Landgericht Krefeld Urteil, 23. Sept. 2015 - 2 O 175/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz wegen eines Unfallgeschehens am 16.09.2014 auf der L-Straße in Richtung I..
3Die LStraße gabelt sich aus L. kommend in Richtung I. Ortsmitte in Höhe der B-Apotheke. Eine Geradeausfahrt ist für Kraftfahrzeuge nicht möglich. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt an dieser Stelle 30km/h. Im Kreuzungsbereich beginnen nicht mehr genutzte Straßenbahnschienen. Es wird insoweit auf die zur Klageschrift gereichten Lichtbilder des streitgegenständlichen Kreuzungsbereiches Bezug genommen. Am 16.09.2014 um 13.00 Uhr war die Fahrbahn trocken. Der Kläger kannte den Kreuzungsbereich. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme der geltend gemachten Schäden mit Schreiben vom 17.10.2014 ab.
4Der Kläger behauptet:
5Er sei am 16.09.2014 um kurz vor 13.00 Uhr mit dem in seinem Eigentum stehenden Motorrad Z, amtliches Kennzeichen XX –xxx an der Gabelung der L-Straße links abgebogen und hierbei mit seinem Motorrad auf den Straßenbahnschienen ausgerutscht. Er habe auf einen bevorrechtigten Fahrradfahrer achten müssen und sei mit einer Geschwindigkeit von 15 km/h gefahren. Er habe einen üblichen Abbiegeradius wählen müssen und sei daher auf die Straßenbahnschienen geraten. Die Straßenbahnschienen stünden mindestens 4 cm zur Asphaltoberfläche hervor und die Rillen zwischen Asphalt und Schienen seien mit Bitumen verfüllt. Hierdurch ergäben sich Metall- und Bitumenspuren von ca. 15 – 20 cm Breite. Zudem würden immer wieder Bitumen- und Asphaltstücke herausbrechen. Weiter behauptet der Beklagte, die Schienen sowie die großen Bitumenflächen seien für den Kläger überraschend gewesen. Er sei in der Folge mit dem Motorrad auf die linke Seite gestürzt. Dabei sei das Motorrad an beiden Blinkern, Verkleidung, Seitenständer, Fußraste, Lenker, Lichtmaschinendeckel, Tankverkleidung und weiteren Teilen beschädigt. Die Kosten für die Beschädigung würden sich auf 2.687,68 EUR netto belaufen. Nach der Reparatur verbleibe eine Wertminderung von 300,00 EUR. Für die Anfertigung des Gutachtens seien Kosten in Höhe von 559,30 EUR entstanden. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf das zur Klageschrift gereichte Privatgutachten verwiesen. Der Beklagte behauptet ferner, zu dem Unfall sei es auch wegen der hervorstehenden Straßenbahnschienen und der Löcher zwischen Schienen und Asphalt gekommen. Zudem sei die Beklagte bereits auf die Gefährlichkeit dieses Kreuzungsbereichs hingewiesen worden. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hätte zumindest durch Warnschilder auf die verlegten Schienen hinweisen müssen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.571,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 413,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte behauptet:
11Der streitgegenständliche Kreuzungsbereich sei durch die zuständigen Straßenbegeher am 28.08.2014 und am 09.09.2014 begangen worden. Schäden oder Gefahrenstellen seien an den fraglichen Stellen nicht vorhanden gewesen. Zudem ist die Beklagte der Auffassung, der Kläger habe sich ohne Weiteres auf die Unfallstelle einstellen können. Eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht läge nicht vor.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB liegen nicht vor.
15I.
16Eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt nicht vor. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts Krefeld und des Oberlandesgerichts Düsseldorf muss sich jeder Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straßen so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und gegebenenfalls vor ihnen warnen, auf die der Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2005 – 18 U 34/05).
17Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich aus Schienen, die in der Fahrbahn verlegt sind, Gefahren insbesondere für Zweiradfahrer ergeben. Dem Zweiradfahrer obliegt es aber in besonderem Maße sich bei Straßenbahnschienen auf die sich hieraus ergebenden Gefahren einzustellen. So ist für den Straßenbenutzer bereits aus seiner allgemeinen Erfahrungen erkennbar, dass Straßenbahnschienen nicht ganz plan zur Asphaltdecke verlegt sind, sondern gering hierüber hervorstehen. Mit einer Erhöhung von 4 cm gegenüber der Asphaltdecke muss hierbei von einem umsichtigen Kraftfahrer gerechnet werden.
