Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17

bei uns veröffentlicht am20.10.2017
vorgehend
Amtsgericht Kempten (Allgäu), 2 C 1123/16, 24.05.2017

Gericht

Landgericht Kempten (Allgäu)

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 24.05.2017, Az. 2 C 1123/16, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.310.77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gemäß § 540 i.V.m. § 313a 1 ZPO, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.

II

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Dem Kläger steht ein RückZahlungsanspruch gemäß § 8 V WG a.F. i.V.m. § 346 I BGB in Höhe von 1.310,77 € nebst Zinsen im tenorierten Umfang (§§ 288 I, 291 BGB) zu. Insoweit beruht das die Klage vollständig abweisende Urteil des Amtsgerichts auf einer Rechtsverletzung, weshalb das Urteil auf die Berufung des Klägers teilweise abzuändern war. Die weitergehende Berufung des Klägers mit dem Ziel der vollständigen Stattgabe der Klage hat jedoch keinen Erfolg.

Im Einzelnen:

1. Der Kläger ist - entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - wirksam von den beiden streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträgen zurückgetreten.

Die beiden Versicherungsverträge sind im Jahr 2000 unsteitig im Antragsmodell abgeschlossen worden, weshalb sich das Rücktrittsrecht des Klägers allein nach § 8 V WG in der vom 01.01.2000 bis zum 07.12.2004 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) richtet. Die Regelung des § 5a WG a.F. ist nicht einschlägig.

Das Rücktrittsrecht wurde von der Klägerseite formell ordnungsgemäß ausgeübt. Die Schriftsätze des Klägervertreters vom 22.08.2016 (Anl. K7, K8), in denen jeweils eine Rücktrittserklärung enthalten ist, sind der Beklagten auch zugegangen.

Das Rücktrittsrecht ist - entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - auch nicht verfristet.

Zwar kann der Versicherungsnehmer gemäß § 8 V 1 WG a.F. an sich nur innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Die Frist beginnt aber gemäß § 8 V 3 WG a.F. erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Dies ist hier nicht der Fall:

Zwar teilt die Kammer durchaus die Auffassung des OLG Köln (BeckRS 2015, 113016), wonach aus dem Wortlaut des § 8 V 3 WG a.F. nicht zu entnehmen ist, dass die Rücktrittsbelehrung durch eine gesonderte Unterschrift des Versicherungsnehmers zu bestätigen ist. Es genügt nach Auffassung der Kammer auch grundsätzlich die Unterschrift unter dem Antrag, in dem die Rücktrittsbelehrung enthalten ist. In diesem Fall ist aber wenigstens erforderlich, dass sie sich vom sonstigen Text deutlich abhebt. Andernfalls ist nicht gewährleistet, dass gerade auch die Kenntnis der Belehrung durch die Unterschrift bestätigt wird (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 8 WG, Rn. 54 und 46 zu der damals geltenden Gesetzeslage). Nach Auffassung der Kammer hebt sich die Rücktrittsbelehrung in den Antragsformularen (Anl. K1, K3) nicht hinreichend deutlich vom sonstigen Text ab.

Abgesehen davon müsste die Belehrung nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.09.2016, IVZR 41/14 - juris) möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Verbrauchers auch eindeutig sein, wobei auch eine Form der Belehrung erforderlich ist, die dem Aufklärungsziel gerecht wird und zum Ziel hat, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln. Hieran fehlt es hier ebenfalls, und dies nicht nur in formeller Hinsicht (s.o.): Die Kammer teilt die Auffassung des OLG Frankfurt (vorgelegt als Anlage BB1), wonach dem Versicherungsnehmer hätte mitgeteilt werden müssen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Fristbeginn der Zugang der Annahmeerklärung durch den Versicherer darstellt, welche in der Zusendung des Versicherungsscheins zu sehen ist.

