Landgericht Hamburg Urteil, 29. Aug. 2014 - 310 O 13/12

bei uns veröffentlicht am29.08.2014

Tenor

1. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Nachdem die Parteien die negative Feststellungsklage der Klägerin übereinstimmend für erledigt erklärt haben, begehren die Beklagten im Wege der Widerklage, der Klägerin zu untersagen, zwei in bestimmter Weise gestaltete Kaffeezubereiter zu verbreiten. Ferner begehren sie Auskunft über den Umfang dieser Vertriebstätigkeit sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Klägerin.

2

Die Klägerin vertreibt die Kaffeezubereiter Modell „C.“ und Modell „N. C.“ unter anderem in Deutschland. Hinsichtlich der Gestaltung dieser Modelle wird auf Anlagen K1 und K2 verwiesen. Die Beklagten sind Gesellschaften der „B.-Gruppe“. Die Beklagte zu 1) stellt aufgrund einer ihr von der Beklagten zu 2) erteilten Lizenz den Kaffeezubereiter „Ch.“ her. Hinsichtlich der Gestaltung des Modells „Ch.“ wird auf Anlage K7 verwiesen.

3

Das Design des Kaffeezubereiters „Ch.“ wurde in den fünfziger-Jahren durch Mitarbeiter der Société de F. et C. de V. geschaffen, die in der französischen Société des A. E. M. S.A. (im Folgenden: M. S.A.) aufging. Diese stellte seit 1963 das Modell „Ch.“ her. Hauptaktionär der in Familienbesitz befindlichen M. S.A. war L.- J. de V. C., der auch Geschäftsführer der Gesellschaft war. Dieser war zugleich auch Gesellschafter und „Chairman“ der in England ansässigen „H. A. Ltd.“ Die H. A. Ltd. verbreitete den Kaffeezubereiter Modell „C.“ unter der Handelsmarke „L. C.“. Das Design dieses Modells entspricht weitgehend dem Design des Modells „Ch.“. Ende der 1960er Jahre oder Anfang der 1970er Jahre räumte die M. S.A., vertreten durch L. J. de V. C., der H. A. Ltd. mündlich das Recht ein, das Design der Kaffeekanne „Ch.“ weltweit bis auf Frankreich zur Herstellung und zum Vertrieb von eigenen Kannen und Accessoires zu nutzen, insbesondere zu bearbeiten, herzustellen und zu verbreiten.

4

Im Jahr 1991 verhandelte die B. A/S mit den Aktionären der M. S.A. über einen Verkauf der M. S.A. In diesem Zusammenhang wurde in einem Schreiben der Banque S. vom 14.6.1991, die für die Aktionäre der M. S.A. auftrat, unter anderem mitgeteilt: „It is also clear that such transaction can only be considered as long as: No restriction is imposed on the activity of H. A. Limited, as it has already been agreed by Mr. B.“ (Anlage K11). Im Rahmen der Verhandlungen wurden Vertragsentwürfe vom 22.7.1991 (Anlage K12) und vom 24.7.1991 (Anlage K13), nach denen die H. A. Ltd. lediglich zu einem Vertrieb ihrer Produkte innerhalb Englands berechtigt sein sollte, von den Verkäufern abgelehnt.

5

Am 8.8.1991 schlossen die Aktionäre der M. S.A. mit der B. Holding A/S schließlich einen Vertrag über einen Verkauf der Aktien der M. S.A. („Stock Purchase Agreement“, Anlage K6, im Folgenden: Aktienkaufvertrag). In dem Vertrag ist in Ziff. 4 Abs. 4 unter anderem bestimmt: „Notwithstanding Article 4 Buyer agrees that Stockholder through H. A. Limited, […], can manufacture and distribute any products similar to the Company’s products outside of France.“ Mit „Company“ war dabei die M. S.A. gemeint. Die von der B. Holding A/S übernommene M. S.A. übertrug die Rechte an dem Design des Modells „Ch.“ in der Folgezeit auf die Beklagte zu 2). Die Beklagte zu 2) erteilte der Beklagten zu 1) die Lizenz, den Kaffeebereiter „Ch.“ zu produzieren.

