Landgericht Arnsberg Beschluss, 16. Sept. 2014 - 5 T 287/14
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 09.09.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Meschede vom 09.09.2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Dauer der Abschiebehaft begrenzt wird auf den 06.10.2014.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Betroffene ist A Staatsbürger. Er reiste unter dem Namen B. C. am 03.06.2013 auf dem Landweg über D in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 07.06.2013 einen Asylantrag stellte.
4Mit Schreiben vom 12.06.2013 wurde der Betroffene der Stadt E im F zugewiesen. Die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylVfG vom 01.07.2013 wurde u. a. mit der Nebenbestimmung versehen, dass der Betroffene Wohnsitz nur in E nehmen darf. In dem der Aufenthaltsgestattung beigefügten Merkblatt wurde der Betroffene darauf hingewiesen, dass er im Falle eines Wechsels der Unterkunft oder für den Fall, dass er sich für mehr als drei Tage außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises aufhält, dies der Ausländerbehörde vorher mitteilen muss und ein Verstoß gegen diese Pflicht nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG einen Grund für die Anordnung von Abschiebehaft darstellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 5 d. A. Bezug genommen. Den Erhalt des Merkblatts hat der Betroffene mit Unterschrift vom 08.07.2013 bestätigt.
5Es ergaben sich im Asylverfahren Anhaltspunkte dafür, dass für das Asylbegehren des Betroffenen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 c der Dublin II VO D zuständig ist. Die D Behörden stimmten am 18.12.2013 einer Rückübernahme des Betroffenen zu. Der Asylantrag des Betroffenen wurde daraufhin vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 20.01.2014 als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach D angeordnet.
6Gegen diesen Bescheid erhob der Betroffene unter dem 23.01.2013 Klage vor dem Verwaltungsgericht G verbunden mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Dieser Antrag wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts G vom 04.03.2014 abgelehnt. Die Abschiebungsanordnung wurde hierdurch vollziehbar und die dem Betroffenen erteilte Aufenthaltsgestattung verlor nach § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG ihre Gültigkeit.
7Nachdem er sich bereits im Januar 2014 einmal unerlaubt in H aufgehalten hatte und dort von der Polizei aufgegriffen worden war, begab sich der Betroffene im März 2014 nach I, weil er nach seinen Angaben eine dort wohnhafte Frau kennengelernt hatte. Er unterrichtete die hiesige Ausländerbehörde nicht von diesem Aufenthaltswechsel. Bei der behördlichen Erfassung in I am 10.03.2014 gab er seinen Vornamen mit J K (statt B) und ein zwei Jahre jüngeres Geburtsdatum an (01.05.1997), wodurch er dort vorübergehend als Minderjähriger behandelt wurde. Nachdem durch die I Behörden jedoch für ihn das fiktive Geburtsdatum 31.12.1995 festgelegt worden war und ein weiteres Vorgehen hiergegen sich im August 2014 als nicht Erfolg versprechend herausstellte, unterrichtete er seinen Rechtsbeistand umfassend über die Sachlage und auch über das hier bereits durchgeführte Asylverfahren. Dieser riet ihm, Kontakt zur hiesigen Ausländerbehörde aufzunehmen.
8In Unkenntnis des Umstandes, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt seinen Aufenthalt bereits dauerhaft nach I verlegt hatte, gab die hiesige Ausländerbehörde ihm mit Schreiben vom 14.04.2014 den Termin zur Abschiebung am 17.04.2014 bekannt. Das Schriftstück wurde in seinem Zimmer in der Unterkunft in E niedergelegt.
9Nachdem der Betroffene am Termin der Abschiebung nicht anwesend war und nach Auskunft von Mitbewohnern die Unterkunft bereits zuvor auf Dauer verlassen hatte, wurde er von Amts wegen abgemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben. Sein Aufenthalt blieb der Ausländerbehörde jedoch in der Folgezeit weiter unbekannt, bis der Betroffene sich – dem obigen Rat seines Rechtsbeistandes folgend - am 09.09.2014 unaufgefordert bei ihr meldete. Er wurde unmittelbar vorläufig nach § 62 Abs. 5 AufenthG in Gewahrsam genommen. Gestützt auf § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG wurde gegen ihn eine Abschiebungshaft von einem Monat beantragt. Die Dauer der Haft wurde damit begründet, dass die Überstellung den D Behörden mit einer Vorlaufzeit von mindestens zehn Werktagen angekündigt werden müsse und über die zuständige ZAB Bielefeld ein Abschiebungsflug gebucht werden müsse.
10In dem angefochtenen Beschluss vom 09.09.2014 hat das Amtsgericht Meschede gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum 08.10.2014 sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
11Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortige Beschwerde vom gleichen Tage mit dem Begehren, den Beschluss des Amtsgerichts Meschede aufzuheben und seine sofortige Entlassung anzuordnen, sowie festzustellen, dass die Inhaftierung ab dem 09.09.2014 bis zum Zeitpunkt der Entlassung rechtswidrig war.
12Zur Begründung führt er aus, er habe von der versuchten Abschiebung im April keine Kenntnis gehabt, weil er bereits seit mehr als einem Monat in Berlin gewesen sei. Auch habe er nicht die Absicht gehabt, sich einer Abschiebung zu entziehen, vielmehr sei sein Bestreben gewesen, sich rechtmäßig zu verhalten und seine Verfügbarkeit für die Ausländerbehörde wieder herzustellen, als er bei dieser in Meschede vorsprach. In I sei er nicht untergetaucht, sondern förmlich gemeldet gewesen.
