Landgericht Heidelberg Entscheidung, 02. März 2004 - 2 O 470/03

bei uns veröffentlicht am02.03.2004

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten auf Leistung von Prozesskostensicherheit gemäß §§ 110f. ZPO durch die Klägerin wird abgelehnt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

 
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung aufgrund eines Rückkaufvertrages bezüglich von zwei Radladern.
Die "F GmbH" erwarb bei der „M GmbH“ in L. zwei Radlader, die die Beklagte hergestellt hat, und verleaste diese an die „A GmbH“ in M.
Die Beklagte beantragt, der Klägerin aufzugeben, gemäß § 110 ZPO Prozesskostensicherheit zu leisten.
Die Klägerin beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
Die Klägerin behauptet, sie sei eine Gesellschaft, die ihren Sitz auf der Kanalinsel Jersey habe. Die „F GmbH“ habe ihr mit Abtretungsvertrag vom 8.7.1999 sämtliche Ansprüche abgetreten. Davon seien auch die Ansprüche des hier vorliegenden Invest-Kaufvertrages mit der „A GmbH“ betroffen. Der Leasingvertrag mit der "A GmbH" sei wegen Zahlungsverzugs wirksam gekündigt worden, sodass die Beklagte die beiden Radlader zurückkaufen müsse.
Parteien, die ihren Sitz auf der Kanalinsel Jersey hätten, müssten keine Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO leisten, da Jersey zur Europäischen Union gehöre.
Die Beklagte behauptet, Jersey gehöre nicht zur Europäischen Union. Die Entscheidung des BGH in BGHZ 151, 204, sei insoweit unzutreffend. Sie kenne die Klägerin nicht. Sie bestreite, dass diese existiere und dass die Ansprüche wirksam an sie abgetreten seien. Außerdem bestreite sie, dass die Kündigung des Leasingvertrages wirksam erfolgt sei.

Entscheidungsgründe

 
Der Antrag auf Leistung von Prozesskostensicherheit durch die Klägerin gemäß § 110 ZPO ist abzulehnen.
Die Klägerin hat eine solche Sicherheit nicht zu leisten, da die Kanalinsel Jersey i. S. des §§ 110 ZPO als zur Europäischen Union gehörig anzusehen ist. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung in BGHZ 151, 204 seine Auffassung, dass Jersey zur Europäischen Union gehöre, nicht vertieft begründet, doch hält die Kammer diese für zutreffend (ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 62. A. Anh. § 110 Rdnr. 11; Gronstedt, BetriebsBerater 2002, 2033).
10 
Das Vereinigte Königreich wurde gemäß Beitrittsakte von 1972 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Als solches ist es mittlerweile Teil der Europäischen Gemeinschaften und zuletzt der Europäischen Union geworden. Jersey ist zwar völkerrechtlich kein Bestandteil des Vereinigten Königreichs (vgl. http://www.gov.je/island/about.asp), doch unterhält es besondere Beziehungen zu diesem. So ist die Königin Staatsoberhaupt und Souverän der Insel, und wird durch den Lieutenant Governor vor Ort vertreten. Das Recht des Vereinigten Königreichs gilt auf der Insel, wenn dies durch die Königin angeordnet wird.
11 
Aufgrund dieser besonderen völkerrechtlichen Beziehungen war die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Lage, besondere Bestimmungen für die Geltung des EG- sowie EAG-Vertrages für die Kanalinsel bei den Beitrittsverhandlungen auszuhandeln. Gemäß Art. 299 Abs. 6 Buchst. c EGV findet der EG-Vertrag daher gemäß Vorgabe des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte von 1972 auf die Kanalinseln eingeschränkt Anwendung.
12 
Für die Auslegung des §§ 110 ZPO ist daher davon auszugehen, dass Jersey als Teil der Europäischen Union, wenn auch mit besonderem Status, anzusehen ist. Allein die möglichen Schwierigkeiten bei einer Vollstreckung auf der Insel Jersey können nicht zu einer anderen Auslegung führen, da solche Schwierigkeiten ohne weiteres auch bei der Vollstreckung gegen eine Limited Gesellschaft im Vereinigten Königreich selbst auftreten können.
13 
Zwar hätte wohl der deutsche Gesetzgeber bei der Neufassung des § 110 ZPO die Kanalinseln wegen ihres besonderen Status und der deswegen nur eingeschränkt geltenden europäischen Grundfreiheiten von den befreiten Ländern ausnehmen können, doch hat er dieses nicht getan.
14 
Der Klägerin ist daher gemäß § 113 ZPO keine Frist zur Einzahlung der Sicherheitsleistung zu setzen, auch wenn sie sich weigert, die Zahlung zu erbringen.
15 
Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten.

