Landgericht Köln Urteil, 09. Juni 2016 - 20 O 195/13
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin berät Profisportler und hat ihren Sitz in der Schweiz. Der Beklagte ist professioneller Fußballspieler. Die Klägerin handelte drei aufeinander folgende Arbeitsverträge des Beklagten mit dem 1. FC Köln aus, zuletzt den Arbeitsvertrag vom 08.06.2011, Bl. 7ff. der Beiakte, dessen Laufzeit vom 01.07.2011 bis 30.06.2014 vereinbart war.
3Am 18./19.08.2010 unterzeichneten der Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin für diese in Zürich einen als Management-Vereinbarung überschriebenen Vertrag. Gemäß Ziffer 8 untersteht dieser Vertrag schweizerischem Recht. Gerichtsstand ist Zürich. Zusätzlich hat jede Partei die Möglichkeit, die andere Partei an ihrem Sitz/Wohnsitz zu belangen. Für die weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K1, Bl. 11f. d.A., verwiesen.
4Der Beklagte kündigte die Management-Vereinbarung mit Schreiben vom 13.02.2012.
5Mit Schreiben vom 10.05.2012, Anl. K3, Bl. 14 d.A., verlangte die Klägerin anwaltlich vertreten die Zahlung von 143.615,50 EUR aufgrund der Management-Vereinbarung vom 19.08.2010.
6Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erklärte mit Schreiben vom 25.09.2013, Anlage K5, Bl. 44 d.A., zusätzlich zu früher von dem vorherigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten erklärten Anfechtungen, dass sich der Beklagte infolge Willensmangels im Sinne von Art. 24, 28 und 21 Obligationenrecht (OR) nicht an die Management-Vereinbarung halten werde.
7Die Klägerin behauptet, sie habe die in der Management-Vereinbarung versprochenen Dienstleistungen gegenüber dem Beklagten erbracht und zwar durch das Aushandeln des letzten Arbeitsvertrages des Beklagten mit dem 1. FC Köln sowie durch weitere Maßnahmen, zu denen die Klägerin weiter ausführt.
8Nachdem die Klägerin zunächst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt hatte,
9beantragt die Klägerin nun,
10den Beklagten zu verurteilen, an sie 143.615,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte ist unter Berufung auf das zur Akte gereichte Memorandum des RA M, Anlage KE 1, Bl. 53ff. d.A., der Auffassung, die streitgegenständliche Management-Vereinbarung sei aufgrund der zwingenden Bestimmungen des schweizerischen Arbeitsvermittlungsrechts nichtig.
14Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.
15Die Akte Landgericht Köln 21 O 399/12 ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T vom 21.07.2015, Bl. 131 ff. d.A. sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2015, Bl. 240 ff. d.A. verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die zulässige Klage ist nicht begründet.
18I.
19Das angerufene Gericht ist für die Entscheidung des Falles zuständig. Dies ergibt sich sowohl aus der auch gemäß § 38 Abs. 2 ZPO zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Ziffer 8 des Vertrages als auch aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, § 13 ZPO. Denn der Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides und zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung seinen Wohnsitz an der Zustellungsadresse in Köln. Diese einmal begründete internationale Zuständigkeit bleibt unabhängig von einer etwaigen späteren Verlegung des Wohnsitzes während des Rechtsstreits bestehen (BGHZ 188, 373, zitiert nach Juris).
20II.
21Der geltend gemachte Anspruch auf die jährliche Entschädigung gemäß Ziffer 6 des Vertrages besteht nicht. Denn die Ziffer 6 des nach schweizerischem Recht zu beurteilenden Vertrages verstößt gegen das hier anwendbare schweizerische Arbeitsvermittlungsgesetz und ist nichtig. Eine andere Anspruchsgrundlage kommt bei Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens nicht in Betracht.
221.
23Die Parteien des Rechtsstreits haben gemäß Ziffer 8 des Vertrages eine Rechtswahl zugunsten des schweizerischen Rechts getroffen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Auch das schweizerische Bundesgesetz über das internationale Privatrecht bestimmt gemäß Art. 116 Abs. 1, dass der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht untersteht.