13Das Merkblatt vom 08.07.2013 sei in Deutsch gefasst und von ihm daher nicht verstanden worden. Auch habe es sich um eine Vorratsbelehrung gehandelt, die lange vor der Ausreisepflicht erfolgt sei.
14Sein Bestreben sei, sich legal weiter in Deutschland aufhalten zu können.
15Derzeit könne er bereits wegen seines zwischenzeitlich gestellten Asylfolgeantrages nicht abgeschoben werden.
16Zudem sei die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO offenkundig verstrichen, sodass eine Abschiebung nicht erfolgen könne.
17Auch sei fraglich, ob der Betroffene mit dem vorgelegten Laissez-Passer ausreisen könne, weil dieses bereits vom 28.03.2014 stamme, von der Ausländerbehörde geändert worden sei und auf eine außer Kraft getretene Verordnung verweise.
18Auch sieht er den Beschleunigungsgrundsatz nicht gewahrt, weil die Ausführungen der Ausländerbehörde nicht geeignet seien, eine Haft von einem Monat zu begründen.
19Die Ausländerbehörde hat diesbezüglich im Termin mitgeteilt, dass nunmehr alle Abschiebungsvoraussetzungen vorliegen und die Abschiebung auf dem Luftweg am 06.10.2014 erfolgen könne. Das Laissez-Passer könne zwischenzeitlich noch neu ausgestellt werden. Im Übrigen sei das Bundesamt bemüht, bis zum Abschiebezeitpunkt über den Asylfolgeantrag zu entscheiden.
20Die Kammer hat die Ausländerakte beigezogen und den Betroffenen am 16.09.2014 persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.09.2014 Bezug genommen.
21II.
221.
23Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 58, 63, 64. 65 FamFG.
242.
25Sie ist jedoch zum ganz überwiegenden Teil unbegründet. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen zu Recht die Abschiebungshaft angeordnet; lediglich die angeordnete Höchstdauer ist zu begrenzen, nachdem feststeht, dass die Abschiebung des Betroffenen am 06.10.2014 erfolgen kann.
26Die Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 62 AufenthG liegen vor.
27a)
28aa)
29Der Haftantrag ist zulässig, § 417 FamFG. Er enthält insbesondere die nach § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG erforderlichen Darlegungen zur Ausreisepflicht, den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (vgl. Kluth/Heusch, 4. Auflage, § 62 AufenthG, Rn. 25).
30bb)
31Dem Betroffenen ist der Haftantrag auch vor der Anhörung am 09.09.2014 in Kopie ausgehändigt und mündlich übersetzt worden. Dies haben die Beteiligten in der Anhörung am 16.09.2014 übereinstimmend erklärt und der Dolmetscher im Hinblick auf die mündliche Übersetzung der schriftlichen Unterlagen bestätigt. Eine mündliche Übersetzung ist ausreichend (Schmidt-Räntsch in NVwZ 2014, S. 110 ff. m. w. N.).
32b)
33Es bestehen die Haftgründe aus § 62 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 AufenthG.
34aa)
35Gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
36Der Betroffene ist aufgrund des bestandkräftigen Bescheids des BAMF vom 20.01.2014 nach Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seit dem 04.03.2014 vollziehbar ausreisepflichtig. Dieser Verpflichtung ist er bisher nicht nachgekommen.
37Die Ausreisefrist gilt als abgelaufen, weil bei Entscheidungen des BAMF nach der Dublin II-VO eine Frist nicht gesetzt wird.
38Der Betroffene hat im März 2014 seinen Aufenthaltsort gewechselt und ist von E nach I gezogen, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
39Der erforderliche Hinweis auf die Folgen dieser Pflichtverletzung (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2013, Az. V ZB 96/12) wurde erteilt und von dem Betroffenen wurde der Erhalt dieses Hinweises mit Unterschrift vom 08.07.2013 auch bestätigt. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, eine nicht mit der Ausreiseanordnung verbundene Belehrung hätte keine ausreichende Warnwirkung, trägt dies nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine frühzeitige Warnung weniger Warnwirkung hat, als eine spätere. Der zitierten BGH-Entscheidung ist eine Pflicht zur Verknüpfung der Belehrung zwingend mit der Ausreiseanordnung auch nicht zu entnehmen. „Im Zusammenhang“ bedeutet nicht „in Verbindung mit“ und wörtlich heißt es in der Entscheidung auch lediglich „in der Regel im Zusammenhang mit“. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen keine Ausreisefrist mehr zu setzen ist, erscheint nur eine möglichst frühzeitige Belehrung angemessen und praktikabel.
40Der erteilte Hinweis ist auch nicht deshalb unwirksam, wie der Beschwerdeführer meint, weil keine Übersetzung beigefügt war. Die Anforderungen an die Behörden dürfen nicht überspannt werden. Es ist einem Asylbewerber zumutbar, Unterlagen, die er im Rahmen eines Asylantrages ausgehändigt bekommt, übersetzen zu lassen. Darüber hinaus war dem Betroffenen seine Mitteilungspflicht auch bekannt, denn er hatte bereits vor dem Ortswechsel nach I Reisen nach H und L unternommen und diese der Ausländerbehörde auch vorher mitgeteilt und von dieser genehmigen lassen. Auch war ihm sein Regelverstoß bewusst, als er sich im Januar 2014 unerlaubt in H aufhielt und dort von der Polizei aufgegriffen wurde.
