Landgericht Freiburg Beschluss, 22. Juli 2004 - 10 T 5/04

bei uns veröffentlicht am22.07.2004

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergerichts - Freiburg vom 15.04.2004 dahin geändert, dass nach

„Die Gesellschaft hat einen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer (Director)“

einzutragen ist:

„Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit“

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin ist eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft englischen Rechts (Limited), die mit der deutschen GmbH vergleichbar ist. Sie wurde am 2.10.2003 gegründet und am gleichen Tag in das Handelsregister in Cardiff eingetragen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.11.2003 hat die Antragstellerin ihren alleinigen Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Die Antragstellerin hat in S./Baden eine Zweigniederlassung gegründet und diese zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet. Das Registergericht hat durch die angefochtene Entscheidung die Eintragung der Zweigniederlassung verfügt, jedoch den Eintrag der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens abgelehnt und - nach Einlegung der Beschwerde der Antragstellerin - die Ablehnung durch den Nichtabhilfebeschluss vom 25.5.2004 bekräftigt.
Das Amtsgericht hat zur Begründung vor allem ausgeführt, das englische Recht kenne das Verbot des Selbstkontrahierens nicht, demgemäß auch nicht die Befreiung von diesem Verbot. Im Register der Zweitniederlassung würden daher - im Falle der Eintragung - Tatsachen verlautbart, die nicht im Register der Hauptniederlassung aufgeführt sind.
II.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat Erfolg.
Die Kammer vermag der Argumentation des Amtsgerichts nicht zu folgen:
Dass eine im EG-Ausland formgültig gegründete Gesellschaft inländische Zweigniederlassungen gründen kann, ist inzwischen anerkannten Rechts (EuGH NJW 2002, 3614 ff; BGH NJW 2003,1461; Kögel, Rechtspfleger 2004, 325 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201 ff., Wachter, MDR 2004, 611; Graf von Bernstorff, RIW 2004, 498 ff).
Nach der hierfür maßgeblichen Bestimmung des § 13 e HGB sind gemäß Abs. 2 Ziff. 3 u.a. die Vertretungsverhältnisse in das Handelsregister am Sitz der Zweigniederlassung einzutragen, wobei allerdings hervorzuheben ist, dass die Registereintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft nicht konstitutiv wirkt, sondern nur eine - auf den Errichtungsvorgang im Ausland hinweisende - deklaratorische Bedeutung hat (OLG Düsseldorf, Rechtspfleger, 1999, 101; KG FGPrax 2004, 45; Ensthaler/Achilles, § 13 d HGB Rdn. 5).
Zu den eintragungspflichtigen Angaben über die Vertretungsverhältnisse gehört nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 87, 59 ff, 63 auch die Gestattung der Insichgeschäfte.
Die Vertretungsverhältnisse einer ausländischen Gesellschaft bestimmen sich - auch hinsichtlich der inländischen Niederlassung - nach deren Personalstatut. Das Personalstatut regelt, welche Organe die ausländische juristische Person hat und welche Befugnisse diesen nach innen und außen zukommen (BayObLG 1985, 272, 277; Ensthaler/Achilles, § 13 d HGB Rdn.6). Es gilt insoweit der alte germanische Rechtsgrundsatz „leges ossibus inhaerent“ („die Gesetze haften in den Knochen“), der letztlich besagt, dass sich die Personenrechte, vornehmlich die Rechte der natürlichen Personen (bedeutsam vor allem im Familien- und Erbrecht), aber auch - wie vorliegend - die Rechte juristischer Personen nach ihrem Geburtsrecht bzw. Gründungsrecht richten.
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Zum - vom inländischen Registergericht zu beachtenden - Personalstatut der Antragstellerin gehört auch das für diese insoweit maßgebliche englische Recht, das eine Selbstkontrahierung nicht verbietet mit der Folge, dass dem alleinigen Geschäftsführer einer Limited, auch ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung, das Selbstkontrahieren erlaubt ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz selbst, sodass es nach Auffassung der Kammer dafür einer Bestimmung der Gesellschaft gar nicht bedarf.
11 
Der gegen die Zulässigkeit der begehrten Eintragung erhobene Einwand des Registergerichts, eine Eintragung der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ins inländische Handelsregister würde etwas verlautbaren, was im Register der Hauptniederlassung nicht aufgeführt worden sei, greift nicht durch. Dass eine solche Befreiung im Register der Hauptniederlassung nicht eingetragen ist, folgt daraus, dass es nach dem maßgeblichen Recht des Personalstatuts der Antragstellerin kein Verbot der Selbstkontrahierung gibt und demgemäß auch kein Raum ist für die Eintragung einer Befreiung von einem solchen Verbot in das Register der Hauptniederlassung. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass der begehrte Eintrag im inländischen Handelsregister unzulässig ist, Im Gegenteil. Wenn das inländische Handelsregister die Vertretungsverhältnisse auszuweisen hat, zu denen - wie bereits oben dargelegt - die Frage der Zulässigkeit der Selbstkontraktion gehört, so gehört der Hinweis auf die Zulässigkeit der Selbstkontraktion zum notwendigen Inhalt des inländischen Handelsregisters. Dieses weist damit nichts aus, was über dasjenige hinausgeht, was nach dem maßgeblichen Personalstatut der Antragstellerin auch ohne Eintragung ins Register der Hauptniederlassung ohnehin Geltung hat. Ein solcher Eintrag hat daher der Sache nach keine konstitutive Wirkung, sondern ist nur ein deklaratorischer Hinweis gegebene Rechtslage.
12 
Soweit ersichtlich, ist die Frage Zulässigkeit der hier streitigen Eintragung bislang nirgendwo erörtert worden. Wachter, geht in seinem umfangreichen Aufsatz über die „Handelsregisteranmeldung der inländischen Zweigniederlassung einer englischen Private Limited Company“ (MDR 2004, 611, 613) ersichtlich mit Selbstverständlichkeit davon aus, dass für die inländische Handelsregisteranmeldung auch „die Befreiung von § 181 BGB oder einer vergleichbaren Vorschrift des ausländischen Rechts“ anzugeben ist. Und in der Rechtswirklichkeit wird - wie eine über das Internet vorgenommene stichprobenweise Prüfung von neueren Einträgen über Zweigniederlassungen von Limiteds in deutschen Handelsregistern ergeben hat - ersichtlich ohne weiteres von der Zulässigkeit solcher Eintragungen ausgegangen.
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Dies ist auch interessengerecht. Das nach deutschem Recht in § 181 BGB formulierte Verbot der Selbstkontrahierung schützt nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch den Rechtsverkehr und damit zugleich die Gläubiger der Gesellschaft. Die Eintragung der Befreiung vom Verbot der Selbstkontrahierung im Handelsregister hat demgemäß auch eine Warnfunktion für den Rechtsverkehr. Sie soll auf die Gefahr hinweisen, dass Vermögen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verlagert und die rechtliche Zuordnung bewusst unklar gehalten werden kann (BGHZ 87, 58, 62).
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Dass der Eintrag im inländischen Handelsregister in der Form der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB gefasst ist, entbehrt zwar nicht einer gewissen Unlogik, weil mangels eines Verbots eine Befreiung von diesem an sich nicht möglich ist, ist aber sachgerecht, weil es für den vom inländischen Rechtsverständnis geprägten Rechtsverkehr die rechtliche Situation mit den üblichen Worten am besten umschreibt.
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Nach allem konnte die angefochtene Entscheidung daher keinen Bestand haben.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


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