Landgericht Itzehoe Beschluss, 29. Aug. 2011 - 11 T 15/11

ECLI:ECLI:DE:LGITZEH:2011:0829.11T15.11.0A
bei uns veröffentlicht am29.08.2011

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert; der Streitwert wird auf 4.450,00 Euro festgesetzt.

Die Beschwerden werden im Übrigen zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beschwerden sind zulässig, sie erfolgen insbesondere zulässigerweise aus eigenem Recht des Anwalts (§ 32 II 1 RVG). Sie sind auch teilweise begründet.

2

Gem. 49 a Abs. 1 GKG ist in Wohnungseigentumssachen der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf jedoch das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten; keinesfalls darf der Wert den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen.

3

Vorliegend wenden sich die Kläger gegen den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2009, dessen Ungültigkeit in seiner Gesamtheit sie rügen. Selbst wenn die gesamte Jahresabrechnung in Streit steht, bestimmt sich das Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung grundsätzlich nicht nach dem Nennbetrag der in der Jahresabrechnung eingestellten Kosten. Das Interesse der Wohnungseigentümer an der gerichtlichen Entscheidung über Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan kann, wenn die Ordnungsmäßigkeit oder sachliche Richtigkeit der entsprechenden Eigentümerbeschlüsse voll in Frage gestellt wird, deswegen nicht mit deren Gesamtvolumen gleichgesetzt werden, weil auch bei durchgreifenden Beanstandungen stets erhebliche Ausgaben der Eigentümergemeinschaft für Betriebskosten, Verwaltung, Instandhaltung und Instandsetzung bestehen bleiben, so dass die Beanstandung allenfalls zu einer Verminderung der Lasten und Kosten, nicht aber zu deren völligem Wegfall führen können. Es scheint daher in solchen Fällen angebracht, als Geschäftswert einen dem jeweiligen Einzelfall angemessenen Bruchteil des Gesamtvolumens der Abrechnung und des Wirtschaftsplanes anzusetzen. Etwas anderes gilt bei konkreten Einzelbeanstandungen. Diese sind in voller Höhe des geltend gemachten Differenzbetrages zu berücksichtigen. Bei der Bewertung des Bruchteils des Gesamtvolumens ist in der Vergangenheit überwiegend ein Betrag von 20 % bis 25 % angenommen worden (Jennißen/Suilmann, WEG, § 49 a GKG, Rdnr. 16 m.w.N.). Der nach § 49 a Abs. 1 S. 1 GKG zu bestimmende Wert entspricht daher etwa 10 % der ausgewiesenen Kosten (Jennißen/Suilmann, a.a.O.; LG Nürnberg-Fürth ZMR 2008, 737). Vorliegend ist mithin von einem Gesamtinteresse in Höhe von 57.200,00 Euro auszugehen.

4

Das nach § 49 Abs. 1 S. 2 GKG zu berücksichtigende Mindestinteresse der Kläger an der Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung ist durch Auslegung ihrer Klage zu ermitteln. Es ist also zu sehen, ob sich der Angriff ausschließlich gegen konkret bezeichnete Posten oder die Jahresabrechnung insgesamt richtet. Vorliegend wenden sich die Kläger gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung im Ganzen. Gleichwohl umfasst das Einzelinteresse der Kläger nicht den Gesamtbetrag, der ihnen durch die Jahresabrechnung auferlegten Kosten, mithin nicht die Summe von 3.450,00 Euro. Denn auch derjenige, der eine Jahresabrechnung insgesamt anficht (nebst den entsprechenden Einzelabrechnungen), geht regelmäßig nicht davon aus, dass er am Ende ohne jedwede eigene Belastung dastehen wird, sondern dass sich lediglich ein wie auch immer gearteter Vorteil für ihn einstellt, der einem Bruchteil seiner Einzelabrechnung entspricht. Es sind daher auch hier die Erwägungen anzustellen, die der Rechtsprechung zugrunde liegen, bei einer Anfechtung der Jahresabrechnung oder des Wirtschaftsplanes, den Wertansatz bei 20 % bis 25 % der insgesamt eingestellten Kosten zu treffen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg/Fürth (ZMR 2009, 555 f) geht die Kammer in solchen Fällen zur Bewertung des einfachen Einzelinteresses regelmäßig von 20 % des Wertes der Einzelabrechnung aus, vorliegend also von 690,00 Euro. Das fünffache Interesse liegt demnach bei 3.450,00 Euro und darf gem. § 49 a Abs. 1 S. 2 GKG trotz des höheren Gesamtinteresses nicht überschritten werden.

5

Hinzu kommt der Streitwert für den weiter angefochtenen Beschluss „Entlastung des Verwalters“. Das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters bestimmt sich nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen und nach dem Wert, den die mit der Entlastung verbundene Bekräftigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung der Gemeinschaft hat. Deren Wert ist, wenn besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlen, regelmäßig mit 1.000,00 Euro anzusetzen (BGH NJW-RR 2011, 1026 f).

6

Insgesamt beträgt der Streitwert daher 4.450,00 Euro.


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 49 Beschlussklagen nach dem Wohnungseigentumsgesetz


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Der Streitwert in Verfahren nach § 44 Absatz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes ist auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.