41bb)
42Nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AufenthG kann auch dann Sicherungshaft angeordnet werden, wenn der Ausländer aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung abgekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort erreichbar ist. Die Abschiebung wurde dem Betroffenen mit Schreiben vom 14.04.2014 für den 17.04.2014 angekündigt und er war zur angegebenen Zeit an dem angegebenen Ort nicht erreichbar. Dass er das Schreiben vom 14.04.2014 persönlich nicht erhalten hat, hat er zu vertreten, weil er die ihm zugewiesene Unterkunft verlassen hat und auf Dauer nach I gegangen ist, ohne sicherzustellen, dass ihn Zustellungen unter seiner alten Anschrift auch weiterhin erreichen.
43cc)
44Obwohl beide Vorschriften als zwingende Haftgründe formuliert sind („Der Ausländer ist… in Haft zu nehmen, wenn…“), entbindet dies gleichwohl nicht von einer einzelfallbezogenen Prüfung und der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Heusch a. a. O. Rn. 13). Dies ergibt sich bereits aus § 62 Abs. 1 AufenthG, wonach die Abschiebungshaft nur zulässig ist, wenn kein milderes Mittel ausreicht. Den Haftgründen nach Abs. 3 kommt demnach zwar eine hohe Indizwirkung dafür zu, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, diese muss aber durch eine konkrete Einzelfallprüfung ergänzt und bestätigt werden (Heusch a. a. O. Rn. 13).
45Entgegen der Auffassung des Betroffenen entfällt diese Vermutung vorliegend jedoch nicht. Zwar mag es gegen eine Entziehungsabsicht sprechen, wenn sich ein betroffener Ausländer nach einem Ortswechsel behördlich meldet. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass der Betroffene die Behörden in I über seine Identität getäuscht hat, indem er sich unter einem anderen Vornamen und einem falschen Geburtsdatum gemeldet hat und somit im Rahmen der Fahndung nicht mehr aufgefunden und von den zuständigen Behörden in I auch nicht dem bereits hier laufenden Verfahren zugeordnet werden konnte. In der Anhörung hat der Betroffene hierzu erklärt, zu dieser Vorgehensweise sei ihm von Freunden, die mit ihm eingereist seien, geraten worden. Die Meldung bei den Behörden in I unter Verschleierung seiner bisherigen Identität und unter Verschweigen der Vorgeschichte diente nach Überzeugung der Kammer also gerade dazu, der Abschiebung zu entgehen und kann lebensnah nur als Flucht gewertet werden.
46Der Umstand allein, dass der Betroffene auf Anraten seines Verfahrensbevollmächtigten freiwillig wieder bei der hiesigen Ausländerbehörde vorstellig geworden ist, reicht nicht aus, um die Vermutung der Entziehungsabsicht zu widerlegen (vgl. LG Landau (Pfalz), 29.02.2012, Az. 3 T 40/12; OLG München, Beschluss vom 22.11.2006, Az. 34 Wx 121/06). Diese Meldung geschah auf Anraten seines Anwaltes, nachdem der Betroffene ihm letztendlich den kompletten Sachverhalt offenbart hatte und war ausschließlich taktisch motiviert, um einen weiteren Verbleib zu erreichen. Dementsprechend hat der Betroffene noch in der Anhörung vor der Kammer erklärt, dass er aufgrund der Äußerungen seines Verfahrensbevollmächtigten die Hoffnung hatte und auch nach wie vor hat, legal in Deutschland bleiben zu können. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Betroffene nicht freiwillig ausreisen wird.
47Die Haftanordnung ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Mildere Mittel, um die Abschiebung herbeizuführen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Betroffene auf ausdrückliche weitere Nachfrage der Kammer erklärt, er werde freiwillig ausreisen, soweit er nicht legal in Deutschland bleiben könne. Dies vermag aber den Verdacht, er werde sich der Abschiebung entziehen, nicht zu entkräften. Das Vorverhalten des Betroffenen und die Tatsache, dass er zunächst wiederholt erklärt hat, hier bleiben zu wollen, sprechen dagegen.
48Auch die Dauer der Haft begegnet unter dem Gesichtspunkt des Beschleunigungsgrundsatzes keinen durchgreifenden Bedenken. Allein die Vorlaufzeit der D Behörden beträgt bei mindestens zehn Werktagen bereits zwei Kalenderwochen. Berücksichtigt man auch den eigenen Verwaltungsaufwand der Ausländerbehörde und die Tatsache, dass der Flug über die zuständige ZAB Bielefeld gebucht werden muss, ist die Begründung zu der beantragten Haftdauer von einem Monat nicht zu beanstanden. Letztlich haben sich die Einschätzungen des Ausländeramtes zum zeitlichen Vorlauf auch bestätigt. Es ist nunmehr für den 06.10.2014 ein Flug gebucht. Aus diesem Grund ist jedoch zugleich die Dauer der Abschiebungshaft auf den Ablauf des 06.10.2014 zu begrenzen.
49d)
50Der Abschiebung steht gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AsylVfG auch nicht entgegen, dass der Betroffene nunmehr während der Sicherungshaft einen Asylfolgeantrag gestellt hat.
51e)
52Auch die weiteren Voraussetzungen der Haftanordnung liegen vor. Insbesondere stehen der Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate keine Gründe entgegen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, § 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG.