6

Im Jahr 2002 wurden die Herstellung und der Vertrieb von Haushaltswaren aus der H. A. Ltd. ausgegliedert und auf die neu gegründete Klägerin übertragen, die zu jener Zeit unter „L. C. Limited“ firmierte. Im Jahre 2005 firmierte die „H. A. Ltd.“ um in „T. G. G. Ltd.“ (Anlage K58). Später firmierte die Klägerin ihrerseits um in „H. A. Ltd“ (sie wird im Folgenden weiter nur als „Klägerin“ bezeichnet).

7

Mit Schreiben vom 20.2.2008 (Anlage B5) mahnten die Beklagten die Klägerin wegen des Vertriebs der Kaffeezubereiter „C.“ und „O.“ ab und mit weiterem Schreiben vom 19.12.2011 (Anlage K8) auch wegen des Modells „N. C.“. Die Beklagten vertraten die Ansicht, dass der Vertrieb dieser Modelle eine Verletzung der Urheberrechte an dem Ch.-Design darstelle. Zudem verstoße der Verkauf der Modelle der Klägerin gegen §§ 3, 4 Nr. 9 a) und b) UWG.

8

Die Klägerin hatte daraufhin in vorliegendem Verfahren beantragt, festzustellen, dass die Beklagten wegen des Vertriebs der aus den Anlagen K1 und K2 zur Klageschrift ersichtlichen Kaffeezubereiter „C.“ und „N. C.“ keine Unterlassungsansprüche gem. § 97 I UrhG oder wegen unlauterer Handlung zustehen. Nachdem die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16.5.2013 widerklagend eine Verurteilung der Klägerin zur Unterlassung des Vertriebs dieser Zubereiter beantragt haben, haben die Parteien die negative Feststellungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 124 d.A.). Die Beklagten verfolgen die Widerklage weiter.

9

Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Vertrieb der Modelle „C.“ und „N. C.“ eine unlautere Handlung gem. §§ 3, 4 Nr. 9a) und b) UWG darstelle. Dem Ch.-Design komme wettbewerbliche Eigenart zu und es sei geeignet, beim angesprochenen Verkehr Herkunfts- und Gütevorstellungen hervorzurufen. Dem Ch.-Design komme auch die erforderliche Bekanntheit zu. Das Modell „C.“ sei eine identische Kopie des Modells „Ch.“. Das Design des Modells „N. C.“ sei jedenfalls eine nachschaffende Übernahme. Die insoweit bestehenden Unterschiede seien nicht ausreichend, um den gebotenen Abstand herzustellen.

10

Der Aktienkaufvertrag von 1991 berechtige die H. A. Ltd. bzw. die G. G. Ltd. nicht dazu, Kaffeezubereiter zu vertreiben, die dem Ch.-Modell ähnlich seien. Bei Artikel 4 des Aktienkaufvertrags handele es sich um ein Wettbewerbsverbot. Da die Verkäufer der M. S.A. über die H. A. Ltd. Haushaltswaren und Kaffeezubereiter in England vermarkteten und dieses mit dem Wettbewerbsverbot nicht in Einklang zu bringen gewesen sei, hätten die Parteien diese geschäftlichen Aktivitäten vom Wettbewerbsverbot ausgenommen. Dieser Regelung zum Wettbewerbsverbot könne jedoch keine Lizenz- oder eine sonstige Rechtseinräumung entnommen werden. Das Urheberrecht an der Gestaltung des Ch.-Kaffeezubereiters habe der M. S.A. zugestanden und nicht den Parteien des Aktienkaufvertrags. Ein Recht, jegliche Ch.-typischen Kaffeebereiter über bei Abschluss des Vertrags nicht einmal existente Gesellschaften wie die Klägerin zu vermarkten, könne aus der Regelung nicht abgeleitet werden. Die Einräumung eines Bearbeitungsrechts sei der vertraglichen Bestimmung schon gar nicht zu entnehmen.

