Landgericht Münster Beschluss, 23. Sept. 2015 - 2 Qs 72 Js 1152/15 - 71/15
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 13.04.2015 aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt S.Q. aus C. als Verteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.
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Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig und begründet, weil das Amtsgericht zu Unrecht die Beiordnung eines Verteidigers abgelehnt hat.
3Nachdem nämlich die Staatsanwaltschaft mit der Anklageerhebung am 18.02.2015 zugleich die Bestellung eines Verteidigers beantragt hatte, war das Amtsgericht gemäß § 141 Abs. 3 S. 3 StPO an diesen Antrag gebunden und hatte eine entsprechende Bestellung vorzunehmen, auch wenn nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 140 StPO fehlten ( vgl. Laufhütte, Karlsruher Kommentar zur StPO, § 141 Rdn. 6 ).
4- Soweit das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 06.01.1988 ( 2 Ws 567/87 ) die vereinzelt gebliebene Ansicht vertreten hat, dass die Regelung des § 141 Abs. 3 S. 3 StPO lediglich für das Vorverfahren und nicht für die Hauptverhandlung gelte, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Abschluss der Ermittlungen ist in der Regel mit einer abschließenden, das Vorverfahren beendenden Entscheidung verbunden, so dass für die Anwendung dieser Bestimmung im Sinne der vorstehenden Auffassung quasi kein Raum verbliebe.-
5Da der einmal gestellte Beiordnungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht zurückgenommen werden kann, ist auch unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft im weiteren Verlauf des Verfahrens in ihren Stellungnahmen die Voraussetzungen einer Verteidigerbestellung als nicht gegeben ansah.
6Der Antrag der Staatsanwaltschaft ist schließlich auch nicht etwa dadurch gegenstandslos geworden, dass sich Rechtsanwalt Q. am 12.03.2015 zunächst als Wahlverteidiger mit der Bitte um Akteneinsicht zur Akte gemeldet hat; denn unverzüglich nach Einsichtnahme in die Akte hat er am 19.03.2015 das Wahlmandat niedergelegt und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt.
7Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
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(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.
(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald
- 1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll; - 2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder - 4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn
- 1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet; - 2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird; - 3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann; - 4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist; - 5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt; - 7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird; - 8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist; - 9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist; - 10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint; - 11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.
(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
(3) (weggefallen)
(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.
(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald
- 1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll; - 2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder - 4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.