53Die Abschiebung nach D ist möglich. D ist nach Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO als Zielstaat zur Rücknahme verpflichtet und auch nach wie vor bereit. Die Anwendbarkeit der Dublin II-VO ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO; ABl. EU Nr. L 180 S. 31). Denn der Asylantrag des Betroffenen wurde am 07.06.2013 und damit vor dem 1. Januar 2014 gestellt; auch das Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde vor diesem Stichtag an D gerichtet und auch von M beantwortet (am 18.12.2013). Die unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung ab dem 1. Januar 2014 vorgesehene Anwendbarkeit der Dublin-III-VO für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche bezieht sich jedenfalls nicht auf - wie hier - bereits vor diesem Stichtag gestellte und beantwortete Gesuche (vgl. VG Hannover, 09.01.2014, Az. 1 B 7895/13; VG Oldenburg, 21.01.2014, Az. 3 B 7136/13).
54Die Abschiebung nach Ungarn kann mittels eines Laisser-Passer vollzogen werden, welches bereits vom BAMF ausgestellt worden ist. Soweit von dem Betroffenen im Rahmen der Anhörung eingewandt worden ist, das Laisser-Passer beruhe auf einer falschen Rechtsgrundlage, trifft dies nach den vorstehenden Ausführungen zur Anwendbarkeit der Dublin II-VO nicht zu. Etwaige Bedenken gegen die äußere Form des derzeit ausgestellten Laissez-Passer lassen sich jederzeit bis zur Abschiebung durch Neuausstellung eines solchen Papiers beheben.
55Soweit der Betroffene vorträgt, die Abschiebung sei nicht durchführbar, weil die Übermittlungsfrist nach Art. 29 Dublin III-VO abgelaufen ist, trifft dies zwar insoweit zu, als auch nach der hier anzuwendenden Dublin II-VO gemäß Art. 20 Abs. 2 die Zuständigkeit wieder auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung des Asylbewerbers nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des Antrags auf Aufnahme erfolgt. Die Annahmeerklärung war hier am 18.12.2013, sodass die Frist abgelaufen ist. Die Frist kann aber bei Flucht des Asylbewerbers, von der vorliegend aufgrund der obigen Ausführungen zum Aufenthalt des Betroffenen in I auszugehen ist, bis auf 18 Monate verlängert werden. Die Vertreter der Ausländerbehörde haben im Rahmen der Anhörung insoweit erklärt, dass eine Fristproblematik nicht besteht und Ungarn nach wie vor zur Wiederaufnahme bereit ist.
56III.
57Eine vom Gesetz abweichende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
58Rechtsbehelfsbelehrung:
59Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
60Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
61Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
621. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
632. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,
643. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
65a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
66b) soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
67Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.
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Urteil einreichenLandgericht Arnsberg Beschluss, 16. Sept. 2014 - 5 T 287/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.
(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:
- 1.
die Identität des Betroffenen, - 2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, - 3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, - 4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie - 5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben Ende 2009 unerlaubt nach Deutschland ein und stellte am 7. Dezember 2009 einen Asylantrag, den das zuständige Bundesamt mit bestandskräftigem Bescheid vom 16. Februar 2010 als offensichtlich unbegründet zurückwies. Die beteiligte Behörde leitete im Juni 2010 Maßnahmen zur Beschaffung von Ausreisedokumenten ein und versuchte, da der Betroffene auf eine Aufforderung zur Vorlage eines Reisepasses oder zur Beantragung eines Passes bei seinen Heimatbehörden nicht reagierte, ohne ein solches Dokument eine Rücknahmezusage zu erhalten, was Vietnam am 9. November 2010 aber ablehnte. Weitere Maßnahmen scheiterten nach Darstellung der beteiligten Behörde an der ständigen Abwesenheit des Betroffenen. Dieser wurde am 28. Oktober 2011 zur Personenfahndung ausgeschrieben und am 26. Januar 2012 festgenommen, als er sich bei der Ausländerbehörde in Grimma meldete. Das Amtsgericht ordnete auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom gleichen Tag gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 25. April 2012 an.
- 2
- Am 8. März 2012 hat der Betroffene die Aufhebung der Haft beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. April 2012 zurückgewiesen. Während des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene aus der Haft entlassen worden. Seine - seitdem mit dem Antrag festzustellen, dass ihn die Haftanordnung in Gestalt des Beschlusses vom 3. April 2012 in seinen Rechten verletzt habe, fortgeführte - Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung sei rechtmäßig gewesen. Ihr habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Die Haftgründe nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG hätten vorgelegen. Der Betroffene habe seinen Aufenthalt gewechselt, ohne die Ausländerbehörde zu informieren. Er habe sich auch nicht ständig im Landkreis Grimma aufgehalten. Angesichts der Hinweise auf seine Meldepflicht habe er nicht ergänzend belehrt werden müs- sen. Seine Nierenerkrankung habe einer Haftanordnung nicht entgegengestanden. Er habe auch nicht zum Ergebnis der Identitätsfeststellung durch die vietnamesischen Behörden angehört werden müssen.
III.
- 4
- Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
- 5
- 1. Der von dem Betroffenen jetzt noch verfolgte Feststellungsantrag ist nur teilweise, nämlich insoweit statthaft, als die Feststellung beantragt wird, dass ihn die über den 8. März 2012 hinausgehende Haft in seinen Rechten beeinträchtigt. Der Betroffene darf zwar nach Erledigung eines Antrags auf Aufhebung der Haft gemäß § 426 Abs. 2 FamFG die Feststellung beantragen, dass ihn die Fortdauer der Haft bis zur Erledigung der Hauptsache in seinen Rechten beeinträchtigt hat. Wenn, wie hier, die Haftanordnung rechtskräftig geworden ist, ist der Antrag aber nur für den Zeitraum ab dem Eingang des Haftaufhebungsantrags statthaft (Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200, 201 Rn. 17 und vom 29. November 2012 - V ZB 170/12, InfAuslR 2013, 157 f. Rn. 6 f.).