Gründe

 
Der Antrag auf Leistung von Prozesskostensicherheit durch die Klägerin gemäß § 110 ZPO ist abzulehnen.
Die Klägerin hat eine solche Sicherheit nicht zu leisten, da die Kanalinsel Jersey i. S. des §§ 110 ZPO als zur Europäischen Union gehörig anzusehen ist. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung in BGHZ 151, 204 seine Auffassung, dass Jersey zur Europäischen Union gehöre, nicht vertieft begründet, doch hält die Kammer diese für zutreffend (ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 62. A. Anh. § 110 Rdnr. 11; Gronstedt, BetriebsBerater 2002, 2033).
10 
Das Vereinigte Königreich wurde gemäß Beitrittsakte von 1972 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Als solches ist es mittlerweile Teil der Europäischen Gemeinschaften und zuletzt der Europäischen Union geworden. Jersey ist zwar völkerrechtlich kein Bestandteil des Vereinigten Königreichs (vgl. http://www.gov.je/island/about.asp), doch unterhält es besondere Beziehungen zu diesem. So ist die Königin Staatsoberhaupt und Souverän der Insel, und wird durch den Lieutenant Governor vor Ort vertreten. Das Recht des Vereinigten Königreichs gilt auf der Insel, wenn dies durch die Königin angeordnet wird.
11 
Aufgrund dieser besonderen völkerrechtlichen Beziehungen war die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Lage, besondere Bestimmungen für die Geltung des EG- sowie EAG-Vertrages für die Kanalinsel bei den Beitrittsverhandlungen auszuhandeln. Gemäß Art. 299 Abs. 6 Buchst. c EGV findet der EG-Vertrag daher gemäß Vorgabe des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte von 1972 auf die Kanalinseln eingeschränkt Anwendung.
12 
Für die Auslegung des §§ 110 ZPO ist daher davon auszugehen, dass Jersey als Teil der Europäischen Union, wenn auch mit besonderem Status, anzusehen ist. Allein die möglichen Schwierigkeiten bei einer Vollstreckung auf der Insel Jersey können nicht zu einer anderen Auslegung führen, da solche Schwierigkeiten ohne weiteres auch bei der Vollstreckung gegen eine Limited Gesellschaft im Vereinigten Königreich selbst auftreten können.
13 
Zwar hätte wohl der deutsche Gesetzgeber bei der Neufassung des § 110 ZPO die Kanalinseln wegen ihres besonderen Status und der deswegen nur eingeschränkt geltenden europäischen Grundfreiheiten von den befreiten Ländern ausnehmen können, doch hat er dieses nicht getan.
14 
Der Klägerin ist daher gemäß § 113 ZPO keine Frist zur Einzahlung der Sicherheitsleistung zu setzen, auch wenn sie sich weigert, die Zahlung zu erbringen.
15 
Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten.

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Landgericht Heidelberg Entscheidung, 02. März 2004 - 2 O 470/03 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit


(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherhe

Zivilprozessordnung - ZPO | § 113 Fristbestimmung für Prozesskostensicherheit


Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die

Referenzen

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dieses zu verwerfen.

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dieses zu verwerfen.