Landgericht Hamburg Beschluss, 07. Dez. 2016 - 312 O 497/16

bei uns veröffentlicht am07.12.2016

Tenor

Der Beschluss vom 17.11.2016 wird um folgende Gründe ergänzt:

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, die ihren Sitz in der Region Parma hat, ist ein Unternehmen der Lebensmittelbranche und vertreibt eine Vielzahl von hochwertigen Produkten darunter „Prosciutto di Parma“ und „Culatello di Parma“. Die Antragsgegnerin ist ein Verband von Parmaschinken-Herstellern, der zum Ziel hat, die Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ zu schützen und dessen illegale Verwendung zu ahnden. Die Antragstellerin ist seit 1986 Mitglied der Antragsgegnerin.

2

Bei „Culatello di Parma“ handelt es sich um eine Schinkenspezialität der Region Parma, die bereits seit dem Jahr 1322 hergestellt wird. „Culatello di Parma“ zählt neben „Prosciutto di Parma“ zu den berühmtesten Schinken der Region Parma. Nach der Verordnung EU Nr. 1151/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (nachfolgend: VO 1151/2012) sind die Ursprungsbezeichnungen „Prosciutto die Parma“ und „Coppa di Parma“ als geographische Angaben geschützt. Auf dem Markt finden sich zahlreiche weitere Fleischprodukte mit der Herkunftsbezeichnung „die Parma“ wie z.B. „Salame di Parma“ oder „Pancetta di Parma“.

3

Die Antraggegnerin hat unter dem 10.10.2016 eine Kundin der Antragstellerin, die F. P. GmbH & Co. KG, abgemahnt, weil diese das Produkt „Culatello di Parma“ über ihren Webshop unter der Internetseite f.-s..de angeboten hatte. Sie hat geltend gemacht, dass der Name „Prosciutto die Parma“ in der Europäischen Union unter der Verordnung EU Nr. 1151/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (nachfolgend: VO 1151/2012) eingetragen und geschützt sei. Mit dem Vertrieb des „Culatello die Parma“ verstoße die Kunden gegen Art. 13 I b VO 1151/2012. Diese Produktaufmachung sei eine widerrechtliche Anspielung auf „Prosciutto die Parma“, die Kundin sei gemäß §§ 135, 19 Markengesetz (im Folgenden: MarkenG) i.V.m. Art. 13 I b VO 1151/2012 zur Unterlassung verpflichtet, Fleischprodukte unter der Bezeichnung „Culatello di Parma“ wie in dem Schriftsatz vom 10.10.2016 abgebildet herzustellen, anzubieten, zu bewerben/und oder in Verkehr zu bringen, wenn dies nicht unter Einhaltung der Spezifikation der g.U. „Prosciutto di Parma“ erfolge.

4

Die Kundin der Antragstellerin hat die geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung unter dem 11.10.2016 abgegeben, die Erklärung mit Schreiben vom 14.10.2016 aber widerrufen bzw. angefochten.

5

Die Antragstellerin macht vorliegend geltend, dass die Antragsgegnerin gegenüber ihrer Kundin, der F. GmbH & Co. KG eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ausgesprochen habe. Die Antragsgegnerin habe der Kundin nicht mitgeteilt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Italien aus der Kennzeichnung „Prosciutto di Parma“ kein Anspruch gegen andere Fleischerzeugnisse abgeleitet werden könne, die ebenfalls mit der Bezeichnung „di Parma“ würben. Die Antragsgegnerin habe der Kundin der Antragstellerin gegenüber sogar verheimlicht, dass Culatello di Parma eine seit 1322 hergestellt Spezialität aus der Region Parma sei.

II.

6

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

1.

7

Die Angelegenheit ist eilbedürftig, wofür eine gesetzliche Vermutung nach § 12 II UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) besteht.

2.

8

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, 3, 4 Nr. 4 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) zu. Denn die Antragsgegnerin hat eine Kundin der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.10.2016 unberechtigt abgemahnt und die Antragstellerin damit im Wettbewerb entgegen § 4 Nr. 4 UWG gezielt behindert.

9

Nach § 4 Nr. 4 UWG ist es unlauter, Mitbewerber gezielt zu behindern. Eine unberechtigte Abmahnung ist als unlauter zu untersagen, wenn der Abmahner von der fehlenden Berechtigung der Abmahnung Kenntnis hat oder sich dieser Kenntnis bewusst verschließt.