24Bereits nach dem Wortlaut der Klausel („Dieser Vertrag untersteht schweizerischem Recht.“) ist die Rechtswahl nicht auf das schweizerische Obligationenrecht beschränkt. Vielmehr ist sie dahingehend auszulegen, dass das gesamte schweizerische Recht – soweit es nicht einer Selbstbeschränkung unterliegt – auf den Vertrag anwendbar sein soll. Das gilt mithin auch für das hier in Streit stehende schweizerische Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG).
25Das Gericht hat zur Ermittlung des schweizerischen Rechts ein Sachverständigengutachten von Prof. Dr. T eingeholt sowie einzelne Quellen selbst eingesehen.
262.
27Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen ist die Vergütungsvereinbarung in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Vertrages wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 2 AVG nichtig.
28(a)
29Zunächst leitet der Sachverständige nachvollziehbar her, dass das AVG auf den streitgegenständlichen Vertrag sachlich anwendbar ist. Dabei bezieht er sich auf die vereinbarte Dienstleistung „Vermitteln und Verhandeln von Transfers“ gemäß Ziffer 2 a) des streitgegenständlichen Vertrages. Diese ist nach deren Wortlaut dahingehend auszulegen, dass die Klägerin sich verpflichtet, dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits als Lizenzfußballer tätigen Beklagten Arbeitsverträge mit Fußballvereinen zu vermitteln und die Verträge auszuhandeln. Die Klägerin selber beruft sich darauf, diese versprochene Dienstleistung durch das Aushandeln des Arbeitsvertrages des Beklagten mit dem 1. FC Köln erbracht zu haben.
30(1)
31Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das AVG auch dann anwendbar, wenn – wie die Klägerin meint – „Vermitteln und Verhandeln von Transfers“ im Sinne des streitgegenständlichen Vertrages entgegen dessen Wortlaut lediglich die Verhandlung des Fortsetzungsvertrages mit dem 1. FC Köln bedeuten sollte.
32Der Sachverständige erläuterte in der mündlichen Anhörung vom 14.04.2016, dass selbst unter dieser Voraussetzung der Vertrag nicht aus der Anwendbarkeit des AVG herausfallen würde. Es ergebe sich im Hinblick auf den Fortsetzungsvertrag aus den Kommentierungen und Materialien zum AVG, insbesondere einer Weisung des zuständigen Sekretariats ausdrücklich ein Einschluss. Aus dem Kommentar von L gehe zudem hervor, dass die Anwendbarkeit des AVG für Fortsetzungsverträge nicht auf Künstlerverträge beschränkt sein soll.
33Entgegen der Behauptung des Rechtsanwalts T2 in dem Schreiben vom 27.05.2016, Anlage K8, Bl. 262 ff. d. A., äußert sich das schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in den Weisungen und Erläuterungen zum AVG (im Internet veröffentlichte pdf-Fassung abrufbar unter http://www.anonym.pdf) zu Fortsetzungsverträgen. Ebenso enthält der von L herausgegebene Kommentar zum AVG Äußerungen zum Fortsetzungsvertrag.
34Bereits aus dem AVG selber ergibt sich ein mittelbarer Hinweis auf Fortsetzungsverträge: In Art. 8 Abs. 2 lit. b AVG ist geregelt, dass Vereinbarungen nichtig sind, die den Stellensuchenden verpflichten, die Vermittlungsgebühr erneut zu entrichten, wenn er ohne die Hilfe des Vermittlers weitere Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber abschließt. Dazu verhalten sich die Erläuterungen und Weisungen der SECO zum AVG auf Seite 43f. der im Internet veröffentlichten pdf-Fassung. Die SECO erläutert darin, dass mit dem Buchstaben b des Art. 8 Abs. 2 AVG insbesondere der Künstlerbereich avisiert war, wo sich Vermittlungen an einen bestimmten Kunden innert kurzer Zeit häufen können. Diese Bestimmung komme aber auch bei der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen zum Zuge. Zur Absicherung des Vermittlers könne folgende Ergänzungen als AVG konform erachtet werden: „Sollte infolge Annullierung und Verschiebung des Vertrages später ein neuer Vertrag zu Stande kommen, gilt die Provision ebenfalls als geschuldet. Dies gilt auch für den Fall von Verlängerungen des Engagements.“
35Daraus kann in der Tat geschlussfolgert werden, dass die SECO von einer Geltung des AVG auch bei Fortsetzungsverträgen ausgeht. Solange ein weiterer Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber nicht ohne die Hilfe des Vermittlers zustande kommt, kann dann eine AVG-konforme Provision geschuldet sein.