11

Die Beklagten hätten auch einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs der Kaffeezubereiter aus § 97 I UrhG. Bei dem Kaffeebereiter „Ch.“ handele es sich um ein Werk der angewandten Kunst. Das Modell „C.“ der Beklagten sei eine glatte Übernahme der Ch.-Gestaltung, das Modell „N. C.“ stelle eine unfreie Bearbeitung gem. § 23 UrhG dar. Soweit die Klägerin behaupte, die H. A. Ltd habe bereits seit Ende der sechziger Jahre die Erlaubnis, das Design der Kaffeekanne-Ch. zu nutzen, sei das sachlich falsch. Es fehle insoweit an substantiiertem Vortrag. Eine solche Vereinbarung hätte nach Art. 1341 Code Civil ohnehin der Schriftform bedurft. Ein solcher Lizenzvertrag sei im Rahmen der Due Diligence bzgl. der M. S.A. auch nicht offengelegt worden.

12

Die Beklagten beantragen widerklagend, die Klägerin wie folgt zu verurteilen:

13

1. Der Klägerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Eur und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer, untersagt, Kaffeezubereiter gemäß Abbildungen in Anlagen K1 und K2 anzubieten, zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen und/oder anbieten, bewerben und/oder in Verkehr bringen zu lassen.

14

2. Die Klägerin wird verurteilt, den Beklagten schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen

15

a) über den Umfang der Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 und zwar unter Angabe

16

(1) der Anzahl der vertriebenen Kaffeezubereiter gemäß Ziffer 1 und der damit erzielten Umsätze und Gewinne,

17

(2) der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen für Kaffeezubereiter gemäß Ziffer 1, insbesondere unter Angabe von

18

- bei Printwerbung: der Auflagenstärke und des Vertriebsweges,
- bei Internetwerbung: der Erscheinungszeiten und Dauer einzelner Werbungen sowie der Anzahl der Seitenzugriffe,

19

b) über Namen und Anschriften der Lieferanten und gewerblichen Abnehmer von Kaffeezubereitern gemäß Ziffer 1.

20

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin darüber hinaus verpflichtet ist, den Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die Vermarktung von Kaffeebereitern gemäß Abbildungen in Anlagen K1 und K2 entstanden ist oder noch entsteht.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Widerklage abzuweisen.

23

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie zur Herstellung und zum Vertrieb der Kaffeezubereiter „C.“ und „N. C.“ in Deutschland berechtigt sei. Die Klägerin sei aufgrund von Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags berechtigt, Produkte, die dem Modell „Ch.“ ähnlich sind, außerhalb Frankreichs herzustellen und zu vertreiben. Die hier streitgegenständlichen Modelle „C.“ und „N. C.“ seien solche ähnlichen Produkte. Durch Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags habe die Koexistenz der Produkte der M. S.A. und der H. A. Ltd. sichergestellt werden sollen. Die Regelung enthalte einen „implizierten Lizenzvertrag“. Der Klägerin stehe unmittelbar aus dieser Regelung ein Recht zum Vertrieb zu. Jedenfalls sei die Regelung als Verzicht der B.-Gruppe auszulegen, aus ihren Rechten an dem Design des Modells „Ch.“ gegen die H. A. Ltd vorzugehen. Dem Vertreter der B. A/S, J. B., sei bei Abschluss des Aktienkaufvertrags auch bekannt gewesen, dass die H. A. Ltd das Modell „C.“ seit den 1970er Jahren in England herstellt und vertreibt. Aus den Unterlagen der Vertragsverhandlungen, insbesondere aus der Ablehnung der Vertragsentwürfe K12 und K13 ergebe sich, dass die Verkäufer gerade keine geografischen Einschränkungen hinsichtlich der Vertriebstätigkeit der H. A. Ltd wollten. Durch dieses Verständnis werde der Aktienkaufvertrag für die Käufer nicht entwertet. Vor dem Abschluss des Vertrags hätten die Käufer unstreitig keinerlei Rechte an dem Ch. Design gehabt und hätten es nicht nutzen dürfen. Durch den Kauf der M. S.A. dürfe die Käuferseite das Design der Kaffeezubereiter in Frankreich allein und im Übrigen weltweit neben der H. A. Ltd nutzen.