Das Rücktrittsrecht des Klägers ist auch nicht gemäß § 8 V 4 WG ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Diese Befristung ist aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 WG bei vorliegendem Vertragstyp unwirksam (BGH, 28.09.2016 IV ZR 41/14, juris).

Das Rücktrittsrecht ist auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Die Beklagte zeigt nicht auf, aufgrund welcher besonderen Umstände trotz der nicht ordnungsgemäßen Rücktrittsbelehrung ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten vorliegen soll. Der vorliegende Fall ist nicht mit dem vom BGH (Urteil vom 22.03.2016, IV ZR 130/15) entschiedenen Fall vergleichbar. Eine unzulässige Rechts ausübung (§ 242 BGB) ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Das Rücktrittsrecht ist auch nicht entsprechend § 124 III BGB erloschen, weil seit Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. Zwar wäre diese Ausschlussfrist gemäß Art. 229 § 6 V, IV EGBGB durchaus in zeitlicher Hinsicht auf die vorliegenden, im Jahr 2000 abgeschlossenen Versicherungsverträge („Altverträge“) anwendbar. Nach Auffassung der Kammer ist diese Regelung aus dem Anfechtungsrecht aber nicht auf das hier maßgebliche Rücktrittsrecht analog anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

2. Der Kläger kann aufgrund des wirksam ausgeübten Rücktrittsrechts gemäß § 346 I BGB die geleisteten Prämienzahlungen (abzüglich Risikokosten) zurückverlangen. Zudem ist zu bei der Berechnung zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits in der Klage die ausbezahlten Rückkaufswerte in Abzug gebracht hat.

Der von der Kammer zugesprochene Hauptsachebetrag von 1.310,77 € berechnet sich danach wie folgt:

„Versicherungsvertrag Endnummern -896:

Geleistete Prämienzahlungen:

1.738,08 € (unstreitig)

./. 33.55 € (Risikoanteil, unstreitig)

1.704,53 €

+ 0.00 € (Nutzungsersatz)

1.704,53 €

./. 1.004,60 € (vom Kl. selbst in Abzug gebrachter Rückkaufswert)

./. 51.53 € (Nachzahlung 2008. unstreitig)

648,40 €

Versicherungsvertrag Endnummern -902:

Geleistete Prämienzahlungen: 1.763,64 € (unstreitig)

./. 25,64 € (Risikoanteil, unstreitig)

1.738,00 €

+ 0,00 € (Nutzungsersatz)

1.738,00 €

./. 1.023,13 € (vom Kl. selbst in Abzug gebrachter Rückkaufswert)

./. 52.50 € (Nachzahlung 2008. unstreitig)

662,37 €

Gesamtsumme: 1.310,77 €

Der vom Kläger geltend gemachte Nutzungsersatzanspruch kann nicht zusätzlich bei der vorliegenden Berechnung angesetzt werden.“

Es ist für die Kammer bereits zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt Nutzungen aus den gesamten Prämienzahlungen in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 968,59 € (vgl. Anlage K15) bzw. 973,03 € (vgl. Anlage K16) gezogen hat (§ 346 I BGB). Die Beklagte hat die Eigenberechnungen des Klägers substantiiert bestritten.

Zudem folgt die Kammer der Auffassung des BGH (BeckRS 2016, 10791, Rn. 30), wonach bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung grundsätzlich nur der mit der Anlage des Sparanteils in Fonds erzielte Gewinn dem Versicherungsnehmer als tatsächlich gezogene Nutzung zustünde. Den ihm zustehenden Gewinn aus der Anlage des Sparanteils hat der Kläger jedoch bereits mit der Auszahlung des Rückkaufswerts erhalten (vgl. hierzu BGH, a.a.O., Rn. 27 und 31). Dies gilt auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 485). Es bestehen vorliegend auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil für die Nutzungsziehung herangezogen worden ist (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 2017, 485). Eine tatsächliche Vermutung zugunsten des Klägers besteht insoweit jedenfalls nicht (vgl. BGH, a.a.O.).

