Landgericht Hagen Urteil, 20. Aug. 2015 - 7 S 50/14
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014 (Az.: 94 C 194/13) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 81,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2013 und 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014 (Az.: 94 C 194/13) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 81,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2013 und 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
2Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
4Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5Gründe:
6I.
7Die Parteien streiten darum, in welchem Umfang die Beklagte verpflichtet ist, Nebenkosten eines Pkw-Schadensgutachters zu ersetzen. Die Klägerin macht eine angebliche Schadensersatzforderung geltend, die durch die Geschädigte an den Sachverständigen und von diesem an die Klägerin abgetreten worden sein soll.
8In dem von der Geschädigten unterzeichneten Auftrag zur Gutachtenerstattung, der zugleich eine Abtretungserklärung der Geschädigten an den Sachverständigen beinhaltet, heißt es unter anderem:„Der Sachverständige berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Höhe des KFZ-Schadens.“
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Abtretungserklärung vom 01.02.2013, Bl. 7 d.A., verwiesen.
10Mit Rechnung vom 12.02.2013 rechnete der Sachverständige neben einem Grundhonorar in Höhe von 233,00 EUR netto diverse Netto-Nebenkosten ab:
11Fahrtkosten (pauschal): 19,87 EUR
12Schreibkosten: 3,00 EUR x 21 Seiten = 63,00 EUR
13Fotos: 2,25 EUR x 8 Fotos = 18,00 EUR
14Kopien: 2,54 EUR x 21 Seiten = 53,34 EUR
15Kopien der Fotos: 1,53 EUR x 8 Fotos = 12,24 EUR
16Telekommunikation/Porto: 16,24 EUR
17Die Beklagte zahlte das Grundhonorar und auf die abgerechneten Nebenkosten einen Pauschalbetrag von 100,00 EUR netto an die Klägerin.
18Die Klägerin begehrt nunmehr restliche Nebenkosten i.H.v. 98,40 EUR brutto.
19Der Geschädigte ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt.
20Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Abwicklung des Schadensfalles zwischen den Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014.
21Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, zwischen der Geschädigten und dem Sachverständigenbüro sei eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden, nach welcher dem Sachverständigen kein Anspruch auf Nebenkosten zustehe. Mit der vorprozessualen Zahlung der Beklagten sei der geltend gemachte Anspruch bereits ausgeglichen. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung des Inhalts, dass der Sachverständige sein Honorar in Anlehnung an die Höhe des KFZ-Schadens berechnet. Da keine ausdrückliche Regelung über Nebenkosten getroffen worden sei, seien diese auch nicht geschuldet.
22Gegen das am 16.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.05.2014 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages hat sie das Rechtsmittel begründet. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass auch Nebenkosten in der begehrten Höhe geschuldet seien.
23Die Klägerin beantragt,
24unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 98,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.03.2014 sowie 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie vertritt weiterhin die Auffassung, über den gezahlten Pauschalbetrag hinaus seien keine Nebenkosten geschuldet. Außerdem bestreitet sie auch zweitinstanzlich die Aktivlegitimation der Klägerin.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründung vom 08.05.2014, die Berufungserwiderung vom 20.06.2014, sowie auf die weiteren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
29II.
30Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist lediglich in dem tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlichen Sachverständigenhonorars von 81,03 EUR brutto aus §§ 7 StVG i.V.m. 115 VVG.
31Die Klägerin ist für ihre Klage aus abgetretenem Recht aktivlegitimiert. Die Abtretung verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), denn die Klägerin handelt hier nicht auf fremde Rechnung, sondern auf eigene. Sie hat die Forderung ausweislich der vorgelegten Abtretungsvereinbarung im Wege des echten Factorings angekauft und macht diese nunmehr in eigenem Namen geltend. Zur Abgrenzung, ob eine Forderung auf eigene oder fremde Rechnung eingezogen wird, hat der BGH in seinem Urteil vom 21.10.2014 – VI ZR 507/13 ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, wem das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung zugutekommen soll. Hier trägt die Klägerin das volle Bonitätsrisiko. Ausweislich der Vertragsgestaltung besteht keine Möglichkeit der Klägerin, einseitig eine Rückabtretung der Forderung zu veranlassen. Bei dem Zedenten verbleibt lediglich das Veritätsrisiko. Dies erscheint jedoch nicht ungewöhnlich, da eine nicht bestehende Forderung auch nicht abgetreten worden sein kann.
