Landgericht Waldshut-Tiengen Urteil, 23. März 2004 - 2 Ns 13 Js 10959/99

bei uns veröffentlicht am23.03.2004

Tenor

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 16.08.2001 aufgehoben.

Die Angeklagte wird wegen Urkundenfälschung und Anstiftung zur Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom ... zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je EUR 30,00 verurteilt.

Im Übrigen wird sie freigesprochen.

Die weiter gehende Berufung wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die ausscheidbaren Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens, soweit die Angeklagte freigesprochen wurde. Im Übrigen trägt die Angeklagte die erstinstanzlichen Kosten.

Die Angeklagte trägt die Gerichtsgebühr des Berufungsverfahrens, die um 2/3 ermäßigt wird. Die gerichtlichen Auslagen und die notwendigen Auslagen der Angeklagten im Berufungsrechtszug tragen die Staatskasse zu 2/3 und die Angeklagte zu 1/3

Angewandte Vorschriften:

§§ 267 Abs. 1, 1. und 3. Alt., 223, 26, 53, 54, 55 StGB

Gründe

 
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Der Strafrichter beim Amtsgericht Bad Säckingen verurteilte die Angeklagte am 16.08.2001 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je DM 10,00. Wegen weiterer Taten, die Gegenstand der Ziffern 2 bis 5 der Anklageschrift vom 22.11.2000 gewesen waren, wurde die Angeklagte freigesprochen.
Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft fristgerecht Berufung eingelegt. Soweit die Angeklagte verurteilt wurde, hat die Staatsanwaltschaft die Berufung auf die Frage der Höhe des Tagessatzes beschränkt; sie hat die Festsetzung eines höheren Tagessatzes begehrt. Wegen der übrigen Vorwürfe hat die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung begehrt.
Im Verlauf der Berufungshauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft die Berufung hinsichtlich des Vorwurfs, der Gegenstand der Ziffer 3 der Anklage vom 22.11.2000 war, mit Zustimmung der Angeklagten zurückgenommen.
Ebenfalls in der Berufungshauptverhandlung wurde das Verfahren hinsichtlich der Anklagepunkte Ziffer 2 und 4 gemäß § 154 StPO eingestellt.
Im Übrigen hatte die Berufung im Wesentlichen Erfolg.
II.
Hinsichtlich der Urkundenfälschung, die Gegenstand der Ziffer 1 der Anklage war, und wegen der erstinstanzlich eine Verurteilung erfolgt ist, stehen der Sachverhalt (II. des angefochtenen Urteils) und dessen rechtliche Würdigung (VI. des Urteils) in Folge der wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Höhe des Tagessatzes fest. Ebenso steht die verhängte Zahl der Tagessätze fest.
Da die Angeklagte inzwischen ein monatliches Einkommen von EUR 1.400,00 bis 1.600,00 hat, das allerdings zu einem erheblichen Teil wegen der Schulden aus dem früheren Betrieb des Altersheims gepfändet wird, so dass der Angeklagten monatlich EUR 900,00 zum Leben bleiben, war der Tagessatzes auf EUR 30,00 festzusetzen.
III.
Hinsichtlich des Vorwurfs, der Gegenstand der Ziffer 5 der Anklage war, hat die Kammer festgestellt:
10 
Die Angeklagte leitete bis Mitte 2001 in die Seniorenresidenz „M. in H. Dort beschäftigte sie ab Oktober 1999 den Zeugen U. St. als Pflegehilfe. Der Zeuge war gelernter Kraftfahrzeugmechaniker und hatte keinerlei medizinische oder pflegerische Ausbildung oder Erfahrung, als er seine Tätigkeit im Betrieb der Angeklagten aufnahm. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Oktober oder November 1990 wies die Angeklagte den Zeugen an, der Heimbewohnerin M. Sch. subkutan Insulin zu spritzen, was der Zeuge auch am 2., 3., 4., 5., 6., 7., 12. und 14.11.1999 tat. In diese Tätigkeit wurde er zuvor von der Angeklagten, die examinierte Altenpflegerin ist, eingewiesen. Eine Einweisung oder unmittelbare Beaufsichtigung durch einen Arzt erfolgte zu dieser Zeit nicht. Das Insulin war ärztlich verordnet worden und medizinisch notwendig. Die erforderliche Einwilligung der Patienten oder ihre gesetzlichen Vertreter in die ärztliche Behandlung lag vor. Frau Sch. oder ihre gesetzlichen Vertreter wurden jedoch nicht im Voraus über die spezifische Qualifikation des Zeugen unterrichtet. Die Spritzungen wurden vom Zeugen in technischer Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführt.
