Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. August 2009 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2007 aufgehoben.

Die Hyposmie des Klägers wird als Wie - Berufskrankheit festgestellt.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Hinblick auf die Feststellung der chronischen Rhinitis des Klägers als Listen-Berufskrankheit bzw. als Wie - Berufskrankheit als unzulässig abzuweisen war.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer chronisch-atrophischen Rhinitis und einer Hyposmie als Berufskrankheit (BK) oder als - Wie Berufskrankheit (Wie - BK) streitig.
Der 1950 geborene Kläger arbeitet seit 1970 bei der Firma S. AG im Transformatorenwerk K. als Montierer für flüssigkeitsgekühlte Trafos. Er war und ist dabei im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren eingesetzt. Ende 1996, als die Fertigung von flüssigkeitsgekühlten Transformatoren nach Portugal verlagert wurde, wurde der Kläger im Trockentrafobau bei der Umspannungswicklung eingesetzt. Bei der Montage und der Reparatur von flüssigkeitsgekühlten Transformatoren hatte der Kläger Kontakt mit Clophen T 64 N; hierbei handelt es sich um ein Gemisch aus chloriertem Diphenyl und Trichlorbenzol. Mit diesem zur Kühlung der Netztransformatoren eingesetzten Gemisch hatte der Kläger Umgang von 1970 bis Ende 1983 bzw. bis Ende 1996. Beim Umgang mit diesen Flüssigkeiten bestand auch Hautkontakt; Absauganlagen existierten nicht. Beim Befüllen der Trafos mittels eines Vakuumofens war der Kläger auch den durch die Erwärmung der Trafos am Montageplatz entstehenden Ausdünstungen der Kühlflüssigkeit - im Schnitt etwa 4 Stunden pro Arbeitstag - ausgesetzt. Aktenkundig hatte der Kläger von 1970 bis 1976 auch Umgang mit Transformatorenölen. Die Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Transformatorenöle liegen vor. Den halogenisierten Kohlenwasserstoff Methylenchlorid verwendete der Kläger von 1970 bis 1990 zum Reinigen und Entfetten von Werkstücken von Hand und für die Dichtheitsprüfung der Kessel. Diesbezüglich liegen die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter vor. Mit Waschbenzin hatte der Kläger Umgang bis 1996; hierbei handelt es sich um ein Kohlenwasserstoffgemisch. Es bestand mit diesem Stoff Hautkontakt; Lösemitteldämpfe wurden nicht abgesaugt. Seit 1996 in der Produktion der Trockentransformatoren hatte der Kläger in geringerem Umfang Umgang mit Waschbenzin; auch hierbei bestand jedoch teilweise Hautkontakt. Von 1970 bis 1996 hatte der Kläger desweiteren durchschnittlich eine halbe Stunde pro Arbeitsschicht Umgang mit dem Eindring-Farbstoff MLC-Penetrat FB-93 TU. Hierbei handelt es sich um einen Farbstoff auf der Basis aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe. Umgang mit Epoxydharzen bestand von 1996 bis Ende 2002, wobei der „Verguss“ unter Luftabsaugung erfolgte. Bei Löt- und Schweißarbeiten, die der Kläger durchschnittlich 2 Stunden pro Woche - nach anderen Angaben von ihm 3 Stunden pro Woche - durchführte, war er den dabei entstehenden, schleimhautreizend wirkenden Stoffen, insbesondere Salzsäure und Aldehyde sowie atemwegsreizenden Crackprodukten des Clophens, der Öle und Lösungsmittel ausgesetzt. Nachdem ursprünglich aufgrund von Angaben der S. AG davon ausgegangen worden war, dass 1,2,4,5-Tetrachlorbenzol zur Reinigung der zu verbindenden Anschlussteile sowie zum Reinigen von Lecks im Kessel der Trafos eingesetzt worden war, ergaben Nachermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19. März 2004), dass davon auszugehen ist, dass aufgrund der Trafo- und Fertigungsvorschriften, in denen die Verwendung dieses Stoffes nicht beschrieben wurde, dieser Gefahrstoff allenfalls vor 1971, also vor der Einführung von Methylenchlorid zum Einsatz gekommen ist bzw. gar nicht zur Anwendung gekommen ist. Zusammengefasst war die „Expositionssituation“ des Klägers dadurch gekennzeichnet, dass er in unterschiedlicher Frequenz und Intensität von 1970 bis 1996 gegenüber diversen Halogenkohlenwasserstoff-Gemischen (Clophen, Waschbenzinen, Eindring-Farbstoff) ausgesetzt war und darüber hinaus von 1970 bis 1990 Expositionen gegenüber Methylenchlorid und - ab 1997 - in geringerer Konzentration gegenüber Ethanol bestanden hatten. Weiterhin war der Kläger der Einwirkung von Epoxydharzdämpfen, Lötdämpfen und Schweißrauchen ausgesetzt; exakte Angaben über die Konzentration dieser Gefahrstoffe in der Luft am Arbeitsplatz des Klägers fehlen. Nicht ausgesetzt bzw. allenfalls bis 1971 ausgesetzt war der Kläger dem Gefahrstoff 1,2,4,5-Tetrachlorbenzol und Trichlorethylen. Eine Exposition gegenüber PCB ist nicht belegt, wobei der Zeitraum der PCB-Verwendung im Zusammenhang mit Transformatorenölen vor der Beschäftigungszeit des Klägers in der Transformatorenfertigung in den sechziger Jahren liegt.
Nachdem im Mai 2000 Dr. E. vom werksärztlichen Dienst des Transformatorenwerks Kirchheim der S. AG eine Anzeige über eine Berufskrankheit (Polyneuropathie) erstattet und die Beklagte Ermittlungen ihres Präventionsdienstes (Bericht nach einem Besuch vom 14. Januar 2002 und Bericht vom 19. März 2004) veranlasst hatte, fügte die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei der AOK K. bei und veranlasste ein Hals-Nasen-Ohren-ärztliches Gutachten bei Prof. Dr. Dr. M. vom Universitätsklinikum M.. In seinem Gutachten vom 6. April 2005, welches unter Mitarbeit von Dr. B. und Dr. H. erstellt wurde, führte er aus, der Kläger leide an einer chronischen Rhinitis sowie einer Verminderung des Riechvermögens (Hyposmie). Die Dauer dieser Beschwerden werde vom Kläger mit ca. 30 Jahren angegeben. Über diesen Zeitraum sei es dann auch zu rezidivierendem Auftreten von Rhagaden (kleinen Hauteinrissen) im Bereich der Nasenspitze gekommen. Hinweise auf eine allergische Genese oder auf eine chronische Sinusitis bestünden nicht. Ebenso fehlten Hinweise auf ein vorausgegangenes Trauma oder neurologische oder internistische Erkrankungen, die eine Beeinträchtigung des Riechsinns verursachen könnten. Als Ursache für die Rhinitis und das eingeschränkte Riechvermögen sei die berufliche Belastung mit schleimhaut-toxischen Substanzen wahrscheinlich.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete sodann Priv.-Doz. Dr. M. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin M. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 1. September 2005. Er führte aus, die Diagnose einer arbeitsplatzbezogenen bronchialen Obstruktion sei nicht gesichert. Aktuell fände sich keine Erhöhung der Atemwegswiderstände bei der Lungenfunktionsprüfung. Die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK könne nicht empfohlen werden. Die Belastung mit schleimhautreizenden Substanzen sei insgesamt sehr hoch gewesen. Dafür sprächen auch die biologischen Wirkungen. Eine länger andauernde Arbeit unter solchen Bedingungen sei grundsätzlich geeignet, eine chronische toxische Rhinitis und eine toxische Riechstörung zu verursachen. Die Rhinitis des Klägers sei mit einer beruflichen Verursachung vereinbar. Außerberufliche Ursachen hätten nicht festgestellt werden können. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung. Eine langjährige und hohe Belastung gegenüber schleimhautreizenden Substanzen sei im allgemeinen auch geeignet, eine toxische Riechstörung zu verursachen. Dies gelte auch für Schweißrauche und Lösungsmittelgemische. Auch diesbezüglich seien bei der Begutachtung keine außerberuflichen Ursachen gefunden worden. Ein Zusammenhang zwischen der Belastung mit schleimhautreizenden Substanzen am Arbeitsplatz und der Rhinitis bzw. der Hyposmie sei wahrscheinlich. Es werde empfohlen, die Erkrankung entsprechend § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 äußerte die Staatliche Gewerbeärztin Dr. H., eine BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Eine entsprechende Berufskrankheitenziffer könne dafür nicht benannt werden, denn der Versicherte habe mit Gemischen gearbeitet, die nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt seien. Es werde empfohlen, die Erkrankung entsprechend § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) mit Schreiben vom 15. Februar 2006 mit, neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII, dass eine bestimmte Personengruppe aufgrund der besonderen Einwirkungen bei der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Störungen des Geruchssinnes oder einer Rhinitis erkranke, seien hier nicht bekannt. Die Rhinitiden aufgrund des Kontaktes zu chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Substanzen seien bislang nicht Gegenstand der Berufskrankheitenliste; es lägen auch keine neuen Erkenntnisse vor, die eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII ermöglichten. Insbesondere fehle es an epidemiologischen Erkenntnissen, die die sog. „Gruppentypik“ im Sinne dieser Vorschrift belegten. Im Hinblick auf Geruchsstörungen fänden sich in der arbeitsmedizinischen Fachliteratur Hinweise darauf, dass bestimmte Berufsnoxen derartige Erkrankungen verursachen könnten. In diesen Publikationen würden vorwiegend Kasuistiken vorgestellt, die in der Regel nicht den Nachweis erbringen könnten, dass eine bestimmte Personengruppe aufgrund der besonderen Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung einem Erkrankungsrisiko ausgesetzt sei.
Mit Bescheid vom 7. März 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Riechstörung als BK nach § 9 Abs. 1 und als Wie - BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Der Kläger leide an einem herabgesetzten Geruchsvermögen, wobei es sich hierbei um keine Erkrankung der Berufskrankheitenliste handele. Es lägen keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, dass eine bestimmte Personengruppe durch ihre beruflich Tätigkeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung an Geruchsstörungen erkranke. Den hiergegen am 15. März 2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Januar 2008 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und sich zur Begründung auf das Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M.gestützt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen beziehe sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung erfordere den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liege. Von einer „Gruppentypik“ als Monteur im Transformatorenbau könne bislang nicht ausgegangen werden.
In dem Klageverfahren beim SG Aktenzeichen: S 1 U 7792/06 hat das SG von Amts wegen das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. eingeholt, das zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht wird. Er hat ausgeführt, dass die Rhinitis und Hyposmie berufsbedingt seien und hat die Anerkennung dieser Erkrankung als Wie - BK empfohlen.
