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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 ist überschritten. Den Klägern wurden insgesamt 1.450.692,7 Punkte nicht vergütet, was bei einem Durchschnittspunktwert von EUR 0,042350 (siehe Blatt 40 der LSG-Akte) einem Betrag von EUR 61.436,84 entspricht.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet mit der Maßgabe, dass die Beklagte bei der erneuten Entscheidung über die Vergütung der Kläger im Quartal 4/98 die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.
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Für die Höhe der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen der Kläger für das streitige Quartal 4/98 ist der auf § 85 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) beruhende HVM maßgeblich. Die Verteilung des für die Gruppe der fachärztlichen Internisten zur Verfügung stehenden Anteils der Gesamtvergütung richtete sich seit dem 1. Juli 1998 – und damit im streitigen Quartal 4/98 – nach den folgenden Bestimmungen der Anlage 1 HVM:
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Bei den Leistungen der nicht budgetierten Gruppen wird wie folgt verfahren:
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Bei der Gruppe der fachärztlichen Internisten wird je Vertragsarztpraxis ein arithmetischer Mittelwert für die je Behandlungsfall anerkannten Punktzahlen (ohne DM-Werte) aus den Quartalen des Jahres 1996 (Fallpunktzahl) berechnet; Berichtigungen der Honoraranforderungen nach Erstellung des Honorarbescheides aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Qualitätssicherung und Prüfungen auf rechnerisch/sachliche Richtigkeit bis zu jeweils 10.000 Punkten bleiben bei der Feststellung der anerkannten Punktzahlen unberücksichtigt. In Anlehnung an die Systematik der Anlage 3 der Allgemeinen Bestimmungen (EBM) A I. Teil B wird die Fallpunktzahl nach Satz 1 um 20 v.H. reduziert. Aus der Multiplikation der Fallpunktzahlen mit den Behandlungsfällen des jeweils aktuellen Quartals ergibt sich die Punktzahlgrenze für die Leistungen je Vertragsarztpraxis. Darüber hinaus gehende Punktzahlanforderungen werden nicht anerkannt. Die Nrn. 4.4.2 bis 4.4.6 gelten entsprechend. Über Ausnahmen wie Anträge auf Härtefälle und anzuerkennende dynamische Entwicklungen entscheidet der Vorstand der KV NW im Einzelfall.
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(besondere Regelung für die Gruppe der Ärzte für Nuklearmedizin, diagnostische Radiologie, Radiologie und Strahlentherapie, sowie Strahlentherapie)
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Bei den übrigen nicht budgetierten Gruppen kommen keine Vergütungsregelungen im Sinne der Nrn. 4.5.1 und 4.5.2 zur Anwendung.
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Der Punktwert bei den Leistungen der nicht budgetierten Gruppen ergibt sich durch Division der entsprechenden Gesamtvergütungsanteile der jeweiligen Gruppe durch die anerkannten Punktzahlen; DM-Werte werden vorweg abgezogen und wie anerkannt vergütet. Bei der Gruppe der Ärzte für Nuklearmedizin, diagnostische Radiologie, Radiologie und Strahlentherapie, sowie Strahlentherapie ist Nr. 4.5.2 zu berücksichtigen.
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Die in Nr. 4.5.1 u.a. in Bezug genommene Nr. 4.4.5 lautete:
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Bei der Gründung einer Gemeinschaftspraxis wird für die Berechnung der Fallpunktzahl der arithmetische Mittelwert der beteiligten Ärzte zugrundegelegt. Die Allgemeinen Bestimmungen (EBM) A I Teil B Nr. 1.6.1 und 1.6.2 gelten entsprechend.
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Die im Quartal 4/98 geltenden Regelungen der Nr. 4.5 der Anlage 1 zum HVM sind rechtmäßig (vgl. Urteil des Senats vom 16. Januar 2002 – L 5 KA 791/01 –). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung gehen auch die Kläger davon aus, dass die Regelungen der Nr. 4.5 der Anlage 1 zum HVM rechtmäßig sind.
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Die Vergütung der Dialyseleistungen darf entgegen der Auffassung des SG im HVM mit einer Punktzahlobergrenze versehen werden. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 11. September 2002, wonach die Vergütung der Kinder-Früherkennungsuntersuchungen nicht beschränkt werden darf (ebenso zu den Leistungen auf Grund der Mutterschafts-Richtlinien: Urteil des Senats vom 21. Januar 2004 – L 5 KA 2189/02 –), sind nicht auf die Dialyseleistungen zu übertragen.
