unter prognostischen Gesichtspunkten i.S.e. positiven Beeinflussung kardiovaskulärer Risikofaktoren bzw. einer symptomatischen Besserung der Tagesmüdigkeit vorgenommen. Die Behandlung sei einschließlich der zum Einsatz gebrachten Medizinprodukte explizit für die nicht-überwachte, eigenständige, häusliche/nächtliche Behandlung ausgelegt. Eine unmittelbare Lebensgefahr sei weder bei Diskonnektion des Schlauchsystems, noch bei Verrutschen der Maske oder Ausfall des Atemtherapiegerätes zu befürchten. Auch ergebe sich keinerlei Notwendigkeit, Beatmungsparameter im Verlauf einer Nacht anzupassen, die verwendeten Geräte würden im Gegenteil nicht einmal über die Möglichkeit der Veränderung von Beatmungsparametern durch den Patienten und/oder Angehörige verfügen.
18Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der Beschwerde an. Das SG stütze sich darauf, dass der SMD eine lebensbedrohliche Situation verneint habe. Allerdings habe der SMD zugestanden, dass es durch die falsche Anwendung, durch das Verrutschen der Maske oder ähnliches zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen könne. Die Schlafapnoe führe dazu, dass eine Sauerstoffentsättigung eintrete. Deswegen müsse mittels der BIPAP-Therapie die nächtliche Sauerstoffversorgung sichergestellt sein. Die Maske könne verrutschen. Sie könne abgenommen und dann nicht wieder aufgesetzt werden. Die Schläuche könnten verknoten. Die Stellungnahme des SMD sei deshalb nicht so zu verstehen, wie das SG unterstellt habe. Im Übrigen habe sich das Gericht auf die Bescheinigung von Dr. L in seinem Arztbericht vom 02.02.2015 gestützt. Hiermit konfrontiert habe dieser Arzt in seiner Stellungnahme vom 25.03.2015 klargestellt, dass aus seiner Sicht eine nächtliche Betreuung durch eine geschulte Pflegekraft erforderlich sei, da nur so ein maximaler Therapieerfolg erreichbar sei. Bis er - der Antragsteller - die Krankenkasse gewechselt habe, sei ihm über Jahre hinweg eine Sitzwache finanziert worden. Sein Zustand habe sich verschlechtert. Im Übrigen habe sich das SG nicht mit der Stellungnahme von Prof. Dr. T, Knappschaftskrankenhaus C, vom 01.10.2014 auseinandergesetzt, welcher die Durchführung einer betreuten BILEVEL-Beatmungstherapie zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung als indiziert angesehen habe
19Der Antragsteller hat mit der Beschwerdeschrift zunächst beantragt,
20unter Abänderung des Beschluss S 49 KN 81/15 KR ER des SG Dortmund vom 10.03.2015 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege für die Zeit vom 20.10.2015 bis zum 31.03.2015 und darüber hinaus zu übernehmen.
21Auf Hinweis des Senats vom 13.05.2015 hat er den Antrag abgeändert. Er beantragt nunmehr
22die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Sitzwache für die Zeit von 22.00 Uhr abends bis 8.00 Uhr morgens, soweit verordnet, zu stellen.
23Die Antragsgegnerin beantragt,
24die Beschwerde zurückzuweisen.
25Die Entscheidung des SG entspreche der Sach- und Rechtslage. Eine vitale Bedrohung bei längerer Nichtnutzung sei nicht nachgewiesen. Eine zwingende medizinische Notwendigkeit für eine nächtliche Sitzwache sei nicht belegt.
26Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den in Kopie vorliegenden Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.
27II.
28Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
291. Der Antrag ist auszulegen.
30a) Ursprünglicher Antrag
31aa) Erstinstanzlich hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ab sofort für die Dauer der ärztlichen Verordnung zu übernehmen. Der Antrag wurde am 20.01.2015 rechtshängig. Die Sitzwache war bis zum 31.03.2015 verordnet. Der Beschluss des SG erging am 10.03.2015. Zu diesem Zeitpunkt war der Antrag nicht überholt. Die beim SG erhobene Beschwerde ging dort am 02.04.2015 ein und wurde am 07.04.2015 (Eingang) an das Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet. Zu diesem Zeitpunkt war das Rechtsschutzbedürfnis für den erstinstanzlich gestellten Antrag entfallen. Soweit zunächst beantragt wurde, die Kosten für die Sitzwache für die Zeit vom 20.01.2015 bis 31.03.2015 zu übernehmen, wäre die Beschwerde mithin unzulässig.