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Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann das Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin M. eingeholt. In seinem nach Aktenlage am 23. September 2008 erstatteten Gutachten hat er ausgeführt, die Diagnosen einer Hyposmie und einer chronischen Rhinitis seien gesichert. Beide Krankheitsbilder seien typische Folgen einer hohen Belastung gegenüber schleimhautreizenden Substanzen beim Menschen, insbesondere auch nach einer beruflichen Belastung. Es läge eine Vielzahl von Publikationen vor, bei denen es insgesamt auch eine hinreichende Anzahl epidemiologischer Studien zu beruflich exponierten Personen gäbe und nicht nur Kasuistiken. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung sei beim Kläger gegeben. Außerberufliche Krankheitsursachen seien nicht gefunden worden. Diese Tatsache erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung. Listenstoffe aus der Gruppe der BKen 1300 seien nicht entscheidend für die Krankheitsentstehung. Vielmehr habe eine Mischexposition vorgelegen, insbesondere mit Salzsäuredämpfen. Die Gruppe von Monteuren, die unter den Bedingungen wie der Kläger gearbeitet hätte, sei im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung unzweifelhaft in einem erheblich höheren Ausmaß schleimhautreizenden Substanzen ausgesetzt gewesen. Epidemiologische Untersuchungen, die die Effekte einer Exposition vergleichbar der des Klägers auf die oberen Atemwege beschreibe, seien nicht bekannt. Generell sei aber davon auszugehen, dass die meisten, wenn nicht sogar fast alle schleimhautreizenden Substanzen bei einem Menschen Riechstörungen und Rhinitiden verursachten, wenn die Einwirkung ausreichend hoch sei. Der Kläger sei folgenden schleimhautreizenden Stoffen ausgesetzt gewesen: Brandrauchen, die beim Löten entstünden; Clophen, ein polychloriertes Biphenyl, aus dem beim Erhitzen Salzsäuredämpfe freigesetzt würden, wobei der Kläger über sehr starke Reizungen von Nase, Augen, Rachen und Haut sowie Atemnot nach dem Einatmen der entstandenen Rauche und Dämpfe berichtet habe, was den Schluss zulasse, dass die Salzsäurekonzentrationen regelmäßig sehr hoch gewesen sein müssen; Schweißrauchen, zu denen generell zu konstatieren sei, dass sie in hohen Konzentrationen schleimhautreizend wirkten und schließlich verschiedenen organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen, welche - in Abhängigkeit von den Eigenschaften der jeweiligen Substanzen - mehr oder minder stark schleimhautreizend wirkten. Bei synoptischer Betrachtung handele es sich um eine Mischexposition, wobei die Einwirkung von Salzsäuredämpfen im Vordergrund stünde. Für diese Substanz sei nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert, dass sie beim Menschen nach beruflicher Exposition Riechstörungen und Rhinitiden verursache. Aus medizinsicher Sicht seien diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht neu, sondern seit vielen Jahren gesichert. Nach den plausiblen anamnestischen Angaben habe die Riechstörung in den 70er Jahren begonnen und sich seit etwa 1985 etwas gebessert. Die Rhinitis dürfte zeitlich parallel zur Riechstörung verlaufen sein. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er für den gesamten Zeitraum ab Beginn der Erkrankung auf 10 v. H.
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Die Beklagte hat noch eine Auskunft der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Abteilung Versicherung und Leistungen, vom 12. Januar 2009 vorgelegt, wonach keine neuen, gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, dass bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere der Monteure und der Schweißer, in erheblich höherem Grad als in der übrigen Bevölkerung die Erkrankungen Rhinitis und Hyposmie aufträten. Gleichwohl werde in der medizinischen Fachliteratur die Verursachung von Riechstörungen durch Arbeitsstoffe bejaht. Der ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe sich mit dieser Thematik noch nicht beschäftigt. Insofern seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie - BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht gegeben.
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Mit Urteil vom 26. August 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die Anerkennung der chronischen Rhinitis und der Verminderung des Riechvermögens als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII gäbe es keine Rechtsgrundlage. Auch die Anerkennung als Wie - BK komme nicht in Betracht. Neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, dass bei der beruflichen Tätigkeit insbesondere von Monteuren und Schweißern in erheblich höherem Grad als in der übrigen Bevölkerung Erkrankungen in Form von Rhinitis und Hyposmie aufträten, lägen nicht vor. Dabei setzten wissenschaftliche Erkenntnisse voraus, dass sich eine überwiegende Meinung unter den auf diesem Fachgebiet tätigen Wissenschaftlern gebildet habe; wenn einzelne Wissenschaftler eine bestimmte Auffassung verträten, reiche dies nicht aus. Eine individuelle Härtefallregelung oder eine Regelung, die Krankheiten, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder zumindest wahrscheinlich sei, wie eine BK zu entschädigen, sei nicht Zweck des § 9 Abs. 2 SGB VII.
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Gegen das den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 2. September 2009 zugestellte Urteil hat er am 8. September 2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet worden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2007 aufzuheben und die Rhinitis und die Hyposmie jeweils als eine Berufskrankheit bzw. als eine Wie - Berufskrankheit festzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
19 
Der Senat hat in dem den Kläger betreffenden Berufungsverfahren Aktenzeichen: L 2 U 176/09 von Amts wegen das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. Dr. Ke. vom 11. April 2010 eingeholt, dass auch zum Gegenstand dieses Berufungsverfahrens gemacht wird. Er hat ausgeführt, es sei von einer chronischen Rhinitis und einer Hyposmie als berufskrankheitenrelevante Gesundheitsstörungen auszugehen. In Bezug auf diese Gesundheitsstörungen könne jedoch weder eine besondere Einwirkung noch eine besondere Gruppentypik identifiziert werden. Der Nachweis eines berufsgruppenspezifisch erhöhten Erkrankungsrisikos sei nicht geführt. Im Weiteren gibt der Sachverständige den Inhalt des Schreibens des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 15. Februar 2006 wieder.
20 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände), die Akte des SG (S 1 U 137/08), die beigezogene Akte des SG (S 1 U 7792/06), die Berufungsakte des Senats (L 2 U 4115/09) und die beigezogene Akte des Senats (L 2 U 176/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).
23 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
24 
Die Berufung ist zum Teil auch begründet. Die Hyposmie (vermindertes Riechvermögen) beim Kläger ist nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) wie eine BK anzuerkennen. Dagegen kann die Hyposmie nicht als eine Erkrankung nach der BK-Liste festgestellt werden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der chronischen Rhinitis als eine Erkrankung nach der BK-Liste bzw. wie eine BK.
25 
Bezüglich der Anerkennung der chronischen Rhinitis als eine BK nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. als Wie - BK ist die Berufung deshalb unbegründet, weil die Klage dazu schon unzulässig gewesen ist. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, da es insoweit an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt. Zwar war im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Bescheids vom 7. März 2007 sowohl die Gesundheitsstörung Hyposmie als auch die Gesundheitsstörung chronische Rhinitis Gegenstand des Verfahrens. Dennoch hat die Beklagte im Bescheid vom 7. März 2007 ausdrücklich nur über die Anerkennung der Hyposmie entschieden; auch im Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 ist Gegenstand der Entscheidung ausschließlich die Hyposmie; die chronische Rhinitis findet im Widerspruchsbescheid keinerlei Erwähnung. Solange jedoch die Beklagte nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch zur chronischen Rhinitis entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, wofür nichts spricht, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -).
26 
Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als eine BK nach einer Listen-Nr. der BKV begehrt.
27 
Das klägerische Begehren richtet sich auch nach der Eingliederung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch zum 1. Januar 1997 noch nach den Vorschriften der RVO. Das ergibt sich aus der Übergangsregelung § 212 SGB VII, wonach auf Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, das alte Recht anzuwenden ist, da die Riechstörung schon seit Anfang der 70’er Jahre besteht.
28 
Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall ferner eine BK. BK‘en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BK‘en sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind.
29 
Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Beeinträchtigung des Geruchssinns des Klägers nicht als eine Erkrankung der BK-Liste festgestellt werden kann, auch wenn der Kläger der Auffassung ist, dass diesbezüglich eine Listen-BK aus der Gruppe 1300 in Betracht zu ziehen ist. Nach dem Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M.- was insoweit bestätigt wird durch das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. M. - ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Monteur im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren bei der S. AG in K. einer Mischexposition der Stoffe Brandrauche, Clophen mit der Freisetzung von Salzsäuredämpfen, Schweißrauchen und Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen war. Eine Feststellung einer Listenerkrankung insbesondere im Bereich der Gruppe 1300 der Anlage 1 zur BKVO scheitert daran, dass keiner dieser einwirkenden Stoffe als wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung des Geruchssinns auf wissenschaftlich gesicherter Basis isoliert werden kann. Kann demnach einer der einwirkenden Stoffe für sich gesehen nicht als wesentliche Ursache für die Einschränkung des Geruchssinns mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, kann auch die Anerkennung einer Listenerkrankung nicht in Betracht gezogen werden. Über die Hyposmie gibt es keine eigene Berufskrankheiten-Ziffer; eine Rechtsgrundlage hierfür ist somit nicht gegeben.
30 
Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als Wie - BK gem. § 551 Abs. 2 RVO begehrt. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung verzeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind. Es muss auch im Zusammenhang mit einer Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 2 RVO feststehen, dass bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung solchen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten dieser Art zu verursachen. Voraussetzungen sind demnach:
31 
1. Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung bestimmten Einwirkungen ausgesetzt sein.
32 
2. Diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art zu verursachen.
33 
3. Diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage 1 zur BKVO noch nicht in ausreichendem Maße vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sein.
34 
4. Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 551 RVO Nr. 18).
35 
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung, erfordere den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (vgl. BSGE 59 Seite 259/298 m.w.N.). Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit der im allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie BKen nach § 551 Abs. 2 RVO und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zugegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -). Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in dem Fall letztlich aus Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu der selben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG aaO).
36 
Die Feststellung einer Wie - BK setzt voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist. Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherter Tätigkeit ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet, (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -). An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (z. B. nicht gemeinsamer Beruf; vgl. BSG aaO).
37 
Die im Falle des Klägers maßgebliche „bestimmte Personengruppe“ sind die im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren Versicherten. Der Kläger war durch seine Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gegenüber Brandrauchen, die beim Löten entstanden sind und gegenüber Clophen exponiert, welches beim Löten von Kupferleitungen verbrennt, wobei beim Erhitzen von Clophen Salzsäuredämpfe freigesetzt werden. Weiterhin war er bei seiner Tätigkeit gegenüber Schweißrauchen exponiert und schließlich auch verschiedenen organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen ausgesetzt. Er ist also einer ganzen Reihe die Nasenschleimhaut reizenden Substanzen bei seiner Tätigkeit in der Montage/Reparatur von Transformatoren gegenüber exponiert gewesen.
38 
Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 96, 196 = SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftlich/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmt Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangen. Zwar gibt es bezüglich einer sich aus mehreren schleimhautreizenden Stoffen zusammengesetzten Mischexposition, der der Kläger über lange Jahre hinweg ausgesetzt war, keine epidemiologischen Untersuchungen mit Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass jeder der einzelnen, die Schleimhaut reizenden Stoffe, denen der Kläger über lange Jahre seiner beruflichen Betätigung ausgesetzt war, generell geeignet ist, Riechstörungen zu verursachen; hierzu existieren auch entsprechende wissenschaftliche Studien, die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.in seinem Gutachten vom 23. September 2008 angeführt hat. Diese Auffassung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M., der sich der Senat anschließt, wird auch gestützt durch die inhaltlich gleichlautenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M. in seinem Gutachten vom 6. April 2005 und den gleichlautenden Ausführungen von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 17. September 2008. Auch wenn die Wirkungsmechanismen der einzelnen die Schleimhaut reizenden Substanzen zumindest teilweise auch unterschiedlich sein mögen, verursachen sie jedoch gleiche oder zumindest ähnliche Effekte an den oberen Atemwegen, sodass auch eine additive Wirkung der einzelnen toxischen Stoffe, denen der Kläger ausgesetzt war, plausibel ist, wobei jedoch die Einwirkung der Salzsäuredämpfe im Vordergrund steht. Für diese Substanz ist nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert, dass sie beim Menschen Riechstörungen verursacht.
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Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. hat - mit entsprechenden Studien belegt - überzeugend die schleimhautreizende Wirkung von Brandrauchen, die beim Löten entstehen, beschrieben, die generell geeignet sind, Riechstörungen hervorzurufen. Entsprechend belegt hat er auch die schleimhautreizende Wirkung des Verbrennens von Clophen, das beim Löten von Kupferleitungen gegeben ist, insbesondere im Hinblick auf die Freisetzung von Salzsäuredämpfen; diese sind generell geeignet, Riechstörungen hervorzurufen. Weiterhin hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. überzeugend und mit entsprechenden wissenschaftlichen Zitaten belegt die generelle Geeignetheit von Schweißrauchen für die Hervorrufung von Riechstörungen dargelegt. Dabei ist auch zu beachten, dass im Hinblick auf die dafür zugrundezulegenden hohen Konzentrationen an Schweißrauchen im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 10. Januar 2002 Grenzüberschreitungen der Messwerte für Gesamtschweißrauche und auch für Chromate festgehalten sind. Chromate wiederum - auch hierfür hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. wissenschaftliche Zitate als Beleg angeführt - sind in sehr hohen Konzentrationen generell geeignet, Störungen des Riechvermögens bis hin zu vollständigem Verlust des Riechvermögens (Anosmie) zu verursachen. Auch wenn die Belastung des Klägers gegenüber Chromaten sicherlich deutlich geringer gewesen ist als beispielsweise bei einem Galvaniseur ist auch dieser Stoff im Rahmen der Mischexposition und der schon angeführten „additiven“ Wirkung ein weiterer Umstand, der die generelle Geeignetheit der toxischen Stoffe zur Herbeiführung einer Riechstörung erhärtet. Schließlich hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. noch die generelle Geeignetheit der organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen, denen der Kläger ausgesetzt war, zur Herbeiführung einer Riechstörung durch ihre schleimhautreizende Wirkung nachvollziehbar und wiederum entsprechend mit wissenschaftlichen Zitaten belegt beschrieben.
40 
Der Senat ist der Auffassung, dass hier ein sog. „Seltenheits-Fall“ vorliegt, bei dem zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten als Wie - BK‘en nach § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann. Aufgrund der vom Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. angeführten Studien, deren Aussagen auch durch die im Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M. und Prof. Dr. K. gestützt werden, ist der Senat davon überzeugt, dass die toxischen Stoffe, denen der Kläger bei seinen Arbeitsbedingungen in teilweise hohen Konzentrationen über lange Jahre ausgesetzt war, generell geeignet sind, eine Riechstörung zu verursachen.
41 
Die Erkenntnisse, auf denen diese Einschätzung beruht, sind auch „neu“ im Sinn des § 551 Abs. 2 RVO. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse nur dann „neu“ im Sinne dieser Vorschrift bzw. im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch feststeht, dass sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind. Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit „neu“ sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandensein bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu im diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -).
42 
Die Studien, auf die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten hingewiesen hat, sind zwar vor der letzten Änderung der BKV im Jahre 2009 veröffentlicht worden. Dennoch sind sie als „neu“ im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII zu bewerten. Der Senat stützt sich dabei auf die Aussage des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 15. Februar 2006 bzw. auf die Aussage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Abteilung Versicherung und Leistung - vom 12. Januar 2009, wonach der ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Fragestellung einer Riechstörung infolge von toxischen Stoffexpositionen bisher nicht erkennbar geprüft habe.
43 
Im konkreten Fall des Klägers ist es auch hinreichend wahrscheinlich, dass seine Hyposmie durch die beruflich bedingte Einwirkung der toxischen Stoffe (Brandrauche, Clophen/Salzsäuredämpfe, Schweißrauche, Lösungsmittel) verursacht worden ist. Der Kläger war den toxischen, schleimhautreizenden Stoffen von 1970 bis 1996 und zum Teil darüber hinaus während seiner versicherten Tätigkeit bei der S. AG K. in zum Teil hohen Konzentrationen ausgesetzt. Diesbezüglich stützt sich der Senat auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 14. Januar 2002) und des Technisches Aufsichtsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19. März 2004) und die Arbeitsanamnesen in den Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. Ke., Prof. Dr. Dr. M. und insbesondere Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten vom 1. September 2005. Von diesen Arbeitsplatzverhältnissen bzw. diesen Ausmaßen der Schadstoffexpositionen geht der Senat auch deshalb aus, weil sie während des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind. Dabei ist im Hinblick auf den Umfang der Schadstoffexposition hervorzuheben, dass der Kläger zwischen 1970 und 1996 bei der Montage/Reparatur der „Flüssigtransformatoren“ durchschnittlich wöchentlich 3 Stunden mit „Widerstandsschweißen oder Hartlöten“ beschäftigt gewesen ist. Bei dieser Tätigkeit ist der Kläger zur Überzeugung des Senats hohen Konzentrationen von Salzsäuredämpfen ausgesetzt gewesen. Insofern schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Sachverständigengutachten vom 23. September 2008 an, der diese Annahme überzeugend damit begründet hat, dass der Kläger im Zusammenhang mit diesen Arbeiten über sehr starke Reizungen von Nase, Augen, Rachen und Haut sowie Atemnot nach dem Einatmen der entstandenen Rauche und Dämpfe berichtet hat. Gerade aber den Salzsäuredämpfen kommt - so der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.- im Rahmen der „Mischexposition“ für die Verursachung der Geruchsstörung eine herausragende Bedeutung zu. Von der hinreichend wahrscheinlichen Verursachung der Geruchsstörung des Klägers durch die beruflich bedingte Einwirkung der bei der versicherten Tätigkeit des Klägers gegebenen toxischen Stoffen ist der Senat im Übrigen auch deshalb überzeugt, weil übereinstimmend die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M., Priv.-Doz. Dr. M., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Dr. Ke. diesbezüglich keine außerberuflichen Krankheitsursachen eruieren konnten und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Schadstoffexposition und der vorliegenden Hyposmie feststeht. Beide Umstände sind geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung der Hyposmie zu erhöhen.
44 
Mithin ist die Hyposmie des Klägers als Wie - BK anzuerkennen. Die MdE ist - hierbei schließt sich der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M.in seinen Gutachten vom 1. September 2005 und 23. September 2008 an - auf allenfalls 10 v. H. zu schätzen. Priv.-Doz. Dr. M.ist bei dieser Bewertung von den beiden Gesundheitsstörungen Hyposmie und chronische Rhinitis ausgegangen, wobei jedoch letztere nicht Gegenstand der Anerkennung als Wie - BK ist. Eine Verletztenrente kommt somit nicht in Betracht, wurde vom Kläger aber auch nicht beantragt.
45 
Die Berufung hat somit teilweise Erfolg.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
22 
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).
23 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
24 
Die Berufung ist zum Teil auch begründet. Die Hyposmie (vermindertes Riechvermögen) beim Kläger ist nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) wie eine BK anzuerkennen. Dagegen kann die Hyposmie nicht als eine Erkrankung nach der BK-Liste festgestellt werden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der chronischen Rhinitis als eine Erkrankung nach der BK-Liste bzw. wie eine BK.
25 
Bezüglich der Anerkennung der chronischen Rhinitis als eine BK nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. als Wie - BK ist die Berufung deshalb unbegründet, weil die Klage dazu schon unzulässig gewesen ist. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, da es insoweit an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt. Zwar war im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Bescheids vom 7. März 2007 sowohl die Gesundheitsstörung Hyposmie als auch die Gesundheitsstörung chronische Rhinitis Gegenstand des Verfahrens. Dennoch hat die Beklagte im Bescheid vom 7. März 2007 ausdrücklich nur über die Anerkennung der Hyposmie entschieden; auch im Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 ist Gegenstand der Entscheidung ausschließlich die Hyposmie; die chronische Rhinitis findet im Widerspruchsbescheid keinerlei Erwähnung. Solange jedoch die Beklagte nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch zur chronischen Rhinitis entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, wofür nichts spricht, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -).
26 
Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als eine BK nach einer Listen-Nr. der BKV begehrt.
27 
Das klägerische Begehren richtet sich auch nach der Eingliederung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch zum 1. Januar 1997 noch nach den Vorschriften der RVO. Das ergibt sich aus der Übergangsregelung § 212 SGB VII, wonach auf Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, das alte Recht anzuwenden ist, da die Riechstörung schon seit Anfang der 70’er Jahre besteht.
28 
Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall ferner eine BK. BK‘en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BK‘en sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind.
29 
Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Beeinträchtigung des Geruchssinns des Klägers nicht als eine Erkrankung der BK-Liste festgestellt werden kann, auch wenn der Kläger der Auffassung ist, dass diesbezüglich eine Listen-BK aus der Gruppe 1300 in Betracht zu ziehen ist. Nach dem Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M.- was insoweit bestätigt wird durch das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. M. - ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Monteur im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren bei der S. AG in K. einer Mischexposition der Stoffe Brandrauche, Clophen mit der Freisetzung von Salzsäuredämpfen, Schweißrauchen und Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen war. Eine Feststellung einer Listenerkrankung insbesondere im Bereich der Gruppe 1300 der Anlage 1 zur BKVO scheitert daran, dass keiner dieser einwirkenden Stoffe als wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung des Geruchssinns auf wissenschaftlich gesicherter Basis isoliert werden kann. Kann demnach einer der einwirkenden Stoffe für sich gesehen nicht als wesentliche Ursache für die Einschränkung des Geruchssinns mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, kann auch die Anerkennung einer Listenerkrankung nicht in Betracht gezogen werden. Über die Hyposmie gibt es keine eigene Berufskrankheiten-Ziffer; eine Rechtsgrundlage hierfür ist somit nicht gegeben.
