Landgericht Saarbrücken Urteil, 28. März 2013 - 5 S 182/12

bei uns veröffentlicht am28.03.2013

Tenor

1. In Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22.3.2012 – Az. 36 C 381/11 (12) - werden die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., ..., vom 17.11.2011,Tagesordnungspunkt 2, für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen nach Kopfteilen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beider Instanzen wird festgesetzt auf jeweils 2.304,60 Euro.

Gründe

A.

Der Kläger hat den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.11.2011 TOP 2 angefochten.

Die Wohnungseigentümer haben in der Versammlung am 17.11.2011 mit einfacher Mehrheit beschlossen, die vorhandenen Glasbausteine, die sich im Eingangsbereich in der Außenwand des Gebäudes befinden, auszubauen und durch Fenster zu ersetzen.

In den gegenüberliegenden Außenwandbereichen befinden sich - übereinander - jeweils fünf Glasbausteinfelder, die aus jeweils 44 Glasbausteinen mit einer zusätzlichen Lüftungsklappe bestehen. In der rechten Wand (Blickrichtung auf das Gebäude hin) sind in dem oberen Glasbausteinfeld 22 Glasbausteine beschädigt. Auf der linken Wandseite ist im oberen Glasbausteinfeld ein Glasbaustein gerissen.

Das Amtsgericht Saarbrücken hat die gegen diesen Wohnungseigentümerbeschluss gerichtete Anfechtungsklage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, bei dem Austausch der Glasbausteine gegen Fenster handele es sich nicht um eine bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG, die der Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer bedurft hätte, sondern um eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, die durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könne.

Gegen dieses am 27.3.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.4.2012 Berufung eingelegt, die er am 29.5.2012 (Dienstag nach Pfingsten) begründet hat.

Der Kläger ist der Auffassung, durch die beschlossene Maßnahme werde das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verändert.

Es sei keine Instandsetzung, sondern eine bauliche Veränderung beabsichtigt. Der zulässige Rahmen einer modernisierenden Instandsetzung sei überschritten.

Die beschlossene Maßnahme sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. Durch den Austausch der Glasbausteine gegen Fenster ergäbe sich eine jährliche Energieeinsparung in Höhe von 39,80 EUR. Unter Berücksichtigung von Investitionskosten in Höhe von 9.124,92 EUR betrage die Amortisationsdauer 229 Jahre.

Die schadhaften Glasbausteine könnten ohne weiteres durch im Handel erhältliche, den vorhandenen sehr ähnliche Glasbausteine ersetzt werden.

Die Energieeinsparverordnung sei vorliegend nicht zu beachten. Denn es handele sich nur um eine Bagatellfläche. Im Übrigen gebe es auch wärmegedämmte Glasbausteine.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken aufzuheben und die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.11.2011 TOP 2 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, mit dem Einbau von Glasbausteinen seien die Anforderungen der Energieeinsparverordnung nicht zu erreichen.

Die Glasbausteinflächen seien von der Straße aus nur teilweise einsehbar, es könne deshalb nicht von einer erheblichen optischen Veränderung ausgegangen werden, wenn alle 10 Glasbausteinfelder durch Fenster ersetzt würden.

Wenn aber nur die beiden schadhaften Glasbausteinflächen durch Fenster ersetzt würden, käme es wegen des dann uneinheitlichen Gesamterscheinungsbildes zu einer erheblichen optischen Veränderung.

Sie behaupten, die Kosten für die Herstellung von 20 m² Glasbausteinfläche lägen unter Berücksichtigung der Gerüstkosten und der Lüftungsflügel bei 13.685,-- EUR.

Die Herstellung einer Glasbausteinfläche sei nicht billiger als die Herstellung von Fensterelementen. Deshalb führe im Ergebnis jegliche Energieeinsparung zu einer Kostenamortisation.

B.

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 511, 513, 518, 520 ZPO zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken zur Ungültigerklärung der angefochtenen Wohnungseigentümerbeschlüsse vom 17.11.2011, TOP 2.

1.

Die Auffassung des Amtsgerichts Saarbrücken, bei dem mehrheitlich beschlossenen Austausch der Glasbausteine durch Fenster handele es sich nicht um eine bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG, die der Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer bedurft hätte, sondern um eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, die durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könne, beruht auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung.

Allerdings ist dem Amtsgericht zugute zu halten, dass die vorliegende Rechtsproblematik erst nach Verkündung seiner Entscheidung durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.12.2012 - V ZR 224/11 - (zitiert nach juris) abweichend von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts geklärt worden ist.

