Landgericht Bielefeld Urteil, 11. Juni 2014 - 8 O 285/12
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 9.182,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 430,66 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen zu 12 % der Kläger und zu 88 % die Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen der Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 1) zu 88 %.
Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, den Beklagten zu 2) von seinen außergerichtlichen Kosten freizustellen.
Von dieser Kostenverteilung sind ausgenommen diejenigen Kosten, die durch die weitere Beauftragung des Sachverständigen S. zur Erstellung eines schriftlichen Gutachtens sowie durch die Ladung des Sachverständigen S. und des sachverständigen Zeugen C. zum Verhandlungstermin am 21.05.2014 entstanden sind; diese Kosten trägt die Beklagte zu 1) allein.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten aus einem Unfallereignis geltend, das sich nach seiner Darstellung am 14.04.2012 gegen 23:35 Uhr auf der B xx, Fahrtrichtung N. im Bereich der sogenannten „Birne“ zugetragen hat.
3Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Cabriolets der Marke Mercedes Benz, Typ CLK 55, der Beklagte zu 2) ist Halter und Eigentümer eines bei der Beklagten zu 1) versicherten PKW Marke Audi, Modell A4.
4Der Kläger behauptet – in Übereinstimmung mit der Darstellung des Beklagten zu 2) – zum Unfallgeschehen, dass er mit seinem PKW die B xx aus O. kommend befahren habe, den V-Tunnel bereits verlassen hatte und auf der dort zweispurig ausgebauten B xx auf der linken Spur gefahren sei. Auf der rechten Spur sei der Beklagte zu 2) mit seinem Audi gefahren und auf die linke Spur gezogen, als der Kläger mit seinem Fahrzeug neben dem Audi A4 war. Dabei sei es zu einer seitlichen Berührung der Fahrzeuge gekommen. Der Kläger, der die von ihm vor der Berührung der Fahrzeuge gefahrene Geschwindigkeit mit geschätzt 80 bis 100 km/h angegeben hat, sei infolge der Berührung der beiden Fahrzeuge an die linke Leitplanke geraten.
5Der Kläger macht auf der Grundlage eines Gutachtens des Kfz-Sachverständigenbüros B. Reparaturkosten zur Behebung der Unfallschäden in Höhe von 9.505,24 € netto, Sachverständigenkosten in Höhe von 902,00 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 430,66 € geltend.
6Er hat der Beklagten zu 1) mit Aufforderungsschreiben vom 09.05.2012 erfolglos eine Zahlungsfrist von 10 Tagen gesetzt.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.432,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2012,
9sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 430,66 € zu zahlen.
10Die Beklagte zu 1) ist dem Beklagten zu 2) im Wege der Streithilfe beigetreten.
11Sie beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte zu 1) geht von einem manipulierten Unfallereignis aus, weil das vom Kläger geschilderte Unfallereignis in einer Reihe von Einzelheiten dem Muster vorgetäuschter Schadensfälle entspreche. Als Indizien für ein manipuliertes Unfallgeschehen nennt die Beklagte zu 1) neben anderen Umständen den Fahrstreifenwechsel, die behauptete Kollision bei Dunkelheit auf einer wenig frequentierten Bundesstraße, das Fehlen von Unfallzeugen, die Bekanntschaft der Unfallbeteiligten, das Ausfüllen der Schadenanzeigen mit derselben Handschrift, die fiktive Abrechnung, die fehlende Kompatibilität sämtlicher Schäden, die fehlende Plausibilität des Geschehens und die Beherrschbarkeit und fehlende Gefahr des Unfallereignisses.
14Als wesentlichen Umstand für ein manipuliertes Unfallgeschehen beruft sich die Beklagte zu 1) auf die Erkenntnisse eines (unter „U.“ firmierenden) Herrn E. T., dass zwischen den Flanken der beiden Fahrzeuge mehrere Anstöße mit intensiven Radkontakten bei minimaler Relativgeschwindigkeit erfolgt seien.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 06.11.2013 und 21.05.2014 Bezug genommen.
16Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2) zum Unfallgeschehen angehört, ein mündliches und schriftliches Gutachten des Sachverständigen S. eingeholt und den sachverständigen Zeugen C. uneidlich vernommen.
17Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 06.11.2013 und 21.05.2014 sowie auf den Inhalt des vom Sachverständigen S. schriftlich vorgelegten Gutachtens vom 17.02.2014 verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
20I.
21Die Beklagten haften dem Kläger für seinen Schaden aus dem Unfallereignis vom 14.04.2012 gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, § 115 VVG nach einer Quote von 100 %. Unter Abzug eines Betrages in Höhe von 1.250,00 € für den am Fahrzeug des Klägers nicht fachgerecht reparierten Vorschadens ergibt sich ein ersatzfähiger Betrag in Höhe von 8.255,24 €, zuzüglich Sachverständigenkosten in Höhe von 902,00 € und 25,00 € für die Kostenpauschale der ausgeurteilte Betrag in Höhe von 9.182,24 €.
22II.
23Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Verkehrsunfall in der vom Kläger geschilderten Weise ereignet hat. Die von der Beklagten zu 1) aufgestellte Behauptung, es handele sich um ein manipuliertes Unfallgeschehen, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts widerlegt.
24a.
25Das Gericht geht auf der Grundlage des vom Sachverständigen S. erstatteten Gutachtens davon aus, dass sich der Unfall bei einer von den Unfallbeteiligten gefahrenen relativ hohen Geschwindigkeit ereignet hat, und zwar bei einer Geschwindigkeit des vom Kläger geführten Fahrzeugs von 80 km/h bis 100 km/h und einer Geschwindigkeit des vom Beklagten zu 2) geführten Fahrzeugs von etwa 70 km/h. Der Sachverständige S. konnte rekonstruieren, dass das Fahrzeug des Klägers an der Leitplanke ziemlich stark abgebremst worden ist. Ein wesentlicher Hinweis auf eine hohe Geschwindigkeit der am Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeuge ergibt sich nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen daraus, dass es auf der Fahrertür des vom Beklagten zu 2) gesteuerten PKW Audi zu massiven Aufriebverschiebungen gekommen ist, die durch eine hohe Radgeschwindigkeit des PKW Mercedes zu erklären sind. Der Sachverständige hat weiter nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass das vom Kläger gesteuerte Fahrzeug mit einem geringen Kollisionswinkel in die Leitplanke gefahren und somit nicht wieder von der Verformung der Leitplanke herausgedrückt worden ist. Da der Bereich der Leitplanke an der Unfallstelle im Verhältnis zur Fahrbahn abgesenkt ist, ist das Fahrzeug des Klägers „praktisch in einer Rinne“ gefahren, was einen etwas längeren Kontakt an der Leitplanke erklärt.
26Soweit sich die Beklagte zu 1) für die von ihr aufgestellte Behauptung, es handele sich um ein manipuliertes Unfallgeschehen, auf die von Herrn E. T. formulierten Einwendungen beruft, können diese Einwendungen das vom Sachverständigen S. gutachterlich festgestellte Ergebnis nicht erschüttern. Im Gegenteil: Die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen S. hat die von Herrn E. T. erhobenen Einwendungen als unzutreffend widerlegt.
27Im Einzelnen:
28Soweit sich kurze Unterbrechungen der Kontaktspuren der streifenden Fahrzeuge feststellen lassen, sind diese bei einem streifenden Fahrzeugkontakt völlig normal. Sie sind typisch für einen durchgehenden Anstoß und lassen sich insbesondere – für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar – darauf zurückführen, dass kollisionsbedingte Änderungen des Lenkeinschlags nicht nur denkbar, sondern sogar zu erwarten sind.
29Die Beklagte zu 1) hat auf die Ausführungen des Sachverständigen S. in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zu diesem Punkt nicht mehr erwidert.
