Landgericht München I Beschluss, 23. Jan. 2019 - 17 O 8406/15

bei uns veröffentlicht am23.01.2019

Gericht

Landgericht München I

Tenor

Die mit Beschluss des Landgerichts München I vom 31.08.2015 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz wird wie folgt abgeändert:

Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Prozesskostenhilfe gewährt, jedoch nicht für die unfallanalytischbiomechanische Bewertung der Frage, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt angeschnallt war.

Gründe

Die mit Beschluss des Landgerichts München I vom 31.08.2015 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz war wie tenoriert abzuändern.

Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind vorliegend erfüllt, da die Klagepartei durch die teilweise unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.

Der Kläger hat nämlich durchgehend behauptet, bei dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall vom 18.04.2009 angegurtet gewesen zu sein.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. Prof. Dr. B. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21.05.2017 zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung nicht angeschnallt gewesen sei. Auf die Ausführungen in dem schriftlichen Gutachten (Bl. 112/153 d. A.), welche sich das Gericht vollumfänglich zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit verwiesen. Auch in seiner ergänzenden mündlichen Stellungnahme im Termin vom 27.02.2018 hat der Sachverständige abermals überzeugend dargelegt, weshalb im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht angeschnallt gewesen ist (Bl. 174/181).

Das Gericht ist vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass es der Kläger insoweit schlichtweg mit der Unwahrheit bedient hat.

Dass sich das Gericht von der Unwahrheit des klägerischen Sachvortrags erst nach Durchführung der Beweisaufnahme mit der erforderlichen Gewissheit hat überzeugen können, steht der Abänderung des Prozesskostenhilfe-Beschlusses nicht entgegen (siehe nur OLG Hamm Beschluss vom 14.11.2014 - 9 U 165/13, BeckRS 2014, 22460, beckonline).

Der Kläger hat vorliegend auch vorsätzlich gehandelt. Dass er keinen, auf jeden Fall aber weniger Schadensersatz von der Beklagten verlangen kann, wenn er selbst beim Unfall nicht angeschnallt war - seit den 70er Jahren gibt es in Deutschland die Anschnallpflicht, die auch dem im Jahre 1958 geborenen Kläger geläufig sein dürfte ist auch bei laienhafter Bewertung bekannt.

Hätte der Kläger bereits in seiner Klageschrift bzw. in seinem diesbezüglichen Prozesskostenhilfeantrag den Umstand, dass er bei dem Unfall nicht angeschnallt war, offenbart, wäre zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten gar nicht erholt bzw. dem Kläger hierfür keine Prozesskostenhilfe gewährt worden.

Der Sachverständige Prof. Dr. B. führte in seiner Stellungnahme vom 23.01.2019 aus, dass sich die Kosten für die Begutachtung andernfalls, d.h. ohne die Fragestellung des Tragens des Sicherheitsgurtes, auf rund 5.000,00 Euro belaufen hätten (Bl. 212/213 d.A.).

Das Gericht verkennt also nicht, dass auch unabhängig von dem Gesichtspunkt des Gurttragens ein Sachverständigengutachten zu erholen gewesen wäre; dies aber nur zur Frage, ob auch mit angelegtem Gurt gleichermaßen schwere Verletzungen entstanden wären. Die diesbezügliche Begutachtung hätte lediglich Kosten von 5.000,00 Euro verursacht, mithin fast 20.000,00 Euro weniger als tatsächlich entstanden, da die Kosten für die schriftliche und mündliche Begutachtung insgesamt 24.106,01 Euro betragen.

Das Gericht erachtet es in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens daher für gerechtfertigt, den Beschluss vom 31.08.2015 wie erfolgt abzuändern. Es ist kein Grund ersichtlich, dass solch betrügerisches Prozessverhalten noch über Prozesskostenhilfe von der Allgemeinheit finanziert wird.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 124 Aufhebung der Bewilligung


(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn 1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;2. die Partei ab

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(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn

1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.