11 
Die Angeklagte hat sich damit der Anstiftung zu einer Körperverletzung schuldig gemacht.
12 
Das Verabreichen einer Spritze stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Empfängers dar. Das erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB. Eine die Körperverletzung rechtfertigende Einwilligung der Patienten lag bei den oben festgestellten Spritzungen nicht vor.
13 
Die Einwilligung eines Patienten in eine medizinische Behandlung bezieht sich in erster Linie auf die Behandlung durch den Arzt. Sie deckt allerdings auch die Delegation auf medizinisches Hilfspersonal, so weit eine solche Delegation üblichem und ordentlichem Standard entspricht, wenn der Patient nicht Art und Umfang seiner Einwilligung näher bestimmt. Maßgeblich ist dabei nicht, was sich der Patient unter einer zulässigen Delegation vorstellt (sofern er dies nicht ausdrücklich zum Gegenstand seiner Einwilligung macht), sondern was nach objektiven Maßstäben als zulässig anzusehen ist.
14 
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Vorstellungen in Fachkreisen darüber, in welchem Umfang medizinische Maßnahmen auf Hilfspersonal delegiert werden dürfen, gewandelt, und zwar im Sinne einer erweiterten Zulässigkeit der Delegation. Bezüglich subkutaner Injektionen besteht seit langem ein Konsens dahingehend, dass diese nicht vom Arzt selbst vorgenommen werden müssen. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch hinsichtlich der Qualifikation, die beim eingesetzten Hilfspersonal vorauszusetzen ist und in welchem Maße eine Aufsicht und Anleitung durch den Arzt erforderlich ist. Klare Richtlinien bestehen insoweit nicht. Insbesondere gibt es auch unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit eine formelle Qualifikation oder aber eine tatsächliche Befähigung erforderlich oder ausreichend ist.
15 
Weder der gesichteten Literatur noch den Angaben der in der Hauptverhandlung gehörten Ärzte vermochte die Kammer eine eindeutige Äußerung dazu zu entnehmen, ob ein breiter Konsens in medizinischen Fachkreisen hinsichtlich der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Einsatzes eines medizinisch und pflegerisch unerfahrenen Kraftfahrzeugmechanikers zum Verabreichen subkutaner Spritzen nach kurzer Einweisung ohne ärztliche Anleitung oder Überwachung.
16 
Ganz wesentlich für die Entscheidung der Kammer war jedoch, dass in der als Sachverständiger gehörte Dr. A., der in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender der Bezirksärztekammer ... Auskunft über dem Vorstellungen der Ärzteschaft zu dieser Frage geben sollte, sich gerade deshalb nicht in der Lage sah, sich eindeutig zur Beurteilungen des hier in Rede stehenden Falles zu äußern, weil ihm Vergleichbares noch nie untergekommen war. Das zwingt angesichts des einem hohen Verbandsvertreter zur Verfügung stehenden weiten Überblicks und der Jahrzehnte langen beruflichen Erfahrung des Sachverständigen eben zur Schlussfolgerung, dass der Einsatz von Personal ohne jede Qualifikation oder Erfahrung und ohne jede ärztliche Anleitung oder Überwachung zum Verabreichen von Spritzen nicht dem üblichen Standard entspricht.
17 