32bb) Anders verhält es sich mit dem Antrag, die Kosten "darüber hinaus zu übernehmen".
33(1) Dieser Antrag ist unbestimmt und zu präzisieren. Der Antragsteller hat die von ihm angestrebte Dauer der Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten für eine Sitzwache zu übernehmen, erstinstanzlich davon abhängig gemacht, dass die behandelnde Ärztin entsprechende Verordnungen ausgestellt hat. Auch im Beschwerdeverfahren hat er sich hierauf bezogen. So hat er in der Beschwerdeschrift darauf verwiesen, dass diese Ärztin am 16.03.2015 eine weitere Sitzwache bis zum 13.04.2015 verordnet habe. Dies deutet darauf hin, dass der Antragsteller die Kostenübernahmeverpflichtung von jeweils einer Verordnung der Ärztin abhängig macht. Indessen war dieser Zeitraum vom Antrag nicht erfasst und damit nicht streitbefangen. Mit der Beschwerde wird mithin der Streitgegenstand verändert. Das ist rechtlich unproblematisch, sofern hierin keine Antragsänderung gesehen wird. Wird hingegen angenommen, dass der Antragsgrund geändert wird, wäre dies nur unter den Voraussetzungen des auch im Beschwerdeverfahren anwendbaren § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Voraussetzungen dieser Norm wären erfüllt. Die Antragsgegnerin hat sich mit ihrem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, auf den geänderten Antrag eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG). Dennoch müsste die Beschwerde scheitern. Denn auch dieser Zeitraum (bis 31.03.2015) wäre überholt. Es würde das Rechtsbedürfnis fehlen.
34(2) Ungeachtet dessen war dieser Antrag aus anderem Grund problematisch. So wie vom Antragsteller formuliert, fehlt ihm jegliche zeitliche Begrenzung. Die Wortfolge "darüber hinaus" hat einen unendlichen Zukunftsbezug. Das ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Mit Schriftsatz vom 13.05.2015 hat der Antragsteller sein Vorbringen ergänzt und nunmehr darauf hingewiesen, dass die behandelnde Ärztin für die Zeit vom 08.05.2015 bis 08.06.2015 eine neue Verordnung ausgestellt habe und weitere Verordnungen ausstellen werde. Bei sachgerechter Auslegung dieses Vorbringens anhand der durch § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgegebenen Kriterien erfasst die Wendung "darüber hinaus zu übernehmen" daher jede Folgeverordnung. Der Antrag war daher darauf gerichtet, die Antragsgegnerin zur Kostenübernahme zu verpflichten, solange und soweit die behandelnde Ärztin entsprechende Verordnungen ausstellt. Ihm geht es trotz des ursprünglichen Kostenübernahmeantrags allerdings letztlich um die aktuelle Sicherung der nächtlichen Sitzwache. Er hat dieserhalb das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht. Die vorläufige Regelung kann sich deswegen allenfalls auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens richten. Da das Ergebnis ggf. von einer noch durchzuführenden Beweisaufnahme bestimmt wird, muss der Antrag sinnvollerweise auf die Dauer des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren beschränkt bleiben. Mit dessen Abschluss wird die Sach- und Rechtslage vertieft geprüft worden sein. In der Folge wird sich eine neue Bewertung zu Gunsten oder zu Lasten des Antragstellers eröffnen. Ein über diesen Zeithorizont hinausgehender Antrag hätte spekulativen Charakter und kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. Demnach war der Antrag dahin auszulegen, dass der Antragsteller eine Kostenübernahme für die Sitzwachen bis längstens zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren begehrt, allerdings abhängig davon, dass die behandelnde Ärztin entsprechende Verordnungen ausstellt.
35cc) Der ursprüngliche Antrag leidet unter einem weiteren Mangel.
36(1) Eine Kostenübernahme für die Vergangenheit ist dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren fremd. Stattgebende Entscheidungen im vorläufigen Verfahren sind grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an möglich, weil nur solche Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch (nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich) und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet (z.B. LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2011 - L 9 KR 283/10 B ER -). Hieraus folgt, dass die Beschwerde insoweit keinen Erfolg hätte.
37(2) Der Senat hat den Antragsteller unter dem 13.05.2015 auf diese Rechtslage hingewiesen und angeregt, einen sachdienlichen Antrag zu stellen (§ 106 Abs. 1 SGG). Dem ist der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.05.2015 nachgekommen. Der Senat hat vorsorglich darauf hingewiesen, dass ein geänderter Antrag an der auch im Beschwerdeverfahren (§ 153 Abs. 1 SGG) anwendbaren Regelung des § 99 SGG zu messen ist.
