Landgericht Arnsberg Beschluss, 28. Okt. 2013 - IV StVK 258/12
Tenor
Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.11.2012 wird der Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller die von dem Fachhändler der JVA X (Firma I) umgebaute Sony Playstation II Modell SCHP 90004 zur Benutzung auszuhändigen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen nach einem Gegenstandswert von bis zu 300,00 EUR der Staatskasse zur Last.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller befindet sich in der Sicherungsverwahrung in der JVA X. Am 18.04.2011 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Aushändigung einer durch den Fachhändler der JVA X umgebauten und dort gekauften Sony Playstation II. Dieser Antrag wurde von dem Antragsgegner am 12.05.2011 abgelehnt. Daraufhin stellte der Antragsteller am 16.05.2011 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Mit Beschluss vom 15.08.2012 wurde die Entscheidung des Antragsgegners vom 12.05.2011 aufgehoben und dieser verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu entscheiden.
4Der Antrag auf Aushändigung der streitgegenständlichen Playstation wurde von dem Antragsgegner unter dem 13.11.2012 erneut abgelehnt.
5Zur Begründung führte der Antragsgegner unter anderem an, dass auf den sogenannten Memorycards der Playstation II erhebliche Datenmengen, z.B. mehrere 100 Seiten Textdateien gespeichert werden könnten. Außerdem sei es auch möglich, über die Playstation gebrannte Spiele bzw. Software abzuspielen, in dem z.B. die kostenlose Software „FreeMcBoot“ bzw. eine „Swap Magic-Disk“ verwendet werde. Hierdurch sei die Sicherheit und Ordnung der JVA gefährdet. Dieser Gefahr könne auch nicht durch entsprechende Kontrollen begegnet werden, da diese einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Verfügung des Antragsgegners vom 13.11.2012 (Bl. 7 ff. d.A.) verwiesen.
6Der Antragsteller beantragt,
7den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die von dem Fachhändler der JVA X umgebaute Sony-Playstation II Model SCHP 90004 auszuhändigen.
8Der Antragsgegner beantragt,
9den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
10Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Playstation II stelle auch nach Umbau durch den Fachhändler der JVA X weiterhin ein Sicherheitsrisiko dar.
11Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Dipl.Ing. L. Wegen der Einzelheiten wird auf dessen Gutachten vom 17.07.2013 (Bl. 40 ff.) Bezug genommen.
12II.
13Der Antrag ist zulässig und begründet. Die Kammer hat den Antrag entsprechend dem dahinterstehenden Rechtsschutzinteresse dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller primär die Aushändigung der streitgegenständlichen Sony-Playstation II begehrt, da es ihm naturgemäß auf deren Besitz bzw. Nutzung ankommt.
14Gem. § 15 Abs. 1 Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz NRW (nachfolgend abgekürzt SVVollzG) dürfen die Untergebrachten ihr Zimmer in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Gem. § 15 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW bedarf die Annahme und der Besitz solcher Gegenstände der Erlaubnis. Nach Absatz 2 S. 2 der vorgenannten Norm darf eine Erlaubnis (nur) dann versagt werden, wenn die Gegenstände die Sicherheit beeinträchtigen oder die Ordnung in schwerwiegender Weise oder die Erreichung der Vollzugsziele gefährden.
15Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Weder liegt eine (konkrete) Gefährdung der Sicherheit und Ordnung vor, noch der Erreichung des Vollzugsziels. Bei diesem Gefahrbegriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Regelung des § 15 SVVollzG NRW ist die generelle Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten grundsätzlich das Recht haben, die von ihnen gewünschten Gegenstände zu besitzen. Dieser Grundsatz soll nur unter den im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen eingeschränkt werden. In Anbetracht dieser Tatsache und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Abstandsgebot ist die Kammer der Ansicht, dass bei der zu stellenden Gefahrenprognose nicht alle theoretisch denkbaren abstrakten Gefahren zu berücksichtigen sind, es stattdessen einer konkreten Gefahr bedarf. Eine solche ist hier nach dem insgesamt überzeugenden und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten des Herr Dipl.Ing. L nicht gegeben. Der Sachverständige kommt zusammengefasst zu folgenden Feststellungen: „Bei der streitgegenständlichen Playstation II ist es nicht möglich, mit den in der Gerichtsakte genannten Programmen „FreeMcBoot“ oder „Swap Magic-Disk“ den eingebauten Schutz gegen die Verwendung von selbsterstellten Datenträgern zu entfernen. Die beiden Programme sind in der hier vorliegenden Situation auf der hier vorliegenden Playstation II nicht nutzbar. Eine Nutzung kopierter oder selbst hergestellter Spiele ist nicht möglich. Selbsterstellte Datenträger lassen sich nur als Musik-CD’s oder Film-DVD’s auf dem Gerät abspielen. Ein Speichern von Daten ist auf diesem System nicht möglich. In der hier vorliegenden Form gehen von dem Gerät die gleichen Gefahren wie von einem CD-Player oder DVD-Player aus.“
16Nach den in sich schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ist damit eine (konkrete) Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht gegeben. Die Playstation II ist somit nicht anders zu behandeln als etwa ein CD-Player oder DVD-Player, welcher den Untergebrachten gestattet wird. Trotz der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20.09.2013 (Bl. 62 ff. d.A.) vorgetragenen Einwände bedarf es aus Sicht der Kammer nicht der Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens. Aus den bereits aufgeführten Gründen muss sich ein Gutachten aus Sicht der Kammer nicht zu allen theoretisch denkbaren, im Internet möglicherweise kursierenden Manipulationsmöglichkeiten der Playstation verhalten. Die Kammer ist sich dessen bewusst, dass es sicherlich theoretische Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Playstation II geben mag. Darauf kann es aus Sicht der Kammer jedoch vorliegend nicht ankommen. Wie bereits ausgeführt bedarf es zur Versagung der Besitzerlaubnis einer konkreten Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung. Bei der Beurteilung dieser Frage ist aber etwa auch das persönliche Verhalten des Antragstellers zu berücksichtigen. Nach eigenen Angaben des Antragsgegners (siehe dessen Verfügung vom 13.11.2012) ist der Antragsteller bisher nicht durch eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung aufgefallen. Manipulationen an den ihm bisher zur Verfügung gestellten Geräten seien augenscheinlich nicht erfolgt. Es gibt daher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller entsprechende Manipulationen an der Playstation II vornehmen wird, wie sie der Antragsgegner nunmehr in seinem letzten Schriftsatz vorgetragen hat.
17Aufgrund der vorgenannten Ausführungen und insbesondere des eindeutigen Sachverständigengutachtens des Herrn Dipl.Ing. L kann eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung durch die streitgegenständliche Playstation II nicht festgestellt werden. Der Antragsgegner war hier somit zur Aushändigung der streitgegenständlichen Playstation zu verpflichten.
18Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 121 Abs. 2, 4 StVollzG, 467 StPO, 60, 52 GKG.
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Referenzen - Gesetze
(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.