30Soweit Herr T. das vom Kläger geschilderte Unfallgeschehen nicht als ein reales Unfallgeschehen bewertet, weil nach seiner Auffassung auf Seiten des Klägers weder eine Reaktion auf die Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) noch eine Reaktion auf den drohenden und erfolgten Leitplankenanstoß darstellbar sei, hat der Sachverständige S. in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme überzeugend ausgeführt, dass die von Herrn T. geforderte Reaktion auf den drohenden Leitplankenanstoß bereits aus zeitlicher Sicht nicht zu erwarten sei. Das nach links gerichtete Ausweichmanöver stelle eine Reaktion auf die von rechts aufgetretene Gefahr durch das andere Fahrzeug dar. Der Sachverständige S. führt dazu nachvollziehbar aus, dass es abwegig wäre, in dieser Situation anzunehmen, dass ein PKW-Fahrer, der soeben erst von einer rechts erfolgten Kollision durch ein Ausweichen nach links zu entkommen versucht, in den Sekundenbruchteilen bis zum Leitplankenanstoß bereits auf diesen in der Form reagieren würde, dass er wieder bewusst zurück gegen das rechts neben ihm befindliche Fahrzeug steuern würde. Die Weiterfahrt an der Leitplanke unter gleichzeitigem Abbremsen stelle, wie der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat, im Übrigen den sichersten Weg dar, weitere möglicherweise schwerwiegende Kollisionen zu vermeiden. Für den betroffenen Kraftfahrer sei es daher das Beste, entweder intuitiv oder auf Grund seiner Erfahrung, zur Vermeidung weiterer Kollisionen sein Fahrzeug bewusst an der Leitplanke zu halten und nicht von dieser wegzulenken.
31Die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen S. sind für das Gericht ohne weiteres einleuchtend. Im Streitfall ist zudem zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug des Klägers aufgrund des Umstandes, dass der Bereich der Leitplanke im Verhältnis zur Fahrbahn abgesenkt worden ist, praktisch „in einer Rinne“ fuhr. Letztlich ist festzustellen, dass die Leitplanke im Streitfall ihren Zweck in eindrucksvoller Weise erfüllt hat.
32Die Beklagte zu 1) hat auf die ergänzenden gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen S. nicht mehr erwidert und dagegen keine Einwendungen geltend gemacht.
33Soweit Herr T. davon ausgegangen ist, dass der Erstkontakt mit der Leitplanke unter einem Winkel von etwa 10 ° erfolgt sein müsse, hat der Sachverständige S. in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass diese Annahme von Herrn T. unzutreffend ist. Herr T. hat für die von ihm vorgebrachten Einwendungen ein Fahrzeug in Bezug genommen, das mit dem vom Kläger benutzten Fahrzeug nicht vergleichbar ist. Der Sachverständige S. hat anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen eindrucksvoll nachgewiesen, dass bei dem von Herrn T. angenommenen Winkel beim Erstkontakt der Scheinwerfer des vom Kläger geführten Fahrzeugs zerstört worden wäre, dieser Schaden im Streitfall jedoch nicht vorgelegen hat.
34Die Beklagte zu 1) hat zu den ergänzenden schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen S. nicht mehr Stellung genommen und dagegen keine weiteren Einwendungen erhoben.
35Soweit die Beklagte zu 1) unter Bezugnahme auf die Darstellung von Herrn T. geltend gemacht hat, dass die Deformation am Kotflügel des PKW Mercedes des Klägers bereits vor dem Leitplankenkontakt vorhanden gewesen sein muss, ist dies nach den überzeugenden ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen S. unzutreffend. Der Sachverständige S. hat unter näherer Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass es sich im Streitfall um ein typisches Schadendetail bei Leitplankenkontakten handelt. Er hat dies mit zahlreichen Schäden an Vergleichsfahrzeugen belegt. Er hat auch eindrucksvoll belegt, dass das von Herrn T. in dessen ergänzender Stellungnahme verwendete „Vergleichsfahrzeug“ für einen Vergleich ungeeignet ist, weil die Kontur der Türen an der Vorderkante des vom Kläger geführten PKW einen von oben bis unten nahezu durchgehenden Bogen aufweist, während die Kontur des von Herrn T. als „Vergleichsfahrzeug“ herangezogenen PKW Mercedes der E-Klasse dadurch gekennzeichnet ist, dass direkt oberhalb der Stoßleiste die Türverblechung zunächst nach innen eingezogen und dann von dort zunächst annähernd vertikal nach oben läuft.
36Die Beklagte zu 1) hat gegenüber der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen S. keine weiteren Einwendungen erhoben.