10

Die Abmahnung war nicht berechtigt. Der Antragsgegnerin stand der mit der Abmahnung gegenüber der Kundin geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 135, 19 MarkenG i.V.m. Art. 13 b VO 1151/2012 nicht zu. Nach der im Eilverfahren zu treffenden summarischen Prüfung ist die Bezeichnung „di Parma“ nicht nach der VO 1151/2012 als eingetragen geschützt. Dementsprechend liegt in der Verwendung der Bezeichnung „Culatello di Parma“ keine Aneignung, Nachahmung oder Anspielung auf die Bezeichnung „Prosciutto di Parma“ i.S.d. Art. 13 I b VO 1151/2012. Bei „Culatello di Parma“ handelt es sich um eine Spezialität aus der Region Parma, die bereits seit dem Jahr 1322 hergestellt wird. Eine Nachahmung, Aneignung oder Anspielung des Namens liegt bereits aus diesem Grund nicht vor.

11

Eine Nachahmung, Aneignung oder Anspielung des Namens „Culatello di Parma“ auf „Prosciutto di Parma“ liegt aber auch deshalb nicht vor, weil es neben Prosciutto di Parma“ die eingetragene Bezeichnung „Coppa di Parma“ sowie zahlreiche verschiedene Fleischerzeugnisse wie z.B. „Salame di Parma“ oder „Pancetta di Parma“ jeweils mit dem Element „di Parma“ auf dem (deutschen) Markt gibt. Der Verkehr ist demnach daran gewöhnt, dass es verschiedene Bezeichnungen mit dem Bestandteil „di Parma“ gibt, so dass er den Bestandteil „di Parma“ der Gesamtbezeichnung „Culatello di Parma“, bei der „di Parma“ ersichtlich und verständlich die Herkunftsbezeichnung und „Culatello“ die Produktbezeichnung ist, auch aus diesem Grunde weder als Anspielung noch als Aneignung oder Nachahmung des Namens „Prosciutto di Parma“ versteht. Weiter sind diverse deutsche und europäische Wort- und Wort-/Bildmarken mit dem Bestandteil „di Parma“ für verschiedene Markeninhaber eingetragen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung in Italien kann aus der Kennzeichnung „Prosciutto di Parma“ kein Verbotsanspruch abgeleitet werden gegen andere Fleischerzeugnisse, die ebenfalls mit dem Begriff „di Parma“ werben.

12

Die Produktaufmachung stellt ebenfalls keine widerrechtliche Anspielung auf die geschützte Bezeichnung „Prosciutto di Parma“ dar. Vielmehr handelt es sich bei den in der Abmahnung angeführten Merkmalen der Produktaufmachung wie der Verpackung des Schinken in Scheiben in durchsichtigen Verpackungen um allgemein übliche Produktaufmachungen für verpackt gehandelte Fleisch- und Wurstwaren, die auf kein bestimmtes Produkt anspielen.

13

Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin gezielt behindert, weil sie eine Kundin der Antragstellerin, die F. P. GmbH & Co. KG mit der Begründung abgemahnt hat, dass das von der Antragstellerin vertriebene Produkt „Culatello di Parma“ die eingetragene geographische Angabe „Prosciutto di Parma“ verletze, obwohl dies nicht der Fall ist, weil es sich bei der Bezeichnung „Culatello di Parma“ nicht um eine Anspielung auf die Bezeichnung „Prosciutto di Parma“ oder eine Aneignung oder Nachahmung handelt. Dass der Antragsgegnerin auch bewusst war, dass die Abmahnung nicht berechtigt war, ergibt sich nach summarischer Prüfung bereits daraus, dass sie in der Abmahnung nicht mitgeteilt hat, dass es sich bei „Culatello di Parma“ um ein traditionelles Produkt besonderer Qualität aus Parma handelt, dass seit langem hergestellt und vertrieben wird, obwohl ihr dies ausweislich ihres eigenen Regelwerks gemäß Anlage VP 3, Seite 20 f. bekannt ist.

3.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO (Zivilprozessordnung).

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Markengesetz - MarkenG | § 19 Auskunftsanspruch


(1) Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kann den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen

Markengesetz - MarkenG | § 135 Ansprüche wegen Verletzung


(1) Wer im geschäftlichen Verkehr Handlungen vornimmt, die gegen Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 verstoßen, kann von den nach § 8 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zur Geltendmachung von Ansprüchen Berechtigten bei Wied

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Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Wer im geschäftlichen Verkehr Handlungen vornimmt, die gegen Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 verstoßen, kann von den nach § 8 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zur Geltendmachung von Ansprüchen Berechtigten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Die §§ 18, 19, 19a und 19c gelten entsprechend.

(2) § 128 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kann den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß

1.
rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz hatte,
2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Waren oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über

1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden.

(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.

(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, ist er dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.

(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.

(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.

(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.

(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.