Landgericht Kiel Anerkenntnisurteil, 16. Mai 2018 - 4 O 230/17

ECLI:ECLI:DE:LGKIEL:2018:0516.4O230.17.00
bei uns veröffentlicht am16.05.2018

Tenor

Es wird festgestellt, dass eine Masseverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 106.121,25 € zuzüglich Zinsen von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.7.2014 gegenüber dem Kläger besteht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Inhaber eines Lohnunternehmens. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... , die ebenfalls Inhaberin eines Landbauunternehmens war, zu dem der Kläger in Geschäftsbeziehungen stand.

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Am 2.5.2013 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Noch am selben Tage wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nummer 2, 2. Alt .InsO angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

3

In dieser Eigenschaft beauftragte der Beklagte den Kläger in der Zeit vom Mai bis Juni 2014 mit der Durchführung von Schlepperarbeiten bei verschiedenen Bauvorhaben an Bundesautobahnen. Der Kläger stellte dem Beklagten mit mehreren Rechnungen zwischen dem 20.5.2014 und dem 21.6.2014 insgesamt 106.121,25 € in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte hierauf nicht.

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Am 18.6.2014 zeigte der Beklagten dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.

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Mit Schreiben vom 19.8.2016 forderte ein den Kläger vertretendes Inkassounternehmen den Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Beträge auf und setzte hierfür eine Frist bis zum 31.8.2016. Der Beklagte antwortete hierauf per E-Mail am 24.8.2016, in der er mitteilte, die Masseunzulänglichkeit angezeigt zu haben und erklärte, die Masseforderung des Klägers sei zur Massetabelle aufgenommen worden. Es schloss sich eine Korrespondenz des beauftragten Inkassounternehmens mit dem Beklagten über die Frage, in welcher Höhe gegebenenfalls eine Quote auf die Forderung des Klägers zu erwarten sei und ob eine Haftung des Beklagten in Betracht komme, an. In deren Verlauf erklärte das Inkassounternehmen, der Beklagte werde gebeten, bis zum 4.8.2017 zu erklären, dass er auf die Einrede der Verjährung bezüglich der Masseverbindlichkeiten verzichte. Der Beklagte gab eine solche Erklärung nicht ab und beantwortete die Aufforderung auch nicht.

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Mit Schriftsatz vom 21.12.2017, der beim Landgericht Kiel am 27.12.2017 eingegangen und dem Beklagten nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 15.1.2018 zugestellt worden ist, hat der Kläger eine Feststellungsklage erhoben.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass eine Masseverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 106.121,25 € zuzüglich Zinsen von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.7.2014 gegenüber dem Kläger besteht.

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Diesen Klageantrag hat der Beklagte mit dem Schriftsatz vom 26.1.2018 anerkannt.

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Der Beklagte ist der Auffassung,

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er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben, da er die Forderung des Klägers zur Masseschuldtabelle genommen und dies dem Vertreter des Klägers mitgeteilt habe. Da der Beklagte nur Forderungen zu dieser Tabelle nehme, die er für berechtigt halte, liege darin ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Er habe damit konkludent erklärt, dass die geltend gemachte Forderung unstreitig sei. In der Kommentierung von Uhlenbruck zur Insolvenzordnung, der Auflage, 2015, § 210, Rn. 20 werde von dem Kommentator Ries, der dies selbst als Mindermeinung bezeichne, die Auffassung vertreten, dass in einer solchen Konstellation auf der Grundlage der Kombination der Rechtsgedanken der §§ 206,212 BGB eine Hemmung der Verjährung vorliege.

12

Dem hält der Kläger unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 14.12.2017, Az: IX ZR 118/17 entgegen, es sei für die Verjährung unerheblich, ob der Insolvenzverwalter eine Forderung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit in eine von ihm geführte Liste eintrage. Der Gläubiger müsse zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung seinen Anspruch wegen der Feststellungsklage verfolgen, wenn der Insolvenzverwalter dies nicht durch Abgabe entsprechender verjährungsrelevanter Erklärungen unnötig mache. Eine solche Erklärung habe der Beklagten trotz Aufforderung nicht abgegeben, so dass dem Kläger keine andere Möglichkeit bleibe, als die Feststellungsklage zu erheben.

Entscheidungsgründe

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Der Beklagte ist aufgrund seines Anerkenntnisses im Wege des Anerkenntnisurteils antragsgemäß zu verurteilen.

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Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs.1 ZPO zu tragen, weil er im Rechtsstreit unterlegen ist.

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Die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses im Sinne des § 93 ZPO liegen nicht vor, da der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.

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Eine Veranlassung zur Klagerhebung liegt dann vor, wenn der Kläger aufgrund des Verhaltens des Beklagten davon ausgehen muss, dass er ohne die Erhebung der Klage nicht zu seinem Recht kommen werde.

17

Dies war hier der Fall. Aufgrund der seit der Entstehung der Forderung verstrichenen Zeit musste der Kläger befürchten, dass seine Forderungen mit Ablauf des Jahres 2017 verjähren würden. Nachdem der Beklagte auf die Aufforderung, hinsichtlich dieser Forderungen einen Verjährungsverzicht zu erklären, nicht nachgekommen war, musste der Kläger besorgen, einen Rechtsverlust zu erleiden, wenn er den Lauf der Verjährungsfrist durch die Erhebung einer Feststellungsklage nicht unterbricht.

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Dem kann der Beklagte nicht entgegenhalten, es habe - folge man einer Mindermeinung im Schrifttum - ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 BGB vorgelegen. Für den Kläger war lediglich erkennbar, dass der Beklagte auf seine Aufforderung, einen Verjährungsverzicht auszusprechen, nicht reagiert hatte. Dieses Verhalten des Beklagten ließ verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Es konnte unter anderem dahin interpretiert werden, dass auf die Aufforderung entweder bewusst oder versehentlich nicht geantwortet worden sei, was die Notwendigkeit zur rechtswahrenden Klageerhebung zur Folge haben musste. Die von dem Beklagten nunmehr herangezogenen rechtliche Bewertung seines Verhaltens auf der Grundlage einer Mindermeinung in der Literatur war aus Sicht des Klägers fernliegend. Ohne eine ausdrückliche Erklärung des Beklagten, dass er in verjährungsrechtlicher Hinsicht diese Position einnehme, war die Erhebung der Feststellungsklage aus Sicht des Klägers geboten.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.


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Referenzen - Gesetze

Landgericht Kiel Anerkenntnisurteil, 16. Mai 2018 - 4 O 230/17 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis


Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 212 Neubeginn der Verjährung


(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn1.der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder2.eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorge

Referenzen

(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1.
der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
2.
eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

(2) Der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird.

(3) Der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungshandlung nach Absatz 2 aufgehoben wird.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1.
der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
2.
eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

(2) Der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird.

(3) Der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungshandlung nach Absatz 2 aufgehoben wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.