37Soweit Herr T. Ausführungen zum Bremsverhalten während des Leitplankenkontakts gemacht hat, hat der Sachverständige S. nachvollziehbar und überzeugend darauf hingewiesen, dass das von Herrn T. zum Beleg seiner Angaben herangezogene „Vergleichsfahrzeug“ aufgrund eines abweichenden Fahrwerks für den streitgegenständlichen Unfall gerade nicht vergleichbar ist.
38Soweit die Beklagte zu 1) geltend macht, dass für den Kläger ein Übersehen des PKW Audi des Beklagten nicht nachzuvollziehen sei und es sich nicht erschließe, warum der Beklagte zu 2) einen Spurwechsel vollzogen habe, greifen diese Einwendungen ebenfalls nicht. Das Übersehen eines anderen Fahrzeugs im Straßenverkehr ist nicht ungewöhnlich oder lebensfremd. Gerade die Unaufmerksamkeit ist, worauf auch der Sachverständige S. zu Recht hingewiesen hat, eine häufige Unfallursache. Unfälle beim Fahrstreifenwechsel kommen immer wieder vor, ohne dass sich in diesen Fällen ein Anhaltspunkt für ein manipuliertes Geschehen ergibt. Die Erfahrungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr zeigen zudem, dass es in vielen Fällen des Fahrstreifenwechsels zu „Beinaheunfällen“ kommt, die nur dadurch vermieden werden, weil einer der beteiligten Fahrzeugführer „im letzten Moment“ die durch den Fahrstreifenwechsel hervorgerufene Gefahr wahrnimmt. Die von der Beklagten zu 1) geltend gemachte fehlende Nachvollziehbarkeit der Notwendigkeit des Spurwechsels verkennt die besonderen Gegebenheiten an der Unfallörtlichkeit, die auch dem erkennenden Gericht bekannt sind. Der Sachverständige S. hat dies in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zutreffend geschildert.
39Soweit die Beklagte zu 1) nach Vorlage der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen S. offenbar (nur noch) darauf abgestellt, dass die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen S. deshalb unzutreffend sind, weil ein länger andauernder Kontakt des PKW des Klägers mit der Leitplanke (länger andauernd meint hier: ein bis zwei Sekunden) bei der vom Sachverständigen S. angenommen hohen Geschwindigkeit nicht möglich sei, ist auch dieser Einwand durch die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen S. und die ergänzende Beweisaufnahme im Verhandlungstermin am 21.05.2014 widerlegt.
40Soweit Herr T. als Beleg für seine Darstellung einen Crashtest herangezogen hat, hat der Sachverständige S. eindrucksvoll, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass das von Herrn T. in Bezug genommene „Vergleichsfahrzeug“, ein Renault 21, mit dem PKW Mercedes des Klägers nicht vergleichbar ist.
41Soweit es um die Möglichkeit geht, ob ein mit höherer Geschwindigkeit fahrendes Fahrzeug über einen längeren Zeitraum von 0,3 bis 0,4 Sekunden an einer Leitplanke bleiben kann, hat bereits die Anhörung von Herrn T. Zweifel an dessen Sachverstand in Bezug auf diesen Streitpunkt geweckt. Die ausweichenden Antworten von Herrn T. auf die Nachfragen des Vorsitzenden im Termin vom 21.05.2014 und die von Herrn T. abgegebenen Erklärungen, er habe „gewisse Vorstellungsprobleme“ und „ein Problem mit der Physik“, haben sich mit der konkreten Fragestellung nicht auseinandergesetzt. Herr T. hatte offenbar nicht recht verstanden, warum der Sachverständige S. auf einen Crashtest Bezug genommen hat, bei dem die Kollisionsdauer nach der Crashtest-Dokumentation 1,73 Sekunden betrug. Diese Bezugnahme erfolgte, wie aus den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen S. ohne weiteres ersichtlich ist, nicht deshalb, um zu belegen, dass der streitgegenständliche Unfall mit dem im Crashtest 14877 dokumentierten Geschehen vergleichbar ist, sondern allein deshalb, um darauf hinzuweisen, dass längere Kontaktzeiten als 0,3 bis 0,4 Sekunden möglich sind.