18Zudem sind nach der Rechtsprechung Zweiradfahrern die sich aus Gleisen ergebenden Gefahren, nämlich geringere Haftfähigkeit der Reifen und hierdurch bedingte Rutschgefahr sowie die Gefahr, mit den Reifen in die Schienenspur zu geraten und der damit verbundene Verlust der Lenkfähigkeit, bekannt oder müssten ihnen bekannt sein. Daher haben Zweiradfahrer diese Gefahren hinzunehmen und sich auf diese einzustellen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 23. Januar 2014 – 4 U 387/12, Rn. 75, juris m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Straßenbahnschienen erst im streitgegenständlichen Kreuzungsbereich anfangen. Ein umsichtiger Kraftfahrer kann spätestens bei Einfahrt in den Kreuzungsbereich die Schienen erkennen. Die Schienen heben sich deutlich vom restlichen Straßenbelag ab. Aus den vorgelegten Lichtbilder ist erkennbar, dass es für einen umsichtigen Verkehrsteilnehmer auch möglich ist, die Kurve so zu fahren, dass ein Abbremsen oder eine Lenkbewegung auf den Schienen vermieden werden kann. Dies gilt umso mehr, da dem Kläger der Kreuzungsbereich und die dort verlegten Schienen bekannt gewesen sind. Die im Kreuzungsbereich beginnenden Schienen waren für den Kläger mithin nicht überraschend. Der Kläger hätte sich aufgrund seiner Kenntnis des Kreuzungsbereiches auf die Schienen und die hierdurch bedingte Rutschgefahr einstellen und sein Fahrverhalten hierauf anpassen müssen. Ein umsichtiger Verkehrsteilnehmer hätte seine Fahrweise auch rechtzeitig darauf einrichten müssen, dass ein bevorrechtigter Fahrradfahrer die Fahrspur geradeaus überquert.
19Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ergibt sich nicht aus der klägerischen Behauptung, dass am Beginn der Schienen sowie im weiteren Kurvenbereich immer wieder Bitumen- und Asphaltstücke herausbrechen. Das Gericht mag aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennen, an welcher Stelle und in welchem Ausmaß Bitumen- oder Asphaltstücke herausgebrochen sind und wie sich dies kausal auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat. Vielmehr geht das erkennende Gericht davon aus, dass etwaige herausgebrochene Stellen nicht kausal für den Sturz waren, da der Kläger vorträgt auf den Schienen ausgerutscht zu sein. Im Übrigen tendiert die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Celle, Urteil v. 08.02.2007 – 8 U 199/16 m.w.N.) dazu, eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht begründenden Gefahrenstelle erst bei einer Schlaglochtiefe von 20 cm anzunehmen. Von derart erheblichen Schlaglöchern durch das Herausbrechen von Bitumen- oder Asphaltstücken im Schienenbereich ist hier nichts ersichtlich.
20Eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufstellung von Warnschildern bestand nicht. Eine solche Pflicht besteht nur, wenn es sich für die Kraftfahrer um unvorhersehbare Gefahren handelt. Die im Kreuzungsbereich befindlichen Schienen stellten wie bereits dargelegt keine unvorhersehbare Gefahr dar. Im Übrigen wäre der Unfall auch nicht beim Vorhandensein von Warnschildern vermieden worden, da der Kläger den Kreuzungsbereich und die bestehenden Gefahren vor dem streitgegenständlichen Unfall bereits kannte. Da dem Kläger der Kreuzungsbereich und dessen Gefahren bekannt waren, ist es unerheblich, ob die Beklagte wiederum Kenntnis davon hatte, dass in dem Kreuzungsbereich vermehrt Zweiradfahrer gestürzt sind. Das Verschulden des Klägers überwiegt erheblich. Im Übrigen würde es dabei verbleiben, dass die Beklagte, auch bei einem Kreuzungsbereich mit erhöhtem Unfallschwerpunkt, nur vor unvorhersehbaren Gefahren warnen muss.
21II.
22Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23Der Streitwert wird auf 3.571,98 EUR festgesetzt.
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Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.