Die besonderen Voraussetzungen des § 347 I BGB sind nicht dargelegt worden. 3.

Die Klageforderung ist auch durchsetzbar. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 I BGB) ist unbegründet, da die Klageforderung erst im Jahr 2016 durch Ausübung des Rücktrittsrechts entstanden ist (§ 199 I BGB).

4. Der Zinsanspruch ergibt sich im tenorierten Umfang aus §§ 288 I, 291 BGB. 5.

Die vom Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (2 x 255,85 €) sind nicht gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB ersatzfähig, da es an einem kausalen Verzugsschaden fehlt. Wie sich aus den Schriftsätzen vom 22.08.2016 ergibt, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst die Rücktrittserklärungen ausgesprochen, und damit erst die Rückzahlungsansprüche zur Entstehung gebracht, welche er später im Namen des Klägers durch weitere Schriftsätze gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Bei der Kostenregelung hat die Kammer auch das Teil unterliegen des Klägers hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten berücksichtigt.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 II ZPO liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17

Referenzen - Gesetze

Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17 zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen


(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Pro

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1 Sachliche Zuständigkeit


Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 20. Okt. 2017 - 52 S 936/17 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2016 - IV ZR 41/14

bei uns veröffentlicht am 28.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 41/14 Verkündet am: 28. September 2016 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:280916UIVZR41.14.0 Der IV.

Referenzen

(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.

(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.

(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.

