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| Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht ein Recht zur Besichtigung des von ihr an die Beklagte vermieteten Grundstück nebst aufstehenden Gebäuden durch ihren Geschäftsführer F. Z. zu. |
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| 1. Eine Pflicht der Beklagten, die begehrte Besichtigung zu ermöglichen und zu dulden, ergibt sich vorliegend nicht aus dem Mietvertrag. Dieser sieht hierzu keine Regelung vor. |
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| 2. Das von der Klägerin geltend gemachte Besichtigungsrecht ergibt sich jedoch gem. § 242 BGB aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Schmid / Harsch, Kompaktkommentar Mietrecht, 1. A., § 535 Rn. 519). |
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| a. Bei der Auslegung und Ausfüllung dieser Generalklausel in der Rechtsanwendung hat das Gericht die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die einander gegenüberstehenden, gem. Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien zu berücksichtigen, um der wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte auch auf der Ebene der Rechtsanwendung Geltung zu verschaffen (BVerfGE 89, 1, 9; BVerfGE 112, 332, 358). |
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| b. Im vorliegenden Fall sind in die erforderliche Interessenabwägung auf Seiten der Klägerin als Vermieterin ihre gem. Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerinteressen einzustellen, die ihr grundsätzlich das Recht vermitteln, die in ihrem Eigentum stehende Mietsache im Rahmen der Verkehrssitte besichtigen zu dürfen, insbesondere dann, wenn sie sich - wie im vorliegenden Fall - Informationen verschaffen will, um ein ihr unterbreitetes Kaufangebot bewerten zu können (vgl. MünchKomm- BGB / Schilling, 4. Aufl., § 535 Rn. 137). |
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| In den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen ist auch der Inhaber sog. „Anteilseigentums“, also desjenigen, der einen Gesellschaftsanteil hält (vgl. Maunz / Dürig - Papier, GG, Art. 14 Rn. 195), mithin auch der Kommanditist der Klägerin F. Z.. |
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| Beim grundrechtlichen Schutz dieses „Anteilseigentums“ ist im Grundsatz zu beachten, dass die Gesellschafterrechte, in denen das „Anteilseigentum“ des Kommanditisten F. Z. am Vermögen der Klägerin als Personenhandelsgesellschaft vermittelt wird, eine durch die Verfassung der Personenhandelsgesellschaften gelockerte Rechtsposition darstellt, die sich vom Eigentum der Klägerin als Unternehmensträger deutlich unterscheidet. |
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| Im vorliegenden Fall ist bei der Bewertung der Eigentumsrechte der Klägerin und des Anteilseigentums F. Z.s jedoch weiter zu berücksichtigen, dass er 50 % der Kommanditanteile hält und als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der klägerischen Komplementärin maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf die Klägerin und die Geltendmachung ihrer Eigentumsrechte hat. Durch diese Verflechtung von maßgeblichem Einfluss auf die Willensbildung im Kreis der Gesellschafter wie in der Führung der Geschäfte der Klägerin einerseits und wirtschaftlicher Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin andererseits nähert sich das „Anteilseigentum“ des Kommanditisten F. Z. inhaltlich der der Klägerin selbst zustehenden Eigentümerposition wesensgleich an. Mit der Klage auf Besichtigung des Mietobjekts gerade durch den Geschäftsführer F. Z. macht die Klägerin mithin nicht nur die unmittelbar ihr selbst zustehenden Eigentumsrechte geltend, sondern auch das F. Z. persönlich zustehende Anteilseigentum. |