38(3) Die Prüfung führt zu folgendem Ergebnis: Der Antragsteller hat ursprünglich einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Nunmehr ist der Antrag darauf gerichtet, eine Sitzwache zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Der jeweilige Lebenssachverhalt und die Anträge weichen voneinander ab. Damit ist der geänderte Antrag nur zulässig, wenn die Antragsgegnerin einwilligt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Die Antragsgegnerin hat sich hierzu aus Zeitgründen bislang nicht äußern können. Das ist entbehrlich, denn der Senat erachtet die Antragsänderung als sachdienlich. Maßgebend hierfür sind die Interessen der Beteiligten und die Prozessökonomie (Eschner, in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 99 Rdn. 99; Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Auflage, 33. Nachtrag, § 99 II/61-32). Die prekäre gesundheitliche Situation des Antragstellers verlangt wegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) eine großzügige Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs "sachdienlich". Auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten erscheint es sinnwidrig, die Beschwerde zurückzuweisen, weil der Antragsteller zunächst einen Kostenübernahmeantrag gestellt hat, um ihn dann auf ein neues Antragsverfahren zu verweisen, nunmehr gerichtet auf die entsprechende Sachleistung.
392. In der Sache erweist sich die Beschwerde als begründet. Zur Überzeugung des Senats ist die in der Hauptsache anhängig gemachte Klage entgegen der Rechtsmeinung des SG nicht offensichtlich unbegründet. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gegeben.
40a) Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (grundsätzlich summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 -). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 und 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (Senat, Beschlüsse vom 12.08.20313 - L 11 KA 92/12 B ER - und 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14.01.2015 - L 11 KA 44/14 B ER -, 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER - und 21.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
41b) Ausgehend von diesen Maßstäben kann die Beschwerde für die Zeit bis zum 08.06.2015 (Entscheidung des Senats) schon wegen Zeitablaufs keinen Erfolg haben. Es fehlt an dem für einen Anordnungsgrund erforderlichen Regelungsbedürfnis. Dieses besteht grundsätzlich nur für die Zukunft. In einem Verfahren, das auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach demjenigen Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Dies bedeutet, dass ein Anordnungsgrund grundsätzlich ausscheidet, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden (z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.2011 - L 9 KR 284/11 B ER -).
42Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume gebieten, wenn andernfalls bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen ließen. Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere würden gegenüber dritten Personen eingegangene Verbindlichkeiten nicht ausreichen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2008 - L 9 B 600/07 KR ER -).
43Stattgebende Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind demnach grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an möglich, weil nur solche Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch (nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich) und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2011 - L 9 KR 283/10 B ER -).
44c) Hinsichtlich der Zeit ab 09.06.2015 ist die Beschwerde begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind erfüllt. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen.
45Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 13 Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)). Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R -; Senat, Beschluss vom 18.11.2012 - L 11 KR 179/12 B ER -).
46Ob die Voraussetzungen der das Gesetz konkretisierenden Nr. 24 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) i.d.F. vom 17.09.2009 (letzte Änderung: 17.07.2014, BAnz AT 06.10.2014 B2; in Kraft getreten am 07.10.2014) vorliegen, kann jedenfalls dann dahinstehen, wenn medizinisch notwendige Maßnahmen im Streit stehen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind, sie verstoßen aber gegen höherrangiges Recht, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen enthalten. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ermächtigt ist, den Begriff der Krankheit in § 27 Abs. 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen zu bestimmen, ist er befugt, medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege auszunehmen. Die HKP-Richtlinien binden die Gerichte insoweit nicht (BSG, Urteil vom 10.11.2005, a.a.O.; vgl. auch LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -).
47Nach den eingeholten medizinischen Stellungnahmen spricht einiges dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf 10 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche Behandlungssicherungspflege hat. Dies beruht auf einer Auswertung der Einschätzungen
48- des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. I - vom 18.08.2014, worin eine 10stündige Behandlungs- und Intensivpflege täglich bescheinigt wird, - vom 01.12.2014, wonach eine Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der BIPAP-Beatmung erforderlich ist; - des Thoraxzentrums Ruhrgebiet, derzufolge der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich die Maske selbst auf- und abzusetzen und das Gerät zu bedienen (Entlassungsbrief vom 08.07.2014); - des Knappschaftskrankenhauses C - vom 13.08.2014, wonach wegen der nächtlich notwendigen BIPAP-Beatmung eine Hilfs-/Betreuungsnotwendigkeit besteht; - vom 01.10.2014, derzufolge eine betreute BILEVEL Beatmungstherapie zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung und zur Vermeidung stationärer Aufenthalte indiziert ist; - vom 06.02.2015, derzufolge die Indikation für eine kontinuierliche BIPAP-Heimbeatmung gegeben ist; - der behandelnden Ärztin Dr. N - in der Bescheinigung vom 25.09.2014, wonach der Patient infolge des dementiellen Syndroms nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen; - im Befundbericht vom 22.01.2015, nach dem eine kontinuierliche Beatmungspflege notwendig, aber nicht gewährleistet ist; - von Dr. L (St. K-Hospital C) in der Stellungnahme vom 25.03.2015, nach der eine nächtliche Betreuung durch eine geschulte Pflegekraft erforderlich ist.