36Ausdrücklich unter Verweis auf diese Quelle in den Weisungen der SECO heißt es sodann bei Krummenacher/Weibel in: L, AVG, Art. 8, Rz. 8 „Diese Bestimmung gilt auch bei der Vermittlung von anderen Arbeitsverhältnissen.“
37Wie der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Anhörung erwähnte, ist zu beachten, dass die Vermittlung eines Fortsetzungsvertrages nicht der Standardfall des AVG ist, da der normale Arbeitsvertrag einer solchen Vermittlung nicht bedarf. Daher sprechen auch die von Rechtsanwalt T2 in dem Schreiben vom 27.05.2016 zitierten Quellen zur Begriffsdefinition des AVG und zu dem Regelfall der privaten Arbeitsvermittlung nicht gegen diese Auslegung.
38(2)
39Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass Spielerverträge von Berufsfußballern mit Vereinen nach schweizerischem Recht als Arbeitsverträge im Sinne des AVG einzuordnen sind. Es gebe auch keine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des AVG dahingehend, dass gerade die Vermittlung von Profifußballern aus dem Anwendungsbereich fällt. Dies wird von der im Rahmen der mündlichen Anhörung erwähnten Tatsache gestützt, dass die SECO in ihren Weisungen und Erläuterungen einen Exkurs zur Anwendung des AVG auf den Standard-Vermittlungsvertrag der FIFA für Fußballvermittler vorhält (S. 47 der im Internet erhältlichen pdf-Fassung).
40Die Vereinbarung weiterer Leistungen in dem Vertrag, mit dem die Vermittlung versprochen wird, hindere die Anwendbarkeit des AVG nicht. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung in Art. 9 Abs. 1 S. 2 AVG.
41Der Sachverständige hat zudem überzeugend dargelegt, dass das AVG jedenfalls dann anwendbar ist, wenn der Sitz des Vermittlers in der Schweiz ist. Es gibt keine darüber hinausgehende Selbstbeschränkung der territorialen Anwendbarkeit des AVG. Die Anwendung des AVG ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die von der Schweiz ausgehende Vermittlung von einem Ausland in ein anderes Ausland erbracht wird. Dies ergibt sich aus der gestützt auf Art. 41 Abs. 1 AVG verordneten Arbeitsvermittlungsverordnung (AVV). Nach deren Art. 5 gilt als Auslandsvermittlung gemäß AVG auch die Tätigkeit eines Vermittlers, der von der Schweiz aus im Ausland wohnende Stellensuchende in einen Drittstaat vermittelt. Hier hat die Klägerin ihren Sitz in der Schweiz. Der streitgegenständliche Vertrag wurde auch in der Schweiz unterzeichnet.
42(b)
43Der Sachverständige hat ebenso nachvollziehbar hergeleitet, dass die Bestimmung über die jährliche Entschädigung in Ziffer 6 der Management-Vereinbarung wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 2 AVG nichtig ist.