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| c. Unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG steht jedoch nicht nur die Eigentumsposition des vermietenden Grundstückseigentümers; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch das Besitzrecht der Beklagten als Mieterin des Betriebsgrundstücks und der Fabrikräume „Eigentum“ in diesem Sinne (BVerfG, Beschl. v. 26.05.1993 - 1 BvR 208/93 -, BVerfGE 89, 1, 5 f.). Auf Seiten des Mieters ist neben Art. 14 Abs. 1 GG auch Art. 13 Abs. 1 GG zu beachten, von dessen Schutzbereich zumindest auch der Öffentlichkeit unzugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume erfasst sind (BVerfG, Beschl. v. 24.05.1977 - 2 BvR 988/75 -, BVerfGE 44, 353, 371) und der dem „Wohnungs“-Inhaber das Recht verschafft, in seinen Räumlichkeiten in Ruhe gelassen zu werden (BVerfG, Beschl. v. 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 -, BVerfGE 32, 54, 75). |
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| d. Die beiderseits grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Parteien und ihrer wirtschaftlich Beteiligten erfordern sowohl bei der Auslegung des § 242 BGB in Bezug auf die Frage, ob sich hieraus das begehrte Besichtigungsrecht ergibt, als auch bei der Frage, wie ein solches Recht, wenn es denn besteht, ausgeübt werden darf, einen möglichst schonenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen, bei denen die Grundrechte aller Beteiligter soweit als möglich gewahrt und die Eingriffe in diese auf das geringst mögliche Maß beschränkt werden. |
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| e. Dies führt zu dem aus den Entscheidungsformeln zu Ziffer 1 und 2 ersichtlichen Besichtigungsrecht der Klägerin durch den Geschäftsführer ihrer Komplementärin F. Z. unter den genannten Einschränkungen: |
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| aa. Das Eigentumsrecht der Klägerin beansprucht eine Möglichkeit, sich über den Zustand der Mietsache zu vergewissern. Dieses von der Beklagten grundsätzlich nicht in Frage gestellte Recht der Klägerin ist beschränkt auf den Zweck, die Mietsache als solche zu inspizieren; sie dient nicht dem Zweck, den Betrieb der Beklagten und deren unternehmerische Aktivitäten zu untersuchen. Damit braucht die Beklagte nur Handlungen der mit der Besichtigung betrauten Mitarbeiter der Klägerin zu ermöglichen und zu dulden, die der Erkundung des Zustands von Fabrikgebäuden und Grundstück dienen. Produktionsanlagen, Vorräte, Materialien, Fertig- und Halbfertigerzeugnisse hingegen dürfen nicht Gegenstand der Besichtigung sein. |
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| bb. Das Besichtigungsrecht der Klägerin besteht wegen der Angleichung des Anteilseigentums des Kommanditisten F. Z. an die eigene Rechtsstellung der Klägerin aufgrund seines oben dargestellten maßgeblichen Einflusses auf diese darin, nach ihrer internen Willensbildung gerade dem Komplementär- Geschäftsführer F. Z. eine solche Besichtigung zu ermöglichen. |
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| f. Den grundrechtlich geschützten Rechten der Beklagten ist dadurch Rechnung zu tragen, dass sie die Besichtigungen nur im erforderlichen Ausmaß hinnehmen muss. Dies beinhaltet nicht nur die bereits oben beschriebene Beschränkung der Besichtigung auf die Bausubstanz und den Erhaltungszustand der Gebäude sowie den Zustand des Grundstücks als solchem; vielmehr sind die Besichtigungen ohne konkreten Anlass nur in solchen zeitlichen Abständen hinzunehmen, in denen nennenswerte Veränderungen des Mietobjekts zu erwarten sind. Dies führt zu einem Besichtigungsturnus von zwei Jahren, wie von der Klägerin selbst begehrt. |
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| g. Weiter erfordern die Rechte der Beklagte, den mit der Besichtigung einhergehenden Eingriff in ihre Betriebsabläufe möglichst gering zu halten. Dem trägt die Beschränkung Rechnung, dass die Besichtigung nur nach schriftlicher Ankündigung der Klägerin und sich einer hieran anschließenden Vorbereitungszeit stattfinden darf, die es der Beklagten ermöglicht, einen Zeitpunkt für die Besichtigung auszuwählen, der nach ihrem Ermessen die Abläufe in ihrem Betrieb möglichst wenig stört. |
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| aa. Durch die der Beklagten zuzubilligende Vorbereitungszeit zwischen Ankündigung und Termin muss sie auch in die Lage versetzt werden können, geheimhaltungsbedürftige Unterlagen, Produkte, Vorräte u. ä. so wegzuschließen, abzudecken oder beiseite zu schaffen, dass ihre Ausspähung zuverlässig unterbunden wird. |