42Aus der Aussage des sachverständigen Zeugen C. ergibt sich zudem, dass die von Herrn T. geäußerte Vorstellung, dass eine normale Kontaktzeit mit einer Leitplanke bei 0,3 bis 0,4 Sekunden liege, nicht richtig ist. Der Zeuge hat, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, darauf hingewiesen, dass es eine Leitplankenkollision mit einer Kontaktzeit zwischen 0,3 und 0,4 Sekunden nicht gibt, sondern dass auch längere Kontaktzeiten möglich sind, wobei die Geschwindigkeit nicht der entscheidende Punkt ist, so dass längere Kontaktzeiten auch bei höheren Geschwindigkeiten möglich sind. Der sachverständige Zeuge C. hat dazu angeben, dass ein Verbleiben über längere Zeit an der Leitplanke natürlich dann gegeben ist, wenn der Fahrer wegen der Gegebenheiten von der Leitplanke nicht weglenkt. Er hat als Beispiel dazu angeführt, dass dies der Fall sein könne, wenn sich dort ein unbefestigtes Bankett befinde. Damit hat der sachverständige Zeuge C. die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen S. bestätigt, der angesichts der Gegebenheiten an der Unfallörtlichkeit ausgeführt hat, dass das Fahrzeug dort wegen der unterschiedlichen Höhen im Bereich neben der Leitplanke und der Fahrbahn „wie in einer Rinne“ entlang gefahren ist.
43Der Sachverständige S. hat in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme eine Veröffentlichung des Herrn T. in „Ureko Spiegel 03/2002“ vorgelegt, in dem die von Herrn T. genannten Werte von 0,3 bis 0,4 Sekunden für eine streifende Leitplankenkollision und der von ihm der Bewertung zugrunde gelegte Winkel von 10 ° enthalten sind. Es hat den Anschein, dass Herr T. diese Werte auf den Streitfall übertragen hat, ohne sich mit den Besonderheiten der streitgegenständlichen Unfallsituation auseinanderzusetzen.
44Die zur Überzeugung des Gerichts beim Unfallereignis gefahrenen hohen Geschwindigkeiten der am Unfall beteiligten Fahrzeuge sprechen entscheidend gegen ein manipuliertes Unfallgeschehen. Ein solches ist bei den im Streitfall gefahrenen Geschwindigkeiten letztlich ausgeschlossen.
45b.
46Auch die weiteren von der Beklagten zu 1) geltend gemachten Umstände lassen den Schluss auf ein manipuliertes Unfallgeschehen nicht zu:
47Der Umstand, dass bei Dunkelheit und eingeschalteter Beleuchtung das jeweils andere Fahrzeug frühzeitig erkennbar war oder hätte erkannt werden können, ist deshalb kein Indiz für ein manipuliertes Verkehrsunfallgeschehen, weil es auch bei „realen“ Unfallereignissen immer wieder vorkommt, dass ein ordnungsgemäß beleuchtetes Fahrzeug bei Dunkelheit übersehen wird.
48Eine von den unfallbeteiligten Fahrern wahrheitswidrig verschwiegene Bekanntschaft oder Freundschaft vor dem Unfallgeschehen hat die mündliche Verhandlung vom 06.11.2013 nicht bestätigt. Der Kläger und der Beklagte zu 2) haben dies nachvollziehbar verneint. Ihre Angaben zum Ausfüllen der Schadenanzeige einerseits und des Fragebogens für Anspruchsteller andererseits sind, insbesondere im Hinblick auf die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers beschriebenen Umstände, glaubhaft, die Inaugenscheinnahme der deutlich unterschiedlichen Schreibweisen steht im Einklang mit der Darstellung der unfallbeteiligten Fahrer.
49Der Einwand, es handele sich um eine wenig frequentierte Bundesstraße, ist - wie das Gericht aus eigener Kenntnis beurteilen kann - unzutreffend.
50Die „Historie“ der Fahrzeuge und der Wert der Fahrzeuge lassen, allein oder in der Gesamtschau mit anderen Umständen, einen Schluss auf ein manipuliertes Unfallgeschehen nicht zu.