30 
Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als Wie - BK gem. § 551 Abs. 2 RVO begehrt. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung verzeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind. Es muss auch im Zusammenhang mit einer Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 2 RVO feststehen, dass bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung solchen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten dieser Art zu verursachen. Voraussetzungen sind demnach:
31 
1. Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung bestimmten Einwirkungen ausgesetzt sein.
32 
2. Diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art zu verursachen.
33 
3. Diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage 1 zur BKVO noch nicht in ausreichendem Maße vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sein.
34 
4. Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 551 RVO Nr. 18).
35 
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung, erfordere den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (vgl. BSGE 59 Seite 259/298 m.w.N.). Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit der im allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie BKen nach § 551 Abs. 2 RVO und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zugegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -). Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in dem Fall letztlich aus Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu der selben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG aaO).
36 
Die Feststellung einer Wie - BK setzt voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist. Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherter Tätigkeit ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet, (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -). An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (z. B. nicht gemeinsamer Beruf; vgl. BSG aaO).
37 
Die im Falle des Klägers maßgebliche „bestimmte Personengruppe“ sind die im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren Versicherten. Der Kläger war durch seine Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gegenüber Brandrauchen, die beim Löten entstanden sind und gegenüber Clophen exponiert, welches beim Löten von Kupferleitungen verbrennt, wobei beim Erhitzen von Clophen Salzsäuredämpfe freigesetzt werden. Weiterhin war er bei seiner Tätigkeit gegenüber Schweißrauchen exponiert und schließlich auch verschiedenen organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen ausgesetzt. Er ist also einer ganzen Reihe die Nasenschleimhaut reizenden Substanzen bei seiner Tätigkeit in der Montage/Reparatur von Transformatoren gegenüber exponiert gewesen.
38 
Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 96, 196 = SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftlich/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmt Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangen. Zwar gibt es bezüglich einer sich aus mehreren schleimhautreizenden Stoffen zusammengesetzten Mischexposition, der der Kläger über lange Jahre hinweg ausgesetzt war, keine epidemiologischen Untersuchungen mit Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass jeder der einzelnen, die Schleimhaut reizenden Stoffe, denen der Kläger über lange Jahre seiner beruflichen Betätigung ausgesetzt war, generell geeignet ist, Riechstörungen zu verursachen; hierzu existieren auch entsprechende wissenschaftliche Studien, die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.in seinem Gutachten vom 23. September 2008 angeführt hat. Diese Auffassung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M., der sich der Senat anschließt, wird auch gestützt durch die inhaltlich gleichlautenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M. in seinem Gutachten vom 6. April 2005 und den gleichlautenden Ausführungen von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 17. September 2008. Auch wenn die Wirkungsmechanismen der einzelnen die Schleimhaut reizenden Substanzen zumindest teilweise auch unterschiedlich sein mögen, verursachen sie jedoch gleiche oder zumindest ähnliche Effekte an den oberen Atemwegen, sodass auch eine additive Wirkung der einzelnen toxischen Stoffe, denen der Kläger ausgesetzt war, plausibel ist, wobei jedoch die Einwirkung der Salzsäuredämpfe im Vordergrund steht. Für diese Substanz ist nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert, dass sie beim Menschen Riechstörungen verursacht.
39 
Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. hat - mit entsprechenden Studien belegt - überzeugend die schleimhautreizende Wirkung von Brandrauchen, die beim Löten entstehen, beschrieben, die generell geeignet sind, Riechstörungen hervorzurufen. Entsprechend belegt hat er auch die schleimhautreizende Wirkung des Verbrennens von Clophen, das beim Löten von Kupferleitungen gegeben ist, insbesondere im Hinblick auf die Freisetzung von Salzsäuredämpfen; diese sind generell geeignet, Riechstörungen hervorzurufen. Weiterhin hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. überzeugend und mit entsprechenden wissenschaftlichen Zitaten belegt die generelle Geeignetheit von Schweißrauchen für die Hervorrufung von Riechstörungen dargelegt. Dabei ist auch zu beachten, dass im Hinblick auf die dafür zugrundezulegenden hohen Konzentrationen an Schweißrauchen im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 10. Januar 2002 Grenzüberschreitungen der Messwerte für Gesamtschweißrauche und auch für Chromate festgehalten sind. Chromate wiederum - auch hierfür hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. wissenschaftliche Zitate als Beleg angeführt - sind in sehr hohen Konzentrationen generell geeignet, Störungen des Riechvermögens bis hin zu vollständigem Verlust des Riechvermögens (Anosmie) zu verursachen. Auch wenn die Belastung des Klägers gegenüber Chromaten sicherlich deutlich geringer gewesen ist als beispielsweise bei einem Galvaniseur ist auch dieser Stoff im Rahmen der Mischexposition und der schon angeführten „additiven“ Wirkung ein weiterer Umstand, der die generelle Geeignetheit der toxischen Stoffe zur Herbeiführung einer Riechstörung erhärtet. Schließlich hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. noch die generelle Geeignetheit der organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen, denen der Kläger ausgesetzt war, zur Herbeiführung einer Riechstörung durch ihre schleimhautreizende Wirkung nachvollziehbar und wiederum entsprechend mit wissenschaftlichen Zitaten belegt beschrieben.
40 
Der Senat ist der Auffassung, dass hier ein sog. „Seltenheits-Fall“ vorliegt, bei dem zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten als Wie - BK‘en nach § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann. Aufgrund der vom Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. angeführten Studien, deren Aussagen auch durch die im Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M. und Prof. Dr. K. gestützt werden, ist der Senat davon überzeugt, dass die toxischen Stoffe, denen der Kläger bei seinen Arbeitsbedingungen in teilweise hohen Konzentrationen über lange Jahre ausgesetzt war, generell geeignet sind, eine Riechstörung zu verursachen.
41 
Die Erkenntnisse, auf denen diese Einschätzung beruht, sind auch „neu“ im Sinn des § 551 Abs. 2 RVO. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse nur dann „neu“ im Sinne dieser Vorschrift bzw. im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch feststeht, dass sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind. Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit „neu“ sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandensein bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu im diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -).
42 
Die Studien, auf die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten hingewiesen hat, sind zwar vor der letzten Änderung der BKV im Jahre 2009 veröffentlicht worden. Dennoch sind sie als „neu“ im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII zu bewerten. Der Senat stützt sich dabei auf die Aussage des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 15. Februar 2006 bzw. auf die Aussage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Abteilung Versicherung und Leistung - vom 12. Januar 2009, wonach der ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Fragestellung einer Riechstörung infolge von toxischen Stoffexpositionen bisher nicht erkennbar geprüft habe.
43 
Im konkreten Fall des Klägers ist es auch hinreichend wahrscheinlich, dass seine Hyposmie durch die beruflich bedingte Einwirkung der toxischen Stoffe (Brandrauche, Clophen/Salzsäuredämpfe, Schweißrauche, Lösungsmittel) verursacht worden ist. Der Kläger war den toxischen, schleimhautreizenden Stoffen von 1970 bis 1996 und zum Teil darüber hinaus während seiner versicherten Tätigkeit bei der S. AG K. in zum Teil hohen Konzentrationen ausgesetzt. Diesbezüglich stützt sich der Senat auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 14. Januar 2002) und des Technisches Aufsichtsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19. März 2004) und die Arbeitsanamnesen in den Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. Ke., Prof. Dr. Dr. M. und insbesondere Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten vom 1. September 2005. Von diesen Arbeitsplatzverhältnissen bzw. diesen Ausmaßen der Schadstoffexpositionen geht der Senat auch deshalb aus, weil sie während des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind. Dabei ist im Hinblick auf den Umfang der Schadstoffexposition hervorzuheben, dass der Kläger zwischen 1970 und 1996 bei der Montage/Reparatur der „Flüssigtransformatoren“ durchschnittlich wöchentlich 3 Stunden mit „Widerstandsschweißen oder Hartlöten“ beschäftigt gewesen ist. Bei dieser Tätigkeit ist der Kläger zur Überzeugung des Senats hohen Konzentrationen von Salzsäuredämpfen ausgesetzt gewesen. Insofern schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Sachverständigengutachten vom 23. September 2008 an, der diese Annahme überzeugend damit begründet hat, dass der Kläger im Zusammenhang mit diesen Arbeiten über sehr starke Reizungen von Nase, Augen, Rachen und Haut sowie Atemnot nach dem Einatmen der entstandenen Rauche und Dämpfe berichtet hat. Gerade aber den Salzsäuredämpfen kommt - so der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.- im Rahmen der „Mischexposition“ für die Verursachung der Geruchsstörung eine herausragende Bedeutung zu. Von der hinreichend wahrscheinlichen Verursachung der Geruchsstörung des Klägers durch die beruflich bedingte Einwirkung der bei der versicherten Tätigkeit des Klägers gegebenen toxischen Stoffen ist der Senat im Übrigen auch deshalb überzeugt, weil übereinstimmend die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M., Priv.-Doz. Dr. M., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Dr. Ke. diesbezüglich keine außerberuflichen Krankheitsursachen eruieren konnten und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Schadstoffexposition und der vorliegenden Hyposmie feststeht. Beide Umstände sind geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung der Hyposmie zu erhöhen.
44 
Mithin ist die Hyposmie des Klägers als Wie - BK anzuerkennen. Die MdE ist - hierbei schließt sich der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M.in seinen Gutachten vom 1. September 2005 und 23. September 2008 an - auf allenfalls 10 v. H. zu schätzen. Priv.-Doz. Dr. M.ist bei dieser Bewertung von den beiden Gesundheitsstörungen Hyposmie und chronische Rhinitis ausgegangen, wobei jedoch letztere nicht Gegenstand der Anerkennung als Wie - BK ist. Eine Verletztenrente kommt somit nicht in Betracht, wurde vom Kläger aber auch nicht beantragt.
45 
Die Berufung hat somit teilweise Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspruchs auf Anerkennung einer PTBS als Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2000 im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde. Im Übrigen werden diese Urteile aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.