(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 41/14 Verkündet am:
28. September 2016
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:280916UIVZR41.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 14. September 2016 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 3. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4.262,34 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer, im Folgenden: d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden: Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2001 abgeschlossen. Im Antragsformular befand sich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht.
3
Mit Schreiben vom 28. Januar 2010 erklärte d. VN "den Widerspruch gemäß § 5a VVG/den Widerspruch nach § 8 VVG, vorsorglich die Anfechtung nach § 119 BGB, hilfsweise die Kündigung". Der Versicherer akzeptierte die Kündigung zum 1. März 2010 und zahlte das Fondsguthaben zuzüglich Beitragsguthaben aus. Mit Schreiben vom 24. Juni 2011 wiederholte d. VN "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG".
4
Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 4.262,34 €.
5
Nach Auffassung d. VN hat er wirksam den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. erklärt. Falls der Vertrag im so genannten Antragsmodell des § 8 VVG in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21. Juli 1994 (im Folgenden : § 8 VVG a.F.) geschlossen worden sei, sei er wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten. Da er nicht ordnungsgemäß über das Rücktrittsrecht belehrt worden sei, habe er auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. den Rücktritt noch erklären können.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat angenommen, dass der Vertrag nach dem Antragsmodell zustande gekommen sei. D. VN habe die vollständige Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen bei Antragstellung vom Versicherer erhalten. Das Berufungsgericht hat zu der Auffassung tendiert, der klagende VN sei als angeblicher Bereicherungsgläubiger darlegungs- und beweispflichtig dafür, die erforderlichen Informationen nicht erhalten zu haben. Selbst wenn man eine Darlegungsund Beweispflicht des Versicherers dafür annehmen wolle, dass d. VN die betreffenden Unterlagen erhalten habe, wäre dieser Beweis als erbracht anzusehen. Die widersprüchlichen Ausführungen d. VN, er habe die Unterlagen nicht erhalten bzw. es sei ihm nicht erinnerlich, sie erhalten zu haben, und er habe sie auch nach gründlicher Sichtung nicht finden können, könnten keine nachteiligen Folgen für den Versicherer auslösen. D. VN habe den strengen Anforderungen an ein Bestreiten mit Nichtwissen in Fällen, in denen es um Vorgänge seiner eigenen Wahrnehmung im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPOgehe, nicht genügt. Es hätte ihm oblegen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er sämtliche Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft habe. Allein die Behauptung, er habe seine Unterlagen gründlich gesichtet, genüge nicht.
9
Ein Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. scheide nicht aufgrund der erteilten Belehrung aus, da sich diese lediglich zu einem Rücktrittsrecht verhalte, zudem nicht drucktechnisch deutlich hervorgehoben und deshalb in materieller und formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Das Widerrufsrecht sei indes erloschen, da d. VN nach der Kündigung im März 2010 den Rückkaufswert erstattet bekommen habe, so dass beiderseits eine vollständige Erbringung der Leistungen eingetreten sei.
10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Ein - mit der Revision allein weiterverfolgter - Anspruch auf Prämienrückzahlung kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
11
1. Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Versicherungsvertrag im Antragsmodell zustande gekommen ist und d. VN das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. wirksam ausgeübt hat.
12
a) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, d. VN habe bei Antragstellung die vollständige Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten. Ob d. VN - wie das Berufungsgericht in Erwägung gezogen hat - darlegen und beweisen muss, dass ihm diese Unterlagen bei Antragstellung nicht zugegangen sind, kann dahinstehen. Das Berufungsgericht hat für den Fall, dass dem Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang der Unterlagen obliegt, rechts- und verfahrensfehlerfrei das Bestreiten mit Nichtwissen durch d. VN für unzulässig gehalten. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Anderenfalls tritt die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO ein (BGH, Urteil vom 12. November 2015 - I ZR 167/14, GRUR 2016, 836 Rn. 124 m.w.N.). Nur ausnahmsweise kommt ein Bestreiten eigener Handlungen und Wahrnehmungen dann in Betracht, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können. Die bloße Behauptung, sich nicht zu erinnern, reicht indessen nicht aus (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, NJW 1995, 130 unter 3 d aa m.w.N.). Gemessen daran hat das Berufungsgericht die Erklä- rung d. VN, er könne sich nicht erinnern, die Verbraucherinformation und die Versicherungsbedingungen erhalten zu haben, und habe seine Unterlagen gründlich gesichtet, zu Recht nicht ausreichen lassen.
13
b) Die mit Schreiben vom 28. Januar 2010 abgegebene Erklärung d. VN kann ungeachtet ihrer Bezeichnung als "Widerspruch nach § 8 VVG" als Rücktritt gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. ausgelegt werden. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11, VersR 2015, 224 Rn. 13 m.w.N.).
14
c) Bei Abgabe der Rücktrittserklärung vom 28. Januar 2010 war die Rücktrittsfrist nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt noch nicht abgelaufen.
15
aa) Mangels - noch nachzuholender - Feststellungen des Berufungsgerichts ist in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. belehrt wurde. Allerdings war die Belehrung im Antragsformular nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb inhaltlich falsch, weil sie sich "lediglich" zu einem Rücktrittsrecht verhielt. Ein solches Recht gewährte § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. d. VN nach einem Vertragsschluss im Antragsmodell.
16
Eine - vom Berufungsgericht vermisste - drucktechnische Hervorhebung der Belehrung war - wie die Revisionserwiderung geltend macht - vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber zu § 8 Abs. 5 VVG a.F.
bereits klargestellt, dass auch eine Belehrung über das Rücktrittsrecht zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend , unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein musste. Das erforderte eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trug und darauf angelegt war, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteile vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 16; vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.). Mit der Frage, ob die d. VN gegebene Belehrung diesen formalen Anforderungen genügte oder nicht, wird sich das Berufungsgericht noch näher zu befassen haben.
17
bb) Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung stünde der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach der das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam, wie der Senat aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 VVG a.F. entschieden und im Einzelnen begründet hat (Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 20 ff.).
18
cc) Ein vom Berufungsgericht angenommenes Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 25 ff.) kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2010 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 28).
19
2. Nach der Zurückverweisung wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls auch mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen zu befassen haben (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 35 ff.; vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.; vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 35 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 33 ff.).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Kamenz, Entscheidung vom 24.05.2013- 2 C 631/11 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 03.01.2014- 2 S 112/13 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.