Nach der Auffassung des BGH, der sich die erkennende Berufungskammer anschließt, darf eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung oder Instandsetzung über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustandes hinausgehen, wenn die Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; Bärmann/Merle, WEG, 10. Auflage, § 21 WEG Rnr. 101 ff; § 22 WEG Rnr. 25 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen bereits deshalb nicht vor, weil durch den streitgegenständlichen Wohnungseigentümerbeschluss nicht nur die beiden schadhaften Glasbausteinfelder, sondern sämtliche 10 Felder - also auch die acht nicht schadhaften - durch Fenster ersetzt werden sollen.

Eine solche Baumaßnahme, durch die - unabhängig von dem Vorliegen eines Reparaturbedarfs - der Gebrauchswert des Gebäudes hinsichtlich des Energieverbrauchs nachhaltig erhöht werden soll, kann allenfalls mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 WEG oder durch Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer gemäß § 22 Abs. 1 WEG beschlossen werden (vgl. dazu BGH, aaO, juris Rnr. 12), nicht jedoch mit der einfachen Mehrheit über den WEG der modernisierenden Instandsetzung gemäß §§ 22 Abs. 3 i.V.m. 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.

Abgesehen davon kann auch eine modernisierende Instandsetzung mit lediglich einfacher Mehrheit nur dann in zulässiger Weise beschlossen werden, wenn die angestrebte Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; Bärmann/Merle, aaO). Diese Bewertung hängt von einer anzustellenden Kosten-Nutzen-Analyse ab, die den Wohnungseigentümerbeschluss nur dann rechtfertigen würde, wenn sich die Mehraufwendungen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes - grundsätzlich innerhalb von 10 Jahren - amortisieren würden (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; BayObLG, FGPrax, 2005, 108 ff; KG FGPrax 1996, 95; Bärmann/Merle, § 21 Rnr. 102). Dazu hätte es näherer Feststellungen zu dem Kostenaufwand bedurft, die in dem amtsgerichtlichen Urteil nicht angestellt worden sind.

Für die Entscheidung in dem Berufungsverfahren ist eine solche Kosten-Nutzen-Analyse nicht erforderlich. Denn der angefochtene Beschluss ist bereits deshalb für ungültig zu erklären, weil die Grenzen der modernisierenden Instandsetzung überschritten sind und die gesetzlich geforderten Mehrheiten (vgl. §§ 22 Abs. 1 und 22 Abs. 2 WEG) nicht vorliegen.

2.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die - insoweit unbestrittene - erhebliche optisch nachteilige Veränderung des Fassadenbildes des Gebäudes eine Ersetzung lediglich der beiden schadhaften Glasbausteinfelder durch Fenster von keinem der Beteiligten gewollt ist.

3.

Schließlich ist der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss auch nicht durch die Vorgaben der Energieeinsparverordnung gerechtfertigt.

Zwar sind gemäß § 9 Abs. 1 der EnEV Änderungen bei geheizten Räumen von Gebäuden so auszuführen, dass die in Anlage 3 festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Außenteile nicht überschritten werden.

Allerdings ist diese Bestimmung gemäß § 9 Abs. 3 EnEV nicht anzuwenden auf Änderungen von Außenbauteilen, wenn die Fläche der geänderten Bauteile nicht mehr als 10/100 der gesamten jeweiligen Bauteilfläche das Gebäude betrifft.

Vorliegend hat der Kläger unbestritten dargetan, dass die Glasbausteinfelder nicht mehr als 10 % der gesamten Außenwandfläche des Gebäudes ausmachen.

Deshalb können die schadhaften Glasbausteine ohne Rücksicht auf die Anforderungen der Energieeinsparverordnung ausgetauscht werden.

Nach dem insoweit ebenfalls unbestrittenen Vortrag des Klägers können derartige Glasbausteine auf dem Markt ohne Schwierigkeiten nachgekauft werden.

4.

Der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss war somit für ungültig zu erklären.

Die Kostenentscheidung für beide Instanzen erging nach § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die nur die Kostenentscheidung betrifft, beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für beide Instanzen wurde gemäß § 49 a Abs. 1 S. 2 Gerichtskostengesetz festgesetzt. Zur Ermittlung des maßgeblichen Fünffachen des Wertes des Interesses des Klägers wurden die von den Beklagten in dem Berufungsverfahren angegebenen Gesamtreparaturkosten für den Einbau von Fenstern in Höhe von 10.974,30 EUR zugrunde gelegt und berücksichtigt, dass der Miteigentumsanteil des Klägers 42/1000 beträgt (10.974,30 EUR : 1000 x 42 x 5 = 2.304,60 EUR).