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Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 11. September 2002, B 6 KA 30/01 R. Das BSG hat in dieser Entscheidung insbesondere nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass Dialyseleistungen von vornherein nicht mengenbegrenzenden Honorarverteilungsregelungen unterworfen werden dürfen. Es hat es zwar als denkbar bezeichnet, dass sich bestimmte Leistungen nach der Zielsetzung der sie betreffenden normativen Regelungen so deutlich von allen anderen vertragsärztlichen Leistungen unterscheiden, dass für sie der – auch wirtschaftliche – Anreiz erhalten bleiben muss, sie gegebenenfalls auch unter Ausweitung des bisherigen Abrechnungsvolumens zu erbringen und hat in diesem Zusammenhang als Beispiele für Leistungen, die in der Praxis von vornherein nicht mengenbegrenzenden Honorarverteilungsregelungen unterworfen werden, Dialyseleistungen genannt. Den rechtlich wesentlichen Grund für die Herausnahme der Kinder-Früherkennungsleistungen sah das BSG indes in dem gesetzlichen Ziel der möglichst vollständigen Mengenausschöpfung dieser Leistungen in dem gegebenen Rahmen. Diese gesetzliche Ziel ist, wie das BSG ergänzend begründet hat, in § 26 SGB V und insbesondere in § 14 Abs. 4 GKV-SolG zum Ausdruck gekommen.
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Entsprechende Regelungen gibt es für die Dialyseleistungen nicht. Die Dialyse-Vereinbarung regelt die Genehmigungspflicht für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (§ 2 Satz 1) sowie die fachliche Befähigung, Organisation und apparative Ausstattung (Teil B). Die Dialyse-Leistungen sind bei entsprechender Behandlungsbedürftigkeit zu erbringen und unterscheiden sich damit nicht von allen anderen ärztlichen Leistungen, die bei entsprechender Behandlungsbedürftigkeit zu erbringen sind.
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Die Beklagte errechnete die Fallpunktzahl des Individualbudgets der Kläger von 3.833,4 Punkten in Übereinstimmung mit den Nrn. 4.4.2 und 4.4.5 der Anlage 1 zum HVM, die nach Nr. 4.5.1 Satz 2 der Anlage 1 zum HVM entsprechend gelten. Soweit die Beklagte einen falschen Korrekturfaktor berücksichtigte, sind die Kläger dadurch nicht beschwert, weil sich bei dem richtigen Korrekturfaktor eine geringere Fallpunktzahl ergeben hätte. Die (oben S. 3 dargestellte) Berechnung ergibt sich im Einzelnen aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2003 (S.2, Blatt 32 der LSG-Akte), auf welchen der Senat Bezug nimmt.
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Der Berechnung der Vergütung der Kläger hat die Beklagte eine höhere Fallpunktzahl als 3.833,4 zu Grunde zu legen, weil ein Ausnahmefall nach Nr. 4. 5.1 Satz 6 der Anlage 1 zum HVM gegeben ist.
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Um speziellen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ist es ausreichend, wenn der HVM Ausnahme- oder Härtefallregelungen – wie in Nr. 4.5.1 Satz 6 der Anlage 1 zum HVM – enthält (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27). Es ist rechtlich unbedenklich, den Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung zu Einzelfallentscheidungen in Ausnahmefällen zu ermächtigen, um auftretende Härten abzumildern. Dabei beschränkt sich die Kompetenz des Vorstandes nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten", vielmehr müssen sie generell für atypische Versorgungssituationen möglich sein. Das BSG hat z.B. die Ermächtigung an den Vorstand, für besondere Fachgruppen oder auch für Praxisanfänger höhere Kontingentgrenzen festzusetzen, nicht beanstandet (vgl. zum Ganzen: BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 31, mwN). Die Ausnahme- oder Härtefallregelung kann z.B. zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, weil etwa einer von wenigen Vertrags(zahn)ärzten in einer Stadt unvorhergesehen aus der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Die von diesem (Zahn-)Arzt bisher behandelten Patienten müssen dann kurzfristig auf andere (Zahn-)Arztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen wird. Vergleichbares gilt für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer (zahn)ärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreicht (BSG SozR 3-2500 § 85 Nrn. 27 und 28). Ein Ausnahme- oder Härtefall kann auch dann gegeben sein, wenn Ausnahmen von den Praxisbudgets in Betracht kommen (vgl. Urteil des Senats vom 17. November 1999 – L 5 KA 1861/99 –), etwa die Erweiterung nach den Allgemeinen Bestimmungen Teil A I Teil B Nr. 4.3 EBM (Urteil des Senats vom 16. Januar 2002 – L 5 KA 791/01 –). Dies setzt voraus, dass im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck kommt, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis hat (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31; Urteil vom 2. April 2003 – B 6 KA 48/02 R –). Die Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung, der Beklagten steht insoweit kein – der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher – Beurteilungsspielraum zu. Es gelten dieselben Erwägungen wie zu den Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach Nr. 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26) und der Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31). Da es sich bei dem Begriff der Ausnahme in Nr. 4.5.1 Satz 6 der Anlage 1 zum HVM um ein Tatbestandsmerkmal handelt, kann insoweit eine Ermessensausübung durch die Beklagte nicht in Betracht kommen (Urteil des Senats vom 16. Januar 2002 – L 5 KA 791/01 –).