32Nachdem die Klägerin nunmehr auch eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG vorgelegt hat, können zukünftig an ihrer Aktivlegitimation keine Zweifel mehr bestehen.
33Im Rahmen der hier getroffenen Abrede zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen sind nach Auffassung der Kammer entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Nebenkosten dem Grunde nach in dem Verhältnis des Geschädigten zu dem Sachverständigen werkvertraglich geschuldet. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Regelung, der Sachverständige berechne sein Honorar in Abhängigkeit von der Schadenshöhe, gerade keine Aussage zur Inrechnungstellung von Nebenkosten trifft. Ist aber keine Vergütung vereinbart, so gilt sie nach § 632 Abs. 1 BGB sie stillschweigend als vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Bestandteil des Sachverständigenhonorars sind jedoch auch Nebenkosten. Es ist gerichtsbekannt, dass Sachverständige neben einem Grundhonorar regelmäßig auch Nebenkosten abrechnen; dies geschieht auch in anderen Bereichen, so dass der Anfall von Nebenkosten für niemanden überraschend ist. Dies wird untermauert durch die BVSK-Honorarbefragung aus dem Jahre 2011, die durch verschiedene Gerichte immer wieder als Schätzungsgrundlage bei Streitigkeiten über die Höhe von Sachverständigenhonoraren herangezogen wird. Von der Üblichkeit von Nebenkosten gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus. Anders ist die Zahlung von 100,00 EUR auf geltend gemachte Nebenkosten nicht zu verstehen. In Streit steht nur deren konkrete Höhe.
34Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (BGH VI ZR 225/13 v. 11.02.2014, S. 5 m.w.N.). Für deren Schätzung gem. § 287 ZPO bildet regelmäßig die tatsächliche Rechnungshöhe ein wesentliches Indiz (BGH a.a.O., S. 6 f.).
35Die Gutachterkosten sind dem Grunde nach erforderlich zur Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes, was ohne die Einschaltung eines Sachverständigen nicht verbindlich möglich wäre.
36Die Klägerin konnte von der Beklagten die Erstattung erforderlicher Nebenkosten i.H.v. 168,09 EUR netto (= 200,03 EUR brutto) verlangen. Durch die Zahlung von 100,00 EUR netto auf die Nebenkosten ist die Forderung bereits in dieser Höhe erloschen, so dass lediglich noch ein Anspruch i.H.v. 68,09 EUR netto = 81,03 EUR brutto besteht. Weitere Nebenkosten sind nicht als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen. Namentlich können die geltend gemachten Schreib- und Fotokosten aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten nicht in vollem Umfang als erforderlich angesehen werden.
37Die Fahrtkosten sind durch die Beklagte zu erstatten. Das Fahrzeug ist ausweislich des vorgelegten Gutachtens im Reparaturbetrieb zerlegt und im zerlegten Zustand sachverständig begutachtet worden. Hierfür war es erforderlich, dass sich der Sachverständige in die Reparaturwerkstatt begibt, so dass der Antritt der Fahrt veranlasst war. Auch gegen die Höhe der abgerechneten Fahrtkostenpauschale i.H.v. 19,87 EUR gibt es nichts zu erinnern, da sich diese in dem einschlägigen Korridor der BVSK-Honorarbefragung 2011 bewegen, die die Kammer als taugliche Schätzungsgrundlage zur angemessenen Kostenhöhe i.S.d. § 287 ZPO zu Grunde legt.