2

Der 1943 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter. Er nahm 1968 eine Beschäftigung als hauptamtlicher Mitarbeiter in der Entwicklungshilfe auf. Dort war er von März 1968 bis Juni 1973 auf Madagaskar und von Juli 1973 bis Juli 1975 in Mali eingesetzt. Von August 1975 bis Dezember 1978 war er beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) im Inland beschäftigt. Für diese Organisation war er von Januar 1979 bis Januar 1983 in Niger, von Februar 1983 bis Juni 1987 in Berlin, von August 1987 bis Juli 1995 in Togo sowie von September 1995 bis Februar 1999 als Referatsleiter "Westafrika" wieder in Berlin eingesetzt. In der zuletzt genannten Funktion unternahm er mehrere Reisen in westafrikanische Länder.

3

Unter dem 1.2.1999 zeigte der DED der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit an. Der Kläger leide nach jahrelangem Aufenthalt in Krisengebieten an PTBS. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer PTBS als "Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung" (BKV) ab (Bescheid vom 8.2.2000). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte außerdem geltend, die Erkrankung sei als Wie-BK anzuerkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 zurück. Darin wurde erstmals erklärt, die PTBS sei nicht nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, da neue medizinische Erkenntnisse hierzu nicht vorlägen.

4

Der Kläger hat beim SG Freiburg die Aufhebung der den Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung sowie ihre Verurteilung zur Entschädigung begehrt. Das SG hat den "Bescheid der Beklagten vom 08.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2000" aufgehoben und diese verurteilt, die PTBS als Wie-BK anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 25.10.2005).

5

Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über das Entstehen der Erkrankung PTBS bei der Gruppe der hauptberuflich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen lägen nicht vor. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die beim Kläger vorliegende PTBS wie eine BK zu "entschädigen" ist. Die hauptamtlich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen und die Entwicklungshelfer seien zu einer Gruppe zusammenzufassen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die Personengruppe bei ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt, die geeignet seien, PTBS hervorzurufen. Auch die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung einer Wie-BK seien gegeben.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 2 SGB VII sowie § 551 Abs 2 RVO und einen Verstoß gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Anerkennung einer Wie-BK seien ua besondere Einwirkungen zu fordern, denen der Kläger als Mitglied einer bestimmten Personengruppe in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei. Zudem müssten neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft belegen, dass die Einwirkungen generell geeignet seien, PTBS zu verursachen. Bei den Feststellungen habe das LSG die Gruppe der Entwicklungshelfer iS des Entwicklungshelfer-Gesetzes von der Gruppe der als Landesbeauftragten eines Entwicklungshilfedienstes Beschäftigten abgrenzen müssen. Bei Beachtung dieser Unterscheidung zeige sich, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Verursachung einer PTBS nicht für die Gruppe der hauptamtlichen Landesbeauftragten gegeben seien. Für die Gruppe der hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeauftragten lasse sich eine gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht feststellen. Notwendig sei eine epidemiologische Bestätigung des Kausalzusammenhangs, die es nicht gebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 sowie das Urteil des SG Freiburg vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet.

10

Da die Beklagte Revision eingelegt hat, sind nur die vom LSG bestätigte Aufhebung der Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und im Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 und die Aufhebung der in diesem zudem enthaltenen Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK sowie die Verurteilung zur Entschädigung einer PTBS als Wie-BK Gegenstände der Revision. Diese ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des die Anerkennung einer Listen-BK ablehnenden Bescheids vom 8.2.2000 und nur insoweit in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen und das Urteil des SG mit der Maßgabe bestätigt hat, dass eine PTBS als Wie-BK festzustellen sei.

11

1. Gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und die Zurückweisung seines Widerspruchs gegen diese Regelung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem SG keine Klage erhoben. Er hat die Feststellung einer Listen-BK vor dem SG von Anfang an nicht begehrt. Der Verwaltungsakt vom 8.2.2000, der nur diese Regelung enthält, und der Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000, soweit er den Widerspruch gegen diese Verfügung zurückweist, sind vom Kläger nicht angegriffen worden und durften schon deshalb nicht aufgehoben werden.

12

2. Die Feststellung einer PTBS als zu entschädigende Wie-BK, die das SG ausgesprochen hat, hätte das LSG nicht bestätigen dürfen. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, denn insoweit fehlte es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über den Feststellungsantrag. Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde des Unfallversicherungsträgers nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben.

13

3. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen hat, soweit darin erstmals der Antrag auf Anerkennung der PTBS als Wie-BK abgelehnt worden ist. Das SG hat den Widerspruchsbescheid auf die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Feststellung einer Wie-BK im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

14

Soweit die Widerspruchsstelle den Widerspruch gegen die im Ausgangsbescheid verfügte Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK zurückgewiesen hat, hat der Widerspruchsbescheid - wie gesagt - Bestand, denn er ist insoweit nicht angefochten worden. Soweit aber die Widerspruchsstelle erstmals die Feststellung einer Wie-BK abgelehnt hat, hat sie eine Entscheidung über ein anderes Recht des Klägers getroffen, denn der Anspruch auf Feststellung einer Listen-BK einerseits und derjenige auf Feststellung einer Wie-BK andererseits sind grundsätzlich zu unterscheiden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

15

Die Feststellung der Widerspruchsstelle, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK, ist rechtswidrig und verletzt diesen schon in seinem verfahrensrechtlichen Recht auf Entscheidung durch die funktional und sachlich zuständige Behörde des Leistungsträgers (§ 42 Satz 1 SGB X). Denn die Widerspruchsstelle ist funktional und sachlich nicht zuständig, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers - hier des Rentenausschusses - über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl § 36a Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm der Satzung der Beklagten; dazu BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R, veröffentlicht in JURIS; BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 21/05 R; stRspr). Der Verfahrensfehler ist iS von § 62 Halbs 2, § 42 Satz 1 SGB X beachtlich und begründet einen Aufhebungsanspruch.

16

Aufgrund des Antrags auf Feststellung einer Wie-BK, den der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung gestellt hat, muss jetzt die sachlich zuständige Behörde der Beklagten das Verwaltungsverfahren durchführen.

17

4. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die bisherige Dauer des Verfahrens und den zeitlichen Aspekt, den die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) hat, veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

18

Maßgebend für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dürfte das SGB VII (§ 212 SGB VII)sein. Zwar könnte die streitige Erkrankung seit Mitte 1996 eingetreten sein. Es ist aber anzunehmen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkungs-Verursachungs-beziehung - wenn überhaupt, dann - aus der Zeit nach dem Jahr 2000 stammen. Der Versicherungsfall dürfte daher nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121, 126 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 22).