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Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2012 - V ZR 224/11

bei uns veröffentlicht am 14.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 224/11 Verkündet am: 14. Dezember 2012 Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja WEG § 14 Nr. 1, § 2

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Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 224/11
Verkündet am:
14. Dezember 2012
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
WEG § 14 Nr. 1, § 22 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3

a) Im Grundsatz kann auch eine bauliche Maßnahme, die eine optische Veränderung
der Wohnungseigentumsanlage bewirkt, eine Gebrauchswerterhöhung darstellen
und durch qualifizierte Mehrheit beschlossen werden.

b) Dies setzt voraus, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen
Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich
geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig zu erhöhen;
an einer solchen sinnvollen Neuerung wird es unter anderem dann fehlen, wenn die
entstehenden Kosten bzw. Mehrkosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil
stehen.

c) Ist eine erhebliche optische Veränderung der Wohnungseigentumsanlage weder als
modernisierende Instandsetzung noch als Modernisierungsmaßnahme
einzuordnen, bedarf sie als nachteilige bauliche Maßnahme der Zustimmung aller
Wohnungseigentümer.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11 - LG Bremen
AG Bremen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 9. September 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger wenden sich gegen mehrere in den Eigentümerversammlungen vom 6. April 2010 und 12. August 2010 gegen ihre Stimmen gefasste Beschlüsse. Diese sehen vor, dass die sanierungsbedürftigen, aus Holz gefertigten Balkonbrüstungen „im Wege der modernisierenden Instandsetzung“ durch solche aus Stahl und Glas ersetzt werden. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger weiterhin ihr Ziel, die Beschlüsse für ungültig erklären zu lassen.

Entscheidungsgründe:


I.


2
Das Berufungsgericht meint, die beschlossene Sanierung sei eine bauliche Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 WEG. Die Zustimmung der Kläger sei entbehrlich, weil sie nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Die optische Veränderung stelle aus der gebotenen objektiven Sicht keine Beeinträchtigung dar, und zwar auch nicht im Hinblick auf die entstehenden Kosten. Das gelte selbst dann, wenn die Stahl- und Glaskonstruktion - der Behauptung der Kläger entsprechend - 280.000 €, die Sanierung der Holzbrüstungen aber nur 70.000 € koste. Auch ohne Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die geplanten Balkonbrüstungen wetterbeständiger und dauerhafter seien. Soweit die Kläger behaupteten, die Stahl- und Glaskonstruktion verursache in der laufenden Unterhaltung höhere Reparaturkosten, seien sie ihrer im Hinblick auf eine Beeinträchtigung bestehenden primären Substantiierungslast nicht nachgekommen.

II.

3
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sollte die beschlossene Erneuerung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Balkonbrüstungen - wie das Berufungsgericht meint - eine bauliche Maßnahme im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG sein, wäre sie für die Kläger nachteilig im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG und bedürfte ihrer Zustimmung. Das Berufungsgericht hat den Rechtsbegriff des Nachteils nicht zutreffend erfasst.
4
1. Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie muss konkret und objektiv sein; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 396; Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 12 mwN; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 22 Rn. 170 mwN). Insoweit sind die mit der Maßnahme verbundenen Kosten ebenso wenig wie eine mögliche Haftung im Außenverhältnis zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, aaO, 396 f.). Denn die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer sind von den Kosten der § 22 Abs. 1 WEG unterfallenden Maßnahmen ohnehin befreit (§ 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG; näher Senat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 65/11, NJW 2012, 603 Rn. 4, 6 ff.).
5
2. Wenn - wovon das Berufungsgericht nachvollziehbar ausgeht - eine erhebliche optische Veränderung des gesamten Gebäudes mit der Maßnahme einhergeht, ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich (OLG Düsseldorf, FGPrax 1995, 102; OLG Köln, NZM 2000, 765; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 22 Rn. 32; Timme/Elzer, WEG, § 22 Rn. 122 jeweils mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Januar 1979 - VII ZB 9/78, BGHZ 73, 196, 202; aA BayObLG, WuM 1997, 186 f.; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 186; Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1107 f.). Denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht. Die Minderheit muss sich dem Geschmack der Mehrheit nicht fügen; das gilt allerdings nur, wenn und soweit die Entscheidung nach dem Gesetz nicht - insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 WEG - der Mehrheitsmacht unterworfen ist.
6
3. Seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts im Jahr 2007 ergibt sich diese Auslegung des Begriffs „Nachteil“ auch daraus, dass die Anforderungen an die durch die Einfügung von § 22 Abs. 2 WEG erweiterte Beschlusskompetenz für Modernisierungsmaßnahmen nicht unterlaufen werden dürfen. Wären - wie das Berufungsgericht meint - erhebliche Änderungen des äußerlichen Erscheinungsbildes des Gebäudes nicht als nachteilig anzusehen, sofern das Gericht sie für vorteilhaft hält, könnten derartige Maßnahmen auch dann mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden, wenn sie zu einer Modernisierung des Gebäudes führten. Dies widerspräche § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG; danach bedarf es nämlich einer qualifizierten Mehrheit für Modernisierungen, die unabhängig von einem Reparaturbedarf unter anderem dann beschlossen werden können, wenn sie im Sinne von § 559 Abs. 1 Alt. 1 BGB den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig erhöhen. Sind die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben, sollen Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art nur einstimmig beschlossen werden können. Dementsprechend ging der Gesetzgeber bei der Einführung von § 22 Abs. 2 WEG davon aus, dass ohne die Erweiterung der Beschlusskompetenz unter anderem jede nicht ganz unerhebliche Änderung des äußeren Erscheinungsbildes einen allstimmigen Beschluss erfordere (BT-Drucks. 16/887, S. 29).

