Landgericht Nürnberg-Fürth Zwischenurteil, 09. Feb. 2015 - 11 O 4550/13

bei uns veröffentlicht am09.02.2015

Tenor

1. Die Zeugin … ist berechtigt die Auskunft auf Fragen zu verweigern, die im Zusammenhang mit dem Inhalt pädagogischer Konferenzen in der Schule ihres Arbeitgebers, der …, stehen.

2. Die Kosten dieses Zwischenstreits tragen die Beklagten

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 22.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Im vorliegenden Rechtstreit macht der Kläger Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten geltend. Die Beklagten haben in einem Rundschreiben des „Bundes zur Wahrung der Waldorfpädagogik“, das im März 2013 in Umlauf gebracht wurde gegen den Beklagten Vorwürfe dahingehend erhoben, dass er seine Stellung als Lehrer ausnutze, um seiner Ehefrau, die ein Nachhilfeinstitut betreibt, Kunden zuzuführen.

Im Rahmen dieses Verfahrens wurde auch die Zeugin … benannt und zwar zu folgendem Beweisthema: „Im Rahmen einer pädagogischen Lehrerkonferenz anlässlich der Besprechung eines älteren Schülers habe der Kläger die Lernberatung seiner Ehefrau gegenüber den anwesenden Lehrern empfohlen.“

Die Zeugin wurde zum Termin vom 07.07.2014 als Zeugin geladen. Das Beweisthema in der Ladung lautete: Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit den Kursen seiner Ehefrau.

Im Termin erklärte die Zeugin …, dass es in der Schule eine Geheimhaltungsvereinbarung gebe und sie nicht wisse, ob sie hier etwas aussagen dürfe.

Nach mehreren Unterbrechungen erklärte die Zeugin, dass sie keine Angaben machen möchte.

Der Klägervertreter erklärte daraufhin, dass kein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe.

Daraufhin wurde ein mündlicher Termin zur Verhandlung über den Zwischenstreit anberaumt.

Es liegt vor ein Schreiben der …, in dem folgendes mitgeteilt wurde:

„Die … ist eine genehmigte Ersatzschule gem. Art. 90 BayEUG. ...

In Bezug auf den Datenschutz und den Umgang mit denen ihnen anvertrauten Informationen über Schüler und Eltern haben die Lehrkräfte analoge Regeln einzuhalten wie die Lehrkräfte an öffentliche Schulen

Aus diesem Grund wird im Arbeitsvertrag mit jeder Lehrkraft die Schweigepflicht über dienstliche Angelegenheiten vereinbart.

Bei Verletzung dieser Schweigepflicht muss eine Lehrkraft mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.“

Im Termin zur Verhandlung über den Zwischenstreit erklärte die Zeugin: ich habe die Aussage im damaligen Termin verweigert, weil ich nicht wusste, ob ich damit gegen die Geheimhaltungsvereinbarung mit meiner Schule verstoße. In dieser Geheimhaltungsvereinbarung ist vereinbart, dass nichts von pädagogischen Konferenzen nach außen gebracht wird. Soweit ich von der Schule gebeten worden bin, verweigere ich die Aussage.

Der Beklagtenvertreter ist der Ansicht, dass der Zeugin kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, da eine vertraglich vereinbarte Schweigepflicht nie Grund für ein Zeugnisverweigerungsrecht sein könne. Eine arbeitsrechtliche Abmahnung stelle gerade keinen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden dar.

Gründe

Der Zeugin … steht ein Aussageverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 1 ZPO zu.

Unstreitig hat die Zeugin mit ihrem Arbeitgeber eine Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen. Sie beruft sich darauf im Zusammenhang mit Vorgängen in der Lehrerkonferenz. Das Beweisthema umfasst auch Vorgänge während einer Lehrerkonferenz. Bei Verstoß dagegen droht ihr ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden. Grund für das Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht die Geheimhaltungsvereinbarung, sondern der durch einen Verstoß drohende vermögensrechtliche Schaden; insoweit ist die vom Beklagtenvertreter auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 15.08.2015 aufgeführte Rechtsprechung nicht einschlägig.

Ein Zeugnisverweigerungsrecht wurde auch bei einer Vermögensgefährdung angenommen. Es genügt, dass durch die Aussage die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haftung des Zeugen geschaffen werden. Dies wurde für den Mehrverkehrszeugen wegen der Möglichkeit der Inanspruchnahme angenommen (NJW 71, 942). Auch in der soeben beschriebenen Konstellation muss erst die Inanspruchnahme wegen des Unterhalts hinzukommen. Im vorliegenden Fall wäre dies die Reaktion der Schule.

Der Zeugin steht auch ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu soweit es um Fragen geht, die einen Sachverhalt betreffen, der im Zusammenhang mit dem Inhalt der pädagogischen Konferenzen der Rudolf Steiner Schule steht.

Zum Personenkreis dieser Regelung gehören Personen, deren Amts- oder Berufsausübung die schutzwürdige Vertrauenssphäre Dritter berührt (Zöller ZPO 30. Auflage Rn. 16 zu § 383 ZPO). In ihrer Tätigkeit als Lehrerin sind dies im Wesentlichen Kenntnisse über Schüler, die deren Persönlichkeitsrecht betreffen.

Die Beweisfrage war darauf gerichtet, dass die Zeugin Angeben macht zu Äußerungen des Klägers während einer Konferenz in Bezug auf einen bestimmten Schüler. Das Persönlichkeitsrecht und das Geheimhaltungsinteresse dieses Schülers könnte bei einer Aussage der Zeugin verletzt werden. Dabei sind unter anvertraute Tatsachen nicht nur solche zu verstehen, die der Zeuge aufgrund einer vertraulichen Mitteilung erfahren hat; ausreichend ist die Kenntniserlangung von objektiv vertraulichen Tatsachen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit (Zöller ZPO 30. Auflage Rn. 20a zu § 383 ZPO).

Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gem. § 385 Abs. 2 liegt nicht vor.

Nebenentscheidungen:

Kosten: § 91 ZPO

Streitwert: § 3 ZPO

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 383 Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:1.der Verlobte einer Partei;2.der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a.der Lebenspartner einer Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;3.diejenigen, di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 384 Zeugnisverweigerung aus sachlichen Gründen


Das Zeugnis kann verweigert werden:1.über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;2.über

Referenzen

Das Zeugnis kann verweigert werden:

1.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;
2.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden;
3.
über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:

1.
der Verlobte einer Partei;
2.
der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner einer Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
diejenigen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren;
4.
Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt;
6.
Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.

(2) Die unter Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren.

(3) Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dass ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.