Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 19. Jan. 2011 - 3 T 64/10

ECLI:ECLI:DE:LGLANPF:2011:0119.3T64.10.0A
19.01.2011

Tenor

I. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz, Zweigstelle Bad Bergzabern, Az.: XVII 31/10, vom 22.04.2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

III. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - leitete im Februar 2010 auf Anregung des P. Klinikums. für den Betroffenen, der sich dort gem. § 63 StGB im Maßregelvollzug befindet und an einer paranoiden Schizophrenie (ICD10:F20.0) mit chronisch-progredientem Verlauf leidet, ein Betreuungsverfahren ein. Nach Einholung eines psychiatrischem Gutachtens bei dem Sachverständigen Dr. P. und einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde richtete es durch Beschluss vom 22.04.2010 eine Betreuung ein mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, ordnete insoweit einen Einwilligungsvorbehalt an und bestellte Ra. K. aus Landau als Berufsbetreuer. Zur Begründung führte es gestützt auf seine Ermittlungen aus, dass der Betroffene auf Grund einer schizophrenen Psychose bei Residualsymptomatik mit Antriebsminderung, desorganisiertem Verhalten, Rat- und Hoffnungslosigkeit sowie depressiven Stimmungszuständen seine Vermögensangelegenheiten nicht mehr eigenverantwortlich und zuverlässig selbst zu regeln vermöge. Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sei deshalb erforderlich, da der Betroffene in der Vergangenheit kaum durchschaubare Geldgeschäfte getätigt habe, die sich für ihn jeweils finanziell erheblich nachteilig ausgewirkt hätten, weshalb eine erhebliche Gefahr für dessen Vermögen bestünde.

2

Mit seiner am 11.05.2010 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Betroffene gegen den Beschluss vom 22.04.2010. Er weist darauf hin, dass grundsätzlich gegen seinen Willen ein Betreuer nicht bestellt werden könne. Seine freie Willensbildung sei nicht beeinträchtigt. Seine psychische Erkrankung habe sich nicht negativ auf die eigenverantwortliche Vermögenssorge ausgewirkt. Eine Selbstschädigung in finanzieller Hinsicht sei nicht erfolgt. Unzutreffend sei, dass er auf seiner Station ständig Mitbewohnern Geld ausleihen würde. Zutreffend sei lediglich, dass er vor ca. fünf bis sechs Jahren einem Mitbewohner für Kaffee und Tabak über einen gewissen Zeitraum insgesamt 300,00 € geliehen habe. Hilfsweise und rein vorsorglich werde beantragt, unter Abbestellung des Berufsbetreuers Ra. K. als Betreuer den Vater des Betroffenen, Herrn E. Sch., für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge zu bestellen.

3

Durch Beschluss der Kammer vom 13.10.2010 wurde der Vater des Betroffenen auf seinen Antrag hin gem. § 274 Abs. 4 Nr. i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 FamFG am Verfahren beteiligt.

4

Die Kammer hat Stellungnahmen der Beteiligten eingeholt, den Betroffenen am 09.11.2010 persönlich angehört und sich im Rahmen dieser Anhörung ein Gutachten des Sachverständigen Dr. N. sowie ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen Dr. P. erstatten lassen. Auf die Stellungnahmen und die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

II.

5

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig, führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.

6

Das Amtsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers, auch gegen den Willen des Betroffenen, bejaht, zu Recht einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet und einen geeigneten Betreuer ausgewählt. Den Betreuungsbedarf hat es zutreffend bestimmt.

7

Im Einzelnen:

8

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers liegen vor, weil der Betroffene betreuungsbedürftig ist und krankheitsbedingt einen freien Willen nicht bilden kann.

1)

9

Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Gegen den Willen des Betroffenen, wie hier, darf eine „Zwangsbetreuung“ nur angeordnet werden, wenn der Betroffene auf Grund einer der in §1896 BGB genannten Eingangsalternativen seinen Willen nicht frei bestimmen kann (§1896 Abs. 1 a BGB), d.h. nicht in der Lage ist, ihn unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkten möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BGH, NJW 1996, 918, 919 m.w.N; BayObLG Bt-Prax 2004, 239, 240).

2)

10

Der Betroffene leidet an einer psychischen Krankheit, und zwar an einem desorganisiertem Syndrom bei schizophrener Psychose mit Residualsymptomatik. Dies steht für die Kammer nach eigener Würdigung fest auf Grund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. in seinem schriftlichem Gutachten vom 08.04.2010, dessen Ausführungen im Termin vor der Kammer am 09.11.2010 sowie den hierzu in Einklang stehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. N., ebenfalls im Rahmen dieser Anhörung. Gesichtspunkte, die gegen die Richtigkeit der nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen sprechen würden, sind nicht ersichtlich.