III.

7
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Die Beklagten machen zu Recht geltend, dass der Beschluss gemäß § 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG oder gemäß § 22 Abs. 2 WEG wirksam sein könnte.
8
1. Sanierungsarbeiten, die sich - wie die beschlossene Erneuerung der Balkonbrüstungen - nicht auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des bestehenden Zustands beschränken, können eine modernisierende Instandsetzung im Sinne von § 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG sein. Ist das nicht der Fall, sind die Voraussetzungen einer Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG zu prüfen. Nur wenn beide Vorschriften nicht eingreifen, handelt es sich um eine bauliche Maßnahme im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. Diese Einordnung ist entscheidend für die Frage, ob die Sanierung gegen die Stimmen der Kläger beschlossen werden konnte.
9
2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um zu beurteilen, um welche Art von Maßnahme es sich handelt.
10
a) Weil ein Instandsetzungsbedarf für die aus Holz gefertigten Balkonbrüstungen besteht, kann sie unter Umständen als eine modernisierende Instandsetzung einzuordnen sein, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann (§ 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung darf über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustands hinausgehen, wenn die Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt (Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 101 ff., § 22 Rn. 25 mwN). Der Maßstab eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und erprobten Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Hauseigentümers darf dabei nicht zu eng an dem bestehenden Zustand ausgerichtet werden, wenn die im Wohnungseigentum stehenden Gebäude nicht zum Schaden aller Eigentümer vorzeitig veralten und an Wert verlieren sollen (BayObLG, ZMR 2004, 442; Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 101 mwN). Von besonderer Bedeutung ist insoweit eine Kosten-Nutzen-Analyse, die das Berufungsgericht unterlassen hat. Sofern sich die Mehraufwendungen innerhalb eines angemessenen Zeitraums - der bei Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art in der Regel zehn Jahre beträgt - amortisieren, hielten sich die Maßnahmen noch im Rahmen der modernisierenden Instandsetzung (vgl. BayObLG, FGPrax 2005, 108 ff.; KG, FGPrax 1996, 95; Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 102). Dazu bedarf es näherer Feststellungen zu dem jeweiligen Kostenaufwand. Die Annahme des Berufungsgerichts, die geplante Konstruktion sei wetterbeständiger, ist nicht belegt und das konkrete Einsparpotential nicht beziffert.
11
b) Andernfalls könnte sich die Beschlusskompetenz aus § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG ergeben; dass die Wohnungseigentümer die Maßnahme bei der Beschlussfassung als modernisierende Instandsetzung angesehen haben, steht dem nicht entgegen, wenn - wie hier - die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht worden ist.
12
aa) Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG sind weitergehende Modernisierungen der Entscheidung durch qualifizierte Mehrheit unter anderem dann zugänglich, wenn sie im Sinne von § 559 Abs. 1 BGB den Gebrauchswert nachhaltig erhöhen. Der Rechtsprechung des Senats zufolge gibt die angeordnete entsprechende Heranziehung der mietrechtlichen Regelung Raum für eine großzügigere Handhabung des Modernisierungsbegriffes. Denn zum einen kommen den Wohnungseigentümern auch solche Verbesserungen zugute, von denen im Mietrecht nur der Vermieter, nicht aber auch der Mieter profitiert. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass das mit der Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 22 Abs. 2 WEG verfolgte gesetzgeberische Anliegen darin besteht, den Wohnungseigentümern - unabhängig von dem Bestehen eines Reparaturbedarfs - die Befugnis einzuräumen, mit qualifizierter Mehrheit einer Verkehrswertminderung durch Anpassung der Wohnungsanlage an die „Erfordernisse der Zeit“ entgegenzuwirken. Deshalb genügt es, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig zu erhöhen (näher Senat, Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 82/10, NJW 2011, 1221 Rn. 9 f. mwN); an einer solchen sinnvollen Neuerung wird es unter anderem dann fehlen, wenn die entstehenden Kosten bzw. Mehrkosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stehen.