19

Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27), denn die Regelung des § 9 Abs 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel(vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 31 mwN). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

20

           

Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (zu den einzelnen Prüfungsschritten nachfolgend):

(1) Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen.

(2) Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein.

(3) Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein (3.1), und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (3.2).

(4) Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein.

(5) Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein.

21

ad (1) Der Kläger dürfte als hauptamtlich Beschäftigter des DED bei seinen Auslandseinsätzen nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, § 4 Abs 1 SGB IV versichert gewesen sein, denn während seiner Auslandseinsätze bestand im Inland ein Beschäftigungsverhältnis zum DED, in dessen Rahmen er vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt im Ausland tätig war. Er hat mit der PTBS eine bestimmte Krankheit benannt, deren Anerkennung als Wie-BK er begehrt.

22

ad (2) Die Merkmale einer Listen-BK sind nicht erfüllt.

23

ad (3) Nach § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (3.1). Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Als Einwirkungen kommt praktisch alles in Betracht, was auf Menschen einwirkt. Daher ist es - auch wenn es (noch) keine Listen-BK gibt - möglich, auf rein psychische Einwirkungen abzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Listen-BK einführen kann. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl BSG vom 29.10.1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (zB nicht gemeinsamer Beruf, vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr 55).

24

(3.2) Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt (zweifelnd zum Vorliegen solcher Erkenntnisse für die PTBS: Becker, ASUmed 2006, 304, 306; Knickrehm, SGb 2010, 381, 385). Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können zB auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl BSG vom 9.5.2006, aaO, jeweils RdNr 26 mwN).

25

ad (4) Falls solche Erkenntnisse zur PTBS vorliegen, dürften diese neu iS des § 9 Abs 2 SGB VII sein (so auch das Urteil des LSG), weil sie bei der letzten Änderung der BKV vom Verordnungsgeber nicht geprüft und nicht beachtet wurden.

26

ad (5) Zur Beurteilung der Frage, ob auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Wie-BK vorliegen, ergeben sich aus dem Urteil des Senats vom 9.5.2006 (aaO, jeweils RdNr 24 f) Hinweise, auch wenn es die psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls betraf. Danach ist, wenn der Versicherte nicht selbst von Einwirkungen betroffen war, sondern Einwirkungen auf Dritte beobachtete, als Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug zu verlangen (vgl BSG vom 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Senat schätzt den Anteil des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens auf jeweils die Hälfte.

Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspruchs auf Anerkennung einer PTBS als Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2000 im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde. Im Übrigen werden diese Urteile aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.

2

Der 1943 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter. Er nahm 1968 eine Beschäftigung als hauptamtlicher Mitarbeiter in der Entwicklungshilfe auf. Dort war er von März 1968 bis Juni 1973 auf Madagaskar und von Juli 1973 bis Juli 1975 in Mali eingesetzt. Von August 1975 bis Dezember 1978 war er beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) im Inland beschäftigt. Für diese Organisation war er von Januar 1979 bis Januar 1983 in Niger, von Februar 1983 bis Juni 1987 in Berlin, von August 1987 bis Juli 1995 in Togo sowie von September 1995 bis Februar 1999 als Referatsleiter "Westafrika" wieder in Berlin eingesetzt. In der zuletzt genannten Funktion unternahm er mehrere Reisen in westafrikanische Länder.

3

Unter dem 1.2.1999 zeigte der DED der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit an. Der Kläger leide nach jahrelangem Aufenthalt in Krisengebieten an PTBS. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer PTBS als "Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung" (BKV) ab (Bescheid vom 8.2.2000). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte außerdem geltend, die Erkrankung sei als Wie-BK anzuerkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 zurück. Darin wurde erstmals erklärt, die PTBS sei nicht nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, da neue medizinische Erkenntnisse hierzu nicht vorlägen.

4

Der Kläger hat beim SG Freiburg die Aufhebung der den Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung sowie ihre Verurteilung zur Entschädigung begehrt. Das SG hat den "Bescheid der Beklagten vom 08.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2000" aufgehoben und diese verurteilt, die PTBS als Wie-BK anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 25.10.2005).

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Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über das Entstehen der Erkrankung PTBS bei der Gruppe der hauptberuflich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen lägen nicht vor. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die beim Kläger vorliegende PTBS wie eine BK zu "entschädigen" ist. Die hauptamtlich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen und die Entwicklungshelfer seien zu einer Gruppe zusammenzufassen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die Personengruppe bei ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt, die geeignet seien, PTBS hervorzurufen. Auch die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung einer Wie-BK seien gegeben.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 2 SGB VII sowie § 551 Abs 2 RVO und einen Verstoß gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Anerkennung einer Wie-BK seien ua besondere Einwirkungen zu fordern, denen der Kläger als Mitglied einer bestimmten Personengruppe in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei. Zudem müssten neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft belegen, dass die Einwirkungen generell geeignet seien, PTBS zu verursachen. Bei den Feststellungen habe das LSG die Gruppe der Entwicklungshelfer iS des Entwicklungshelfer-Gesetzes von der Gruppe der als Landesbeauftragten eines Entwicklungshilfedienstes Beschäftigten abgrenzen müssen. Bei Beachtung dieser Unterscheidung zeige sich, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Verursachung einer PTBS nicht für die Gruppe der hauptamtlichen Landesbeauftragten gegeben seien. Für die Gruppe der hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeauftragten lasse sich eine gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht feststellen. Notwendig sei eine epidemiologische Bestätigung des Kausalzusammenhangs, die es nicht gebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 sowie das Urteil des SG Freiburg vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet.

10

Da die Beklagte Revision eingelegt hat, sind nur die vom LSG bestätigte Aufhebung der Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und im Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 und die Aufhebung der in diesem zudem enthaltenen Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK sowie die Verurteilung zur Entschädigung einer PTBS als Wie-BK Gegenstände der Revision. Diese ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des die Anerkennung einer Listen-BK ablehnenden Bescheids vom 8.2.2000 und nur insoweit in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen und das Urteil des SG mit der Maßgabe bestätigt hat, dass eine PTBS als Wie-BK festzustellen sei.

11

1. Gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und die Zurückweisung seines Widerspruchs gegen diese Regelung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem SG keine Klage erhoben. Er hat die Feststellung einer Listen-BK vor dem SG von Anfang an nicht begehrt. Der Verwaltungsakt vom 8.2.2000, der nur diese Regelung enthält, und der Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000, soweit er den Widerspruch gegen diese Verfügung zurückweist, sind vom Kläger nicht angegriffen worden und durften schon deshalb nicht aufgehoben werden.

12

2. Die Feststellung einer PTBS als zu entschädigende Wie-BK, die das SG ausgesprochen hat, hätte das LSG nicht bestätigen dürfen. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, denn insoweit fehlte es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über den Feststellungsantrag. Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde des Unfallversicherungsträgers nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben.

13

3. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen hat, soweit darin erstmals der Antrag auf Anerkennung der PTBS als Wie-BK abgelehnt worden ist. Das SG hat den Widerspruchsbescheid auf die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Feststellung einer Wie-BK im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

14

Soweit die Widerspruchsstelle den Widerspruch gegen die im Ausgangsbescheid verfügte Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK zurückgewiesen hat, hat der Widerspruchsbescheid - wie gesagt - Bestand, denn er ist insoweit nicht angefochten worden. Soweit aber die Widerspruchsstelle erstmals die Feststellung einer Wie-BK abgelehnt hat, hat sie eine Entscheidung über ein anderes Recht des Klägers getroffen, denn der Anspruch auf Feststellung einer Listen-BK einerseits und derjenige auf Feststellung einer Wie-BK andererseits sind grundsätzlich zu unterscheiden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

15

Die Feststellung der Widerspruchsstelle, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK, ist rechtswidrig und verletzt diesen schon in seinem verfahrensrechtlichen Recht auf Entscheidung durch die funktional und sachlich zuständige Behörde des Leistungsträgers (§ 42 Satz 1 SGB X). Denn die Widerspruchsstelle ist funktional und sachlich nicht zuständig, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers - hier des Rentenausschusses - über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl § 36a Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm der Satzung der Beklagten; dazu BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R, veröffentlicht in JURIS; BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 21/05 R; stRspr). Der Verfahrensfehler ist iS von § 62 Halbs 2, § 42 Satz 1 SGB X beachtlich und begründet einen Aufhebungsanspruch.

16

Aufgrund des Antrags auf Feststellung einer Wie-BK, den der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung gestellt hat, muss jetzt die sachlich zuständige Behörde der Beklagten das Verwaltungsverfahren durchführen.

17

4. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die bisherige Dauer des Verfahrens und den zeitlichen Aspekt, den die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) hat, veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

18

Maßgebend für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dürfte das SGB VII (§ 212 SGB VII)sein. Zwar könnte die streitige Erkrankung seit Mitte 1996 eingetreten sein. Es ist aber anzunehmen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkungs-Verursachungs-beziehung - wenn überhaupt, dann - aus der Zeit nach dem Jahr 2000 stammen. Der Versicherungsfall dürfte daher nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121, 126 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 22).

19

Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27), denn die Regelung des § 9 Abs 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel(vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 31 mwN). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

20

           

Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (zu den einzelnen Prüfungsschritten nachfolgend):

(1) Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen.

(2) Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein.

(3) Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein (3.1), und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (3.2).

(4) Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein.

(5) Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein.

21

ad (1) Der Kläger dürfte als hauptamtlich Beschäftigter des DED bei seinen Auslandseinsätzen nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, § 4 Abs 1 SGB IV versichert gewesen sein, denn während seiner Auslandseinsätze bestand im Inland ein Beschäftigungsverhältnis zum DED, in dessen Rahmen er vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt im Ausland tätig war. Er hat mit der PTBS eine bestimmte Krankheit benannt, deren Anerkennung als Wie-BK er begehrt.