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| bb. Der Einzelrichter hält solche Maßnahmen für zumutbar. Sie beschränken sich bei Lichte betrachtet auf die innerbetrieblichen Vorgänge, die die Klägerin und ihr Komplementär-Geschäftsführer F. Z. nicht auch anderweitig mit einfachsten Mitteln ausfindig machen könnte. Die Fertigprodukte der Beklagten bedürfen keiner Abdeckung oder sonstigen Geheimhaltung. Da die Maschinen der Beklagten frei käuflich sind, kann sich jeder Konkurrent über das Produkt eines Wettbewerbers und dessen Qualität jederzeit durch Kauf informieren. Die Fertigungsmethoden als solche können einer Ausspähung dadurch entzogen werden, dass die Besichtigung nicht bei laufendem Betrieb stattfindet. Pläne, Unterlagen, die über Auftragslage, Vertriebspartner und Besteller Aufschluss geben können, können mit vergleichsweise geringem Aufwand weggeschlossen werden. Überdies dürften die meisten der genannten Unterlagen EDV-gestützt verwaltet werden, so dass sie einer Ausspähung im Rahmen einer Gebäudebesichtigung durch Sicherung der Computeranlagen wirksam entzogen werden können. Was Lager, Vorräte und Fertig- und Halbfertigerzeugnisse anlangt, scheint die Beklagte selbst die Geheimhaltungsbedürftigkeit nur gering einzuschätzen: dies sind Umstände, die auch ein anderer Mitarbeiter der Klägerin als gerade der Komplementär- Geschäftsführer F. Z. erfassen und an diesen weitergeben könnte. Einer anderen von der Klägerin mit der Besichtigung betrauten Person als F. Z. wollte die Beklagte nach eigenem Bekunden jedoch das Besichtigungsrecht nie streitig machen. Was die Informationstafeln an den gerade in Fertigung befindlichen Maschinen anlangt, die über Produktionsstand, Auftragsumfang, Auftraggeber und technische Details Aufschluss geben könnten, beinhalten diese sicherlich geheimhaltungsbedürftige Details. Es handelt sich nach eigenen Angaben der Beklagten jedoch um bewegliche Tafeln, die mit überschaubarem Aufwand kurzfristig verhängt oder beiseite geschafft werden können. Außerdem ist die Beklagten während der Dauer der Besichtigung nicht schutzlos. Aufgrund des mietvertraglich begründeten Rechts zum Besitz der Mietsache ist der Geschäftsführer der Beklagten oder ein von ihm Beauftragter während der Besichtigung zur Anwesenheit berechtigt, auch zur Hinzuziehung von Mitarbeitern des Werkschutzes oder eines Rechtsbeistands, die Einschreiten können, wenn die Klägerin die Grenzen des ihr eingeräumten Besichtigungsrechts überschreiten sollte. |
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| cc. Im Ergebnis hält der Einzelrichter eine Frist zur Vorbereitung der Besichtigung von längstens zwei Wochen für ausreichend, um den Betrieb der Beklagten hinreichend vor Ausspähung durch F. Z. zu schützen. |
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| h. Was die angeblichen Gerüchte anlangt, die solche Besichtigungen ohne sonstiges Zutun der Klägerin bzw. ihrer Komplementär- Geschäftsführer bei der Belegschaft auslösen könnten, ist dieser Umstand nicht geeignet, dem Besichtigungsrecht der Klägerin entgegengehalten zu werden. Es ist eigene Aufgabe jeder Unternehmensleitung, wahrheitswidrigen oder substanzlosen Gerüchten in geeigneter Form, ggfs. durch Aufklärung ihrer Belegschaft entgegenzuwirken. |
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| 3. Die Klageanträge haben die erforderliche schriftliche Ankündigung nebst Vorbereitungszeit nicht zum Ausdruck gebracht. Insoweit bleibt die Entscheidung formal hinter den Anträgen zurück, was zur teilweisen Klageabweisung führte. Allerdings ergibt sich aus der Klagebegründung, insbesondere dem vorgerichtlichen Schreiben der Klägerin vom 21.8.2007, dass die Klägerin ein solches Vorgehen grundsätzlich akzeptiert. Damit handelt es sich um eine nur geringfügige Abweichung der Entscheidung von den Klageanträgen, die sich in der Kostenfolge nicht auswirkt. |
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