24

Die M. S.A. habe unstreitig der H. A. Ltd. das Recht eingeräumt, das Design der Kaffeekanne „Ch.“ weltweit bis auf Frankreich zur Herstellung und zum Vertrieb von eigenen Kannen und Accessoires zu nutzen, insbesondere zu bearbeiten, herzustellen und zu verbreiten. Dieses sei unstreitig Ende der 1960er Jahre oder Anfang der 1970er Jahre mündlich bei einem Besuch des L. J. de V. C., handelnd als Vertreter der M. S.A., am Sitz der H. A. Ltd. in England vereinbart worden und sei in der Folgezeit zwischen den beiden Unternehmen einvernehmlich auch so gehandhabt worden. In diesem Zusammenhang habe die H. A. Ltd von der M. S.A. unstreitig auch die Konstruktionspläne für den Kaffeezubereiter C. erhalten.

25

Der insoweit geschlossene Lizenzvertrag habe entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Schriftform bedurft. Die Klägerin sei eine Tochtergesellschaft der H. A. Ltd. Sie könne sie sich auf die Regelung in dem Aktienkaufvertrag berufen. Durch die Übertragung des Geschäftsbereichs der Haushaltswaren auf die Klägerin im Zuge der Umstrukturierung der H. A. Ltd. sei das Recht zur Nutzung des Ch.-Designs auf die Klägerin übergegangen.

26

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 16.5.2013 (Bl. 123 ff. d.A.) und vom 3.7.2013 (Bl. 222 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

27

Die zulässige Widerklage der Beklagten, über die nach übereinstimmender Erledigungserklärung hinsichtlich der negativen Feststellungsklage der Klägerin nur noch zu entscheiden ist, ist unbegründet.

I.

28

Die Beklagten haben keinen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs der Kaffeezubereiter-Modelle „C.“ (Anlage K1) und „N. C.“ (Anlage K2) gegen die Klägerin.

29

1. Ein Unterlassungsanspruch aus § 97 I UrhG besteht nicht.

30

a) Zwar dürfte die Gestaltung des Modells „Ch.“ insbesondere nach den Grundsätzen des BGH-Urteils „Geburtstagszug“ (Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 143/12, GRUR 2014, 175) urheberrechtlich als Werk der angewandten Kunst geschützt sein. Das kann jedoch letztlich offen bleiben. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob beide Beklagte gleichermaßen in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert sind.

31

b) Denn die Klägerin handelt mit der Herstellung und dem Vertrieb der Modelle „C.“ und „N. C.“ nicht rechtswidrig. Ob die Gestaltungen dieser Kaffeezubereiter urheberrechtlich als Vervielfältigungen bzw. unfreie Bearbeitungen des Ch.-Designs anzusehen wären, wofür manches spricht, kann offen bleiben. Diese Nutzungen der Klägerin sind jedenfalls nicht rechtswidrig.

32

aa) Zwar kann in der Regelung gem. Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags keine Lizenzeinräumung der B. A/S an die H. A. Ltd. oder die Klägerin gesehen werden. Denn weder die H. A. Ltd. noch die M. S.A. sind Parteien des Aktienkaufvertrags. Vertragsparteien sind vielmehr die Aktionäre der M. S.A. einerseits und die B. A/S andererseits. Die B. A/S war bei Abschluss des Aktienkaufvertrags nicht Inhaberin der Nutzungsrechte an dem Ch.-Design und konnte daher insoweit keinerlei Rechte einräumen. Inhaberin der Nutzungsrechte an dem Ch.-Design war allein die M. S.A.

33

bb) Die Klägerin kann sich aber auf eine vorherige Einräumung eines Nutzungs- und Bearbeitungsrechts durch die M. S.A. stützen.