11

Infolge dieser Erkrankung ist der Betroffene nicht in der Lage, seine Vermögensangelegenheiten eigenverantwortlich und zuverlässig selbst zu regeln. Der Betroffene zeigt hierbei ein selbstschädigendes Verhalten, indem er unter anderem Mitpatienten Geld leiht bzw. die Rechtsanwaltskosten für einen Mitpatienten übernahm, ohne hierbei eine realistische Aussicht darauf zu haben, diese Geldbeträge auch zurück zu erlangen. Darüber hinaus gibt er erhebliche Geldmenge für leicht verderbliche Lebensmittel aus, um diese zu horten. Nach den seitens des P. Klinikums durchgeführten Schrankkontrollen muss dann ein Großteil dieser (inzwischen verdorbenen) Lebensmittel weggeworfen werden. In erheblichem Umfang selbstschädigendes Verhalten zeigt er auch dadurch, dass er im Rahmen der von ihm für erforderlich gehaltenen Bemühungen, insbesondere um Entlassung aus dem Maßregelvollzug, eine Vielzahl von Rechtsanwälten kontaktiert und mandatiert hat, was zu erheblichen finanziellen Belastungen geführt hat, ohne dass diese Beauftragungen zu dem von ihm gewünschten Erfolg der Entlassung aus dem Maßregelvollzug geführt hätten oder unter Berücksichtigung des bei ihm erreichten Therapiestandes bei vernünftiger Betrachtung realistischerweise auch nur hätte führen können.

12

Der Betroffene ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. bezogen auf die Vermögenssorge auch nicht in der Lage, einen freien Willen zu bilden, weil es bei ihm auf Grund seines desorganisierten Verhaltens im Rahmen der Residualsymptomatik der schizophrenen Psychose zu selbstschädigendem Verhalten kommt. Dies führt nach der Überzeugung der Kammer dazu, dass er das Für und Wider seiner Entscheidungen im oben genannten Sinne nicht frei von krankheitsbedingten Einflüssen bestimmen kann. Vielmehr geht er in krankheitsbedingter Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse davon aus, durch Mandatierung verschiedener Rechtsanwälte früher aus dem Maßregelvollzug entlassen werden zu können, statt zu akzeptieren, dass dies erst nach Erreichen eines bestimmten Therapiestandes, welcher von einer bei ihm aufgrund seines Verhaltens bewirkten Veränderung abhängig ist, möglich ist.

13

Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge liegen vor, weil bei fehlender Fähigkeit zur freien Willensbestimmung eine erhebliche Gefahr für das Vermögen des Betroffenen besteht, zu deren Abwendung erforderlich ist, dass der Betroffene zu einer Willenserklärung, die diesen Aufgabenkreis betrifft, dessen Einwilligung bedarf (vergl. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Betroffene ist, wie ausgeführt, im Bereich der Vermögenssorge nicht in der Lage zur freien Willensbildung. Angesichts der von dem Betroffenen seit Jahren gepflegten Übung u.a. zur Beauftragung einer Vielzahl von Rechtsanwälten besteht die Gefahr, dass der Betroffene weiterhin seinem Vermögen schweren Schaden zufügt. Dies kann nur durch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wirksam verhindert werden.

3)

14

Der Beteiligte zu 2) ist als Betreuer geeignet und zur Führung des Amtes bereit. Soweit der Betroffene selbst vorgeschlagen hat, dass der Beteiligte zu 3) die Betreuung führen sollte, ist dies wegen der Gefahr einer Belastung des Vater/Sohn-Verhältnisses untunlich; es läuft dem Wohl des Betreuten zuwider (§ 1897 BGB). Dies ergibt sich auch daraus, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. sich der Beteiligte zu 3), obwohl er Opfer der Straftat ist, die zur Unterbringung des Betroffenen im Maßregelvollzug geführt hat, als Schuldigen für dessen Aufenthalt im Pfalzklinikum ansieht und deshalb große Schuldgefühle bestehen. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass er in zu großem Umfang den Wünschen seines Sohnes nachgeben würde und diesen keinen hinreichenden Widerstand entgegensetzen könnte, zumal er selbst sich wiederholt im Rahmen der Überprüfungsverfahren der Strafvollstreckungskammer des LG Landau gem. § 67 e StGB für eine Entlassung des Betroffenen aus dem Maßregelvollzug ausgesprochen hat, weshalb davon auszugehen ist, dass er weitere derartige Bestrebungen des Betroffenen bspw. auch durch Mandatierung weiterer Rechtsanwälte unterstützen würde, was zu erneuten finanziellen Selbstschädigungen führen würde. Die Mutter des Betroffenen wird von diesem als Betreuerin, ungeachtet von der Frage deren Geeignetheit, die möglicherweise vergleichbar wie die des Beteiligten zu 3) zu beurteilen wäre, nicht gewünscht. Die Schwester des Betroffenen kommt auf Grund eigener dauerhafter Erkrankung von vornherein als Betreuerin nicht in Frage. Da der Betroffene zu sonstigen Angehörigen keinerlei Kontakt hat, es insoweit an einer Vertrauensbasis mangelt, scheiden diese Verwandten ebenfalls als Betreuer aus.

III.

15

Die Entscheidung ergeht gem. § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Damit ist die Festsetzung eines Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren nicht erforderlich.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 19. Jan. 2011 - 3 T 64/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 19. Jan. 2011 - 3 T 64/10

Referenzen - Gesetze

Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 19. Jan. 2011 - 3 T 64/10 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Referenzen

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.