- 6
- 2. Für den Zeitraum ab dem 8. März 2012 ist der Antrag unbegründet, weil die Haftanordnung und die Zurückweisung des Haftaufhebungsantrags den Betroffenen nicht in seinen Rechten verletzt haben.
- 8
- aa) Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225, 226 Rn. 8; vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 12 f. mwN und vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2012, 317 Rn. 8).
- 9
- bb) Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen. Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225, 226 Rn. 9 f.; vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 13 f. jeweils mwN). Soweit mit dem Zielstaat ein Rückübernahmeabkommen besteht (hier das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam vom 21. Juli 1995, BGBl. II 743 mit Protokoll vom gleichen Tag, BGBl. II 746, fortan Rücknahmeabkommen und Protokoll), sind die danach durchzuführenden Maßnahmen in dem Haftantrag darzustellen (Senat, Beschlüsse vom 14. Februar 2012 - V ZB 4/12, juris Rn. 3 und vom 21. März 2013 - V ZB 122/12, juris Rn. 8).
- 10
- cc) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde. Er verhält sich - knapp, aber ausreichend - zur zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen und zu der Erforderlichkeit der Haft. Anders als der Betroffene meint, reichen auch die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft und zur Durchführbarkeit der Abschiebung aus.
- 11
- (1) Die beteiligte Behörde hat in dem Haftantrag dargestellt, dass der Betroffene vom 13. bis 20. März 2012 im Rahmen einer Sammelanhörung vietnamesischer Experten vorgeführt werden solle. Es sei zu erwarten, dass er identifiziert werde. Dann solle er am 24. April 2012 abgeschoben werden. Damit hat die beteiligte Behörde die wesentlichen Verfahrensschritte konkret beschrieben , die für die Rückführung vietnamesischer Staatsangehöriger nach Vietnam einzuhalten sind. Nach Art. 6 Abs. 1 des Rücknahmeabkommens nimmt Vietnam eine Prüfung der Identität der Personen vor, deren vietnamesische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann. Dazu führen die vietnamesischen Stellen nach Art. 2 des Protokolls auf Grund von Listen Sammelprüfungen durch. Auf diese Schritte kommt es für die Frage, ob die Abschiebung gelingen wird, an. Die von dem Betroffenen an der Legitimität dieser Sammelprüfungen und der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens der vietnamesischen Stellen geäußerten Zweifel ändern daran nichts. Die deutschen Stellen haben sich an das mit Vietnam verbindlich vereinbarte Verfahren zu halten.
- 12
- (2) Bedenken gegen die Zulässigkeit des Haftantrags ergeben sich entgegen der Ansicht des Betroffenen auch nicht daraus, dass die nächste Prüfung der vietnamesischen Expertenkommission in knapp zwei Monaten stattfand und sich der Haftantrag nicht zu zügigeren Alternativen verhält. Richtig daran ist zwar, dass neben dem völkervertraglich festgelegten Listenverfahren nach einem abgestimmten Ergebnisvermerk des Auswärtigen Amtes über eine Konsultation mit den vietnamesischen Behörden vom 27. Februar bis 3. März 2006 in Hoi An auch Einzelrückführungen möglich sind. Eine solche Einzelrückführung soll aber - als Ausnahme von dem völkervertraglich vereinbarten Listenverfahren - nur in begründeten Einzelfällen stattfinden und auch nur nach Absprache zwischen den deutschen und den vietnamesischen Behörden (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juni 2012 - V ZB 263/11, juris Rn. 13). Deshalb muss der Haftantrag Ausführungen dazu nur enthalten, wenn greifbare Anhaltspunkte für einen solchen Ausnahmefall vorliegen. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
- 13
- b) Das Amtsgericht hat den Betroffenen, wie nach § 420 FamFG geboten , vor der Anordnung der Haft persönlich angehört.
- 14
- c) Die Haftanordnung war auch in der Sache begründet.
- 15
- aa) Der Betroffene ist nach der bestandskräftigen Zurückweisung seines Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig. In diesem Bescheid ist ihm die Abschiebung angedroht worden.
- 17
- (1) Auf den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hat das Amtsgericht die Anordnung nicht gestützt. Auf diesen Haftgrund konnte sie entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht mehr gestützt werden, weil der Betroffene nach seiner unerlaubten Einreise einen Asylantrag gestellt hat und er jetzt auf Grund von dessen Zurückweisung ausreisepflichtig ist (vgl. Senat , Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 210/10, FGPrax 2011, 41, 43 Rn. 19).
- 18
- (2) Auch der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG lag nicht vor. Der Betroffene hat zwar seine Meldepflichten nicht erfüllt. Die Anordnung von Haft rechtfertigt dieser Verstoß aber nur, wenn dem Betroffenen diese Folge eines Verstoßes gegen die Meldepflicht durch einen Hinweis deutlich vor Augen geführt worden ist (Senat, Beschlüsse vom 9. Februar 2011 - V ZB 16/11, juris Rn. 8 und vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254, 255 Rn. 10). Einen entsprechend deutlichen Hinweis hat das Amtsgericht weder in der Haftanordnung noch in der Zurückweisung des Aufhebungsantrags festgestellt.