34

(1) Die Klägerin hat vorgetragen, dass die M. S.A. der H. A. Ltd. das Recht eingeräumt habe, das Design der Kaffeekanne „Ch.“ weltweit bis auf Frankreich zur Herstellung und zum Vertrieb von eigenen Kannen und Accessoires zu nutzen, insbesondere zu bearbeiten, herzustellen und zu verbreiten. Dieses sei mündlich bei einem Besuch des L. J. de V. C., handelnd als Vertreter der M. S.A., am Sitz der H. A. Ltd. in England vereinbart worden und sei in der Folgezeit zwischen den beiden Unternehmen einvernehmlich auch so gehandhabt worden. In diesem Zusammenhang habe die H. A. Ltd von der M. S.A. auch die Konstruktionspläne für den Kaffeezubereiter C. erhalten. Die Beklagten haben die von der Klägerin vorgetragene mündliche Nutzungsrechtseinräumung durch L. J. de V. C., handelnd als Vertreter der M. S.A., nicht bestritten. Sie gilt daher als zugestanden, § 138 III ZPO. Die Beklagten verweisen zwar darauf, dass ein solcher Lizenzvertrag im Rahmen der Due Diligence nicht offengelegt worden sei. Insbesondere finde sich kein Hinweis darauf in der Anlage „Agreements and Cooperation“ zum Aktienkaufvertrag (Anlage B8), die alle wesentlichen Verträge der M. S.A. enthalte. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Beklagten auch die mündliche Nutzungsrechtseinräumung also solche bestreiten wollen.

35

Die Vertreter der B. A/S wussten bei Abschluss des Aktienkaufvertrags auch nach eigenem Vortrag der Beklagten, dass die H. A. Ltd. Konkurrenzprodukte in England vertreibt. Die Regelung im Aktienkaufvertrag bezieht sich ausdrücklich auf „Produkte, die denen der M. S.A. ähnlich sind“, also insbesondere auf Produkte, die der Ch.-Kanne ähnlich sind. Die Käuferseite musste davon ausgehen, dass die H. A. Ltd. diese „ähnlichen“ Produkte berechtigterweise vertreibt. Diese Berechtigung zum Vertrieb „ähnlicher Produkte“ konnte nur von der M. S.A. stammen. Anderenfalls hätte die B. A/S bei Vereinbarung der Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags annehmen müssen, dass die H. A. Ltd. seit Jahren mit Kenntnis der M. S.A. unberechtigt Konkurrenzprodukte vertreibt. Diese Annahme wäre lebensfern. Insbesondere wäre es lebensfern, ein solches unberechtigtes Handeln im Rahmen einer Konkurrenzklausel in dem Aktienkaufvertrag zu erlauben bzw. zu schützen. Soweit die Beklagten behaupten, es sei bei den Verhandlungen zu dem Aktienkaufvertrag nicht über etwaige Rechte der H. A. Ltd. an dem Ch.-Design gesprochen worden, kann das dahinstehen. Dieser Umstand wird durch Ziffer 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags jedenfalls erkennbar vorausgesetzt.

36

Danach ist unstreitig, dass die M. S.A. der H. A. Ltd Ende der 1960er Jahre oder Anfang der 1970er das Recht einräumte, die Gestaltung des Modells „Ch.“ zum Vertrieb von eigenen Kaffeezubereitern zu nutzen, insbesondere zu bearbeiten, herzustellen und zu verbreiten.

37

(2) Die Einräumung der Nutzungsrechte durch die M. S.A. an die H. A. Ltd. bedurfte nicht der Schriftform nach Art. 1341 Code Civil.

38

Der entsprechende Vertrag ist nach französischem Recht zu beurteilen, wovon auch die Parteien ausgehen. Denn Urheberrechtsverträge unterliegen nicht dem Recht des Schutzlandes, sondern dem sog. Vertragsstatut. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Form (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., Vor §§ 120 Rn 49; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., § 97 Rn 7; §§ 120 ff Rn 83 ff.). Vorliegend ist französisches Recht anzuwenden, da die französische M. S.A. die charakteristische Vertragsleistung erbringt, nämlich das Nutzungsrecht einräumt (vgl. dazu Dreier/Schulze, aaO, Vor §§ 120 Rn 52).