44Gemäß Art. 9 Abs. 2 AVG schuldet der Stellensuchende „die Provision erst, wenn die Vermittlung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages geführt hat“. In den Weisungen und Erläuterungen zum AVG, AVV, GebV-AVG der zuständigen schweizerischen Verwaltungsbehörde, des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), in der im Internet veröffentlichten pdf-Fassung heißt es zu Art. 9 Abs. 2 AVG: „Die Forderung der Entschädigung für zusätzlich vereinbarte Dienstleistungen entsteht mit dem Erbringen der vereinbarten Leistung und wird unabhängig vom Vermittlungserfolg geschuldet. […] Der Anspruch auf die Vermittlungsprovision dagegen entsteht erst, wenn die Vermittlung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages geführt hat. Eine anders lautende Vereinbarung ist nichtig. Art. 9 Abs. 2 AVG hat als Schutznorm zugunsten des Stellensuchenden zwingenden Charakter.“
45Aus der Gesamtschau der Vertragsbestimmungen der Ziffern 6.1 und 6.2 des Vertrages ergibt sich aber, dass der im streitgegenständlichen Vertrag vereinbarte Betrag unabhängig davon geschuldet sein soll, ob die Klägerin einen Vertragsabschluss mit einem Verein vermittelt. Denn die Entschädigung ist als jährliche Pauschale auf das Nettojahreseinkommen geschuldet. Dementsprechend macht die Klägerin auch für zwei Jahre der Laufzeit des Vertrages je 7% des Jahresnettolohns des Beklagten geltend, obwohl sie sich lediglich auf die Erfüllung ihrer Leistungspflicht durch die Vermittlung eines Arbeitsvertrages mit dem 1. FC Köln beruft, nämlich dem letzten, dessen Laufzeit vom 01.07.2011 bis 30.06.2014 bestimmt war.
46Dass auch die SECO eine solche jährliche Vergütung in Vermittlungsverträgen als Verstoß gegen das AVG betrachtet, ergibt sich auch aus dem Exkurs zum Standardvertrag für Spielervermittler der FIFA in den Weisungen und Erläuterungen der SECO zum AVG.
47Der Standardvertrag für Spielervermittler der FIFA, in der Fassung von 2001, auf den sich die SECO offenbar bezieht, regelt die Entschädigung des Spielervermittlers in Ziffer 2. Gemäß lit. b (Spieler als Auftraggeber) erhält der Spielervermittler eine Kommission in Höhe von einem von den Parteien zu bestimmenden Prozentsatz des jährlichen Bruttogrundgehaltes, welches der Spieler aufgrund des vom Spielervermittler ausgehandelten Arbeitsvertrages verdienen wird. Es stehen dann zwei Regelungen zur Auswahl: zum einen eine einmalige Zahlung zu Beginn der Laufzeit des Arbeitsvertrages oder eine jährliche Abrechnung, jeweils am Ende eines Vertragsjahres. Die Verwender des Mustervertrages sollen Zutreffendes ankreuzen. (http://anonym1.pdf, S. 63)
48Die SECO weist in ihrem Exkurs (Seite 47 der im Internet veröffentlichten pdf-Fassung) in den Erläuterungen und Weisungen zum AVG darauf hin, dass bei Spielervermittlern, welche als Mustervertrag den FIFA Standardvermittlungsvertrag einreichen, Vertragsanpassungen zu verlangen sind, damit der Vertragstext dem AVG entspricht und eine Vermittlungsbewilligung erteilt werden kann. Zu Ziffer 2 lit. a verlangt sie den Passus dahingehend anzupassen, dass er wie folgt lautet: „Der Spielervermittler erhält eine Kommission in der Höhe von 5 % des ersten Brutto-Jahresgehaltes, welche der Spieler aufgrund des vom Spielervermittler ausgehandelten Arbeitsvertrages verdienen wird.“ Die beiden Textteile „einmalige Zahlung… und jährliche Abrechnung...“ seien zu streichen.
49Soweit die Klägerin sich nun in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.05.2016 darauf stützt, dass allein eine zu frühe Forderung der Provision nicht für eine Nichtigkeit des Vertrages sprechen würde, trifft dies nicht den vorliegenden Fall. Der Vertrag fordert die Vergütung nicht vor, sondern unabhängig von dem Erfolg der versprochenen Vermittlung.