- 19
- (3) Das Amtsgericht hat die Haftanordnung indessen auch auf den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt, und dieser Haftgrund lag vor. Richtig ist allerdings der Einwand des Betroffenen, dass dieser Haftgrund nicht allein auf einen Verstoß gegen die Meldepflicht gestützt werden kann, weil insoweit der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG die speziellere Regelung ist (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254, 255 Rn. 12). Das Amtsgericht hat den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zwar zu einem wesentlichen Teil mit dem Verstoß gegen die Meldeauflagen begründet. Es hat aber zusätzliche Gesichtspunkte angeführt, die den Haftgrund unabhängig von dem Verstoß gegen die Meldeauflagen tragen: Der Betroffene habe dargetan, dass er hin und wieder in der ihm zugewiesenen Unterkunft erschienen sei, nämlich - wie das Protokoll ergibt - um Geld zu bekommen und anschließend wieder „wegzugehen“. Er habe nicht angegeben, wo er sich aufgehalten habe, und vorgetragen, er kenne auch die Anschrift der Freunde nicht, bei denen er sich aufgehalten habe. Seinen Aufenthaltsort habe er bei seiner Anhörung nicht angegeben. Dieses - von dem Betroffenen eingeräumte - Verhalten geht über einen formalen Verstoß gegen Meldeauflagen hinaus. Es führt dazu, dass er nicht greifbar ist, wenn er der Expertenkommission vorgeführt werden soll, und rechtfertigt die Annahme, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
- 20
- cc) Die Behörde hat die Abschiebung auch mit der gebotenen Beschleunigung betrieben. Sie hat versucht, den nach dem Wiederauftauchen des Betroffenen nächstverfügbaren Prüftermin der vietnamesischen Expertenkommission zu erreichen. Anhaltspunkte dafür, dass sie eine schnellere Einzelfalllösung hätte erreichen können, sind nicht ersichtlich und werden von dem Betroffenen auch nicht ansatzweise geltend gemacht.
- 21
- 3. Unerheblich ist, dass das Amtsgericht den Betroffenen vor der Zurückweisung des Aufhebungsantrags zwar rechtliches Gehör gewährt, ihn aber nicht persönlich angehört hat. Die persönliche Anhörung ist in § 420 FamFG als Verfahrensgarantie im Sinne von Art. 104 Abs. 1 GG nur für die Anordnung der Haft (und in § 68 FamFG für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine erfolgte Haftanordnung), aber nicht für das Haftaufhebungsverfahren vorgeschrieben (Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 7).
IV.
- 22
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Zu berücksichtigen war allerdings, dass in Abschiebungshaftsachen von der Erhebung von Dolmetscherkosten abzusehen ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 333 f. Rn. 21). Insoweit war die Entscheidung des Beschwer- degerichts über die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu ändern. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 KostO.
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Grimma, Entscheidung vom 03.04.2012 - 1 XIV 1/12 B -
LG Leipzig, Entscheidung vom 24.04.2012 - 7 T 202/12 -
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
Tenor
1. Die Beschwerde vom 03.02.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landau, Zweigstelle Bad Bergzabern, vom 30.01.2012, Az. 1 XIV 23/12 B, wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Beschwerdeführer reiste am 22.07.2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 03.08.2004 unter dem Namen John K. einen Asylantrag, wobei er angab, Staatsbürger aus Sierra Leone zu sein. Mit Bescheid vom 27.09.2004 wurde sein Antrag zurückgewiesen. Seit 05.03.2005 ist das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen und der Beschwerdeführer zur Ausreise verpflichtet.
- 2
Bei einer Vorsprache in der Botschaft von Sierra Leone zum Zwecke der Passbeschaffung, zu der er zwangsweise aus der Strafhaft heraus vorgeführt werden musste, nachdem er sich bereits mehrfach einer freiwilligen Mitwirkung verweigert hatte, wurde seitens der Botschaft festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht aus Sierra Leone stammt. Es wurde vielmehr die Vermutung aufgestellt, dass er nigerianischer Staatsbürger sei. Die Mitwirkung an einer Sprachanalyse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweigerte der Beschwerdeführer.
- 3
2009 strebte der Beschwerdeführer erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an. Hintergrund hierfür war, dass er eine deutsche Frau heiraten wollte und vermeintlich Vater eines deutschen Kindes geworden war. Aus diesem Grunde teilte er am 26.06.2009 über seinen Rechtsanwalt mit, dass sein Name Chukwuma N. sei und er aus Nigeria stamme. Zur Bestätigung legte er Ablichtungen einer Geburtsurkunde vom 14.09.1980, eines Taufscheines vom 19.10.1980 sowie eines Studentenausweises aus dem Jahre 2000 vor. Die geplante Eheschließung kam nicht zustande. Durch Abstammungsgutachten wurde zudem festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Vater des Kindes ist.
- 4
Im Folgenden verweigerte der Beschwerdeführer wiederholt die Mitwirkung an einer Passbeschaffung. Der Ordnungsverfügung, am 29.03.2011 an einer Vorführung bei der Nigerianischen Botschaft mitzuwirken, kam er nicht nach. Er konnte in seiner ihm zugewiesenen Unterkunft in Bad Bergzabern nicht angetroffen werden.