39

Es kann dahinstehen, ob Art. 1341 Code Civil für die Nutzungsrechtseinräumung überhaupt einschlägig ist, was dem Wortlaut der Vorschrift nach zweifelhaft ist. Denn die Regelung gilt jedenfalls nicht, soweit Handelsrecht anwendbar ist. Das ist hier der Fall, denn die Nutzungsrechtseinräumung erfolgte zwischen zwei Handelsgesellschaften, die mit der Lizensierung im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs handelten. Aus Art. L. 110-3 des Code de Commerce geht hervor, dass Handelsverträge formfrei abgeschlossen werden können, es sei denn, spezielle Vorschriften schreiben etwas anderes vor, was hier nicht der Fall ist.

40

(3) Die H. A. Ltd. hat die ihr durch die M. S.A. eingeräumten Nutzungsrechte auf die Klägerin übertragen. Unstreitig wurden die Herstellung und der Vertrieb von Haushaltswaren im Jahr 2002 aus der H. A. Ltd. ausgegliedert und auf die neu gegründete Klägerin übertragen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass in diesem Zuge das Recht zur Nutzung des Ch.-Designs ebenfalls auf die Klägerin übergegangen sei (Bl. 78 d.A.). Dieses ist als eine jedenfalls konkludente Übertragung des Nutzungsrechts auf die Klägerin auszulegen, welche die Beklagten nicht bestritten haben. Die Beklagten haben lediglich bestritten, dass die Klägerin eine Tochtergesellschaft der G. G. Ltd. sei, worauf es für die Frage der Übertragung des Nutzungsrechts jedoch nicht ankommt.

41

(4) Die H. A. Ltd. war zur Übertragung der Nutzungsrechte auf die Klägerin auch berechtigt, jedenfalls solange die Klägerin wirtschaftlich allein der H. A. Ltd. zuzurechnen ist. Das ergibt die Auslegung der Nutzungsrechtseinräumung durch die M. S.A. an die H. A. Ltd. unter Berücksichtigung der von den Aktionären der M. S.A. vereinbarten Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags. Die dortige Formulierung „… Stockholder through H. A. Limited, …“ zeigt, dass es den Aktionären primär auf ihr eigenes wirtschaftliches Handeln ankam und dass die H. A. Ltd lediglich als Instrument für dieses eigene Handeln angesehen wurde. Angesichts der weitgehenden Identität der Gesellschafter der M. S.A. und der H. A. Ltd insbesondere in der Person des L.- J. de V. C. ist daher davon auszugehen, dass die M. S.A. auch mit einer Übertragung des Nutzungsrechts auf eine Tochterfirma der H. A. Ltd einverstanden war.

42

Die Klägerin war bei der Nutzungsrechtsübertragung im Jahr 2002 eine Tochtergesellschaft der H. A. Ltd bzw. der G. G. Ltd. und ist dieses nach wie vor. Davon ist das Gericht aufgrund freier Beweiswürdigung der vorgelegten „Annual Returns“ überzeugt. In den Jahresberichten vom 6.2.2012 (Anlage K15) und vom 6.2.2014 (Anlage K57), welche die Klägerin jeweils beim Companies House eingereicht hat, ist lediglich die G. G. Ltd. als alleinige Inhaberin der zwei Anteile („Shares“) an der Klägerin angegeben. Es kann offen bleiben, ob diese Mitteilungen an das Companies House in gleicher Weise verlässlich sind wie Eintragungen in das deutsche Handelsregister und inwieweit diese „Annual Returns“ einen dem § 15 HGB entsprechenden öffentlichen Glauben genießen. Das Gericht hat unabhängig davon keinen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben über das „Statement of Capital“ und die „Full Details of Shareholders“ in den Jahresberichten. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Angaben falsch sein sollten. Die Möglichkeit, dass die Klägerin in ihren Annual Reports falsche Angaben gemacht hat, um sich z.B. in dem vorliegenden Rechtsstreit (in betrügerischer Weise) eine günstige Position zu verschaffen, schließt die Kammer im Rahmen der freien Beweiswürdigung aus. Denn es ist eine Straftat nach dem Companies Act 2006, bewusst falsche Angaben an das Register mitzuteilen. Die Beklagten haben auch nicht substantiiert behauptet, dass die G. G. Ltd. ihre Anteile an der Klägerin an einen Dritten veräußert habe. Das ergibt sich insbesondere nicht aus der von den Beklagten vorgelegten Presseerklärung der L. B. Inc. vom 12.3.2014 (Bl. 227 f. d.A.). Darin teilt dieses Unternehmen mit, „that it has acquired the business and certain assets of La C. from The G. G. Limited including exclusive distribution rights.“ Dabei sind „Assets“ Anlagegüter und gerade nicht „Shares“, also Gesellschaftsanteile bzw. Aktien. Dass die Klägerin die Herstellung und den Vertrieb der beiden hier streitgegenständlichen Kaffeezubereiter an die L. B. Inc. veräußert hat oder das von der H. A. Ltd. abgeleitete Nutzungsrecht hinsichtlich des Ch.-Designs auf die L. B. Inc. übertragen hat, machen die Beklagten nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.