Die Diskussion in der Literatur über die Voraussetzungen für den Einsatz von Hilfspersonal für Injektionen, insbesondere auch für subkutane Injektionen, bezieht sich dementsprechend auch nur darauf, welches Maß an Erfahrung und Qualifikation sowie an ärztlicher Anleitung und Überwachung erforderlich ist, nicht aber darauf, dass auf jegliche formelle Qualifikation und Erfahrung sowie auf jegliche ärztliche Anweisung und Anleitung verzichtet werden könne.
18 
Ohne entscheidende Bedeutung ist dabei, dass sowohl Dr. A. als auch der weitere gehörte Arzt, Dr. J., meinen, es sei üblich und unbedenklich, dass sich Diabetiker Insulinspritzen von Freunden und Angehörigen verabreichen lassen. Hierbei geht es nämlich jeweils um in die von einer konkreten Einwilligung des Patienten gedeckten Handlung einer bestimmten Einzelperson. Dies ist nicht übertragbar auf die in einer Institution zu erwartenden professionellen Maßstäbe. Hier kann der Patient nicht ohne weiteres selbst entscheiden, wer ihm mit welcher Qualifikation die Spritze verabreicht. Auch wenn das Setzen von Insulinspritzen durch Laien nicht generell bedenklich ist, kann dies nicht in einem massenhaften institutionellen Rahmen zugelassen werden.
19 
Der Zeuge St. hat insoweit vorsätzlich gehandelt. Er kannte alle Umstände, die die Rechtswidrigkeit seines Tuns ergaben. Sofern er dennoch die Rechtswidrigkeit nicht erkannt haben sollte, handelte es sich um einen Verbotsirrtum, der als solcher am Vorsatz nichts ändert. Im Übrigen wäre der Verbotsirrtum auch vermeidbar gewesen. Gerade einem Laien drängt sich auf, dass man ohne jede medizinische Erfahrung oder Qualifikationen nicht berufsmäßig Spritzen verabreichen darf.
20 
Zu dieser vorsätzlichen und rechtswidrigen Handlung hat die Angeklagte den Zeugen bestimmt. Zu ihren Gunsten ist von einer einmaligen Anweisung, mithin einer einzigen Tat auszugehen.
21 
Auch bei der Angeklagten wäre ein etwaiger Verbotsirrtum ohne weiteres vermeidbar gewesen. Als Leiterin eines Altenheims mussten ihr die üblichen Standards für das Verabreichen von Spritzen bekannt sein.
22 
Bei der Strafzumessung für diese Tat war zu berücksichtigen, dass die Angeklagte zwar nicht vorbestraft war, dass es sich aber hier auch nicht um einen absoluten strafrechtlichen Einzelfall bei ihr handelte. Sie hatte zuvor die bereits rechtskräftig festgestellte Urkundenfälschung begangen und ist inzwischen nochmals wegen einer Straftat (falsche Versicherung an Eides statt, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 35,00 gemäß Strafbefehl des Amtsgerichts B... vom ...) verurteilt worden.
23 
Zu ihren Gunsten ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Spritzen objektiv notwendig waren und ordnungsgemäß ausgeführt wurden, so dass die Patientin nicht zu Schaden kam. Allerdings kann die Tat deshalb nicht zur reinen Formalie herabgestuft werden. Immerhin in geht es um das Selbstbestimmungsrecht und letztlich die Menschenwürde der Patientin.
24 
Schließlich war der lange seit der Tat verstrichene Zeitraum zu berücksichtigen.
25 
Insgesamt erschien daher eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen als angemessen, wobei der Tagessatz wiederum mit EUR 30,00 anzusetzen war.
IV.
26 
Aus diesen beiden Einzelstrafen war eine Gesamtstrafe zu bilden. Dabei war auch gemäß § 55 StGB die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts B... vom ... (40 Tagessätzen zu je EUR 35,00) einzubeziehen.
27 
Unter Würdigung aller Umstände erschien eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je EUR 30,00 als angemessen.
V.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467, 473 StPO.
29 
Im Interesse der Übersichtlichkeit wurde die erstinstanzliche Entscheidungsformel insgesamt neu gefasst, auch soweit das Urteil bereits rechtskräftig war.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Referenzen

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.