13
bb) Begrenzt wird diese Befugnis der Mehrheit zudem durch den Umstand, dass kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt werden darf (näher BT-Drucks. 16/887, S. 30 f.; Senat, Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 82/10, aaO, Rn. 12 f.). Zudem darf die Eigenart der Wohnanlage nicht geändert werden. Auf diese Weise soll das Vertrauen eines Erwerbers auf den wesentlichen inneren und äußeren Bestand der Wohnanlage geschützt werden; insbesondere Luxussanierungen sollen vermieden werden (BT-Drucks. 16/887 S. 30).
14
cc) Danach kann im Grundsatz auch eine optische Veränderung eine Gebrauchswerterhöhung bewirken; die Wohnungseigentümer können mit qualifizierter Mehrheit beschließen, veraltete durch zeitgemäße Materialien zu ersetzen und das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage ansprechender zu gestalten.
15
dd) Ob - wie die Revision behauptet - die Wohnungseigentümer die Finanzierung der Maßnahme aus der Instandhaltungsrücklage beschlossen haben, und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine derartige Finanzierungsregelung zur Ungültigkeit eines auf § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG beruhenden Beschlusses führen kann, bedarf keiner Entscheidung; denn das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen und die Revision zeigt nicht auf, dass die Klage fristgerecht auf diesen Punkt gestützt worden ist.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat ferner auf Folgendes hin:
17
a) Für die im Rahmen der modernisierenden Instandsetzung erforderliche Kosten-Nutzen-Analyse muss die Höhe der Kosten festgestellt werden, die durch eine Sanierung der vorhandenen Holzbrüstungen und die geplante Maßnahme entstehen. Darüber hinaus bedarf es einer Prognose der jeweiligen Unterhaltungskosten über einen angemessenen Zeitraum, der hier bei etwa zehn Jahren liegt. Nur wenn danach die erzielbaren Einsparungen die entstehenden Mehrkosten annähernd aufwiegen, ist eine modernisierende Instandsetzung gegeben (§ 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG).
18
b) Für die Prüfung der Beschlusskompetenz gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG i.V.m. § 559 Abs. 1 Alt. 1 BGB sind Feststellungen zu dem erzielbaren Vorteil erforderlich, der nicht notwendigerweise finanzieller Natur sein muss (vgl. Senat, Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 82/10, aaO, Rn. 10). Auch insoweit muss der entstehende Aufwand ermittelt werden; weil ohnehin ein Sanierungsbedarf besteht, kommt es auf den Mehraufwand an. Die Abwägung, ob ein verständiger Wohnungseigentümer den durch die andere Bauausführung erzielten Vorteil gemessen an dem erforderlichen Mehraufwand als sinnvolle Neuerung ansehen wird, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung.
19
Weiter darf eine Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht dazu führen, dass die Eigenart der Wohnanlage geändert wird. In diesem Zusammenhang wird der Vortrag der Kläger zu berücksichtigen sein, demzufolge nicht nur die eigene Wohnanlage, sondern auch die sie umgebenden Gebäude insgesamt einheitlich mit Holzbalkonen gestaltet sind. Ob in Anbetracht dessen die Eigenart der Wohnanlage geändert wird, unterliegt ebenfalls tatrichterlicher Würdigung.
20
c) Die Darlegungs- und Beweislast für Anfechtungsgründe trägt im Rahmen der Anfechtungsklage grundsätzlich der Kläger (Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 46 Rn. 145; Then in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., vor § 43 Rn. 15 f.). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Substantiierung seines Vortrags nicht überspannt werden; sie bemessen sich insbesondere an den im Vorfeld überlassenen Unterlagen wie etwa den Angaben in der Beschlussvorlage.
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 30.09.2010 - 29 C 40/10 -
LG Bremen, Entscheidung vom 09.09.2011 - 4 S 318/10 -

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.