Landgericht Bielefeld Beschluss, 18. Sept. 2015 - 23 T 467/15
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Herr O. T. wird zum Betreuer der Betroffenen für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträger und Wohnungsangelegenheiten bestellt.
Das Gericht wird spätestens zum 12.06.2022 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entscheiden.
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
1
Gründe
2Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss der Kammer vom 15.04.2015 Bezug genommen.
3Das Amtsgericht Bad Oeynhausen hat mit Beschluss vom 12.06.2015 angeordnet, die bestehende Betreuung durch den Beteiligten zu 2. als längerfristige Betreuung fortzuführen.
4Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 5. und 6.
5Die Beschwerde ist gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG infolge der Beteiligung der Beteiligten zu 5. und 6. in erster Instanz zulässig.
6Die Beschwerde der Beteiligten zu 5. und 6. ist allerdings unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung weiterhin vorliegen. Auch insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss der Kammer vom 15.04.2015 Bezug genommen werden.
7Die mit der Beschwerde geltend gemachten Aspekte, insbesondere die den Beteiligten zu 5. und 6. erteilte Vorsorgevollmacht, stehen dem nicht entgegen.
8So hat der Betreuer zu überprüfen, ob er für den Betroffenen nunmehr den Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht sowie eine Anfechtung oder einen Widerruf des Grundstücksübertragungsvertrags und der Auflassung vornimmt, nachdem die Betroffene zum einen mehrfach gegenüber Gericht und Verfahrenspflegerin geäußert hat, keinesfalls von dem Beteiligten zu 5. und 6. betreut werden zu wollen und zum anderen der Kreis H. zum Ausgleich der ungedeckten Heimkosten in Überleitung von gegenüber den Beteiligten zu 5. und 6. gegebenen Ansprüchen – Widerruf und Rückforderung der Schenkung – angekündigt hat.
9Eine persönliche „Anhörung“ der Beteiligten zu 5. und 6. ist weder gesetzlich vorgesehen noch hier erforderlich, zumal sich die Beschwerdeführer mehrfach über ihre Verfahrensbevollmächtigte umfassend geäußert haben.
10Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen war allerdings insoweit abzuändern, als die Betroffene zwischenzeitlich einen – ihrem natürlichen Willen entsprechenden – Wunsch auf Betreuerwechsel gestellt hat.
11Diesem Wunsch ist gemäß § 1897 Abs. 4 BGB zu entsprechen, weil er dem Wohl des Betroffenen nicht zuwider läuft.
12Das Beschwerdegericht hat sich über die Beteiligte zu 3. darüber versichert, dass der Vorschlag hinsichtlich des Beteiligten zu 7. ein von dem natürlichen Willen der Betroffenen getragener Wunsch ist. Keineswegs ist der Beteiligte zu 7. von der Beteiligten zu 4. in einer Weise der Betroffenen vorgestellt worden, dass ein – echter – eigener Wunsch der Betroffenen nicht anzunehmen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 7. der Betroffenen deshalb besonders persönlich anspricht, weil er sich ernsthaft um eine Rücksiedelung in ihr Haus bemühen möchte. Ob die Beteiligte zu 4. zum Kennenlernen der Betroffenen und des Beteiligten zu 7. beigetragen hat – wie die Beteiligten zu 5. und 6. bemängeln – oder nicht, kann letztlich dahinstehen.
13Bereits bei der Anhörung durch die beauftragte Richterin im einstweiligen Verfügungsverfahren, die der Kammerentscheidung vom 15.04.2015 vorangegangen ist, hat die Betroffene vehement deutlich gemacht, alles daran setzen zu wollen, zum einen das Eigentum an ihrem Haus wiederzuerlangen und zum anderen in dieses zurück umzuziehen. Dies war ihr vornehmliches Ziel, so dass ihre Entscheidung für die Person des Beteiligten zu 7. mehr als verständlich ist.
14Der von der Betroffenen gewünschte Betreuerwechsel widerspricht auch aus derzeitiger Sicht nicht dem Wohl der Betroffenen. Zum einen ist der vorgeschlagene Beteiligte zu 7. seit längerem als Betreuer für verschiedene Personen tätig und somit durchaus erfahren. Zum anderen hat er wiederholt die Absicht bekundet, die Betreuung engagiert zum Wohl der Betroffenen übernehmen zu wollen.
15Allerdings wird auch der neue Betreuer – wie dies der bisherige Betreuer völlig beanstandungsfrei bisher getan hat – genau zu überprüfen haben, ob und unter welchen Bedingungen (Umbau, Pflegedienst, Rund-um-Betreuung o.ä.) der Betroffenen ein Umzug in das „eigene Haus“ aus gesundheitlichen Gründen überhaupt möglich ist oder ob allenfalls ein Umzug bzw. ein Verbleib in einer anderen Senioreneinrichtung möglich erscheint.
16Der Betreuer wird des Weiteren zu überprüfen haben, ob der Schenkungsvertrag hinsichtlich der Beteiligten zu 5. und 6. rückabzuwickeln ist oder nicht.
17Was im Einzelnen zu welchem Zeitpunkt dem tatsächlichen Wohl der Betroffenen im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand (noch) entspricht, hat das Beschwerdegericht nicht zu entscheiden.
18Das Beschwerdegericht hat von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen, weil eine solche bereits durch die Berichterstatterin am 01.04.2015 stattgefunden hat und sich nur hinsichtlich des eigenen Vorschlags wegen eines Betreuerwechsels Änderungen in der Haltung der Betroffenen ergeben haben; insoweit hat das Beschwerdegericht die Beteiligte zu 3. zur Verfahrenspflegerin bestellt und angehört; die übrigen Beteiligten hatten die Möglichkeit der Stellungnahme. Von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen waren daher keine zusätzlichen entscheidungsrelevanten Erkenntnisse zu erwarten.
19Rechtsmittelbelehrung:
20Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
21Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung einer mit einer Begründung versehenen und unterschriebenen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen. Die Einlegung hat durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen.
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Referenzen - Gesetze
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
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dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.