38Die Schreibgebühren waren auf 61,16 EUR zu kürzen. Hierbei hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen: Die Seiten 11 - 14 des Gutachtens enthalten lediglich Tabellenkalkulationen, die mithilfe eines Computerprogramms erstellt worden und dann in das Gutachten hineinkopiert worden sind. Der kostenintensive Teil der Schreibkosten ist jedoch erkennbar nicht der Einsatz von Tinte und Papier, sondern betrifft die Kosten für die Arbeitskraft des Schreibenden. Diese Kosten entfallen beim Einrücken computererstellter Kalkulationen, deren Erstellung nach Ansicht der Kammer bereits durch das Grundhonorar abgegolten ist. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer die „Schreibkosten“ für Seiten, die lediglich eingerückte Tabellenkalkulationen enthalten, wie Kopien des Sachverständigen behandelt und Kosten von 2,54 EUR pro Seite zu Grunde gelegt.
39Kosten für Lichtbilder waren lediglich in Höhe von 10,28 EUR erforderlich. Wie sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2011, die die Kammer auch hier als taugliche Schätzungsgrundlage heranzieht, ergibt, werden für Lichtbilder regelmäßig bis zu 2,57 EUR abgerechnet, die die Kammer als noch erforderlich ansieht. Allerdings ist die Kammer in Ausübung ihrer Schätzungsbefugnis aus § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO der Ansicht, dass sich diese Kosten aufgrund der technischen Entwicklung im Bereich der Digitalfotografie verbunden mit den entsprechenden Einsparmöglichkeiten jeweils auf die mit Lichtbildern versehene Gutachtenseite beziehen müssen. Hier sind jedoch erkennbar jeweils zwei Lichtbilder auf einer Gutachtenseite abgedruckt. Dies rechtfertigt keinen doppelten Kostenansatz.
40In ständiger Rechtsprechung erkennt die Kammer eine Gutachtenkopie als erforderlich an, wobei die Kammer davon ausgeht, dass das Original des Gutachtens für die Unterlagen des Geschädigten vorgesehen ist und er eine Durchschrift zur Abrechnung mit der Versicherung benötigen wird. Gegen die Kosten je Kopie bestehen keine Bedenken, da sie sich im Rahmen des Korridors HB V der BVSK-Honorarbefragung 2011 bewegen. Die Kosten für die Abzüge der Lichtbilder waren aus den oben ausgeführten Gründen auf 7,20 EUR zu reduzieren (4x Höchstsatz von 1,80 EUR pro Kopie Fotosatz).
41Die von dem Sachverständigen abgerechneten Nebenkosten für Post und Telekommunikation sind von der Beklagten zu erstatten. Dass bei der Gutachtenerstattung Kosten für Telekommunikation und Porto angefallen sind, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Der Sachverständige hat seine Kommunikationskosten in nicht zu beanstandender Weise pauschaliert. Wie sich aus dem Zusatz „…und berechnen nach dem Mittelwert der BVSK HB V Korridor Liste 2011“ über der Aufstellung der einzelnen Positionen in der Rechnung des Sachverständigen ergibt, will der Sachverständige hier erkennbar pauschal abrechnen. Bei dem in Rechnung gestellten Betrag handelt es sich zudem exakt um den Mittelwert der Porto/Telefonpauschale in dem o. g. Honorarkorridor. Gegen eine pauschalierte Abrechnung bestehen seitens der Kammer keine Bedenken. Auch gegen die Höhe der Pauschale von 16,24 EUR gibt es aus vorgenannten Gründen nichts zu erinnern.