50Es ist nicht erkennbar, dass der Verfasser der Stellungnahme der SECO vom 04.05.2016, wie sie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 12.05.2016 vorgelegt wurde, den zitierten Passagen aus den Weisungen und Erläuterungen zu Art. 9 Abs. 2 AVG sowie zu dem Standard-Spielervermittlungsvertrag der FIFA entgegen treten wollte. Eingangs der Email heißt es nämlich, dass ein gegen eine bestimmte Gesetzesnorm verstoßender Vertrag nur dann nichtig ist, wenn dies in einem Gesetz vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt (Hervorhebung zugefügt). In der zitierten Passage der veröffentlichten SECO Weisungen wird dementsprechend auch darauf abgestellt, dass Art. 9 Abs. 2 AVG zwingenden Charakter als Schutznorm für den Arbeitssuchenden hat. Die Nichtigkeit ergibt sich danach gerade aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm.
51(3)
52Soweit die Klägerin sich dagegen verwehrt, dass der Sachverständige schweizerisches Recht fortgeschrieben habe, so ist dies kein unzulässiges Vorgehen bei der Anwendung ausländischen Rechts vor deutschen Gerichten. Verschiedene Aspekte der hier vorzunehmenden Prüfung sind nach den Erkenntnissen des Sachverständigen – denen die Klägerin nicht entgegen tritt – noch nicht von schweizerischen Gerichten entschieden worden. Insoweit hat der Sachverständige versucht, anhand der verfügbaren schweizerischen Literatur und Rechtsprechung herzuleiten, wie ein schweizerisches Gericht den Fall entscheiden würde. Die jeweils überzeugenden Herleitungen macht sich das Gericht insoweit zu Eigen.
53Der deutsche staatliche Richter darf das ausländische Recht fortentwickeln für Sonderfallgestaltungen, welche die Gerichte des Staates, dessen Recht anzuwenden ist, (bisher) nicht entschieden haben. Hierfür sind der Geist und die Systemzusammenhänge des ausländischen Rechts maßgebend (Zöller-Geimer § 293 ZPO, Rz. 26). Es ist nicht erkennbar, dass § 293 ZPO die Anwendung ausländischer Rechtsnormen ausschließt, wenn die jeweilige Norm in dem Ausland noch nicht durch die dortigen Gerichte auf einen identischen Fall angewendet wurde.
54III.
55Eine Wiedereröffnung der bereits geschlossenen mündlichen Verhandlung aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien war nicht veranlasst.
561.
57Insbesondere war eine Wiedereröffnung nicht aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 12.05.2015 veranlasst. Der darauf abzielende Antrag der Klägerin sowie ihr Antrag auf Einvernehmung des Zeugen H werden abgelehnt. Der Beklagte hat sich bereits seit dem mit Schriftsatz vom 13.11.2013 vorgelegten Memorandum des Rechtsanwalts M auf die Weisungen und Erläuterungen der SECO für seine Auffassung berufen. Die Klägerin hat jedoch erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung den Antrag auf Vernehmung eines Mitarbeiters der SECO gestellt. Dabei hatte die Klägerin nicht einmal einen Schriftsatznachlass beantragt. Soweit der 12.05.2016 in dem Protokoll vom 14.04.2016 erwähnt wird, betrifft dies lediglich den Zeitpunkt, bis zu dem sich die Parteien zu dem vorgeschlagenen Vergleich äußern wollten. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Anfrage an die SECO seitens der Klägerin erst durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen veranlasst war. Das schriftliche Gutachten weicht in den Ergebnissen insoweit nicht von der späteren mündlichen Verhandlung ab und hätte spätestens Anlass zu dem Anfrage gegeben.