- 5
Am 27.06.2011 wurde der Beschwerdeführer seitens der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße darüber belehrt, dass ein Wechsel der Wohnung oder des Aufenthaltsortes für mehr als 3 Tage der Ausländerbehörde angezeigt werden müsse und ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht einen Haftgrund gem. § 62 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllen kann. Diese Belehrung hat der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift bestätigt. Gleichwohl war der Beschwerdeführer spätestens ab August 2011 nicht mehr in seiner Wohnung in der K. Straße in Bad Bergzabern anzutreffen. Er war für die Ausländerbehörde vielmehr überhaupt nicht mehr zu erreichen, da er auch nicht zu Auszahlungsterminen erschien. Am 21.11.2011 wurde der Beschwerdeführer zur Personenfahndung ausgeschrieben, nachdem am 28.09.2011 gegen ihn Haftbefehl im Verfahren 7163 Js 18659/11 wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz vom Amtsgericht Landau, Zweigstelle Bad Bergzabern, erlassen worden war und sein Aufenthaltsort nicht ausfindig gemacht werden konnte. Am 05.12.2011 wurde er im Rahmen einer Personenkontrolle in Rastatt aufgegriffen und festgenommen. Bis zum 16.01.2012 befand sich der Beschwerdeführer sodann aufgrund des Haftbefehls in Untersuchungshaft.
- 6
Am 11.01.2012 teilte die Nigerianische Botschaft mit, dass dem Beschwerdeführer bereits am 29.03.2010 ein Pass ausgestellt worden war, er diesen vor Ort unterschrieben und persönlich ausgehändigt bekommen hatte. Am 17.01.2012, unmittelbar nach seiner Haftentlassung, sprach der Beschwerdeführer bei der Ausländerbehörde vor, um seine Duldung verlängern zu lassen. Auf den Pass angesprochen, leugnete er, im Besitz eines solchen Dokumentes zu sein. Ebenso verhielt er sich, als er am 30.01.2012 erneut wegen der Verlängerung der Duldung vorsprach.
- 7
Am 30.01.2012 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und dem Amtsgericht Landau, Zweigstelle Bad Bergzabern, zur Anhörung vorgeführt. Im Rahmen der Anhörung gab er an, der Name seines Vaters sei John K.. Dieser stamme aus Sierra Leone. Er selbst sei am 11.07.1980 in Freetown, Nigeria, geboren. Auf die Frage, ob er einen nigerianischen Pass habe, stellte er erneut in Abrede, dass er einen solchen habe.
- 8
Gegen die Anordnung der Abschiebehaft durch Beschluss vom 30.01.2012, Az. 1 XIV 23/12 B, wurde am 03.02.2012 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer wurde am 20.02.2012 von der Beschwerdekammer angehört.
II.
- 9
Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und in der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft gem. § 62 AufenthG liegen vor.
- 10
Der Beschwerdeführer ist vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, nachdem sein Asylantrag seit 05.03.2005 rechtskräftig abgelehnt ist. Das derzeit beim Verwaltungsgericht Trier anhängige Verfahren hat keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ausreiseverpflichtung (§ 84 AufenthG).
- 11
Der gem. § 471 FamFG erforderliche Antrag wurde von der zuständigen Behörde, der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße, ordnungsgemäß am 23.01.2012 gestellt.
- 12
Es besteht der Haftgrund gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Hiernach ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
- 13
Vorliegend begründet sich dieser Verdacht zunächst daraus, dass der Beschwerdeführer bereits von August bis Dezember 2011 untergetaucht war. Im Rahmen der durchgeführten Anhörung erklärte der Beschwerdeführer hierzu, dass er sich nicht mehr in seiner Wohnung in Bad Bergzabern aufgehalten habe, weil er erfahren habe, dass die Polizei nach ihm suche, und er Angst davor gehabt habe, dass er abgeschoben werde. Der Wechsel seines Aufenthaltsortes ohne Mitteilung an die Ausländerbehörde sowie das Fernbleiben zu den Auszahlungsterminen waren daher ausschließlich darauf zurückzuführen, dass sich der Beschwerdeführer einer vermeintlich bevorstehenden Abschiebung entziehen wollte. Allein durch seine Festnahme im Rahmen einer zufälligen Personenkontrolle konnte er dem Einflussbereich der Ausländerbehörde wieder zugeführt werden. Dass damalige Verhalten des Beschwerdeführers stellt daher ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass er sich erneut einer bevorstehenden Abschiebung entziehen wird.
