Landgericht Bayreuth Endurteil, 23. Mai 2017 - 21 O 658/16

bei uns veröffentlicht am23.05.2017
nachgehend
Oberlandesgericht Bamberg, 8 U 109/17, 04.12.2017

Gericht

Landgericht Bayreuth

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 31.234,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Lieferung eines mangelfreien Pkw.

Der Kläger erwarb von der Beklagten im Jahr 2014 einen Neuwagen VW Passat 2,0 l TDI für 31.234,00 €. Der Pkw ist von dem „VW-Abgasskandal“ betroffen. Der Kläger hat die Beklagte im Jahr 2016 durch Anwaltsschreiben zur Lieferung eines hiervon nicht betroffenen Neuwagens aufgefordert.

Der Kläger ist der Auffassung, eine Nachbesserung sei wegen des weiter bestehenden Minderwerts des übereigneten Pkw unmöglich. Bei dem aktuell produzierten Pkw Passat handele es sich trotz geänderter Motorisierung mit Euro 6 und höherer PS-Zahl um dieselbe Gattung wie bei der ursprünglichen Bestellung. Bei der Auslegung des Gattungsbegriffs sei der Änderungsvorbehalt der Neuwagen-Verkaufsbedingungen zu berücksichtigen. Das Nachlieferungsverlangen sei nicht unverhältnismäßig, die Weiterbenutzung des übereigneten Pkw sei dem Kläger nicht zuzumuten. Es bestehe zudem ein Anspruch auf Schadensersatz entsprechend der Prospekthaftung im Kapitalmarktrecht. Die Beklagte hafte auch wegen eines ihr zuzurechnenden arglistigen Verhaltens des Herstellers. Ein Nutzungsersatz sei wegen § 474 Abs. 5 BGB nicht geschuldet.

Der Kläger beantragt,

  • 1.Die Beklagtenparte wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Passat 2,0 l TDI, FIN: W… Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Passat 2,0 l TDI, FIN: W… nachzuliefern.

  • 2.Es wird festgestellt, dass sich die Klagepartei mit der Rücknahme der im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet.

  • 3.Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.256,24 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Der Pkw sei nicht mangelhaft. Der Fahrzeugwert habe durch das Update nicht gelitten. Eine Nachlieferung sei nicht möglich und wäre unverhältnismäßig. Der Pkw werde nicht mehr produziert. Der aktuelle Fahrzeugtyp basiere auf dem neuen modularen Querbaukasten des VW-Konzerns und unterscheide sich fundamental von der Vorgängergeneration. Der Kläger habe sich zudem gezogene Nutzungen anrechnen zu lassen, weshalb ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht wird. Die Grundsätze der Prospekthaftung seien auf das Kaufrecht nicht anzuwenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nachlieferung eines neuen, mangelfreien Pkw aus aktueller Produktion nach § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 zweite Alternative, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Demzufolge sind auch die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Anträge auf Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unbegründet.

1. Der von der Beklagten verkaufte und übereignete Pkw ist mangelhaft. Allein schon der Umstand, dass der Pkw einer Rückrufaktion mit Aufspielen einer neuen Software für die Motorsteuerung unterfällt, stellt einen Mangel dar. Der Käufer eines Pkw der vom Hersteller ausgewiesenen Schadstoffklasse Euro 5 darf erwarten, dass die Abgasreinigung so beschaffen ist, dass sie bereits bei Übergabe des Pkw beanstandslos funktioniert. Dass die Abgasreinigung durch ein „Update“ ertüchtigt werden muss, stellt somit eine Beschaffenheit des Pkw dar, die weder üblich noch von dem Käufer zu erwarten ist (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

2. Der Anspruch auf Nachlieferung ist wegen objektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB). Beim vorliegenden Gattungskauf ist die Nachlieferung unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt werden kann (Palandt, BGB, 76. Aufl., § 439 Rn. 15). Die Gattung ist nach dem Parteiwillen zu bestimmen (ebenda). Dieser ergibt sich aus der Bestellung, die sich auf einen Neuwagen des damaligen Baujahres mit einer Reihe individueller Ausstattungsmerkmale bezieht. Bei einem vom Verkäufer bestellten und vom Hersteller nach dessen individuellen Konfigurationen gefertigten Neuwagen ist davon auszugehen, dass nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien der Erfüllungsanspruch auf ein diesen Käuferwünschen entsprechendes Fahrzeug gerichtet und beschränkt ist (vgl. OLG Nürnberg, 15.12.2011, Az. 13 U 1161/11, Rn. 49 Juris). Die damalige Baureihe wird nicht mehr produziert und kann von der Beklagten somit nicht mehr von dem Hersteller nachgeordert werden.

Die Auffassung des Klägers, die Gattung sei derart weit zu bestimmen, dass auch ein aktuell produziertes Modell eines späteren Modelljahres mit gleichem Namen und stärkerer Motorisierung der Gattung unterfällt, teilt der Einzelrichter nicht. Insbesondere ergibt sich aus der Änderungsklausel in den Verkaufsbedingungen der Beklagten keine Stütze dafür. Die Änderungsklausel betrifft Veränderungen der laufenden Produktion im Zeitraum zwischen Fahrzeugbestellung und -lieferung. Diese Vorgänge lagen schon bei Bekanntwerden des Mangels im September 2015 in der Vergangenheit und waren weder geeignet, die Gattungsbestimmung im Zeitraum des Verlangens auf Ersatzlieferung zu beeinflussen noch zur Zeit der für die Urteilsfindung maßgeblichen mündlichen Verhandlung.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten die Beschaffung des vom Kläger geforderten Fahrzeugs auf andere Weise als durch den Direktbezug vom Hersteller möglich ist, da alle vergleichbaren am Markt verfügbaren Pkw von dem Mangel betroffen sind.

3. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Soweit der Kläger weitere Anspruchsgrundlagen diskutiert handelt es sich um Schadensersatzansprüche, die auf Ausgleich erlittener Schäden gerichtet sind, nicht aber auf eine Besserstellung des Klägers durch Lieferung eines fabrikneuen Pkw aktueller Produktion.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus dem Kaufpreis des mangelhaften Pkw, für den Neulieferung verlangt worden ist.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 474 Verbrauchsgüterkauf


(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dien

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(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.

(2) Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung (§ 312g Absatz 2 Nummer 10) verkauft werden, gilt dies nicht, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.

(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat,
2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
Zu der Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie

1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a)
der Art der Sache und
b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
Zu der üblichen Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 2 gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Der Verkäufer ist durch die in Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b genannten öffentlichen Äußerungen nicht gebunden, wenn er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage

1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder
2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.