22

ad (2) Die Merkmale einer Listen-BK sind nicht erfüllt.

23

ad (3) Nach § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (3.1). Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Als Einwirkungen kommt praktisch alles in Betracht, was auf Menschen einwirkt. Daher ist es - auch wenn es (noch) keine Listen-BK gibt - möglich, auf rein psychische Einwirkungen abzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Listen-BK einführen kann. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl BSG vom 29.10.1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (zB nicht gemeinsamer Beruf, vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr 55).

24

(3.2) Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt (zweifelnd zum Vorliegen solcher Erkenntnisse für die PTBS: Becker, ASUmed 2006, 304, 306; Knickrehm, SGb 2010, 381, 385). Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können zB auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl BSG vom 9.5.2006, aaO, jeweils RdNr 26 mwN).

25

ad (4) Falls solche Erkenntnisse zur PTBS vorliegen, dürften diese neu iS des § 9 Abs 2 SGB VII sein (so auch das Urteil des LSG), weil sie bei der letzten Änderung der BKV vom Verordnungsgeber nicht geprüft und nicht beachtet wurden.

26

ad (5) Zur Beurteilung der Frage, ob auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Wie-BK vorliegen, ergeben sich aus dem Urteil des Senats vom 9.5.2006 (aaO, jeweils RdNr 24 f) Hinweise, auch wenn es die psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls betraf. Danach ist, wenn der Versicherte nicht selbst von Einwirkungen betroffen war, sondern Einwirkungen auf Dritte beobachtete, als Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug zu verlangen (vgl BSG vom 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Senat schätzt den Anteil des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens auf jeweils die Hälfte.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspruchs auf Anerkennung einer PTBS als Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2000 im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde. Im Übrigen werden diese Urteile aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.

2

Der 1943 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter. Er nahm 1968 eine Beschäftigung als hauptamtlicher Mitarbeiter in der Entwicklungshilfe auf. Dort war er von März 1968 bis Juni 1973 auf Madagaskar und von Juli 1973 bis Juli 1975 in Mali eingesetzt. Von August 1975 bis Dezember 1978 war er beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) im Inland beschäftigt. Für diese Organisation war er von Januar 1979 bis Januar 1983 in Niger, von Februar 1983 bis Juni 1987 in Berlin, von August 1987 bis Juli 1995 in Togo sowie von September 1995 bis Februar 1999 als Referatsleiter "Westafrika" wieder in Berlin eingesetzt. In der zuletzt genannten Funktion unternahm er mehrere Reisen in westafrikanische Länder.

3

Unter dem 1.2.1999 zeigte der DED der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit an. Der Kläger leide nach jahrelangem Aufenthalt in Krisengebieten an PTBS. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer PTBS als "Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung" (BKV) ab (Bescheid vom 8.2.2000). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte außerdem geltend, die Erkrankung sei als Wie-BK anzuerkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 zurück. Darin wurde erstmals erklärt, die PTBS sei nicht nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, da neue medizinische Erkenntnisse hierzu nicht vorlägen.

4

Der Kläger hat beim SG Freiburg die Aufhebung der den Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung sowie ihre Verurteilung zur Entschädigung begehrt. Das SG hat den "Bescheid der Beklagten vom 08.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2000" aufgehoben und diese verurteilt, die PTBS als Wie-BK anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 25.10.2005).

5

Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über das Entstehen der Erkrankung PTBS bei der Gruppe der hauptberuflich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen lägen nicht vor. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die beim Kläger vorliegende PTBS wie eine BK zu "entschädigen" ist. Die hauptamtlich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen und die Entwicklungshelfer seien zu einer Gruppe zusammenzufassen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die Personengruppe bei ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt, die geeignet seien, PTBS hervorzurufen. Auch die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung einer Wie-BK seien gegeben.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 2 SGB VII sowie § 551 Abs 2 RVO und einen Verstoß gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Anerkennung einer Wie-BK seien ua besondere Einwirkungen zu fordern, denen der Kläger als Mitglied einer bestimmten Personengruppe in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei. Zudem müssten neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft belegen, dass die Einwirkungen generell geeignet seien, PTBS zu verursachen. Bei den Feststellungen habe das LSG die Gruppe der Entwicklungshelfer iS des Entwicklungshelfer-Gesetzes von der Gruppe der als Landesbeauftragten eines Entwicklungshilfedienstes Beschäftigten abgrenzen müssen. Bei Beachtung dieser Unterscheidung zeige sich, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Verursachung einer PTBS nicht für die Gruppe der hauptamtlichen Landesbeauftragten gegeben seien. Für die Gruppe der hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeauftragten lasse sich eine gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht feststellen. Notwendig sei eine epidemiologische Bestätigung des Kausalzusammenhangs, die es nicht gebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 sowie das Urteil des SG Freiburg vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet.

10

Da die Beklagte Revision eingelegt hat, sind nur die vom LSG bestätigte Aufhebung der Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und im Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 und die Aufhebung der in diesem zudem enthaltenen Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK sowie die Verurteilung zur Entschädigung einer PTBS als Wie-BK Gegenstände der Revision. Diese ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des die Anerkennung einer Listen-BK ablehnenden Bescheids vom 8.2.2000 und nur insoweit in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen und das Urteil des SG mit der Maßgabe bestätigt hat, dass eine PTBS als Wie-BK festzustellen sei.

11

1. Gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und die Zurückweisung seines Widerspruchs gegen diese Regelung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem SG keine Klage erhoben. Er hat die Feststellung einer Listen-BK vor dem SG von Anfang an nicht begehrt. Der Verwaltungsakt vom 8.2.2000, der nur diese Regelung enthält, und der Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000, soweit er den Widerspruch gegen diese Verfügung zurückweist, sind vom Kläger nicht angegriffen worden und durften schon deshalb nicht aufgehoben werden.

12

2. Die Feststellung einer PTBS als zu entschädigende Wie-BK, die das SG ausgesprochen hat, hätte das LSG nicht bestätigen dürfen. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, denn insoweit fehlte es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über den Feststellungsantrag. Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde des Unfallversicherungsträgers nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben.

13

3. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen hat, soweit darin erstmals der Antrag auf Anerkennung der PTBS als Wie-BK abgelehnt worden ist. Das SG hat den Widerspruchsbescheid auf die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Feststellung einer Wie-BK im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

14

Soweit die Widerspruchsstelle den Widerspruch gegen die im Ausgangsbescheid verfügte Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK zurückgewiesen hat, hat der Widerspruchsbescheid - wie gesagt - Bestand, denn er ist insoweit nicht angefochten worden. Soweit aber die Widerspruchsstelle erstmals die Feststellung einer Wie-BK abgelehnt hat, hat sie eine Entscheidung über ein anderes Recht des Klägers getroffen, denn der Anspruch auf Feststellung einer Listen-BK einerseits und derjenige auf Feststellung einer Wie-BK andererseits sind grundsätzlich zu unterscheiden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

15

Die Feststellung der Widerspruchsstelle, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK, ist rechtswidrig und verletzt diesen schon in seinem verfahrensrechtlichen Recht auf Entscheidung durch die funktional und sachlich zuständige Behörde des Leistungsträgers (§ 42 Satz 1 SGB X). Denn die Widerspruchsstelle ist funktional und sachlich nicht zuständig, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers - hier des Rentenausschusses - über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl § 36a Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm der Satzung der Beklagten; dazu BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R, veröffentlicht in JURIS; BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 21/05 R; stRspr). Der Verfahrensfehler ist iS von § 62 Halbs 2, § 42 Satz 1 SGB X beachtlich und begründet einen Aufhebungsanspruch.

16

Aufgrund des Antrags auf Feststellung einer Wie-BK, den der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung gestellt hat, muss jetzt die sachlich zuständige Behörde der Beklagten das Verwaltungsverfahren durchführen.

17

4. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die bisherige Dauer des Verfahrens und den zeitlichen Aspekt, den die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) hat, veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

18

Maßgebend für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dürfte das SGB VII (§ 212 SGB VII)sein. Zwar könnte die streitige Erkrankung seit Mitte 1996 eingetreten sein. Es ist aber anzunehmen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkungs-Verursachungs-beziehung - wenn überhaupt, dann - aus der Zeit nach dem Jahr 2000 stammen. Der Versicherungsfall dürfte daher nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121, 126 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 22).

19

Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27), denn die Regelung des § 9 Abs 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel(vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 31 mwN). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

20

           

Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (zu den einzelnen Prüfungsschritten nachfolgend):

(1) Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen.

(2) Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein.

(3) Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein (3.1), und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (3.2).

(4) Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein.

(5) Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein.

21

ad (1) Der Kläger dürfte als hauptamtlich Beschäftigter des DED bei seinen Auslandseinsätzen nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, § 4 Abs 1 SGB IV versichert gewesen sein, denn während seiner Auslandseinsätze bestand im Inland ein Beschäftigungsverhältnis zum DED, in dessen Rahmen er vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt im Ausland tätig war. Er hat mit der PTBS eine bestimmte Krankheit benannt, deren Anerkennung als Wie-BK er begehrt.

22

ad (2) Die Merkmale einer Listen-BK sind nicht erfüllt.

23

ad (3) Nach § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (3.1). Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Als Einwirkungen kommt praktisch alles in Betracht, was auf Menschen einwirkt. Daher ist es - auch wenn es (noch) keine Listen-BK gibt - möglich, auf rein psychische Einwirkungen abzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Listen-BK einführen kann. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl BSG vom 29.10.1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (zB nicht gemeinsamer Beruf, vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr 55).

24

(3.2) Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt (zweifelnd zum Vorliegen solcher Erkenntnisse für die PTBS: Becker, ASUmed 2006, 304, 306; Knickrehm, SGb 2010, 381, 385). Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können zB auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl BSG vom 9.5.2006, aaO, jeweils RdNr 26 mwN).