43

2. Die Beklagten haben auch keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, 3 I, 4 Nr. 9 UWG gegen die Klägerin. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin mit der Herstellung und dem Vertrieb der beiden hier streitgegenständlichen Modelle nicht rechtswidrig handelt, was auch für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gilt.

44

Daneben dürfte ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht bestehen, soweit die Beklagten behaupten, dass es sich bei der Regelung gem. Ziff. 4 Abs. 4 des Aktienkaufvertrags lediglich um eine Ausnahme zu dem Wettbewerbsverbot handele, das in den vorstehenden Absätzen vereinbart sei. Nach § 4 Abs. 4 dürfen die (ehemaligen) Aktionäre der M. S.A. über die H. A. Ltd Produkte außerhalb Frankreichs herstellen und verbreiten, die denen der M. S.A. ähnlich sind. Darunter fallen die beiden streitgegenständlichen Modelle. Wenn aber die Regelung nach Ansicht der Beklagten eine Ausnahme zu einem Wettbewerbsverbot darstellt, dann dürfte aus Sicht der Beklagten ein Handeln der H. A. Ltd. innerhalb dieser Ausnahme nicht unlauter sein. Die Klägerin kann sich – wie ausgeführt – als Tochtergesellschaft der H. A. Ltd. auf diese Regelung berufen.

II.

45

Mangels widerrechtlicher Rechtsverletzung haben die Beklagten weder einen Anspruch auf die geltend gemachten Auskünfte noch auf die Feststellung einer Schadensersatzpflicht.

B.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 91a I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 23 Bearbeitungen und Umgestaltungen


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(1) Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung im Sinne des Satzes 1 vor.

(2) Handelt es sich um

1.
die Verfilmung eines Werkes,
2.
die Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste,
3.
den Nachbau eines Werkes der Baukunst oder
4.
die Bearbeitung oder Umgestaltung eines Datenbankwerkes,
so bedarf bereits das Herstellen der Bearbeitung oder Umgestaltung der Zustimmung des Urhebers.

(3) Auf ausschließlich technisch bedingte Änderungen eines Werkes bei Nutzungen nach § 44b Absatz 2, § 60d Absatz 1, § 60e Absatz 1 sowie § 60f Absatz 2 sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden.

(1) Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war.

(2) Ist die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muß ein Dritter sie gegen sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei Rechtshandlungen, die innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommen werden, sofern der Dritte beweist, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte.

(3) Ist eine einzutragende und bekannt gemachte Tatsache unrichtig eingetragen, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, auf die eingetragene Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte.

(4) Für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung eines Unternehmens mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland ist im Sinne dieser Vorschriften die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend.

(5) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Hinblick auf die im Registerblatt einer Kapitalgesellschaft eingetragenen Informationen über eine Zweigniederlassung der Gesellschaft im Ausland.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.