Landgericht Freiburg Beschluss, 30. Jan. 2003 - 4 T 276/02

bei uns veröffentlicht am30.01.2003

Gericht

Landgericht Freiburg

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Staufen vom 27.09.2002 (UR II 16/02) wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Am 27.12.1999 hat die Beteiligte Ziffer 1 einen Berichtigungsantrag hinsichtlich im Grundbuch H., Blatt Nr. zu Gunsten der Spar- und Kreditbank B. eG - Raiffeisenbank in H. eingetragenen Grundstücke gestellt. Sie hat sich hierbei auf den dem Antrag beigefügten Auszug aus dem Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Freiburg GnR 22 St und GnR 54 Bs vom 08.12.1999 bezogen. Aus dieser Bescheinigung geht hervor, dass die Spar- und Kreditbank B. eG - Raiffeisenbank - mit dem Sitz in H. - als übertragende Genossenschaft - mit der Volksbank eG K. mit dem Sitz in B. - als übernehmende Genossenschaft - durch Aufnahme verschmolzen ist. Die Firma der Genossenschaft mit dem Sitz in B. ist geändert und lautet auf Volksbank B. eG.
Das Grundbuchamt hat die Berichtigung vollzogen und am 11.2.2000 Kosten von insgesamt von DM 145,00 angesetzt (Grundakte AS 265) und diesen Ansatz am 22.03.2000 auf insgesamt DM 3.920,00 korrigiert (AS 269).
Mit Schreiben vom 06.06.2002 hat die Beteiligte Ziff. 1 Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt und beantragt, die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil die angesetzte Gebühr gegen die Gesellschaftsrichtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 verstoße.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Dass das Grundbuchamt zutreffend eine Gebühr nach § 60 KostO angesetzt hat und dass vorliegend nicht etwa nur der Gebührentatbestand des § 67 Abs. 1 Satz 1 KostO gegeben ist, stellt auch die Beteiligte Ziffer 1 nicht in Frage (vgl. hierzu auch OLG Hamm Rpfleger 1983, 42; Korintenberg/Lappe, KostO 15. Auflage § 60 Rdnr. 16, 16 a).
Das Grundbuchamt hat mit den angesetzten Kosten auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital verstoßen (im folgenden Richtlinie).
Nach Artikel 4 der Richtlinie unterliegen die dort aufgeführten Vorgänge der Gesellschaftssteuer. Nach Artikel 10 der Richtlinie erheben die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftssteuer von den Gesellschaften keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf die in Artikel 4 genannten Vorgänge und die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Artikel 4 genannten Vorgänge.
Vorliegend geht es um einen von Art. 4 erfassten Vorgang, nämlich die in Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe c genannte Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art. Deshalb ist hier grundsätzlich der Regelungsgehalt der Richtlinie vom 17.07.1969 berührt.
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Eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers (übertragender Rechtsträger) als ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) im Sinne von § 2 Nr. 1 UmwG - vorliegend durchgeführt durch eingetragene Genossenschaften, was sich im Einzelnen nach den Bestimmungen der § 79 ff. UmwG bestimmt - stellt eine Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art i.S. v. Artikel 4 Abs. 1 c der Richtlinie dar. Es handelt sich nämlich um einen Vorgang der Kapitalansammlung, der in der Erhöhung des Kapitals einer, der sog. "übernehmenden" Gesellschaft durch die Einbringung des gesamten Vermögens durch eine andere, die sog. "übernommene" Gesellschaft besteht (EuGH, Urteil vom 13.02.1996 - verbundene Rechtssachen C-197/94 und C-252/94, Rdnr. 34 bis 36; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-8/96 - Rdnr. 20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5.12.2002 - 14 Wx 130/01, in juris dokumentiert).
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Die Richtlinie erfasst auch Verschmelzungsverträge eingetragener Genossenschaften (vgl. OLG Karlsruhe aaO).
12 
Derartige Vorgänge dürfen, wie sich aus Artikel 10 Buchstaben a und b der Richtlinie ergibt, weder unmittelbar noch mittelbar einer über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehenden Besteuerung ausgesetzt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-8/96 - Rdnr. 27).