- 14
Hierfür sprechen zudem weitere Umstände. Nach wie vor versucht der Beschwerdeführer seine Identität zu verschleiern. Zwar hat er inzwischen seine ursprüngliche Behauptung, sein Name sei John K. und er sei Staatsbürger von Sierra Leone, aufgegeben. Allerdings weichen seine Angaben zu seiner Identität auf jede Nachfrage von der vorangegangenen Alternative ab. So hat er im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht behauptet, er sei am 11.07.1980 in Freetown, Nigeria geboren und sein Vater heiße John K.. Auf Frage der Beschwerdekammer zu seiner Identität gab er nunmehr an, die Namen seiner Eltern seien John und Marta K. aus Sierra Leone. Er selbst sei dort 1980 in Freetown, Sierra Leone, geboren und später als Kind mit der Diakonie nach Nigeria gekommen. Auf Vorhalt, dass in der von ihm vorgelegten Kopie seiner Geburtsurkunde die Namen seiner Eltern Godwin und Virginia N. lauten würden, erklärte er zunächst, dass er diese Namen bislang noch nie gehört habe. Als er später danach gefragt wurde, wie es sein könne, dass sein Name nicht K., sondern N. sei, gab er an, Godwin N. sei der Pfarrer des kirchlichen Kinderheimes gewesen, in dem er in Nigeria aufgewachsen sei, Virginia sei dessen Schwester gewesen. Auch die übrigen Widersprüche zwischen seinen Angaben und den vorgelegten Dokumenten konnte er nicht plausibel erklären. Die Geburtsurkunde wurde wenige Tage nach seiner Geburt in Nigeria ausgestellt. Als Geburtsort ist ihr Ichita, Nigeria, zu entnehmen. Die Taufurkunde datiert von Oktober 1980. Als Taufort ist ebenfalls Ichita eingetragen. Gleichwohl diese Dokumente von seinem damaligen Rechtsbeistand vorgelegt wurden, gab er an, er könne sich nicht erklären, was es mit diesen Dokumenten auf sich habe. Nach wie vor versucht der Beschwerdeführer Unsicherheiten über seine Identität entstehen zu lassen. Eine Täuschung über die eigene Identität kann jedoch ebenfalls einen Fall des Sich-Verborgen-Haltens darstellen (BayObLG, Beschluss vom 18.03.1993, Az. 3Z BR 50/93, zitiert nach juris). Im Zusammenspiel mit der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer am 29.03.2010 durch die nigerianische Botschaft ein Pass ausgestellt wurde und er trotzdem beharrlich behauptet, er habe keinen Pass, stützt dieses Verhalten ebenfalls den Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer einer Abschiebung entziehen will.
- 15
Angesichts dessen ist die im Rahmen der Anhörung getätigt Zusage, er werde innerhalb eines Monats freiwillig ausreisen, nicht geeignet, den Verdacht, er werde sich einer Abschiebung entziehen, zu entkräften. Diese wurde nach Überzeugung der Kammer vielmehr allein vor dem Hintergrund der Anhörung abgegeben. Die ihm von der Kreisverwaltung bereits während seiner Inhaftierung übersandte "Declaration", mit der die Beschaffung von Passersatzpapieren möglicherweise hätte beschleunigt werden können und in der er seinen Willen zur freiwilligen Ausreise hätte ausdrücken können, wurde von ihm nicht unterzeichnet. Erst während der Anhörung wurde diese "Declaration" von seinem Rechtsbeistand ausgefüllt und dem Beschwerdeführer zur Unterschrift kommentarlos hinübergeschoben und von diesem unterschrieben. Auf Nachfrage, ob er denn wisse, was er da gerade unterschrieben habe, antwortete er, dass er nachfragen werde. Insoweit ist also nicht von einer ernstlichen Ausreisebereitschaft auszugehen. Zudem hat er im Rahmen der Anhörung mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er Angst vor einer Abschiebung habe, weil er nicht nach Afrika zurück wolle, da er dort niemanden kenne. Sein standhaftes Leugnen, nie einen nigerianischen Pass bekommen zu haben, lässt auch die Zusicherung, sich nunmehr selbst um Papiere kümmern zu wollen, nicht als glaubhaft erscheinen.
- 16
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft sowohl am 17.01.2012 als auch am 30.01.2012 bei der Ausländerbehörde vorgesprochen hat, lässt den Haftgrund nicht entfallen. Wie der Beschwerdeführer im Rahmen der Anhörung durch die Beschwerdekammer vorgetragen hat, hat er nicht damit gerechnet, dass die Gefahr einer Abschiebung bestehen könnte, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer kurz zuvor bereits in Haft war und wieder entlassen wurde, ohne dass er nach Afrika abgeschoben worden war. Insoweit hat sich der Beschwerdeführer hier keineswegs einem Abschiebeverfahren stellen wollen. Er wollte vielmehr erneut seine Duldung verlängern lassen. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits einmal untergetaucht war, als er Angst hatte, abgeschoben zu werden, und er auch im Rahmen der Anhörung angab, Angst davor zu haben, wieder nach Afrika zu müssen, wird deutlich, dass der Verdacht begründet ist, dass der Beschwerdeführer gerade nicht bei der Behörde erschienen wäre, wenn er ernstlich mit der Möglichkeit einer bevorstehenden Abschiebung gerechnet hätte.
- 17
Nach alldem besteht der begründete Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer der Abschiebung entziehen will.
- 18
Die Anordnung der Sicherungshaft bis längstens 26.04.2012 ist verhältnismäßig. Nach Angaben der Ausländerbehörde ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer innerhalb dieser Zeit abgeschoben werden kann. Am 01.03.2012 wird er der Nigerianischen Botschaft vorgeführt werden, um Passersatzpapiere zu beschaffen. Deren Ausstellung wird nach Erfahrung der Ausländerbehörde ca. 4 Wochen dauern, hiernach ist eine Abschiebung innerhalb weniger Tage möglich, da nur noch ein Flug gebucht und eine Begleitung organisiert werden muss. Die Vorführung bei der Botschaft während der Untersuchungshaft hingegen war nicht möglich, da Vorsprachen bei der Nigerianischen Botschaft nur im Rahmen von Sammelterminen durchgeführt werden. Zudem war ein solcher Termin zunächst obsolet geworden, nachdem mitgeteilt worden war, dass dem Beschwerdeführer bereits ein Pass ausgehändigt worden war.
- 19
Die für die Abschiebung erforderliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft gem. § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wurde am 18.01.2012 erteilt, nachdem gegen den Beschwerdeführer öffentliche Klage wegen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (7163 Js 12670/11) sowie wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz (7163 Js 18659/11) vor dem Amtsgericht Landau, Zweigstelle Bad Bergzabern, erhoben ist.
- 20
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
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einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,