42Danach ergeben sich folgende erstattungsfähige Nebenkosten:
43Fahrtkosten (pauschal): 19,87 EUR
44Schreibkosten: 61,16 EUR
45Fotos: 10,28 EUR
46Kopien: 53,34 EUR
47Kopien der Fotos: 7,20 EUR
48Telekommunikation/Porto: 16,24 EUR
49= 168,09 EUR netto – 100 EUR netto Zahlung = 68,09 EUR netto = 81,03 EUR brutto
50Die noch offene Forderung hat die Beklagte mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2013 zu verzinsen, §§ 286 Abs. I, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1, 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Spätestens nach der Übersendung ihres Abrechnungsschreibens vom 07.03.2013 befand sich die Beklagte im Verzug, da sie mit diesem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie weitere Forderungen nicht begleichen will. Zugegangen ist dieses Schreiben der Klägerin am 11.03.2013, wie sich aus dem darauf angebrachten Eingangsstempel ergibt. Die Zinspflicht beginnt am Tag nach dem Zugang der Erklärung, dass weitere Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert werden. Ein früherer Verzugsbeginn lässt sich jedenfalls nicht sicher feststellen.
51Die Klägerin kann darüber hinaus die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 39,00 EUR beanspruchen. Insbesondere durfte die Klägerin – wie in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2015 erörtert – die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwaltes auch ohne Erteilung eines unbedingten Klageauftrages für erforderlich halten. Letztlich hat die Klägerin unwidersprochen ausgeführt, dass die Beklagte auch außergerichtlich auf rechtsanwaltliche Aufforderungsschreiben hin Zahlungen geleistet und Ansprüche erfüllt hat. Vor diesem Hintergrund durfte ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten. Das rechtsanwaltliche Aufforderungsschreiben datiert vom 24.04.2013, mithin zeitlich nach der endgültigen Leistungsverweigerung der Beklagten.
52Das Rechtsanwaltshonorar berechnet sich nach einem Streitwert in Höhe der berechtigten Forderung.
53Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
54Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtssprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
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ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Hagen Urteil, 20. Aug. 2015 - 7 S 50/14
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 24. Oktober 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin, die ein Unternehmen für Factoring-Dienstleistungen betreibt, macht gegenüber dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Erstattung von Sachverständigenkosten geltend. Diese hat ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter an den von ihm mit der Begutachtung des Schadens beauftragten Kfz-Sachverständigen abgetreten, der seinerseits auf der Grundlage einer "Dienstleistungsvereinbarung" vom 27. Juli 2010 die Forderung an die Klägerin abgetreten hat. Nach Ziffer 1 der überwiegend formularmäßigen "Dienstleistungsvereinbarung" übernimmt die Klägerin für die eingereichten Forderungen den Einzug. Bei ankaufsfähigen Forderungen erfolgt der Einzug mit Vorfinanzierung und Übernahme des Ausfallrisikos. Die Auszahlung des Rechnungsbetrages der ankaufsfähigen Forderungen erfolgt nach Ziffer 2 der Vereinbarung zu (handschriftlich ergänzten) 80 % nach drei Bankarbeitstagen abzüglich der Gesamtgebühr. Ferner enthält Ziffer 2 den handschriftlichen Zusatz: "Auszahlung der restlichen 20 % erfolgt nach Zahlungseingang".
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Die Beklagte hält die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (im Folgenden: RDG) für unwirksam und hat hilfsweise die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Sachverständigen erklärt.
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Das Amtsgericht hat die Abtretungen für wirksam erachtet und der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die Aktivlegitimation, weil die Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und dem Sachverständigen gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtig sei. Eine Erlaubnis zur Erbringung von selbständigen Rechtsdienstleistungen sei der Klägerin unstreitig nicht erteilt worden. Die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Beklagten sei eine erlaubnispflichtige Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 RDG, da die Klägerin auf fremde Rechnung handele. Ausweislich ihres Internetauftritts biete sie ihre Dienstleistungen im Rahmen des Factorings dergestalt an, dass das wirtschaftliche Ergebnis dem Zedenten zu Gute kommen soll. An dem Tatbestandsmerkmal der Fremdheit ändere auch der vorgelegte Factoring-Vertrag zwischen dem Sachverständigen und der Klägerin nichts. Im Gegenteil bestätige dieser, dass die Klägerin nicht das volle Risiko der Beitreibung der Forderung übernommen habe, weil die Auszahlung der restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig sei.