51III.
521.
53Bei der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung sind neben der aus § 7 Abs. 1 StVG folgenden Betriebsgefahr die gefahrerhöhenden Umstände einzubeziehen, deren Vorliegen feststeht, die also unstreitig oder nach dem Beweismaß des § 286 ZPO bewiesen sind.
54Im Streitfall steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte zu 2) die sich aus § 7 Abs. 5 StVO ergebenden erhöhten Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat. Danach durfte der Beklagte zu 2) den Fahrstreifen nur wechseln, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Diese Pflicht hat der Beklagte zu 2), der das Fahrzeug des Klägers übersehen hat, nicht erfüllt.
55Zugunsten des Klägers kann zwar ohne die dafür erforderlichen Anknüpfungspunkte nicht festgestellt werden, dass der Verkehrsunfall für ihn nicht vermeidbar war, ein dem Kläger vorwerfbares Fehlverhalten lässt sich allerdings nicht feststellen. Im Hinblick auf die den Beklagten zu 2) treffenden erhöhten Sorgfaltspflichten tritt in einer Gesamtschau aller Umstände die vom Fahrzeug des Klägers ausgehende Betriebsgefahr hinter dem erheblichen Verschulden des Beklagten zu 2) zurück. Die Beklagten haften dem Kläger daher zu 100 %.
562.
57Ausgehend von dieser Haftungsquote kann der Kläger für den erlittenen Sachschaden einen Betrag in Höhe von 8.255,24 € (netto) ersetzt verlangen. Von dem klageweise geltend gemachten Betrag in Höhe von 9.505,24 € entsprechend dem Ergebnis des vom Kläger vorprozessual eingeholten Gutachtens ist ein Betrag in Höhe von 1.250,00 € für die am Fahrzeug des Klägers vorhandenen Vorschäden abzusetzen.
58Das Gericht folgt insoweit den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S.. Der Sachverständige hat zur Schadenshöhe angegeben, dass er offen sichtbare Vorschäden nicht habe entdecken können. Der PKW des Klägers sei allerdings in der Vergangenheit einmal repariert worden, wobei durch die Kollision deutliche Spuren Spachtelmasse abgeplatzt seien. Angaben dazu, ob das Fahrzeug auch an anderen Stellen sorglos repariert worden sei, könne er aufgrund der nach dem Unfallereignis durchgeführten Reparaturen nicht mehr machen. Wenn er versuche, die Wertminderung einzuschätzen, die durch eine schlechte Reparatur vielleicht im Bereich der gesamten zu dem damaligen Schadenereignis gehörenden Reparatur entstanden sei, könne dies lediglich eine Schätzung bleiben. Bei einer Reparatur aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls käme eine Wertverbesserung in Höhe von etwa 1.000,00 € in Betracht, die Obergrenze liege nach seiner Einschätzung bei 1.500,00 €.
59Da es sich bei der Bestimmung einer möglichen Wertverbesserung um eine Schätzung handelt, hat das Gericht diese im Hinblick auf die von dem Sachverständigen S. genannten Beträge von 1.000,00 € bis zur Obergrenze von 1.500,00 € auf einen mittleren Betrag in Höhe von 1.250,00 € geschätzt.
60Soweit eine Wertverbesserung bei einer vollständig durchgeführten Reparatur nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis in Höhe eines Betrages von 200,00 € im Hinblick auf die Kratzspuren am linken vorderen Kotflügel in Betracht kommen könnte, geht das Gericht nach der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen S. davon aus, dass diese Kratzspuren durch das an der Unfallstelle vorhandene Buschwerk entstanden sind. Der Sachverständige S. hat dies in seiner ergänzenden Stellungnahme, die von der Beklagten zu 1) nicht mehr angegriffen worden ist, im Einzelnen dargelegt.
61Der erstattungspflichtige Reparaturschaden in Höhe von 8.255,24 €, die erstattungspflichtigen Gutachterkosten in Höhe von 902,00 € und die pauschalen Kosten in Höhe von 25,00 € ergeben den von den Beklagten auf die Hauptforderung zu zahlenden Betrag in Höhe von 9.182,24 €.
62Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB aufgrund der erfolglosen Fristsetzung zur Zahlung.
633.
64Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten ergibt sich als Schadensersatzanspruch gemäß § 249 BGB, da die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.
65Der Kläger kann auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 8.255,24 € vorgerichtliche Anwaltskosten nach einer 1,3-Gebühr zuzüglich Kostenpauschale und zuzüglich Mehrwertsteuer geltend machen.
66Der mit der Klage geltend gemachte Betrag in Höhe von 430,66 € übersteigt den zugunsten des Klägers ersatzfähigen Betrag nicht.
67IV.
68Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 96 ZPO.
69Die von der Beklagten zu 1) gegenüber dem mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen S. waren insgesamt erfolglos. Die Beklagte zu 1) hat daher die zusätzlich entstandenen Kosten zu zahlen, die sich aus der Erstattung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen S. vom 27.02.104, der Wahrnehmung des Termins vom 21.05.2014 durch den Sachverständigen S. und der Ladung des Zeugen C. ergeben.
70Die Freistellungspflicht der Beklagten zu 1) in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 2) ihrem Versicherungsnehmer zu Unrecht eine Unfallmanipulation vorgeworfen hat und der Beklagte zu 2) deshalb berechtigt war, seine Interessen durch die Beauftragung eines „eigenen“ Rechtsanwaltes wahrzunehmen.
71Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,
- 1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder - 2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder - 3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung dürfen Kraftfahrzeuge von dem Gebot möglichst weit rechts zu fahren (§ 2 Absatz 2) abweichen, wenn die Verkehrsdichte das rechtfertigt. Fahrstreifen ist der Teil einer Fahrbahn, den ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt.
(2) Ist der Verkehr so dicht, dass sich auf den Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben, darf rechts schneller als links gefahren werden.
(2a) Wenn auf der Fahrbahn für eine Richtung eine Fahrzeugschlange auf dem jeweils linken Fahrstreifen steht oder langsam fährt, dürfen Fahrzeuge diese mit geringfügig höherer Geschwindigkeit und mit äußerster Vorsicht rechts überholen.
(3) Innerhalb geschlossener Ortschaften – ausgenommen auf Autobahnen (Zeichen 330.1) – dürfen Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 3,5 t auf Fahrbahnen mit mehreren markierten Fahrstreifen für eine Richtung (Zeichen 296 oder 340) den Fahrstreifen frei wählen, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nicht vorliegen. Dann darf rechts schneller als links gefahren werden.
(3a) Sind auf einer Fahrbahn für beide Richtungen insgesamt drei Fahrstreifen durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert, dann dürfen der linke, dem Gegenverkehr vorbehaltene, und der mittlere Fahrstreifen nicht zum Überholen benutzt werden. Dasselbe gilt für Fahrbahnen, wenn insgesamt fünf Fahrstreifen für beide Richtungen durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert sind, für die zwei linken, dem Gegenverkehr vorbehaltenen, und den mittleren Fahrstreifen. Wer nach links abbiegen will, darf sich bei insgesamt drei oder fünf Fahrstreifen für beide Richtungen auf dem jeweils mittleren Fahrstreifen in Fahrtrichtung einordnen.
(3b) Auf Fahrbahnen für beide Richtungen mit vier durch Leitlinien (Zeichen 340) markierten Fahrstreifen sind die beiden in Fahrtrichtung linken Fahrstreifen ausschließlich dem Gegenverkehr vorbehalten; sie dürfen nicht zum Überholen benutzt werden. Dasselbe gilt auf sechsstreifigen Fahrbahnen für die drei in Fahrtrichtung linken Fahrstreifen.
(3c) Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei Fahrstreifen mit Zeichen 340 gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge, abweichend von dem Gebot möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt. Dasselbe gilt auf Fahrbahnen mit mehr als drei so markierten Fahrstreifen für eine Richtung für den zweiten Fahrstreifen von rechts. Den linken Fahrstreifen dürfen außerhalb geschlossener Ortschaften Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t sowie alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger nur benutzen, wenn sie sich dort zum Zwecke des Linksabbiegens einordnen.
(4) Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).
(5) In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.