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Sie dürfen dann auch nicht Steuern oder Abgaben i.S. v. Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie unterworfen werden, weil derartige Abgaben zwar nicht auf die Kapitalzuführung als solche, wohl aber wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalsammlung, erhoben würden, so dass die Beibehaltung dieser Abgaben auch die von der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden würde (EuGH, Urteil vom 02.12.1997 - C-188/95 - Rdnr. 21).
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Dennoch verstößt die Erhebung der Eintragungsgebühren, die durchaus als Steuern und Abgaben im vorbeschriebenen Sinne angesprochen werden können, vorliegend nicht gegen die Bestimmungen der Richtlinie vom 17.07.1969. Artikel 12 der Richtlinie bestimmt nämlich, dass in Abweichung von Artikel 10 die Mitgliedsstaaten Besitzwechselsteuern, einschließlich Katastersteuern auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder "fonds de commerce" in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck erheben können. Mit Besitzwechselsteuern sind Registersteuern gemeint, die von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit bestimmten Vorgängen der Übertragung von Grundstücken oder "fonds de commerce" nach allgemeinen und objektiven Kriterien erhoben werden. Artikel 12 macht keinen Unterschied zwischen verschiedenen Besitzwechselsteuern, die die Mitgliedsstaaten erheben können. Sie ermächtigt die Mitgliedsstaaten allgemein, neben der Gesellschaftssteuer, jedoch im Zusammenhang mit einer Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, Steuern zu erheben, deren Entstehungstatbestand objektiv im Zusammenhang mit der Übertragung des Eigentums an Grundstücken steht (EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-42/96 - Rdnr. 34 f). Um eine derartige Besitzwechselsteuer geht es hier, auch wenn der Vorgang sich rechtstechnisch nur als Grundbuchberichtigung nach einem Verschmelzungsvorgang darstellt (vgl. EuGH aaO.).
15 
Nach Artikel 12 Abs. 2 der Richtlinie darf es bei den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Steuern und sonstigen Abgaben keinen Unterschied machen, ob der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet des die Steuern erhebenden Mitgliedsstaates liegt oder nicht. Diese Steuern und sonstigen Abgaben dürfen auch nicht höher sein als diejenigen, die in dem erhebenden Mitgliedsstaat für gleichartige Vorgänge erhoben werden. Auch diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Gebührentatbestand des § 60 Abs. 1 KostO allgemein gefasst ist und sämtliche mit der Eintragung eines Eigentümers zusammenhängenden Vorgänge erfasst, unabhängig davon, ob es sich um einen Sachverhalt handelt, der grundsätzlich von der Richtlinie erfasst wird oder nicht.
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Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 ist deshalb nicht begründet (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2000 - 20 W 288/00; BayObLG FGPrax 2001, 37).
17 
Der Wortlaut der Richtlinie ist eindeutig, weshalb die Rechtslage unzweifelhaft und klar ist. Außerdem hat der EuGH, wie dargestellt, die hier aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet. Eine Vorlage an den EuGH kommt deshalb nicht in Betracht.
18 
Die Voraussetzungen der Zulassung der weiteren Beschwerde sind mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht gegeben.
19 
Die Entscheidung beruht im Übrigen auf § 14 Abs. 7 KostO.

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Umwandlungsgesetz - UmwG 1995 | § 2 Arten der Verschmelzung


Rechtsträger können unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden 1. im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechts

Referenzen

Rechtsträger können unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden

1.
im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) oder
2.
im Wege der Neugründung durch Übertragung der Vermögen zweier oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) jeweils als Ganzes auf einen neuen, von ihnen dadurch gegründeten Rechtsträger
gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber (Gesellschafter, Partner, Aktionäre oder Mitglieder) der übertragenden Rechtsträger.