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Der Senat lässt offen, welche Anforderungen an einen Antrag auf eine Ausnahmeregelung nach Nr. 4.5.1 Satz 6 der Anlage 1 zum HVM zu stellen sind. Jedenfalls ist in einem Widerspruch gegen den Gesamthonorarabrechnungsbescheid mit dem Begehren, eine höhere Fallpunktzahl der Berechnung der Vergütung zu Grunde zu legen, ein solcher Antrag zu sehen. Eine solche Auslegung ist auch, jedenfalls solange wie keine beide Beteiligten bindenden Feststellungen der Beklagten vorliegen, sachgerecht, weil erst nach Kenntnis des Gesamthonorarabrechnungsbescheides der Arzt weiß, wie sich die Honorarbegrenzungsmaßnahmen in seinem konkreten Einzelfall auswirken, und er somit nicht gezwungen ist, vorsorglich Anträge auf Ausnahmeregelungen zu stellen.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nach Nr. 4.5.1 Satz 6 der Anlage 1 zum HVM sind gegeben.
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Der Kläger Nr. 1 wurde auf Grund des Vorliegens eines Sonderbedarfs nach Abschnitt 5 Nr. 24c der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte zugelassen. Danach darf unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss der Zulassungsausschuss für Ärzte dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe entsprechen und eine qualitätsbezogene Ausnahme gestatten, wenn durch die Zulassung eines Vertragsarztes, der spezielle ärztliche Tätigkeit ausübt, die Bildung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis mit spezialistischen Versorgungsaufgaben ermöglicht wird (zum Beispiel kardiologische oder onkologische Schwerpunktpraxen). Nach dem Vortrag der Kläger, dem die Beklagte nicht widersprochen hat, musste die Gründung der Gemeinschaftspraxis im Hinblick auf die Qualifikationsvoraussetzungen der Dialyse-Vereinbarung erfolgen (S. 2 des Schriftsatzes vom 19. Januar 2004, Blatt 46 der LSG-Akte). Mit der Gründung der Gemeinschaftspraxis sollte jedenfalls bei den Versorgungsaufgaben keine Änderung eintreten und die Gemeinschaftspraxis sollte insgesamt dieselbe Versorgung sicherstellen wie die Einzelpraxis des Klägers Nr. 2 zuvor. Es ist deshalb nicht sachgerecht, der Gemeinschaftspraxis eine Fallpunktzahl für das Individualbudget zuzugestehen, die unter der Fallpunktzahl liegt, die zuvor der Einzelpraxis zustand. Auch wenn die Berechnung der Fallpunktzahl den Bestimmungen des HVM entsprach, lag es auf der Hand, dass ein Ausnahmefall vorliegt. Dies wird dadurch bekräftigt, dass der Mittelwert der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten für einen neu zugelassenen Vertragsarzt, der ausschließlich eine Dialysepraxis betreibt, nicht herangezogen werden kann. Denn die Gruppe der fachärztlichen Internisten ist heterogen, weil von ihr sämtliche Schwerpunkte und Teilgebiete des Gebiets der Inneren Medizin erfasst werden.
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Bei der erneuten Entscheidung über die Höhe der Fallpunktzahl und damit die Höhe der Vergütung der Kläger für das streitige Quartal 4/98 hat die Beklagte auch zu berücksichtigen, dass sie bei einer anderen internistischen Gemeinschaftspraxis, die ebenfalls schwerpunktmäßig Dialyseleistungen erbringt, von einem Ausnahmefall ausging und der Berechnung der Fallpunktzahl die von dieser Gemeinschaftspraxis angeforderten Punkte zweier Quartale abzüglich 20% zu Grunde legte (Az. des durch einen Vergleich beendeten Berufungsverfahrens: L 5 KA 3830/02). Falls sachliche Gründe für eine andere Berechnung der Fallpunktzahl bei den Klägern bestehen sollten, müssten diese dann dargelegt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 2. Januar 2002 geltenden Fassung, die in Fällen weiterhin anwendbar ist, in denen – wie hier – das gerichtliche Verfahren vor dem 2. Januar 2002 anhängig geworden ist. (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; SozR 3-1500 § 184 Nr. 2).
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Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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