49Die Vitalfunktion kann möglicherweise lebensbedrohlich gestört werden. Dies folgt aus - dem Entlassungsbrief des Thoraxzentrums Ruhrgebiet vom 08.07.2014, wonach es dem Patienten bei Panikattacken physisch nicht möglich ist, sich selbst von der Maske zu befreien; - der Bescheinigung der behandelnden Ärztin Dr. N vom 25.09.2014, derzufolge es ohne Fremdhilfe zu einer Verschlechterung der respiratorischen und kardialen Situation mit Dekompensation und rascher notärztlicher und stationärer Versorgungsnotwendigkeit kommen kann.
50Die Stellungnahmen bzw. Gutachten des SMD vom 28.08.2014 und 17.12.2014 überzeugen demgegenüber nicht vollends, da sie die insoweit nicht verbindliche HKP-Richtlinie ihrer Prüfung zugrunde legen und ihre Argumentation an die Voraussetzungen von Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses (spezielle Krankenbeobachtung) geknüpft haben. Die HKP-Richtlinie stellt keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar (hierzu auch BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R -; LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -). Dies folgt aus § 92 Abs. 7 Satz 1 SGB V, wonach in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V u.a. "insbesondere" die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzungen zu regeln sind. Der Auftrag an den GBA beschränkt sich damit auf die Konkretisierung und Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Regelfälle der häuslichen Krankenpflege, schließt aber ein Abweichen davon im Einzelfall nicht aus (ebenso LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -).
51Weitere Ermittlungen sind im Eilverfahren nicht geboten. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob im konkreten Eilverfahren der Eilbedürftigkeit oder der Amtsermittlung Vorrang einzuräumen ist. Da dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden können, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dazu sind vor allem die Folgen zu berücksichtigen, die die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Antragsteller hätte. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger kann das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden. Angesichts der überragend hohen Bedeutung, die dem Leben als Rechtsgut in der grundgesetzlichen Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -), sind in Verfahren wie dem vorliegenden an die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen (hierzu Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass - was auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen möglich erscheint - der Antragsteller in der Zeit von 22.00 Uhr bis 08.00 Uhr auf eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit einer dritten Person angewiesen ist, käme der Rechtsschutz in der Hauptsache, sofern zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Situation auftreten sollte, zu spät. Das Unterliegen der Antragsgegnerin hat demgegenüber allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen. In Anwendung dieser Kriterien fällt die Abwägung vorliegend wegen des möglicherweise bedrohten Rechtsguts Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu Gunsten des Antragstellers aus. Das gegenläufige finanzielle Risiko für die Antragsgegnerin erachtet der Senat derzeit als hinnehmbar (hierzu Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)).
52Die Folgenabwägung führt daher zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Behandlungspflege in Form der Krankenbeobachtung in einem Umfang von 10 Stunden täglich in der Zeit von 22.00 Uhr bis 08.00 Uhr an sieben Tagen pro Woche bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens, längstens bis zum 31.12.2015 zu gewähren. Diese Begrenzung beruht auf der Erwägung, dass eine im Hauptsacheverfahren ggf. erforderlich werdende Beweisaufnahme den entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter erhellen wird. Sollte das Hauptsachverfahren vor dem 31.12.2015 aufgrund von Prozesserklärungen der Beteiligten oder durch Urteil des SG abgeschlossen (abzustellen wäre dann auf die Zustellung des Urteils beim Antragssteller) werden, endet die Wirkung der vorläufigen Regelung. Für den Fall, dass das Hauptsacheverfahren nicht bis zum 31.12.2015 abgeschlossen wird, könnte eine im Laufe des Jahres 2015 erforderlich werdende Beweisaufnahme eine neue Einschätzung der Sach- und Rechtslage erforderlich machen. Die vorläufige Regelung ist daher auf den Ablauf des 31.12.2015 zu begrenzen. Nötigenfalls wird zeitig neuerlich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht werden müssen.