25

ad (4) Falls solche Erkenntnisse zur PTBS vorliegen, dürften diese neu iS des § 9 Abs 2 SGB VII sein (so auch das Urteil des LSG), weil sie bei der letzten Änderung der BKV vom Verordnungsgeber nicht geprüft und nicht beachtet wurden.

26

ad (5) Zur Beurteilung der Frage, ob auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Wie-BK vorliegen, ergeben sich aus dem Urteil des Senats vom 9.5.2006 (aaO, jeweils RdNr 24 f) Hinweise, auch wenn es die psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls betraf. Danach ist, wenn der Versicherte nicht selbst von Einwirkungen betroffen war, sondern Einwirkungen auf Dritte beobachtete, als Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug zu verlangen (vgl BSG vom 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Senat schätzt den Anteil des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens auf jeweils die Hälfte.

Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspruchs auf Anerkennung einer PTBS als Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2000 im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde. Im Übrigen werden diese Urteile aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.

2

Der 1943 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter. Er nahm 1968 eine Beschäftigung als hauptamtlicher Mitarbeiter in der Entwicklungshilfe auf. Dort war er von März 1968 bis Juni 1973 auf Madagaskar und von Juli 1973 bis Juli 1975 in Mali eingesetzt. Von August 1975 bis Dezember 1978 war er beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) im Inland beschäftigt. Für diese Organisation war er von Januar 1979 bis Januar 1983 in Niger, von Februar 1983 bis Juni 1987 in Berlin, von August 1987 bis Juli 1995 in Togo sowie von September 1995 bis Februar 1999 als Referatsleiter "Westafrika" wieder in Berlin eingesetzt. In der zuletzt genannten Funktion unternahm er mehrere Reisen in westafrikanische Länder.

3

Unter dem 1.2.1999 zeigte der DED der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit an. Der Kläger leide nach jahrelangem Aufenthalt in Krisengebieten an PTBS. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer PTBS als "Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung" (BKV) ab (Bescheid vom 8.2.2000). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte außerdem geltend, die Erkrankung sei als Wie-BK anzuerkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 zurück. Darin wurde erstmals erklärt, die PTBS sei nicht nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, da neue medizinische Erkenntnisse hierzu nicht vorlägen.

4

Der Kläger hat beim SG Freiburg die Aufhebung der den Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung sowie ihre Verurteilung zur Entschädigung begehrt. Das SG hat den "Bescheid der Beklagten vom 08.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2000" aufgehoben und diese verurteilt, die PTBS als Wie-BK anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 25.10.2005).

5

Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über das Entstehen der Erkrankung PTBS bei der Gruppe der hauptberuflich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen lägen nicht vor. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die beim Kläger vorliegende PTBS wie eine BK zu "entschädigen" ist. Die hauptamtlich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen und die Entwicklungshelfer seien zu einer Gruppe zusammenzufassen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die Personengruppe bei ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt, die geeignet seien, PTBS hervorzurufen. Auch die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung einer Wie-BK seien gegeben.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 2 SGB VII sowie § 551 Abs 2 RVO und einen Verstoß gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Anerkennung einer Wie-BK seien ua besondere Einwirkungen zu fordern, denen der Kläger als Mitglied einer bestimmten Personengruppe in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei. Zudem müssten neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft belegen, dass die Einwirkungen generell geeignet seien, PTBS zu verursachen. Bei den Feststellungen habe das LSG die Gruppe der Entwicklungshelfer iS des Entwicklungshelfer-Gesetzes von der Gruppe der als Landesbeauftragten eines Entwicklungshilfedienstes Beschäftigten abgrenzen müssen. Bei Beachtung dieser Unterscheidung zeige sich, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Verursachung einer PTBS nicht für die Gruppe der hauptamtlichen Landesbeauftragten gegeben seien. Für die Gruppe der hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeauftragten lasse sich eine gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht feststellen. Notwendig sei eine epidemiologische Bestätigung des Kausalzusammenhangs, die es nicht gebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 sowie das Urteil des SG Freiburg vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet.

10

Da die Beklagte Revision eingelegt hat, sind nur die vom LSG bestätigte Aufhebung der Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und im Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 und die Aufhebung der in diesem zudem enthaltenen Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK sowie die Verurteilung zur Entschädigung einer PTBS als Wie-BK Gegenstände der Revision. Diese ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des die Anerkennung einer Listen-BK ablehnenden Bescheids vom 8.2.2000 und nur insoweit in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen und das Urteil des SG mit der Maßgabe bestätigt hat, dass eine PTBS als Wie-BK festzustellen sei.

11

1. Gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und die Zurückweisung seines Widerspruchs gegen diese Regelung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem SG keine Klage erhoben. Er hat die Feststellung einer Listen-BK vor dem SG von Anfang an nicht begehrt. Der Verwaltungsakt vom 8.2.2000, der nur diese Regelung enthält, und der Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000, soweit er den Widerspruch gegen diese Verfügung zurückweist, sind vom Kläger nicht angegriffen worden und durften schon deshalb nicht aufgehoben werden.

12

2. Die Feststellung einer PTBS als zu entschädigende Wie-BK, die das SG ausgesprochen hat, hätte das LSG nicht bestätigen dürfen. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, denn insoweit fehlte es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über den Feststellungsantrag. Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde des Unfallversicherungsträgers nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben.

13

3. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen hat, soweit darin erstmals der Antrag auf Anerkennung der PTBS als Wie-BK abgelehnt worden ist. Das SG hat den Widerspruchsbescheid auf die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Feststellung einer Wie-BK im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

14

Soweit die Widerspruchsstelle den Widerspruch gegen die im Ausgangsbescheid verfügte Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK zurückgewiesen hat, hat der Widerspruchsbescheid - wie gesagt - Bestand, denn er ist insoweit nicht angefochten worden. Soweit aber die Widerspruchsstelle erstmals die Feststellung einer Wie-BK abgelehnt hat, hat sie eine Entscheidung über ein anderes Recht des Klägers getroffen, denn der Anspruch auf Feststellung einer Listen-BK einerseits und derjenige auf Feststellung einer Wie-BK andererseits sind grundsätzlich zu unterscheiden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

15

Die Feststellung der Widerspruchsstelle, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK, ist rechtswidrig und verletzt diesen schon in seinem verfahrensrechtlichen Recht auf Entscheidung durch die funktional und sachlich zuständige Behörde des Leistungsträgers (§ 42 Satz 1 SGB X). Denn die Widerspruchsstelle ist funktional und sachlich nicht zuständig, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers - hier des Rentenausschusses - über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl § 36a Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm der Satzung der Beklagten; dazu BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R, veröffentlicht in JURIS; BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 21/05 R; stRspr). Der Verfahrensfehler ist iS von § 62 Halbs 2, § 42 Satz 1 SGB X beachtlich und begründet einen Aufhebungsanspruch.

16

Aufgrund des Antrags auf Feststellung einer Wie-BK, den der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung gestellt hat, muss jetzt die sachlich zuständige Behörde der Beklagten das Verwaltungsverfahren durchführen.

17

4. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die bisherige Dauer des Verfahrens und den zeitlichen Aspekt, den die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) hat, veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

18

Maßgebend für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dürfte das SGB VII (§ 212 SGB VII)sein. Zwar könnte die streitige Erkrankung seit Mitte 1996 eingetreten sein. Es ist aber anzunehmen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkungs-Verursachungs-beziehung - wenn überhaupt, dann - aus der Zeit nach dem Jahr 2000 stammen. Der Versicherungsfall dürfte daher nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121, 126 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 22).

19

Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27), denn die Regelung des § 9 Abs 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel(vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 31 mwN). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

20

           

Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (zu den einzelnen Prüfungsschritten nachfolgend):

(1) Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen.

(2) Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein.

(3) Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein (3.1), und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (3.2).

(4) Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein.

(5) Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein.

21

ad (1) Der Kläger dürfte als hauptamtlich Beschäftigter des DED bei seinen Auslandseinsätzen nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, § 4 Abs 1 SGB IV versichert gewesen sein, denn während seiner Auslandseinsätze bestand im Inland ein Beschäftigungsverhältnis zum DED, in dessen Rahmen er vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt im Ausland tätig war. Er hat mit der PTBS eine bestimmte Krankheit benannt, deren Anerkennung als Wie-BK er begehrt.

22

ad (2) Die Merkmale einer Listen-BK sind nicht erfüllt.

23

ad (3) Nach § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (3.1). Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Als Einwirkungen kommt praktisch alles in Betracht, was auf Menschen einwirkt. Daher ist es - auch wenn es (noch) keine Listen-BK gibt - möglich, auf rein psychische Einwirkungen abzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Listen-BK einführen kann. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl BSG vom 29.10.1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (zB nicht gemeinsamer Beruf, vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr 55).

24

(3.2) Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt (zweifelnd zum Vorliegen solcher Erkenntnisse für die PTBS: Becker, ASUmed 2006, 304, 306; Knickrehm, SGb 2010, 381, 385). Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können zB auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl BSG vom 9.5.2006, aaO, jeweils RdNr 26 mwN).

25

ad (4) Falls solche Erkenntnisse zur PTBS vorliegen, dürften diese neu iS des § 9 Abs 2 SGB VII sein (so auch das Urteil des LSG), weil sie bei der letzten Änderung der BKV vom Verordnungsgeber nicht geprüft und nicht beachtet wurden.

26

ad (5) Zur Beurteilung der Frage, ob auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Wie-BK vorliegen, ergeben sich aus dem Urteil des Senats vom 9.5.2006 (aaO, jeweils RdNr 24 f) Hinweise, auch wenn es die psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls betraf. Danach ist, wenn der Versicherte nicht selbst von Einwirkungen betroffen war, sondern Einwirkungen auf Dritte beobachtete, als Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug zu verlangen (vgl BSG vom 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Senat schätzt den Anteil des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens auf jeweils die Hälfte.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.