58Die mit diesem Schriftsatz als Anlage K7 übermittelte Stellungnahme des SECO-Fürsprechers ist für den hier vorliegenden Fall aber auch nicht entscheidungserheblich. Es ist nicht erkennbar, dass die vorgelegte Antwort an der von dem Sachverständigen Prof. Dr. T vorgenommenen Prüfung des Vertrages anhand des schweizerischen Rechts etwas ändern würde. Weder aus dem Schriftsatz noch aus der Anlage ergibt sich, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Vertrag oder das von dem Gericht eingeholte Sachverständigengutachten der SECO umfassend zur Prüfung zur Verfügung gestellt hat. Es hat vielmehr den Anschein, als hätte die Klägerin lediglich punktuell und abstrakt eine Auslegungsfrage an die SECO gerichtet. Die Klägerin hat den Wortlaut ihrer Anfrage, auf die Herr H reagiert, nicht mitgeteilt. Nach dem Wortlaut der Antwort von Herrn H bezieht sich seine Einschätzung auf einen Vermittlungsvertrag, der eine zu frühe Geltendmachung der vereinbarten Provision vorsieht, und behandelt damit einen anderen Fall. Der hier streitgegenständliche Vermittlungsvertrag sieht keine zu frühe Geltendmachung der vereinbarten Provision vor. Tatsächlich war der Fälligkeitszeitpunkt der ersten jährlichen Zahlung (01.07.2011) sogar nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages mit dem 1. FC Köln am 08.06.2011, siehe Bl. 15 der Beiakte. Vielmehr ergibt sich aus der Gesamtschau der Vertragsbestimmungen, dass der Betrag unabhängig davon geschuldet sein soll, ob die Klägerin einen Vertragsabschluss mit einem Verein vermittelt (vergleiche Sachverständigengutachten S. 17).
592.
60Auch der ebenfalls nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 30.05.2016 und dessen Anlage K8 veranlassen nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
61Die Klägerin macht unter Bezugnahme der Ausführungen des Rechtsanwalts T2 in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.05.2016 geltend, es könne auf das eingeholte Sachverständigengutachten von vorne herein mangels Verwendung von Swisslex und der fehlenden Anfrage bei der SECO nicht abgestellt werden.
62Zu der Verspätung einer Rüge wegen fehlender Anfrage bei der SECO wird auf Ziffer 1 oben verwiesen. Ebenso muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass sie bei ordnungsgemäßer Prozessführung die Anfrage bei Swisslex zu einem Zeitpunkt hätte fordern müssen, zu dem die mündliche Verhandlung noch nicht geschlossen und die Sache noch nicht entscheidungsreif war. Das Sachverständigengutachten hätte zeitnah mit Zustimmung der Parteien um eine (kostenträchtige) Swisslex-Recherche und eine Anfrage bei der SECO durch den Sachverständigen oder das Gericht ergänzt werden können. Die Klägerin hat diese Anregungen allerdings erst in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.05.2016 gemacht. Zuvor hatte die Klägerin die von dem Beklagten angeregte schriftliche Ergänzung des Sachverständigen-Gutachtens auf Anfrage des Gerichts als unwirtschaftlich und nicht prozessökonomisch abgelehnt. Bei der von der Klägerin beantragten mündlichen Anhörung am 14.04.2016 hat die Klägerin dann durch den anwesenden Rechtsanwalt T2 den Sachverständigen zu beiden Punkten befragt. Die Klägerin hat im Nachgang zu der eindeutigen Antwort des Sachverständigen jedoch nicht etwa den nun geltend gemachten Einwand erhoben, sondern rügelos die Anträge wiederholt und dazu verhandelt. Es war mithin davon auszugehen, dass weiterer Aufklärungsbedarf nicht besteht.
63Die Klägerin bleibt zudem die Darlegung schuldig, dass eine Swisslex-Recherche das Ergebnis des Gutachtens ändern würde. Dazu müsste über Swisslex Rechtsprechung zu finden sein, die hier einschlägig ist und nicht bereits in dem Sachverständigen-Gutachten oder der mündlichen Anhörung berücksichtigt wurde. Dazu ist nichts dargetan. Dies obwohl die Klägerin sich in dem Verfahren und sogar in der mündlichen Verhandlung auch durch einen schweizerischen Rechtsanwalt hat vertreten lassen, der offenbar eine Recherche in Swisslex für grundlegend hält. Gleichzeit hat die Klägerin keine Entscheidung berichtet, die in Swisslex und nur dort zu recherchieren wäre, die hier einen maßgeblichen Einfluss auf die Einschätzung der Rechtslage hätte.
64Im Übrigen enthält der Schriftsatz, soweit die Einwendungen nicht bereits oben behandelt wurden, lediglich Rechtsauffassungen zu Fragen, die letztendlich nicht entscheidungserheblich geworden sind.
65IV.
66Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
67Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 09. Juni 2016 - 20 O 195/13
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Referenzen - Gesetze
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.
Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.