53III.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem eigentlichen Anliegen nach Umstellung des Antrags weitgehend durchgedrungen ist.
55Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Beschluss, 08. Juni 2015 - L 11 KR 202/15 B ER
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Referenzen - Gesetze
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.
(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere
- 1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen, - 2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen, - 3.
Auskünfte jeder Art einholen, - 4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen, - 5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen, - 6.
andere beiladen, - 7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.
(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Den Leistungen der Pflegeversicherung gehen die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit
- 1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, - 2.
aus der gesetzlichen Unfallversicherung und - 3.
aus öffentlichen Kassen auf Grund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge
(2) Die Leistungen nach dem Fünften Buch einschließlich der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches bleiben unberührt. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, soweit diese im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches oder der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches zu leisten sind.
(3) Die Leistungen der Pflegeversicherung gehen den Fürsorgeleistungen zur Pflege
- 1.
nach dem Zwölften Buch, - 2.
nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Reparationsschädengesetz und dem Flüchtlingshilfegesetz, - 3.
nach dem Bundesversorgungsgesetz (Kriegsopferfürsorge) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
(3a) (weggefallen)
(4) Treffen Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe zusammen, vereinbaren mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse und der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger,
- 1.
dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger die Leistungen der Pflegeversicherung auf der Grundlage des von der Pflegekasse erlassenen Leistungsbescheids zu übernehmen hat, - 2.
dass die zuständige Pflegekasse dem für die Eingliederungshilfe zuständigen Träger die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen zu erstatten hat sowie - 3.
die Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen sowie der Erstattung.
(4a) Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für ein Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe, bezieht der für die Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens oder Gesamtplanverfahrens verantwortliche Träger mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse in das Verfahren beratend mit ein, um die Vereinbarung nach Absatz 4 gemeinsam vorzubereiten.
(4b) Die Regelungen nach Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 und 4a werden bis zum 1. Juli 2019 evaluiert.
(5) Die Leistungen der Pflegeversicherung bleiben als Einkommen bei Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt; dies gilt nicht für das Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44a Absatz 3. Satz 1 gilt entsprechend bei Vertragsleistungen aus privaten Pflegeversicherungen, die der Art und dem Umfang nach den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind. Rechtsvorschriften, die weitergehende oder ergänzende Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung von der Einkommensermittlung ausschließen, bleiben unberührt.
(6) Wird Pflegegeld nach § 37 oder eine vergleichbare Geldleistung an eine Pflegeperson (§ 19) weitergeleitet, bleibt dies bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen der Pflegeperson unberücksichtigt. Dies gilt nicht
- 1.
in den Fällen des § 1361 Abs. 3, der §§ 1579, 1603 Abs. 2 und des § 1611 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
für Unterhaltsansprüche der Pflegeperson, wenn von dieser erwartet werden kann, ihren Unterhaltsbedarf ganz oder teilweise durch eigene Einkünfte zu decken und der Pflegebedürftige mit dem Unterhaltspflichtigen nicht in gerader Linie verwandt ist.
(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die
- 1.
ärztliche Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung, - 3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme, - 4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, - 5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, - 6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes, - 7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches, - 8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, - 9.
Bedarfsplanung, - 10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4, - 11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b, - 12.
Verordnung von Krankentransporten, - 13.
Qualitätssicherung, - 14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung, - 15.
Schutzimpfungen.
(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:
- 1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind, - 2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind, - 3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.
(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.
(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.
(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind, - 2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, - 3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.
(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.
(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.
(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln
- 1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel, - 2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen, - 3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung, - 4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer, - 5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie - 6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.
(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.
(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.
(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung, - 2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus, - 3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt, - 4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), - 5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.
(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.
(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die
- 1.
ärztliche Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung, - 3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme, - 4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, - 5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, - 6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes, - 7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches, - 8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, - 9.
Bedarfsplanung, - 10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4, - 11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b, - 12.
Verordnung von Krankentransporten, - 13.
Qualitätssicherung, - 14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung, - 15.
Schutzimpfungen.
(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:
- 1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind, - 2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind, - 3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.
(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.
(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.
(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind, - 2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, - 3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.
(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.
(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.
(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln
- 1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel, - 2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen, - 3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung, - 4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer, - 5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie - 6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.
(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.
(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.
(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung, - 2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus, - 3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt, - 4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), - 5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.
(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.
(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.