Landgericht Essen Beschluss, 24. Sept. 2015 - 10 T 328/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 21.07.20105 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Essen wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.199,80 € festgesetzt.
1
I.
2Mit Beschluss vom 21.07.2015 wies das Amtsgericht den Antrag der Schuldnerin vom 02.07.2015 auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung zurück. Der Schuldnerin war mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens antragsgemäß eine Verfahrenskostenstundung bewilligt worden.
3Unter dem 02.07.2015 beantragte die Schuldnerin die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung. Zur Begründung hat sie vorgetragen, zum Insolvenzverfahren seien keine Forderungen angemeldet worden. Daher wären keine Gläubiger vorhanden, an die der Treuhänder aufgrund der Abtretungserklärung erlangte Beträge auskehren könnte. Auf eine mithin sinnlose Wohlverhaltensphase wäre zu verzichten. Dass die Kosten des Verfahrens vorliegend nicht gedeckt seien, steht nach Auffassung der Schuldnerin einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung aufgrund der Verfahrenskostenstundung nicht im Wege.
4II.
5Die zulässige, insbesondere innerhalb der Frist der §§ 300 Abs. 4 S. 2, 4 InsO, 569 Abs. 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
6Das Amtsgericht hat den Antrag auf eine vorzeitige Restschuldbefreiung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.
7Nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO kann dem Schuldner auf Antrag die Restschuldbefreiung vorzeitig gewährt werden, wenn kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat. Ob dies vorliegend überhaupt der Fall ist, ist bereits zweifelhaft. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass grundsätzlich eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgt ist. Dies kann im Ergebnis indes dahinstehen, da es bereits an der Berichtigung der Verfahrenskosten im Sinne des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO fehlt.
8Das Amtsgericht ist nach zutreffender Auffassung nach der neueren Rechtslage davon ausgegangen, dass Voraussetzung einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung die Berichtigung der Verfahrenskosten ist und zwar unabhängig davon, ob zuvor eine Stundung der Verfahrenskosten erfolgt ist oder nicht.
9Für ein solches Ergebnis spricht insoweit zunächst der eindeutige Wortlaut der Vorschrift. Anhaltspunkte, die für eine Einschränkung im Fall der Verfahrenskostenstundung sprechen, lassen sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Dabei kann dem Gesetzgeber auch keine Gesetzeslücke unterstellt werden. Insoweit weist die Gesetzesbegründung (vgl. BR-Drs. 467/12, S. 45 f.) daraufhin, dass eine Berichtigung der Verfahrenskosten wegen § 53 InsO zu erfolgen hat. Der weiteren Begründung lässt sich entnehmen, dass es gerade das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, die Gewährung der vorzeitigen Restschuldbefreiung von der (uneingeschränkten) Tilgung der Verfahrenskosten abhängig zu machen (BR-Drs. 467/12, S. 46). Dabei hat der Gesetzgeber offensichtlich auch die Praxis der Stundung der Verfahrenskosten im Blick gehabt.
10In der Gesetzesbegründung heißt es zu § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO, der ebenfalls die Berichtigung der Verfahrenskosten vorsieht: „Hierdurch soll dem Schuldner, der die Mindestbefriedigungsquote verfehlt, ein weiterer Anreiz gesetzt werden, das Verfahren durchzustehen und durch eigene Bemühungen zu einem vorzeitigen Ende zu bringen. Dieser Anreiz ist auch erheblich, weil der Schuldner nach den Vorschriften über das Stundungsverfahren noch vier Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die gestundeten Verfahrenskosten aufzukommen hat (§ 4b Abs. 1 S. 2 InsO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO)“. Auch wenn sich die Begründung nur auf § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO bezieht, lässt sich ihr indes entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO die Praxis der Verfahrenskostenstundung bewusst vor Augen gehabt hat und sich bewusst für eine Berichtigung der Verfahrenskosten in allen drei geregelten Fällen entschieden hat.
11Die Kammer vermag die Rechtsansicht des AG Göttingen (Beschluss v. 29.04.2015 – 71 IK 99/14 NOM) nicht zu teilen. Zwar mag sich das AG Göttingen bei seiner Entscheidung an der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientieren. Diese lässt sich indes nur schwer mit dem eindeutigen Wortlaut des derzeitigen § 300 Abs. 1 S. 2 InsO in Einklang bringen, der für alle drei Ziffern des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO eine Berichtigung der Verfahrenskosten vorsieht. Vor dem Hintergrund, dass auch dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bekannt war, verbleibt für eine einschränkende Anwendung des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO kein Raum.
12Angesichts der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung und dessen ausdrücklicher Begründung überzeugt auch die Argumentation des AG Göttingen nicht, dass ein wirtschaftlich vergleichbares Ergebnis über die Nachhaftungsphase erreicht werden könne. Insbesondere übersieht das AG Göttingen § 53 InsO.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.
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(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
(1) Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen. § 115 Absatz 1 bis 3 sowie § 120 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(2) Das Gericht kann die Entscheidung über die Stundung und die Monatsraten jederzeit ändern, soweit sich die für sie maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gericht eine wesentliche Änderung dieser Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen. § 120a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Eine Änderung zum Nachteil des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:
- 1.
- a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge; - b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 2.
- a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist; - b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; - 4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; - 5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.
(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.