-
II.
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die (Zweit-)Abtretung der Forderung durch den Sachverständigen an die Klägerin ohne Rechtsfehler wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB als nichtig erachtet.
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1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nach § 3 RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Inkassodienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG dürfen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG nur von Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden.
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Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung (Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 30. November 2006 unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den Einziehenden übertragen wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt (BT-Drucks. 16/3655, S. 35 f., 48). Sie ist von den Fällen des Forderungskaufs abzugrenzen, "bei denen ein endgültiger Forderungserwerb stattfindet und das Risiko des Forderungsausfalls auf den Erwerber übergeht" (aaO, S. 48), so dass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, NJW 2013, 59 Rn. 13 f., vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, NJW 2014, 847 Rn. 18 und vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 137/13, juris Rn. 18; Beschluss vom 11. Juni 2013 - II ZR 245/11, WM 2013, 1559 Rn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg, NJW-RR 2014, 852).
- 8
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2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der zwischen dem Zedenten und der Klägerin geschlossenen "Dienstleistungsvereinbarung" vom 27. Juli 2010, wonach die Klägerin als Zessionarin das wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung nicht voll, sondern nur teilweise (zu 80 %) übernommen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung von Individualvereinbarungen durch den Tatrichter nur darauf, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, aaO Rn. 12 mwN). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor und werden von der Revision nicht aufgezeigt.
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b) Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht sich nicht nur in seinem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss auf den Internetauftritt der Klägerin gestützt, sondern darüber hinaus ausdrücklich die individuelle (handschriftliche) Vereinbarung zwischen dem Zedenten und der Klägerin berücksichtigt, wonach die Auszahlung der restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig ist und mithin die Klägerin - ebenso wie in den Factoring-Angeboten in ihrem Internetauftritt - auch im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat. Hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
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c) An der Beurteilung würde sich nichts ändern, wenn man der Revision darin folgte, dass die handschriftliche Zusatzvereinbarung als Fälligkeitsabrede anzusehen sei (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, aaO Rn. 21). Denn der Zedent trägt einen Teil des Bonitätsrisikos auch dann, wenn der Anspruch auf Auszahlung der restlichen 20 % mangels Zahlungseingangs niemals fällig wird. Da die Klägerin im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat und sie deshalb mit der Einziehung der an sie abgetretenen Forderung insgesamt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3 RDG betreibt, kommt auch - wie die Revision in der mündlichen Verhandlung zu erwägen gegeben hat - eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht.
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3. Die Einziehung wird von der Klägerin zudem als eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG betrieben. Ein solches liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt (BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, aaO Rn. 21, und vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, aaO Rn. 29). Die Einziehung abgetretener Forderungen bildet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Hauptgeschäft der Klägerin, wovon auch die Revision ausgeht. Damit ist zugleich festgestellt, dass die Inkassotätigkeit der Klägerin keine bloße Nebenleistung im Sinne von § 5 RDG darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, aaO Rn. 30).
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Galke Wellner Diederichsen
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Stöhr v. Pentz
(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:
- 1.
Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1), - 2.
Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung, - 3.
Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht; ist das ausländische Recht das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, darf auch auf dem Gebiet des Rechts der Europäischen Union und des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums beraten werden.
(2) Die Registrierung erfolgt auf Antrag. Soll die Registrierung nach Absatz 1 Satz 2 für einen Teilbereich erfolgen, ist dieser im Antrag zu bezeichnen.
(3) Die Registrierung kann, wenn dies zum Schutz der Rechtsuchenden oder des Rechtsverkehrs erforderlich ist, von Bedingungen abhängig gemacht oder mit Auflagen verbunden werden. Auflagen können jederzeit angeordnet oder geändert werden. Ist die Registrierung auf einen Teilbereich beschränkt, muss der Umfang der beruflichen Tätigkeit den Rechtsuchenden gegenüber eindeutig angegeben werden.
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.